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Tödlicher Nachrichten Terror: Terror-Alarm in Berlin
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Tödlicher Nachrichten Terror: Terror-Alarm in Berlin
eBook332 Seiten4 Stunden

Tödlicher Nachrichten Terror: Terror-Alarm in Berlin

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Über dieses E-Book

Terror in Berlin.
Ein Thriller, der alle Gedankengrenzen deutlich erweitert; eine dubiose Wahrheit ist irgendwo verborgen. Die Familie Herzfelde gerät in den Strudel eines Komplotts, dessen Spuren weit in die Zeit des "Kalten Krieges" zurück gehen. Alte Stasiakten tauchen auf und beschreiben die Verbrechen einer westlichen Schattenarmee, deren Kontakte über eine Geheimloge in allerhöchste Kreise der Politik und Wirtschaft reichen. Kriminalkommissarin Többlin ermittelt, Geheimdienstler Schmidts beobachtet. Der krakenhafte Strudel der organisierten Kriminalität entblößt langsam den Schlund eines wahnsinnigen Geheimgurus.
"Jeder weiß etwas, aber nicht jeder weiß alles," lautet einer der geheimen Leitsätze innerhalb dieses elitären Vereins.
Als Helena Herzfelde und der Fotojournalist Rudi Jowella nacheinander unter mysteriösen Umständen verschwinden, gerät der TV-Autor Kotte Herzfelde in eine tiefe Krise. Warum läuft da auf einmal alles so aus dem Ruder? Plötzlich entdeckt er etwas Sonderbares: Er ist Besitzer von codierten Geheiminformationen, die er kurz vor Helenas Verschwinden von ihr bekommen hat. Sie sagte, ihre Schwester wünsche keine Polizei. Was meinte sie damit? Wer hat was zu verbergen und warum? Wo sind die Verknüpfungspunkte, die das mosaikartige Gesamtbild in den Fokus der Erkenntnis rücken? Langsam aber sicher tritt dann die verblüffende Wahrheit ans Tageslicht.
Auch die Instrumentalisierung der Medien, die sogenannte 'Strategie der Spannung', die den Terror als Mittel zum Zweck erkoren hat, wird thematisiert...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum19. Juli 2013
ISBN9783844249699
Tödlicher Nachrichten Terror: Terror-Alarm in Berlin
Autor

Frank von d. Hülst

Der Autor, Frank v. d. Hülst, geboren 1966 in Ostfriesland, lebt und arbeitet seit 1987 in Berlin. Buchveröffentlichungen, Thriller: Tödlicher Nachrichten Terror, 292 Seiten. Zum Repertoire gehören auch Kurzgeschichten, Theaterstücke und Essays. Seit 1999 Mitglied der vom Krimiautor Felix Huby gegründeten Autorengruppe : 'Rote Heringe'

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    Buchvorschau

    Tödlicher Nachrichten Terror - Frank von d. Hülst

    Der Autor,

    Frank von d. Hülst, geboren 1966 in Aurich, Ostfriesland, lebt und arbeitet seit 1987 in Berlin.

    Impressum

    Copyright: © 2013 Frank von der Hülst, Berlin

    Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    ISBN 978-3-8442-4969-9

    (Buchform: 978-3-8442-4198-3)

    1. Auflage

    Umschlaggestaltung

    © Frank von der Hülst, Berlin

    www.Hülst-2012.de

    Die Figuren und Handlungen, auch die Loge Thelema 11, sind frei erfunden. Einige Details der Geschichte entsprechen aber dennoch der Wahrheit.

    Gewidmet ist diese Geschichte

    den Opfern

    von Terror und Gewalt

    Montag: 20. September 1999

    RZ Terror in Potsdam

    Hinter einer mit Efeu bewachsenen Mauer, die die Grenze zwischen den Potsdamer Wohnbezirken und dem Stadtpark 'Neuer Garten' markierte, hockte ein schwarzgekleideter Mann mit einer Motorradmaske über dem Kopf. Sein Name: Nick. Er blickte hinab auf einen Monitor, der per Funk mit mehreren versteckten Kameras verbunden war.

    Jede kleinste Bewegung, die auf der anderen Seite der Mauer zu beobachten war, bemerkte er. Fußgänger, die einen Abendspaziergang unter dem Sternenhimmel machten, Autos, die im Schritttempo an den Villen vorbeifuhren, Fahrradfahrer, die ohne Licht unterwegs waren und Tiere, die ihre Reviere kennzeichneten.

    Nick wusste, dass er sich auf historischem Boden befand. Er hatte während der Vorbereitungsphase beiläufig auf einer öffentlichen Informationstafel gelesen, dass der Park mit den erhabenen Bauwerken auf Weisung von König Friedrich Wilhelm II. ab dem Jahre 1787 angelegt worden war, derselbe König, der ein Jahr später das Wahrzeichen Berlins, das Brandenburger Tor, in Auftrag gab. Auch das Gebäude, das er mit der dritten Kamera im Visier hatte, wurde im Auftrag des Hochadels errichtet und 1902 von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht. Seine Großmutter, Kaiserin Augusta, war die Stifterin der Institution, die dort einzog. Nachdem das Gebäude ursprünglich als Internat für Kriegswaisen gedient hatte, wurde es 1945 von den Alliierten beschlagnahmt und bis 1994 als Hauptquartier des russischen Geheimdienstes, KGB, genutzt. Danach fanden die leerstehenden Räume Verwendung für Ausstellungen unterschiedlicher Künstlergruppen.

    „Achtung, die Ameisen nähern sich dem Bau," flüsterte Nick durch die winzige Sprechvorrichtung vor seinem Mund.

    Direkt neben dem Eingang zum Park, versteckt hinter Büschen und der Mauer, empfing sein Komplize Rudi Jowella die Worte via Kopfhörer. Er hob eine Panzerfaust auf seine Schulter und flüsterte:„God save the bullet."

    Per Knopfdruck wechselte Nick das Kamerabild. Aus der Vogelperspektive konnte er nun die gepflasterte Auffahrt des Grundstücks und den pompösen Haupteingang des Gebäudes mit der breiten Treppe deutlich erkennen. „Die Potsdamer Kunstbanausen präsentieren," las er leise auf dem großen Pappschild, nur wenige Schritte vom Eingang entfernt, und plötzlich fuhren sie ins Bild, nacheinander, gemächlich und fast majestätisch, drei dunkle Limousinen; vor der Treppe blieben sie stehen. Ein Mann im dunklen Anzug stieg aus. Er blickte empor zum Balkon mit den vier tragenden Säulen und zog dabei kräftig an seiner grade erst angezündeten Zigarre.

    Nick beobachtete, wie er mit zwei Sicherheitsbeamten die Treppe hinaufging und hinter den beiden mittleren Säulen im Gebäude verschwand.

    „Achtung, flüsterte Nick, „die Vögel sind ausgeflogen. Das erste Nest ist leer.

    Plötzlich zischte es, ein lautes Krachen und die vordere Limousine brannte lichterloh. Die Räume des Erdgeschosses und die der ersten Etage verdunkelten sich. Zwei Personen, nur als Schatten zu erkennen, sprangen aus einem der unteren Fenster heraus und gingen flink hinter den gemauerten Pfeilern am Zaun in Deckung.

    Inzwischen hatte Nick den Monitor in die Büsche geworfen und rannte so schnell er konnte; die Phosphormarkierungen an einigen Bäumen zeigten ihm den genauen Fluchtweg. Ein bisschen mehr Training und ein paar Glimmstängel weniger hätten ihm jetzt von Nutzen sein können, dachte er sich, als er keuchend über die Sandwege und Rasenflächen sprintete. Auch Rudi schien leichte Konditionsprobleme zu haben, zumindest machten die hechelnden Atemgeräusche, die Nick via Kopfhörer wahrnahm, den Eindruck. Im Gegensatz zu ihm hatte Rudi jedoch den großen Vorteil, dass sein Weg zum Fluchtwagen deutlich kürzer war.

    „Verfluchte Mistkarre!", hörte Nick seinen Komplizen plötzlich schimpfen, dazu die stotternden Geräusche eines Motors.

    „Diese verdammte Scheißkiste springt nicht an!"

    „Keine Panik! Unser Zeitfenster ist noch im grünen Bereich."

    Augenblicke später erreichte auch er den Fluchtwagen. Rudi saß schweißgebadet hinter dem Lenkrad und schlug wütend mit beiden Fäusten gegen das Armaturenbrett. Hektisch drehte er erneut den Zündschlüssel herum und stampfte auf das Gaspedal.

    „Los! Spring an!"

    „Hast du den Choke gezogen?", fragte Nick und schaltete das umgebaute Autoradio an, um den Funkverkehr des Sicherheitsdienstes mitzuhören.

    „Ich hab den Choke schon fast aus dem Motor herausgezogen und trotzdem springt diese beknackte Karre nicht an!"

    „Lass uns die Plätze tauschen, schnell!", keuchte Nick und sprang aus dem Wagen. Er setzte sich hinters Steuer und startete einen erneuten Versuch, dann noch einen und noch einen, vergeblich, der Wagen sprang nicht an. Parallel dazu meldete die rauschende Stimme einer der Sicherheitskräfte aus den Lautsprechern des Radios, dass entfernte Startgeräusche eines Motors im Park zu hören seien.

    „Scheiße, Scheiße, Scheiße!, fluchte Rudi, „der muss hier schon ganz in der Nähe sein.

    „Locker bleiben, meinte Nick beschwichtigend, „wir haben noch unseren Plan B, also los: Kamera und Stativ aus dem Kofferraum raus, Spuren beseitigen und ab durch die Pampa!

    Als Rudi das Benzin aus dem Kanister auf den Sitzen verschüttete, brachte Nick schnell die TV-Ausrüstung etwas Abseits neben einem alten Edelkastanienbaum in Sicherheit.

    „Hab kein Feuer! Brauch dein Feuerzeug!", forderte er. Sekunden später brannte das Auto und beide eilten davon.

    „Du Idiot!, motzte Nick. „Hättest du nicht auch eine Benzinspur ziehen können, anstatt meinen goldenen Flammenwerfer in den Wagen zu schmeißen!?

    „Sorry! , schnaufte Rudi, „ich besorge dir ein Neues!

    ***

    Auf der Terrasse eines Mehrfamilienhauses, dessen Seiten mit einer hohen Hecke begrenzt waren, saß Kotte Herzfelde und las Zeitung. Schon während seiner frühen Schulzeit war aus dem Namen Konstantin die Kurzform Kotte geworden. Zuerst waren es zwei Freunde aus der Nachbarschaft, die ihn so nannten, später auch die Klassenkameraden, seine Grundschullehrerin und sogar seine eigene Mutter. Nur sein Vater, der den gleichen Vornamen trug, blieb beharrlich; gehörte er doch seit drei Generationen zur Familiengeschichte dazu. Traditionell wurde der Name Konstantin an den Erstgeborenen weitergeben. Einen Namen, den Kotte nicht so sehr mochte und daher zum großen Ärgernis seines Vaters damit brach; nicht nur bezogen auf seinen eigenen Vornamen, sondern besonders auch auf den seines Sohnes, den er Karlos nannte. Ihn so zu nennen, beruhte auf einer spontanen Entscheidung, die in der Geburtsstunde fiel: Er hörte auf dem Weg zur Klinik ein Stück des gleichnamigen Musikers Carlos Santana; es schallte mitten in der Nacht von einem buntbemalten Balkon herunter.

    Kotte war 40 Jahre alt, und er hatte bis zu seiner Erwerbslosigkeit als Journalist in Kriegs- und Krisengebieten gearbeitet. Ein Burnout-Syndrom aus einem schweren Trauma herrührend, zwang ihn dazu seinen Job aufzugeben. Während er die Zeitung in aller Ruhe Seite für Seite studierte, war von seinem Kopf nur seine dunkelblonde Haarpracht zu sehen, die am oberen Rand herausquoll. Hinter ihm, auf der großen Wiese am Ufer des Sees, spielten seine beiden Kinder. Karlos war zehn Jahre alt und seine Schwester Marie sechs. Sie warfen flache Steine ins Wasser und wetteiferten um die meisten Steinhüpfer, wie Karlos sie nannte. Drei Sprünge über die Wasseroberfläche waren gut, vier sehr gut und fünf sein Rekord.

    Helena, Kottes Ehefrau, öffnete die Terrassentür und kam mit zwei Kannen heraus, die sie auf den Tisch stellte.

    „Marie und Karlos!", rief sie und winkte den beiden Kindern zu. Sie kamen sofort herbeigeeilt und setzten sich an den Frühstückstisch, Marie neben Kotte und Karlos ihr direkt gegenüber.

    „Sooo, und nun gibt es erst mal einen leckeren Kakao für meine beiden kleinen durstigen Raubkatzen," sagte Helena und reichte den beiden jeweils eine Tasse entgegen.

    „Guck mal, ich hab ein Hi-Männchen auf meinem Brot," sagte Marie fröhlich und grinste ihren Bruder an. Karlos, frech wie er oft war, nahm die Ketchup-Tube und klatschte eine Portion auf das Lachgesicht der Brotscheibe.

    „Du meinst wohl ein Matsch-Männchen."

    „Du Schwein! Na warte!", schrie Marie und klatschte ihrem Bruder einen Löffel Marmelade auf sein Erdnussbutterbrot; ein Tropfen spritzte dabei so hoch, dass dieser an seiner Nase haften blieb.

    „Karlos hat eine rote Warze, auf der Nase," lästerte Marie.

    „Schluss jetzt!, tönte es hinter der Zeitung hervor. „Esst euer Brot auf und dann ab mit euch in die Schule!

    „Wir müssen sowieso erst um 11.00 Uhr da sein, heute ist doch Schulfest."

    Kotte blickte leicht gereizt über den Rand der Zeitung zu seinem Sohn hinüber; beide hatten die gleiche Haarfarbe, aber unterschiedliche Längen. Bei Karlos waren sie bereits weit über die Schulter gewachsen, bei Kotte nicht; auch die spitze Stupsnase hatte der Sohn vom Vater geerbt. Marie hingegen entsprach äußerlich eher ihrer Mutter. Abgesehen von Helenas roter Löwenmähne, die gefärbt war, hatten beide die gleichen leuchtend grünen Augen und die gleiche Kinnpartie.

    „So, so, um 11.00 Uhr müsst ihr erst in der Schule sein. Na gut, dann bitte in Ruhe aufessen und los gehts! Ich will hier keinen unnötigen Heckmeck am frühen Morgen haben. Klaro?"

    „Ja," sagte Karlos leise.

    „Bei dir auch, Marie?"

    „Er hat aber angefangen!"

    „Kein aber! Ihr werdet jetzt einen Friedensvertrag schließen und dann ab mit euch in die Schule."

    Kaum hatte Kotte sein Machtwort gesprochen, läutete es an der Tür.

    „Ich geh schon," sagte er und verschwand hinter der Flügeltür. Marie folgte ihm.

    An der Haustür stellte sich heraus, dass es der Gerichtsvollzieher war. Den hatte er völlig vergessen. Eine schriftliche Anmeldung hatte es zwar gegeben, doch irgendwie war dieser Termin im Chaos des vorangegangenen Wochenendes untergegangen. Völlig unvorbereitet ließ er den Gerichtsvollzieher in die Wohnung, gezwungenermaßen, und schleuste ihn zum Wohnzimmer hin. Gut wäre es gewesen, wenn er vorher noch einige Wertgegenstände in Sicherheit gebracht hätte, die neuwertige Stereoanlage zum Beispiel. Nun war es zu spät. Der Zahleneintreiber, wie Kotte ihn nannte, hatte bereits die Privatsphäre betreten und mit Argusaugen die Umgebung inspiziert. Bedächtig setzte er sich auf die dunkle Ledercouch.

    „Ich bekomme 27.800 D-Mark von ihnen. Können sie diese Summe jetzt bezahlen?"

    Er schüttelte seinen Kopf. Etwas widerwillig, zumindest machte es den Eindruck, kramte der Gerichtsvollzieher einige Formulare und 'Kuckuck-Aufkleber' aus seiner braunen Aktentasche hervor, die er auf dem ovalen Wohnzimmertisch ausbreitete. Er wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von seiner Halbglatze.

    „Ich weiß, mein Erscheinen wird sie sicherlich nicht unbedingt erfreuen, aber Job ist nun mal Job, wenn sie verstehen, was ich meine."

    „Schon klar," antwortete Kotte und furzte ungebremst in den neuen Ledersessel.

    „Heutzutage kann man sich seine Arbeit nicht mehr aussuchen, die Zeiten sind endgültig vorbei."

    „Wem sagen sie das?"

    „Aber seien sie sich sicher, sie sind nicht die Einzigen. Gerade in letzter Zeit hat es eine Zunahme von über 30 Prozent gegeben. Von A wie Anwaltskanzlei bis Z wie Zahnarztpraxis war alles dabei. Vor Insolvenz und Arbeitslosigkeit ist eben heutzutage fast niemand mehr sicher."

    „Na, da können sie ja froh sein, dass es solche Menschen wie mich gibt, meinte Kotte. „Denn unser Leid, ist ihr Brot.

    „So drastisch würde ich das jetzt nicht unbedingt ausdrücken wollen", erwiderte er und öffnete den obersten Knopf seines Hawaii-Hemdes.

    Für einen kurzen Augenblick schien es Kotte so, als ob er über den tieferen Sinn seines Handelns nachdenken würde. Vielleicht, so hoffte er, würde dieser Mensch jetzt einfach aufstehen, Fünfe gerade sein lassen und verschwinden, einfach so. Natürlich, es war nur ein Gedanke, nichts weiter als ein Wunschgedanke, bei dem es auch bleiben würde, wie sich dann herausstellte. Seinem autorisierten Routineauftrag folgend, fischte er beiläufig einen silbernen Kugelschreiber aus der Innentasche seiner schwarzen Lederjacke und beugte sich über die Formulare.

    „Ich bräuchte ihren vollständigen Namen, Geburtsdatum und ihre Berufsbezeichnung."

    Der Augenblick einer bitteren Wahrheit war gekommen. Kotte stand auf, machte zwei große Schritte und öffnete die Tür des antiken Wohnzimmerschranks.

    „Wollen sie auch einen Schnaps, Herr..., wie war noch mal ihr Name?"

    „Röst, antwortete der Gerichtsvollzieher. „Nein danke! Kein Alkohol bitte, ich bin im Dienst. Wenn es ihnen keine Umstände macht, dann bitte ein Glas kaltes Leitungswasser.

    Kotte ging zur Wohnzimmertür.

    „Marie!" , rief er hinaus.

    „Jaha, ertönte es leise unter dem Wohnzimmertisch. „Ach, da bist du.

    Sie kroch unter dem Tisch hervor und zog dabei ihr kleines Katzenbaby, dass sie in einen roten Wollpullover eingehüllt hatte, auf dem hellen Flokati hinter sich her.„Der Onkel möchte gerne Wasser trinken. Sei doch bitte so nett und hol eine Flasche aus dem Keller, ja? Du weißt ja, wo sie stehen."

    „Ja, weiß ich," murmelte Marie und schlenderte mit der Katze im Schlepp aus dem Zimmer.

    Im Korridor, bei der alten Kommode angekommen, platzierte sie ihr Katzenbaby darunter. Im Spiegel darüber imitierte sie ihren Vater, der auf einem der gerahmten Fotos zu erkennen war; sie streckte ihre Zunge heraus. Kotte hielt zusammen mit zwei Soldaten und dem Kameramann, seinem Schulfreund Rudi Jowella, ein Maschinengewehr hoch, aus dessen Lauf eine Blume ragte. Begeistert von der ungewohnten Mimik ihres Vaters, tänzelte Marie weiter in Richtung Kellertür.

    ***

    Der Raum war schmutzig und düster, fast quadratisch, ziemlich klein und hatte keine Fenster. Rudi Jowella saß an einem Tisch, die Lichtverhältnisse schwach und diffus. Er hatte sich wieder eine schwarze Motorradmaske über den Kopf gezogen und um die Augen zu verdecken, eine runde Sonnenbrille mit blauen Gläsern aufgesetzt. An seiner schwarzen Militärjacke, genau an der Stelle, die eigentlich für den Namen vorgesehen war, baumelte ein selbstgebastelter Orden: die Anarchistenauszeichnung in Rot.

    Hinter ihm an der Wand hing ein großes Plakat. Darauf deutlich zu erkennen das Logo der 'Revolutionären Zellen': ein großer roter fünfzackiger Stern, darin die beiden Buchstaben RZ. Rudi hob behäbig seinen Kopf und fing an zu reden:

    „Was die imperialistischen Abzocker und neoliberalen Politiker über die korrumpierten Mainstream Medien verbreiten, ist nicht das, was wir Menschen denken, sondern was wir denken sollen. Zu behaupten, dass das monopolyhafte Faschistenspiel, genannt Globalisierung, gut sei, bedeutet auch eine Tolerierung der Ausbeutung und Massenverelendung großer Bevölkerungsschichten und die zunehmende Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlage: der Natur. Diese Form der Tolerierung dürfen wir nicht tolerieren! Daher fordern wir den sofortigen Stopp des Turbo-Kapitalismus, die öffentliche Kontrolle und Regelung aller Private Equity Unternehmungen, die Abschaffung der Zinseszinsen, die sofortige Einstellung von Leerverkäufen und außerdem die Enteignung aller asozialen Hedge-Fond-Gewinne."

    Dann sprang Rudi auf. Er griff nach einem Buschmesser, das vor ihm auf dem Tisch lag und hielt es zu einer Drohgebärde hoch.

    „Ferner fordern wir..."

    „Stopp!", rief plötzlich eine zweite Stimme, die Stimme seines Komplizen Nick. Er stand hinter einer professionellen Beta SP TV Kamera und hatte Rudi in der Halbnahe im Sucher.

    „Irgendwie sieht die ganze Sache noch nicht echt genug aus. Wenn wir nicht als unterbelichtete Hobbyanarchisten auffliegen wollen, sollten wir die Geschichte mit dem Messer doch lieber weglassen, sagte er. „Es sieht einfach viel zu gekünstelt aus und irgendwie auch völlig bescheuert.

    „Wenn du meinst, dass ich bescheuert wirke, dann mach es doch selber!", schrie Rudi und riss sich die Motorradmaske vom Kopf, so dass seine wilde Mähne zum Vorschein kam. Seine dunklen Haare standen nach allen Seiten hin ab; sie waren etwas lockig und an der Stirn auch schon leicht schütter.

    „Ich hab keine Lust mehr! Wir haben diesen ganzen Scheiß bestimmt jetzt schon vierzig oder fünfzig mal aufgenommen. Mal mit Motorradmaske, mal mit der Maske eines Clowns, mal mit Sonnenbrille, mal ohne und jetzt hab ich die Schnauze voll vom Experimentieren. Es reicht! Jetzt kommst du dran! Ich bin Kameramann und kein unterbelichteter Bewusstlosquatscher!"

    Nach seiner Ausbildung als Fotograf hatte Rudi zunächst als Fotojournalist in Lateinamerika und im Irak gearbeitet. Ein paar Jahre später dann auch als Kameramann; den Umgang mit professionellen TV Kameras hatte er sich selber beigebracht. Da ihm sein Job allerdings schon mit Anfang dreißig so ziemlich auf die Nerven gegangen war, hatte er sich eine Frist gesetzt: Exakt für das Datum seines fünfunddreißigsten Geburtstags hatte er geplant, in ein Flugzeug zu steigen und seinen Job als Kameramann in Kriegsgebieten für immer an den Nagel zu hängen; und genauso hatte er es dann auch durchgezogen:

    Kurze Abschiedsparty im Hotel mit den Kollegen vom Fernsehen und anschließend sofort mit dem Auto zum nächsten Flughafen hin. Der Abflug begann mit einer zweimotorigen Cessna über die Steppe, fast einen ganzen Tag lang, danach Airport Casablanca und schließlich Flughafen Berlin Tegel. Ganze drei Jahre hatte er es sich dann ziemlich gut gehen lassen in Berlin, besonders in den Kneipen und Restaurants rund um den Mauerpark im Stadtteil Prenzlauer Berg. Bis sich seine persönliche Finanzkrise allmählich ankündigte, und er Nick kennenlernte, war jeder Tag ein Feiertag.

    Obwohl sein ehemaliger Arbeitskollege und Schulfreund Kotte Herzfelde in der selben Stadt wohnte wie er selber, sahen sie sich nur alle paar Monate auf ein Bier im Schwarzen Café in der Kantstraße. Die gemeinsamen Erlebnisse in Afrika wurden bei diesen Treffen aus einem bestimmten Grund kategorisch ausgeblendet, stattdessen wurde philosophiert und Schach gespielt. Rudi fragte sich oft, ob Kotte wohl sein schweres Trauma überwunden hatte, oder ob er es immer noch erfolgreich überspielte?

    ***

    Die Helligkeit des Mondes sorgte dafür, dass die Umrisse der Möbel im Schlafzimmer gut zu erkennen waren. Kotte lag wach neben Helena im gemeinsamen Ehebett und starrte aus dem Fenster auf die türkisfarbenen Punkte des tief dunklen Nachthimmels. Es sah alles so anheimelnd friedlich aus. Natürlich wusste er, dass dieser Schein trügte. In Wirklichkeit herrschte dort draußen ein eisiger Kampf. In jede beliebige Richtung so weit die technischen Möglichkeiten des Menschen reichten, und sie reichten immerhin viele Millionen Lichtjahre, nichts, aber auch gar nichts, was auf menschenähnliche Intelligenz hindeuten könnte, nur lebensfeindliche Umgebungen. Spekulationen gab es zwar viele, aber eben keine echten Beweise. Wie lächerlich klein wirkte angesichts dieser unvorstellbaren Größe doch das ganze menschliche Getue um Geld und Ansehen? Dachte sich Kotte und nahm ein Schlückchen aus seinem Weinglas.

    Auch Helena hatte ein Weinglas auf ihrem Nachttisch stehen. Wenngleich sie eigentlich nur an bestimmten Feiertagen oder Geburtstagen Alkohol trank, hatte sie sich an diesem Abend spontan dazu entschlossen, sich zusammen mit Kotte zu betrinken. Fast zwei Flaschen Wein und einige Gläser Absinth waren innerhalb weniger Stunden geleert worden. Während des laufenden Fernsehprogramms hatte sie sich schwankend einen gelben Plastikeimer neben ihr Bett gestellt und meinte, schon stark lallend, dass der Eimer nur für den Fall der Fälle sei. Kaum hatte sie sich wieder zugedeckt und den Bildschirm mit dem grade angefangenen Spielfilm wieder im Fokus gehabt, fielen ihr auch schon die Augen zu. Sie schnarchte leise und friedlich ihren Alkoholrausch aus. Helena war 37 Jahre alt und schlank. Sie war seit knapp 10 Jahren mit Kotte verheiratet, kannte ihn aber schon annähernd zwei Jahre länger. Damals hatte sie ihn angesprochen, an einer Bushaltestelle in Kreuzberg, Mehringdamm Ecke Yorkstraße. Sie hatte sich damals in einem Antiquariat grade ein Buch über Rennpferde in französischer Sprache gekauft. Ihre Schulkenntnisse reichten aber nicht mehr aus, um wirklich alle Wörter exakt verstehen zu können. Daher fragte sie Kotte, der zufälligerweise an der Bushaltestelle neben ihr stand, ob er französisch könne.

    „Ja, mindestens genauso gut wie du," antwortete Kotte und hielt sich den Bauch fest vor Lachen. Sein Lachen war dermaßen ansteckend gewesen, dass sie irgendwann einfach mitlachte, auch wenn es ihr im ersten Augenblick eher peinlich war. Dieses schräge Lachen hatte einfach irgendwie einen Klick bei ihr ausgelöst. Anschließend verabredeten sie sich miteinander und alles entwickelte sich so, wie es kommen musste: Sie wurden ein Paar.

    Während Kotte noch immer aus dem Fenster blickte und das Himmelsfirmament auf sich wirken ließ, rauschte im Hintergrund der Fernseher, das TV Programm war bereits zu Ende. Plötzlich kristallisierte sich aus dem Rauschen undeutliches Gemurmel hervor. Es riss ihn aus seiner Gedankenwelt heraus.

    „Nein..., nicht... nein, bitte nicht..."

    Kotte sah, dass Helena einen unruhigen Schlaf hatte. Als dieser an Intensität zunahm, schaltete er die Nachttischlampe an. Mit schweißnassen Haaren wälzte sie sich auf ihrem Kopfkissen hin und her.

    „Alles wird wieder gut", flüsterte Kotte und streichelte behutsam ihr Gesicht. Allmählich öffnete sie ihre Augen. Tränen liefen aus ihren Augenwinkeln heraus und versickerten im Kopfkissen.

    „Ich habe einen richtig miesen Traum gehabt, schluchzte sie. „Ich habe davon geträumt, dass die Polizei unsere Kinder wegnimmt. Helena hielt kurz inne und kämpfte gegen die Tränenflut an. „Am Ende kam dann so ein Typ auf mich zu und klatschte mir einen von diesen runden Aufklebern an die Stirn. Helena deutete auf den antiken Spiegelschrank, genau dorthin, wo der Gerichtsvollzieher seine Spuren hinterlassen hatte. „Und weißt du, was dieser Scheißkerl meinte? Er meinte, wer nicht zahlen könne, müsse sterben oder die Schuld in der Hölle abarbeiten.

    Helena fing bitterlich an zu weinen. Kotte umarmte sie, und hielt sie fest in seinen Armen.

    „Wir haben uns als sehr gutes Team und zusammen sind wir stark. Irgendwie werden wir da schon wieder raus kommen," flüsterte er.

    „Wie schlimm ist es eigentlich wirklich?"

    „Lass uns morgen darüber sprechen, ja?"

    „Lieber jetzt!"

    „Gut, wenn du es unbedingt wissen willst: Möglicherweise ist es fast so schlimm, wie dein Alptraum. Wir stehen kurz vor einer Zwangsversteigerung. Stille. Nur die Atmung und das leise Ticken eines Weckers waren zu hören. „Aber ich habe schon einen Plan, fügte er nach einer längeren Denkpause hinzu.

    „Was für einen Plan?"

    „Als du mit den Kindern im Badezimmer warst, habe ich meinen alten Kumpel Rudi angerufen und ein Treffen mit ihm vereinbart, und vielleicht kann er mir einen Job besorgen."

    „Rudi?!, entfuhr es Helena. „Ich denke der sitzt wegen Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft und ist völlig pleite?

    „Dachte ich auch, stimmt aber nicht! Dieser Halunke hat doch tatsächlich mit einem Kompagnon eine neue Firma gegründet."

    „Wie bitte?"

    „Ja wirklich, ohne Scheiß jetzt. Dieser Mann ist einfach nicht unterzukriegen, der hat richtig Power. Ich denke, ich werde morgen mal bei ihm reinschauen und guten Tag sagen. Du kannst ja mitkommen, wenn du willst?"

    ***

    BKA Büro, Zweigstelle Berlin

    Die beiden Beamten, Kriminaloberkommissarin Marion Töpplin, Mitarbeiterin des Bundeskriminalamtes Abteilung SG-U2 und Rainer Schmidts, Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, saßen in einem abgedunkelten Konferenzraum und schauten gespannt auf die Mattscheibe eines Fernsehgerätes. Als Vertreter ihrer jeweiligen Behörde studierten sie grade die neusten Schreckensmeldungen gesuchter Terroristen, die in den vorangegangenen Tagen über sämtliche Fernsehanstalten verbreitet worden waren. Ihr Tagesprogramm: Informationen auswerten und austauschen.

    Eine brennende Limousine vor dem Gebäude der Kaiserin Augusta Stiftung in Potsdam, einige Löschfahrzeuge der Feuerwehr, Polizeiautos und zahlreiche absichernde Polizeibeamte flimmerten als Bericht einer Nachrichtensendung über den Bildschirm. Kurz vor dem Ende der Aufzeichnung erhob sich Rainer Schmidts von seinem Platz und schlich sich auf Zehenspitzen zum Videorekorder hin. Er drückte auf die Stopptaste, als die Nachrichtensprecherin ins Bild kam.„Soweit die neuesten Meldungen," sagte er und schob eine zweite Videokassette ins Fach.

    „Nun zu den Bekennern dieses Terrorattentats."

    Mit verzerrter Stimme, schwarzer Motorradmaske und Sonnenbrille, erschien Nick auf dem Bildschirm. Er sagte: „Der Anschlag auf den Generalbundesanwalt war eine Aktion der Revolutionären Zellen." Der Bildausschnitt wackelte etwas, die Kamera zoomte näher an seinen Kopf heran; er nahm einen Schluck Wasser und fuhr fort:

    „Da die herrschende Sichtweise nicht die Sichtweise der Beherrschten ist, ist das Einzige was zählt der Widerstand, heute, morgen und übermorgen, wenn nötig bis zum letzten Atemzug. Wir

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