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Rock wie Hose: Auf der Suche nach dem Menschen hinter dem Geschlecht
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eBook244 Seiten3 Stunden

Rock wie Hose: Auf der Suche nach dem Menschen hinter dem Geschlecht

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Über dieses E-Book

Holger Hähle arbeitet als Lehrer am College einer Universität in Taiwan. Für einen Karnevalsspaß seiner Schüler hielt er einen Unterricht in der Schuluniform der Mädchen. Das war ein einschneidendes Erlebnis, denn in der tropischen Hitze Taiwans war es sehr bequem den Schulrock zu tragen. Wieso kann Mann das nicht öfter machen? Noch in der letzten chinesischen Qing-Dynastie war den Lehrern ein Dienstkleid vorgeschrieben. Wieso steht diesem pragmatischen Wunsch, wie so oft im Leben unser Geschlecht im Weg? Was macht es so schwer, einfach nur Mensch zu sein? Schon die Frauen mussten für ein Recht auf Hosen kämpfen. Das Buch beschreibt, wie sehr Geschlechterrollen unser Leben durchdringen bis in die nichtsexuellen Beziehungen und welchen Einfluß Kleidung dabei hat. Es fordert mehr Freiheit für den Menschen in uns. Auf dem Weg zu mehr Gleichheit und Unisex kann Männern heutzutage manchmal auch ein Rock helfen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum4. Juni 2016
ISBN9783738072525
Rock wie Hose: Auf der Suche nach dem Menschen hinter dem Geschlecht

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    Buchvorschau

    Rock wie Hose - Holger Hähle

    Vorwort

    Eigentlich sollte es eine der Fragen sein, die die Welt nur am Rande interessiert. Was ziehe ich an? Das ist doch nur mir wichtig für das ganz persönliche Wohlgefühl und vielleicht noch für meine Freundin. Tatsächlich sind aber Schüler schon von Schulen verwiesen worden und wurde Arbeitnehmern gekündigt, wenn sie mit den allgemeinen Bekleidungsgewohnheiten brachen. Dabei gibt es bei uns für Privatpersonen keine vorgeschriebene, geschlechtsspezifische Kleiderordnung. Wir sind frei in unserer Kleiderwahl. Für alle gilt Bekleidungsfreiheit. Warum nimmt dann die Öffentlichkeit Anteil daran, was wir anziehen?

    Am Anfang war der Rock. Er hat über Jahrtausende unsere Modegeschichte bestimmt. In jeder alten Kultur wurde er getragen. Es hat ein paar tausend Jahre gebraucht, überhaupt die Hose zu erfinden. Bis dahin hatten die Männer kein Problem damit, ein Patriarchat im Rock zu etablieren. Trotzdem ist der Rock heute überwiegend weiblich und trennt die Geschlechter. Wie geht so etwas? Muss das so sein? Ist das ein Fortschritt? Feiern wir nicht gerade als moderne Menschen unsere Freiheit und Gleichheit? Hat sich das Verhältnis zwischen Frauen und Männern nicht auch deswegen verbessert, weil wir unsere Gemeinsamkeiten immer mehr entdecken? Wieso schränken wir uns dann durch die Bekleidung weiter ein?

    Viele Dinge, und die Kleiderwahl gehört dazu, werden uns als weiblich oder männlich präsentiert, obwohl sie im intrinsischen Sinne nichts mit einer Geschlechtlichkeit zu tun haben. Ihr Status kommt durch sozio-kulturelle Vereinbarungen zustande. Sie repräsentieren das Empfinden der Bevölkerungsmehrheit einer Epoche. Im Laufe der Geschichte kann das Volksempfinden sehr variieren.

    Solche Konventionen engen unsere Freiheit ein. Die Freiheitsberaubung geht dort besonders weit, wo ein enges Rollenverständnis von den Geschlechtern verlangt wird und Zuwiderhandlungen zu sozialer Ächtung führen. Da solche Regeln fast immer ohne Bezug zu biologischen Notwendigkeiten stehen, könnten wir sehr gut ohne diesen Ballast leben. Es wäre eine Befreiung von unnötiger Sexualisierung, vergleichbar dem Kampf der Frauen, Hosen tragen zu dürfen.

    Heute kann man es kaum glauben, dafür ist es viel zu selbstverständlich geworden, aber die Forderung nach Frauenhosen musste gegen massiven Widerstand über Jahrzehnte langwierig erstritten werden. Heute tragen sogar katholische Ordensfrauen Hosen. Das hätte in den sechziger Jahren kein Priester geduldet.

    Warum setzte sich im antiken Rom die Hose für Männer erst sehr spät und nach erheblichen Widerständen durch? Warum gilt eben nicht das Prinzip Jacke wie Hose oder in diesem Fall Rock wie Hose? Während des größten Teils unserer Kulturgeschichte haben Frauen und Männer gemeinsam Röcke und Kleider getragen. Warum sind sie heute zum Privileg der Frauen und teilweise zum Tabu für Männer geworden?

    Auch logische Argumente zum Thema Rock für Frauen und Männer will man oft nicht hören, obwohl Röcke bei sommerlichem Wetter sehr bequem sein können. Durchgeschwitzte Hosen kleben an den Beinen. Das Gleiche habe ich im Rock nie erlebt. Eine öffentliche Diskussion hierüber gibt es entweder nicht oder sie schwenkt gleich emotional weiter, um leidenschaftlich festzustellen, dass Röcke, wider der tatsächlichen Historie, nur für Frauen gemacht sind. Der Rock zementiert heutzutage Geschlechtszugehörigkeit, die Hose auf den ersten Blick nicht mehr.

    Heute dürfen Frauen Röcke und Hosen tragen, Männer aber nur noch bestimmte Hosen. Kritisch sind alle Hosen für Männer, die zu weit geschnitten sind, einen zu tiefen Schritt haben oder sehr bunt oder gar blumig gemustert sind. Die Hose ist nicht mehr ein Zeichen für Männlichkeit. Frauen fühlen sich in Jeans absolut weiblich. Männer, die glauben, dass umgekehrt das Gleiche für sie gilt, wenn sie z.B. den H&M-Rock aus der MenTrend Kollektion von 2010 tragen, irren. Sie fallen auf, werden behelligt und manchmal belästigt. In den Augen vieler Unwissender sind sie entweder schwul oder im falschen Geschlecht. Aber waren Roms Legionen, die ein Imperium in Kriegen brutal erschufen, ein Haufen berockter Schwuchteln?

    Bekleidung ist immer kultureller Ausdruck von Zeitgeist. Sie ist das Werk gesellschaftlicher Regeln und Normen. Die sind extrem wandelbar. Es gibt keinen biologischen Zusammenhang zwischen Bekleidung und Geschlechtsidentität oder sexueller Orientierung, der wissenschaftlich belastbar ist. Jede Männerkleidung kann heute von Frauen getragen werden. Das hat die Frauen nicht verändert. Und auch meine freiere Auslegung der Geschlechterrollen hat mich weder als Familienvater noch in meiner Beziehung zu meiner Frau verändert. Ich ziehe lediglich an, was ich als bequem empfinde und meinem individuellen Geschmack entspricht. Was macht meine Kleiderwahl für die Gesellschaft so wichtig? Warum ist es für andere, die nicht mal meinen Namen kennen, so bedeutend, was ich anziehe? Wenn ich aus aktuellen Geschlechterrollen ausbreche, weil sie mich als Mensch und Individuum einschränken, kommt es zu irritierten Reaktionen und teilweise verrückten Unterstellungen, die mit wenig Wissen aber um so größerer Überzeugung vertreten werden.

    Geschlechterrollen beruhen ganz überwiegend auf Konventionen, die sich im Laufe der Geschichte immer wieder verändert und zwischendurch auch schon mal ins Gegenteil verkehrt haben. Macht sie das nicht willkürlich? Warum folgen wir ihnen?

    Als ich einen Rock anzog, weil ich meiner Schul klasse versprochen hatte, mich zum Karneval in der Schuluniform der Mädchen zu verkleiden, hatte ich Bauchschmerzen. Mein Bauchgefühl schrie geradezu: ‚Mach das bloß nicht.‘ Nur mit Mühe konnte sich mein Verstand durchsetzen. Ich hatte zugesagt und man hält doch sein Wort. Woher kam dies Bedürfnis, in vorauseilendem Gehorsam nicht mit einer Gesellschaftsregel zu brechen, die absolut unverbindlich ist?

    Unser evolutionäres Erbe als Rudeltier lebt in uns. Unsere Instinkte begrüßen gruppenkonformes Verhalten. Wir sind unter Umständen für das Bestehen vieler Konventionen mitverantwortlich. Wenn wir die Gesellschaft weiterentwickeln wollen, müssen wir uns diesen Instinkten und Prägungen stellen, indem wir ihre Gültigkeit hinterfragen.

    Es ist bemerkenswert, wie ein Kleidungsstück zur falschen Zeit, am falschen Ort, am falschen Körper für Aufregung sorgt. Von wegen, der Rock ist nur Ausdruck des persönlichen Geschmacks. In Abwandlung eines Zitats aus dem Gedicht Sacred Emily von Gertrude Stein muss ich feststellen: Ein Rock ist kein Rock ist kein Rock.

    Ich will wissen, wie frei wir in unseren Entscheidungen dort sind, wo wir durch die Gesellschaft so geprägt werden, dass ein gesellschaftskonformer Verhaltensdruck entsteht. Wenn mir schon, trotz logischer Argumente, die Entscheidung für Rock oder Hose schwerfällt, wie sieht es dann mit den großen, gesellschaftspolitischen Entscheidungen aus, die beizeiten über Krieg und Frieden entscheiden? Wenn wir schon bei kleinen Herausforderungen ins Schwitzen kommen, können wir dann trotzdem Großes bewegen? Wie unabhängig und frei bin ich in meinen Entscheidungen? Wie viele Deutsche haben in den dreißiger Jahren Schlimmes heraufziehen sehen, aber geschwiegen, weil es ihrer Prägung zu gesellschaftskonformen Verhalten widersprach? War die vielleicht selbstverschuldete Unfreiheit der schweigenden Mehrheit das größere Übel?

    Die Frage: ‚Rock oder Hose?‘, ist mir zu allererst eine Frage des persönlichen Geschmacks und der Bequemlichkeit. Bei sommerlichen Temperaturen ist ein weitgeschnittener Rock bequemer als jede Hose. Aber als Mann muss ich mich bei der Entscheidung Rock statt Hose ganz im Gegensatz zu Frauen rechtfertigen. Praktische Vorteile werden nicht so einfach akzeptiert. Der Rock für Männer ist heute ein Politikum. Ich behaupte: Männer müssen genauso wenig eine Frau werden um Rock zu tragen, wie Frauen nicht Männer werden mussten, um das Recht auf Hosen durchzusetzen.

    Dies Buch ist ein Plädoyer für eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Regeln, von denen wir unser Leben bestimmen lassen. Eine regelmäßige Evaluation hilft, sie zeitgemäß auszurichten, um sie unseren Bedürfnissen exakter anzupassen oder gegebenfalls ersatzlos zu streichen. Konventionen dienen dazu, uns das Leben leicht und friedlich zu machen, und nicht umgekehrt. Wir dienen nicht den Konventionen, damit sie uns als Mensch einschränken. Zuerst kommt der Mensch und dann seine Geschlechtlichkeit. Männer und Frauen verbindet mehr, als dass uns geschlechtliche Merkmale trennen. Dass wir das häufig anders wahrnehmen, liegt an unserer unkritischen oder passiven Zustimmung zu einer gewohnten Rollenverteilung, die trennt, statt auf das gemeinsame menschliche Potenzial zu fokussieren. Ich bin überzeugt, der Rock für Männer kann wie die Hose für Frauen zu mehr Normalität zwischen den Geschlechtern beitragen. Als Mensch ertrage ich es jedenfalls nicht, auf das Mannsein reduziert zu werden.

    01 Ein Karnevalsspaß mit Nachspiel

    In Deutschland ist Karnevalssaison. In den Hochburgen regieren die Jecken. Gestern war Rosenmontag. Wie jedes Jahr zogen bunte Umzüge durch die Innenstädte. Ich sichte die Beiträge in den Medien und bei YouTube. Auch in diesem Jahr will ich die Karnevalsimpressionen zu einem kleinen Film zusammenschneiden und meinen Schülern und Studenten zeigen. Die sind immer sehr neugierig auf deutsches Kulturgut und alles, was von kulturellen Unterschieden zeugt, je verrückter desto besser. Ich bin mir sicher, dass ihnen mein Spezialunterricht zum Karneval gefallen wird.

    Deutsche Feiertage, Traditionen und Zeitgeist baue ich gerne in meinen Unterricht ein. Weihnachten war der letzte Höhepunkt. Bei meiner Mutter hatte ich dafür Weihnachtskalender bestellt. Als die hier in Taiwan ankamen, war die Schokolade teilweise ausgelaufen. Der Begeisterung tat das keinen Abbruch. Mit großer Neugierde öffneten die Schüler die Kläppchen, um zu schauen, ob dahinter eine Kerze, ein Stern oder anderes steckte. Solche Aktionen beleben meinen Unterricht. Sie geben der deutschen Sprache, die hier gelernt wird, ein Gesicht.

    Weil meine Schüler neugierig sind auf Deutsch als Sprache und auf das ganze Drumherum, haben sie sich für das Wenzao Ursuline College of Languages in Kaohsiung entschieden. Hier in Taiwan sind wir die einzige Bildungsinstitution, die eine Sprachfachschule mit einem College verbindet. Seit 2014 gehört auch eine Universität für Fremdsprachen zum Campus. Der erfolgreiche Besuch des fünfjährigen College endet mit dem Associate of Arts. Der Abschluss qualifiziert für ein verkürztes zweijähriges Fachhochschulstudium, das mit einem Bachelor of Arts abgeschlossen werden kann. Externe hochschulberechtigte Bewerber für ein Sprachenstudium an der Wenzao-Universität haben acht Semester reguläre Studienzeit vor sich. Neben Deutsch können als Hauptfach Englisch, Japanisch, Französisch und Spanisch belegt werden. Im Nebenfach sind weitere Sprachen wie Russisch oder Vietnamesisch möglich.

    Abb. 01: Foto vom Wenzao-Campus

    Als eine Gründung des Ursulinenordens sind wir eine katholische Privatschule bzw. private Fachhochschule. Von 1966-1980 wurden ausschließlich Mädchen und Frauen unterrichtet. Nach Abstimmung mit der Kultusbehörde werden seit 1980 auch Jungen aufgenommen. Aktuell liegt der Frauenanteil bei ungefähr neunzig Prozent.

    Seit vier Jahren unterrichte ich mit meiner Frau in Kaohsiung, der zweitgrößten Stadt Taiwans, im Süden der Insel. Die Stadt kannte ich bereits von Familienbesuchen. Meine Frau hat hier ihre Kindheit verlebt. Ich hatte also eine ungefähre Vorstellung darüber, was für eine Umgebung mich erwartet.

    Ich bin gerne hier. Alles ist sehr ähnlich. Wenn nicht überall Neonreklamen und Geschäftsschilder in chinesischen Schriftzeichen zu sehen wären, könnte Kaohsiung auch eine Stadt in Europa sein. Dass ich in Taiwan nichts vermisse, merke ich auch an der Struktur des Gesundheitswesens. Bei jedem Arztbesuch ist eine Eigenbeteiligung zu leisten, die der deutschen Praxisgebühr gleicht.

    Unterschiedlich, aber sehr angenehm ist das Klima. Es ist nicht so wechselhaft, wie ich es aus Norddeutschland kenne. Auch ist es nie kalt. Ich kann sogar im Winter im Meer schwimmen. Die Meerestemperatur schwankt übers Jahr zwischen 22 und 30 Grad Celsius. Ich habe ein Paradies zum Wellenreiten fast vor der Haustür, mit echten Dünungswellen statt Windseen wie in der Nordsee. Neopren wird absolut nicht gebraucht.

    Wegen der tropischen Temperaturen werden überall Klimaanlagen eingesetzt. In Wenzao gibt es in jedem Klassenzimmer eine Klimaanlage. Man muss eine Guthabenkarte einstecken, um sie anzuschalten. Die Schüler kaufen die Karten gemeinschaftlich und stimmen ab, ob sie die Klimaanlage benutzen wollen oder nicht. Nur im Winter, wenn die Temperaturen unter dreißig Grad liegen, höre ich öfter ein „Nein". Unterricht ohne Klimaanlage fällt mir schwer. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit ist man sehr schnell durchgeschwitzt. Jetzt im Frühjahr ist es mit durchschnittlich 26 Grad etwas milder.

    In zwei Klassen des fünfjährigen College werde ich heute meine Karnevalsfolien präsentieren. Zum ersten Mal habe ich das vor vier Jahren gemacht. Damals in der Abschlussklasse. Damals wie heute erzähle ich von den christlichen und den heidnischen Ursprüngen des Karnevals. Ich stelle die unterschiedlichen Traditionen vor und vergleiche die Umzüge von Rio de Janeiro und Venedig sowie vom rheinischen und alemannischen Karneval.

    Je nach Jahrgangsstufe verbinde ich das Thema mit grammatischen Übungen. Auf einem Slide zeige ich verschiedene Kostümierungen. Zwei Bilder zeigen den CSU-Landespolitiker Markus Söder. Seine Verkleidungen sind sehr gelungen. Ich persönlich mag die Verkleidung als Punk besonders. Der Kontrast beeindruckt gerade bei einem konservativen Politiker. Auf einem anderen Bild zeige ich ihn in einem weißen Kleid als Marylin Monroe. Die Schüler müssen dazu Fragen beantworten:

    Welches Kostüm gefällt Ihnen am besten?

    Welches Kostüm würden Sie selbst gerne zum Karneval anziehen?

    Welches Kostüm empfehlen Sie ihrem Nachbarn?

    Welches Kostüm empfehlen Sie dem Lehrer?

    Einige Schüler wählen für sich die Schuluniform. Sie glauben, sie könnten so zum Rosenmontag gehen. Also erkläre ich ihnen, dass für sie Schuluniform, wie an allen Schulen des Landes zur Alltagskleidung der Schüler gehört. Genauso sei eine Polizeiuniform für einen Polizisten auch keine Verkleidung. Erst wenn ein Polizist eine Schuluniform und ein Schüler eine Polizeiuniform anziehen, können beide zum Karneval gehen. Daraufhin gibt es Gelächter und ich merke, die haben den Unterschied verstanden.

    Abb. 02: PPT-Folie mit einer Auswahl von Kostümierungen

    Mit dem Ende der sechsjährigen Grundschule werden Schuluniformen an allen weiterführenden Schulen zur Pflicht. Das gilt für private und öffentliche Schulen. Die Schuluniform soll einerseits die sozialen Unterschiede aufheben, andererseits sollen die traditionellen Geschlechterrollen reproduziert und festgeschrieben werden. Daher gilt für die Mädchen Rockzwang. In Wenzao tragen die Jungen eine lange, dunkle Hose mit einem weißen Hemd und spitzem Kragen. Auf der Brusttasche ist die Schülernummer mit dem Schulwappen eingestickt. Die Mädchen tragen Blusen mit rundem Kragen und dazu eine Schleife am Kragenknopf. Der Einheitsrock für die Mädchen ist ein knielanger Faltenrock mit typisch schottischem Tartan in Blau, Grau und Rot, so wie auf dem Umschlagfoto abgebildet. Heute ist das Schottenkaro ein verbreitetes Muster für Schulröcke in ganz Taiwan. Ursprünglich gab es das nur in Wenzao. Die Idee kam von einer Ordensschwester aus England. Mit dem kiltähnlichen Faltenrock wollten die Nonnen einen Kontrast setzen zu den damals verbreiteten militärisch ausgerichteten Schuluniformen in braunen Khaki-Tönen und Marineblau.

    Seit einigen Jahren dürfen die Mädchen im Winter auch Hosen tragen. Dazu braucht es einen einfachen Antrag. Eine Prüfung der Begründung findet nicht mehr statt. Früher konnten nur z.B. Körperbehinderte so einen Antrag mit Aussicht auf Erfolg stellen. Heute kann jedes Mädchen den Antrag stellen. Die Möglichkeit auch eine Hose zu tragen, wird aber kaum genutzt. Auf meine Nachfragen sagten mir Schülerinnen, dass ihre Mütter das so wünschten, weil ein Rock für angehende Damen ordentlicher ist. Bemerkenswert ist der Kommentar einer Schülerin, die sagte: „Röcke sind etwas Besonderes. Schon im alten China waren Hosen für die Bauern da. Die Beamten bis hin zum Kaiser trugen Kleider. Das ist vornehmer." Mich erinnert das an einen indonesischen Studenten, der in einem anderen Zusammenhang bemerkte, dass die muslimischen Männer sehr darauf achten, sich bei feierlichen Anlässen angemessen im Sarong zu kleiden. Dafür käme nur der traditionelle Wickelrock infrage, weil Hosen zu ordinär sind.

    Die Jungs haben meist keine Beziehung zu ihrer Uniform. Sie ziehen sie an und fertig. Einige Frauen hassen ihre Uniform wegen der Rockpflicht, die früher auch an kälteren Tagen keine Ausnahme duldete. Viele Frauen lieben ihre Uniform und heben sie später als Erinnerung an die Schulzeit auf. Alle Lehrerinnen, die ich in meinem Kollegium frage, bestätigen, dass sie noch eine alte Schuluniform zu Hause hängen haben.

    Die Kostümwahl der Schüler in meinem kleinen Karnevalsspiel folgt überwiegend den gewohnten Geschlechterrollen. Als Kind fand ich für mich auch nur Indianer- oder Piraten-Verkleidungen passend. Vielleicht haben sich aber die Zeiten ein wenig geändert. Einige Mädchen wählen das Popeye-Kostüm und einige Jungen stimmen für das Feen-Kostüm. Das Prinzip der grundsätzlichen Kostümfreiheit haben sie also erkannt. Ich frage mich, ob das am Söder als Marylin Monroe liegt?

    Für den Lehrer werden querbeet fast alle Auswahlmöglichkeiten empfohlen. Einige Schüler wollen mir etwas Passendes aussuchen. Sie begründen die Entscheidung für Popeye mit meiner Schwimmerfigur. Andere suchen den kulturellen Brückenschlag und empfehlen mir einen Sun-Yat-Sen-Anzug oder einen Kimono. Eine letzte Gruppe mag es lustig. Sie suchen den Kontrast zum Gewohnten. Sie wollen zu Karneval den Lehrer in der Schuluniform sehen - natürlich in der Uniform der Mädchen.

    Das ist der Moment, wo ich jedes Mal lächle und herausstelle,

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