Altern ist (k)eine Achterbahn: Mein Gespräch mit Gott
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Über dieses E-Book
Diese Streitschrift will bei aller Kritik und ungeschönten Wahrhaftigkeit Männern (und vielleicht auch Frauen) Mut machen, ihr Altern anzunehmen als eine Lebensphase, die ihren, wenngleich manchmal auch verborgenen Sinn hat! Sie wird auf jeden Fall begleitet von demjenigen, den der Verfasser den Barmherzigen nennt.
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Buchvorschau
Altern ist (k)eine Achterbahn - Hans-Georg Wiedemann
Hinweis zum Autor
Hans-Georg Wiedemann wurde 1936 in Berlin geboren; er studierte Jura und Theologie, promovierte in praktischer Theologie, war theologischer Assistent in Göttingen. Von 1973 bis 2001 war er Gemeindepfarrer in Düsseldorf; er arbeitete auch als Lebens- und Sexualberater, schrieb Bücher und Artikel über sexualethische Themen und war einige Jahre wissenschaftlicher Leiter der »Gesellschaft für Tiefenpsychologie«.
Über dieses Buch
Nur wer jung stirbt, muss nicht altern. Das Älterwerden bedeutet für jeden Menschen eine Herausforderung, eine bisweilen schmerzliche Aufgabe, die durch große innere und äußere Veränderungen geprägt sein kann. Hans-Georg Wiedemann beschreibt diesen Prozess bewusst als Mann in Auseinandersetzung mit überlieferten Männerbildern. Er tut dies in Gestalt eines Monologs mit Gott. Seine sehr persönlichen Worte sprechen vermutlich vielen anderen Männern aus dem Herzen, auch solchen, die es vor anderen nicht zugeben würden.
Diese Streitschrift will bei aller Kritik und ungeschönten Wahrhaftigkeit Männern (und vielleicht auch Frauen) Mut machen, ihr Altern anzunehmen als eine Lebensphase, die ihren, wenngleich manchmal auch verborgenen Sinn hat! Sie wird auf jeden Fall begleitet von demjenigen, den der Verfasser den Barmherzigen nennt.
1. Vorbemerkung
»Über das Alter hat noch nie jemand die Wahrheit gesagt.« Martin Walser in einem Interview zu seinem 85. Geburtstag
Ich schreibe diesen Monolog zu Gott ausdrücklich als Mann, weil ich glaube, dass Frauen anders altern als Männer, und zwar aus folgenden Gründen:
lFrauen haben eine andere Beziehung zu ihrem Körper als Männer;
l Frauen sind nicht einem solch rigiden gesellschaftlichen »Vorbild« ausgeliefert wie wir Männer durch das überlieferte Männerbild, das uns schon früh geprägt hat;
l Frauen haben oft ein persönlicheres Beziehungsnetz aufgebaut, das sie auch noch im Alter begleitet;
l berufstätige Frauen sind zwar auch mit ihrem Beruf identifiziert, aber sie sind es oft weniger total als Männer. Von ihnen –muss man seltener sagen: Der Beruf hat die Frau, sondern man kann sagen, die Frau hat einen Beruf. Darum bleibt für Frauen neben Beruf und Arbeit noch immer ein Bereich »anderes Leben« geöffnet. Sie sind darum weniger als Männer in der Gefahr, mit dem Wegfall ihres Berufes durch den Ruhestand in eine totale Identitätskrise zu geraten.
Vielleicht können sich aber in meinen Bemerkungen auch einige Frauen wiederfinden. Das würde mich freuen, denn ich denke, dass Frauen und Männer auch im gemeinsamen Altwerden voneinander lernen können – gerade in ihrer bleibenden Verschiedenheit.
2. Barmherziger
Barmherziger, ich rede dich so an, weil ich mich entschieden habe, dich mir so vorzustellen, wie Jesus in seinem Gleichnis vom verlorenen Sohn die Gestalt des auf seinen Sohn wartenden Vaters geschildert hat. Wenn ich sage, dass ich mich dafür entschieden habe, heißt das auch, dass ich nichts habe als ein Bild von dir. Ich habe keine Gewissheit darüber, wer du in Wirklichkeit bist und ob du überhaupt bist. Ich habe nichts als die Sehnsucht meiner Seele, dass es dich geben möge. Dass es dich für mich geben möge, und zwar in der Gestalt eines Vaters, der an mich denkt, der auf mich achtet, ja sogar, der sich nach mir sehnt und mich am Ende meines Lebenslaufs in seine Arme nimmt. Vorbehaltlos, ohne Wenn und Aber. Ich weiß, das ist das Bild meiner Seele. Man kann sagen, dass das ein Wunschbild ist, aber es ist ja ganz real in mir. Und warum sollte ich nicht davon ausgehen, dass dieses Bild dir auch entspricht? Es ist unter den vielen Bildern, die sich Menschen zu allen Zeiten von dir gemacht haben – von der Bibel bis hin zu den abstrakten Bildern der Philosophen –, das Bild, das ich mit demjenigen, das Jesus von dir hatte, identifizieren kann! Ob du nun der bist, der sich hinter diesem Bild verbirgt, weiß ich natürlich nicht. Aber es kommt dem Bedürfnis meiner Seele am nächsten, und darum kann ich auch zu dir reden und dich den Barmherzigen nennen. Ich kann dir anvertrauen, wie es mir als altem Mann geht, der den größten Teil seines Lebens hinter sich hat. So gewinne ich den Mut, über meine Einschränkungen im Alter, über meine Gefühle, meine Erfahrungen, meine Ängste, meine Zweifel und meine Hoffnungen zu dir zu reden!
3. Einschränkungen
Die Einschränkungen, die ich spüre, sind nicht nur bedingt durch mein Alter – ich bin jetzt 75 Jahre alt –, sondern auch durch eine Krankheit, die mich körperlich sehr eingeschränkt hat (ich hatte einen Schlaganfall), sodass ich vieles, was ich früher gekonnt habe, nun nicht mehr kann. Das betrifft besonders meine Mobilität, die früher ein Quell der Freude für mich war: Neues von der Welt sehen, Entdeckungen machen, von Bergen herunterschauen, im Meer schwimmen und vieles andere. Diese Welt ist schön, aber mit gekrümmtem Rücken und mit Stock oder Krücke doch nur sehr eingeschränkt zu genießen. Der »aufrechte Gang«, von dem in der Bibel oft die Rede ist, etwa im Gleichnis Jesu von der gekrümmten Frau, ist natürlich auch eine innere Haltung. Als Mann habe ich, wie viele andere Männer auch, den aufrechten Gang irgendwie verinnerlicht.
Einschränkungen, die durch mein Alter bedingt sind, gibt es natürlich auch noch andere. Dass ich öfter Mühe habe, mich an Namen zu erinnern, oder dass mir manche Begriffe nicht so schnell einfallen und ich viel zu lange grübeln muss, das macht mich nervös und vergrößert die Angst vor der Demenz, von der heute im Blick auf die zunehmende Anzahl alter Menschen ständig die Rede ist. Wie sollen wir, Barmherziger, damit umgehen? Vielleicht hilft uns