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Finisterre: Eine Spurensuche
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eBook336 Seiten4 Stunden

Finisterre: Eine Spurensuche

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Über dieses E-Book

Wie weit gehst du, um deine Frau zu retten?
Die Frage muss sich Pascal Lambert stellen, als Leonie, seine Frau, einen Tag nach der Ankunft in ihrem Urlaubsort – einem mysteriösen, fremdenfeindlichen Bergdorf – verschwindet.
Auch der Ehemann von Sophie Dumont, einer Belgierin und einzigem anderen Gast in dem Hotel in dem vergessenen Dorf am Ende der Welt, ist von einer Bergtour nicht zurückgekehrt. Bei ihrer Suche kommen Pascal und Sophie dem Geheimnis, welches das Dorf mit aller Macht zu schützen versucht, auf die Spur. Ehe sie sich versehen, ist ihr Leben in höchster Gefahr.
Was können der mit den Ermittlungen beauftragte Kommissar Aubert und der geheimnisvolle Privatermittler Faucon am Ende der Welt ausrichten? Können sie die gewaltige Mauer des Schweigens durchbrechen? Wer steckt hinten den Ereignissen?
Die Ermittlungen führen in die Welt geheimer Mächte.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum25. Feb. 2016
ISBN9783738062977
Finisterre: Eine Spurensuche

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    Buchvorschau

    Finisterre - Claus Karst

    Das Buch

    Wie weit gehst du, um deine Frau zu retten?

    Die Frage muss sich Pascal Lambert stellen, als Leonie, seine Frau, einen Tag nach der Ankunft in ihrem Urlaubsort – einem mysteriösen, fremdenfeindlichen Bergdorf – verschwindet. Auch der Ehemann von Sophie Dumont, einer Belgierin und einzigem anderen Gast in dem Hotel in dem vergessenen Dorf am Ende der Welt, ist von einer Bergtour nicht zurückgekehrt. Bei ihrer Suche kommen Pascal und Sophie dem Geheimnis, welches das Dorf mit aller Macht zu schützen versucht, auf die Spur. Ehe sie sich versehen, ist ihr Leben in höchster Gefahr. Als der Bürgermeister des Dorfs einem Mord zum Opfer fällt spitzen sich die Ereignisse dramatisch zu. Als sich auch Pascal zu Hause nicht mehr meldet, nutzt sein Vater, ein Oberstaatsanwalt, seine europaweiten Kontakte, um die Suche nach den Verschwundenen voranzutreiben. Was können der mit den Ermittlungen beauftragte Kommissar Aubert und der geheimnisvolle Privatermittler Faucon am Ende der Welt ausrichten? Können sie die gewaltige Mauer des Schweigens durchbrechen? Wer steckt hinten den Ereignissen?

    Die Ermittlungen führen in die Welt geheimer Mächte.

    Personen und Handlung dieses Romans sind frei erfunden. Die Handlung ist jedoch mehr als eine Fiktion, wie immer wieder zu lesen und zu hören ist.

    Der Autor

    Claus Karst, 1940 in Essen geboren, lebt seit 45 Jahren mit seiner Familie am Rande des Sauerlands. Das Schreiben gehörte von Jugend an zu seinen Hobbys. Nach seinem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand widmete er sich verstärkt seiner Liebhaberei. Er nennt sich selbst Geschichtenerzähler, schreibt vor allem satirische, fantastische und zeitkritische Kurzgeschichten und Glossen. Neben zahlreichen Veröffentlichungen in Anthologien ist „Finisterre – eine Spurensuche" sein zweiter Roman, in dem er ein heikles Thema verarbeitet.

    Personen und Handlung dieses Romans sind frei erfunden. Die Handlung ist jedoch mehr als eine Fiktion, wie immer wieder zu lesen oder zu hören ist.

    Kapitel 1

    Ein jeder in der Stadt kannte das schmucke Einfamilienhaus mit dem auffallenden Walmdach, das der bekannte Architekt und Landtagsabgeordnete Hermann-Josef Markgraf am Friedenspark erbaut und bewohnt hatte. Ein liebevoll gepflegter Vorgarten, der die Hand kreativer Bewohner verriet, entzückte das Auge von Spaziergängern. Ein Balkon an der Vorderseite des Hauses mit Blumenkästen voll blühender Geranien zeigte auf die wenig befahrene Straße. Hinter dem Haus war eine Terrasse im Schatten einer gewaltigen Platane angelegt.

    Als der Erbauer – des Alleinseins nach dem Tode seiner Frau müde – eine Wohnung in einem exklusiven Seniorenstift anmietete und zur gleichen Zeit seine geliebte Enkelin Leonie heiratete, vererbte er ihr sein Anwesen. Sie zog mit Pascal, ihrem Angetrauten, in das Haus ein.

    Leonie hatte Kulturgeschichte studiert und betrieb mit ihrer besten Freundin Gitte eine Buchhandlung, an die ein mit anmutigen antiken Möbelstücken behaglich ausgestattetes Café angeschlossen war. An den Wänden hingen Gemälde regionaler Künstler und Künstlerinnen, die zum Verkauf feilgeboten wurden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte sich das Café zum Szene-Treff entwickelt, der sich zudem immer mehr auch mit einem Kleinkunstprogramm einen Namen machte. Die Arbeit erfüllte Leonie, aber jede Erfüllung hatte ihren Preis. Für die Zweisamkeit mit Pascal blieb wenig bis keine Zeit. Sie waren inzwischen keine Jungverliebten mehr, die Arbeit ging vor, wann immer sie vorgehen musste.

    Pascal Lambert war Kulturjournalist und Kritiker. Er schrieb freischaffend für mehrere Zeitungen und Magazine. Seine Honorare verschafften ihm ein auskömmliches Einkommen, das deutlich über dem Durchschnitt der Branche lag. Sein Beruf führte ihn zu vielen Veranstaltungen im Lande, über die er berichtete, oft mit spitzer Feder. Namhafte Künstler und Kulturmacher suchten seine Nähe, um sich bei ihm ins rechte Licht zu rücken, obwohl oder gerade weil die Höhe seiner Messlatte gefürchtet war. Lobbyisten und Schmeichler waren ihm zuwider. Er zählte nicht zu jenen, die Umgang mit solchen Menschen pflegten. Die Unabhängigkeit war für ihn ein bedeutsames Gut, sein berufliches Kapital.

    Ihren siebten Hochzeitstag hatten Pascal und Leonie aus beruflichen Gründen nicht gemeinsam feiern können. Pascal war zu einem auswärtigen Interview mit einem bekannten Opernsänger, Leonie besuchte eine Antiquitätenmesse auf der Suche nach Schnäppchen für die Einrichtung des Cafés. Wieder daheim, stellten sie fest, dass sie sich offensichtlich wirklich in dem gern zitierten verflixten siebten Jahr befanden, damit auf dem direkten Weg, sich auseinanderzuleben. Das Thema anzusprechen, erschien ihnen zu riskant, Glatteis, auf das sie sich nicht begeben wollten. Daher schmorte das unausgesprochene Problem permanent unter der Oberfläche ihrer Ehe.

    Meistens gelang es ihnen, sich nach einem Streit daran zu erinnern, dass sich guter Sex als wirksame Medizin gegen partnerschaftlichen Verdruss erweisen konnte. Von Anbeginn ihres Zusammenlebens hatten beide ein feines Gefühl entwickelt, dem anderen körperliche Sinnenfreude zu bereiten, Leonie allerdings mehr als Pascal. Ihm gelang es nur schwer, die Erziehung seines prüden Elternhauses abzuschütteln. Die verträumte Leonie hingegen konnte sich dabei von einer vollkommen anderen Seite zeigen, verweilte aber mit ihren Gedanken selbst beim Sex in einer Traumwelt, zu der sie ihm nur selten Zutritt gewährte.

    In jüngster Zeit hatten sich Unstimmigkeiten gehäuft, oft aus nichtigem Anlass. Dabei flogen auch schon mal Fetzen, neulich sogar einmal Geschirr. Darüber erschrak die ansonsten eher zurückhaltende Leonie mehr als ihr Gatte, der sich nach dem Streit mit einem Buch zurückzog, das er zu rezensieren hatte. Schmollend und angekratzt, begab er sich auf die bequeme Designercouch, während von Leonie einige Zeit nichts zu sehen und zu hören war.

    Pascals Ärger verrauchte. Meistens benötigte er nicht viel Zeit dafür. Er ging völlig in der spannenden Handlung des Buches auf, als er plötzlich Paul Ankas Song You are my destiny vernahm. Er blickte überrascht auf. Leonie tänzelte mit nackten Füßen im Takt der Musik auf ihn zu, nur eines seiner Oberhemden übergeworfen,.

    Sie nahm ihm mit einem unwiderstehlichen Lächeln das Buch aus der Hand, legte es auf dem Couchtisch ab und setzte sich auf seinen Schoß.

    Wohl wissend, was seine Frau in diesem Aufzug im Schilde führte, schob Pascal seine Hände unter das Hemd und ließ sie über ihre warme Haut streifen, ohne sich sein Erstaunen anmerken zu lassen. Schon eine Weile hatte er nicht mehr ihren schönen, sportlich durchtrainierten Körper mit den immer noch festen Brüsten gestreichelt.

    Mit einer Hand fuhr sie über seine leicht behaarte Brust unter seinem Polohemd. Ein leises Stöhnen entfuhr ihren Lippen, als er die Knöpfe ihres langsam Hemdes öffnete, einen nach dem anderen. Genüsslich liebkoste er dabei mit seinen Lippen zärtlich ihren Hals, ihre Schulter und ihre Brüste, bis sie das Hemd schließlich abstreifte und sich nackt auf seinem Schoß wiegte. Die Ouvertüre zu einer Versöhnung war gefunden.

    Voll erwachter Lust blickte Pascal seine hübsche Frau an und fragte: „Hier oder oben?"

    Sie lächelte, kuschelte sich an ihn und flüsterte ihm ins Ohr: „Lieber oben."

    Er hob sie hoch wie ein Kind und trug sie hinauf ins Schlafzimmer. Leonie hatte dort schon einen berauschenden Abend vorbereitet: Kerzen flackerten, Rosenblüten lagen auf dem Bett verstreut, selbst gekühlter Champagner stand bereit. Sie schien den Streit geahnt, vielleicht gar provoziert und die Versöhnung in allen Einzelheiten geplant zu haben. Ohne viele Worte zu verlieren, stürzten sie sich heißhungrig aufeinander und genossen in dieser Nacht den besten Sex seit langer Zeit.

    Als sie sich schließlich erschöpft einen Moment der Ruhe gönnten, flüsterte er: „Warum machen wir das nicht öfter?"

    „Dasselbe wollte ich doch auch gerade fragen", hauchte sie und rekelte sich neben ihm.

    Eine Zeit lang lagen sie nackt und träumend beieinander. Beide hingen eigenen Gedanken nach, besonders Leonie. Seit ihrer Kindheit hatte sie – besonders in Vollmondnächten – Zugang zu geheimnisvollen Wesen. Neuerdings erschien ihr ein immer wiederkehrendes Bild, über das sie noch nie mit jemandem gesprochen hatte.

    Sie unterbrach die entspannte Stille: „Liebster, wollen wir nicht ein paar Tage verreisen, ein paar Tage ganz für uns alleine, ein paar Tage, um unser siebtes Jahr gebührend zu feiern? Schließlich mussten wir den Hochzeitstag ausfallen lassen. Gönnen wir uns ein paar Tage, um unsere Beziehung aufzufrischen."

    „Wie ich dich kenne, hast du schon eine Idee, wo du einen solchen Urlaub verbringen möchtest?", vermutete Pascal.

    „Was liegt näher, als mit dir ans Ende der Welt zu fahren, wo wir unter uns sind? Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen."

    „Das hört sich spannend an. Ob es allerdings näher liegt, ist eine andere Frage, schmunzelte Pascal. „Sicher hast du bereits Vorkehrungen getroffen. Sag mir wann, und ich werde mich zwei Wochen freimachen für dich, für uns. Kannst du mir einen Tipp geben, was ich mir unter dem Urlaubsziel Ende der Welt vorzustellen habe?

    „Das soll eine Überraschung werden, mein Herz!, antwortete sie. „Vielleicht nur so viel: Richtung Süden, in die Berge. Dort soll sich ein magischer Ort befinden, den ich kennenlernen möchte.

    „Magischer Ort? Pascal richtete sich auf und sah seine Frau misstrauisch an. „Wer sagt das? Etwa dein esoterisches Kaffeekränzchen? Du kennst meine Skepsis, was diese Dinge betrifft.

    Leonie überhörte großzügig die Spitze, kannte sie doch seine Meinung über ihre Freunde, die sich regelmäßig trafen, um über den Sinn des Lebens zu diskutieren und nach alternativen Lebensformen zu suchen. Nein, von diesem Ort hatte sie nicht irgendwo gehört, sie hatte von ihm geträumt. Sogar der Weg dorthin war ihr im Traum gewiesen worden.

    „Können wir, wenn wir schon gen Süden fahren, einen kleinen Abstecher machen, falls dies keinen zu großen Umweg erfordert?", fragte Pascal, dem plötzlich eine Idee gekommen war.

    „Warum nicht?, entgegnete sie. „An was denkst du? Wir sollten unterwegs eh irgendwo übernachten, und in einem Hotel haben wir schon lange nicht mehr, du weißt schon.

    „Hey, Leonie, was ist los mit dir? Bist du wieder auf den Geschmack gekommen? Übrigens, du warst großartig, falls du auf eine Bestätigung meinerseits Wert legst. Möchtest du es schriftlich?"

    Leonie ließ ihn nicht weitersprechen, sondern warf sich auf ihn, bedeckte ihn begierig mit Küssen und schnurrte: „Ach, das hast du mir ewig schon nicht mehr gesagt. Danke, mein Schatz! Dann setzte sie sich auf und sah ihn fragend an. „An welchen Umweg denkst du?

    „Ich möchte doch gerne diesen neu entdeckten Bariton Samuel Godfree als Fliegenden Holländer mal live hören, erinnerst du dich?"

    „Das würde sogar gut passen. Soll ich mich um Karten und eine Übernachtung kümmern?"

    „Ja, gerne."

    Bald darauf schliefen sie eng umschlungen ein und glitten sanft in ihre Träume. Besonders Pascal genoss das ungewohnte Glücksgefühl, das er zeitweilig schon verloren geglaubt hatte.

    Die nächste Woche verging wie im Flug. Pascal vervollständigte zwei Kolumnen, die abzuliefern er verpflichtet war. Leonie klärte mit Gitte, ihrer Partnerin, ab, was während ihrer Abwesenheit zu tun sei.

    Pascal hatte noch so viel zu erledigen, dass er sich keine Gedanken über den von Leonie vorgeschlagenen Ferienort machte. Sie hatte zumeist ihren Urlaub geplant. Er hatte nie einen Grund gefunden, unzufrieden mit ihrer Wahl zu sein. Im Grunde war er viel zu bequem, um sich mit derlei Banalitäten des Lebens abzugeben, zumal seine Frau ihm gerne diese Arbeit abnahm.

    Leonie war in diesen Tagen wie aufgedreht. So hatte Pascal sie schon lange nicht mehr erlebt. Sie sprühte vor guter Laune und überhäufte ihn mit Zärtlichkeiten. Er hoffte mit allen Sinnen, dass ihnen ein besonders schöner Urlaub bevorstand.

    Den wahren Grund, der Leonie ans Ende der Welt lockte, der sie dorthin zog wie ein Magnet, gegen den anzukämpfen ihr nicht glückte, gegen den sie auch nicht angehen wollte, verheimlichte sie ihm indessen. Sie vermutete zu Recht, dass er wenig Verständnis dafür aufbringen würde. Seit Wochen erreichte sie in fast jeder Nacht in ihren Träumen ein telepathischer Ruf, eine Aufforderung, sich auf den Weg zu begeben. Ein Mann erschien ihr, mit langen schwarzen Haaren, die bis auf seine Schultern fielen, hager sein Gesicht, stechend seine Augen. Er rief sie zu sich und versprach ihr Erlösung von allem Ballast des irdischen Lebens. Leonie wollte vermeiden, dass an ihrem Verstand gezweifelt wurde, konnte und wollte daher weder Pascal, noch sonst jemandem ihr Herz ausschütten.

    Pascal war den Fragen, die die Parapsychologie zu beantworten versucht, wenig zugänglich. Er zog es vor, allen Dingen auf den Grund zu gehen, sie mit dem Verstand zu erfassen.

    Leonie hingegen war seit ihrer Kindheit offen für das Geheimnisvolle, sie gierte förmlich danach. Nun fühlte sie sich auf dem Pfad angelangt, der sie zur Pforte ihrer unauslöschlichen Träume führen würde. Sie könnte endlich das Tor durchschreiten und den Geistern auf die Spur kommen, die seit Kindheitstagen in ihrem Kopf herumspukten, sich dort eingenistet hatten und nicht von ihr abließen.

    Kapitel 2

    Am Tag der Abreise frühstückten sie morgens in aller Ruhe. Die Koffer hatten sie bereits am Abend zuvor gepackt. Als Pascal das Gepäck ins Auto trug, fiel Leonie ein, dass sie ihre Eltern noch nicht über ihre Urlaubspläne informiert hatte. Sie griff nach dem Telefon, ihr Vater meldete sich.

    „Hallo, Paps, begrüßte sie ihn fröhlich. „Weißt du, wozu wir uns spontan entschlossen haben?

    „Ich bin doch kein Hellseher, mein Kleines, antwortete ihr Vater, der sich längst an die Überraschungen seiner Tochter, die er über alles liebte, gewöhnt hatte. „Spann mich nicht auf die Folter!

    „Wir fahren ein paar Tage weg und holen unseren Hochzeitstag nach."

    „Das ist eine gute Idee. Wo soll es denn hingehen, falls ich dich erreichen muss?"

    „Wir fahren ans Ende der Welt, Paps. Meine Handynummer hast du, falls du sie benötigst."

    „Ende der Welt? Das kann überall sein. Wohin genau?", wollte ihr Vater wissen.

    „Das Ende der Welt befindet sich für mich in der Abgeschiedenheit der Berge. Ich bin gespannt, wie es dort aussieht. Hoffentlich ist die Erde wirklich eine Kugel und keine Scheibe, damit ich nicht über den Rand falle, ins Weltall plumpse und mir den Kopf an einem Meteoriten stoße."

    „Was hast du dir in den Kaffee geschüttet, mein Kind? Ihr Vater lachte laut. „Aber mal im Ernst: Solltest du dennoch über den Rand stolpern, so würdest du mit Sicherheit der schönste und hellste Stern werden, der nachts am Firmament leuchtet.

    „Paps, rede nicht solchen Unsinn!, maulte Leonie. „Ich möchte noch ein wenig meine Kreise auf dem Erdball ziehen, hier strahlen und nicht im All. Aber danke für diese charmante Illusion.

    „Dass du aber so einfach wegfährst, ohne mir einen Abschiedskuss zu geben, werde ich dir nie verzeihen", schmollte der Vater.

    „Ach, Paps", schmeichelte sie.

    „Kommst du endlich?, rief Pascal in diesem Moment mit einer Stimme, die leichten Ärger verriet. Er konnte zu warten gar nicht leiden, insbesondere wenn Leonie am Telefon kein Ende fand. „Ich bin schon lange fertig mit Packen. Telefonieren kannst du auch im Auto, wie du weißt.

    Zur gleichen Zeit sagte ihr Vater: „Ich wünsche euch einen schönen Urlaub. Melde dich bitte von dort, damit ich weiß, dass es dir gut geht. Und grüße Pascal von mir."

    „Mach ich, Paps, und gib Mama einen Kuss von mir!"

    Leonie legte schnell den Hörer auf, ergriff ihren Reiserucksack und stürmte die Treppe hinunter aus dem Haus. Pascal stand wartend am Wagen und knurrte: „Dass ich das noch erleben darf …"

    Anstatt einer Antwort gab Leonie ihm einen zärtlichen Kuss und stieg ein.

    „Nichts vergessen?", fragte Pascal überflüssigerweise, denn Leonie galt als Organisationswunder, wo immer etwas auszurichten war.

    „Mein Vater klang so irritiert am Telefon darüber, dass wir nichts haben verlauten lassen. Lass uns noch bei meinen Eltern vorbeifahren, um uns zu verabschieden. Es ist doch kein großer Umweg." Bittend sah Leonie ihren Mann an.

    „Wenn das kein längerer Aufenthalt wird, meinetwegen", grummelte Pascal. Er wollte die gute Stimmung nicht gefährden.

    Ihr Vater begrüßte sie erfreut an der Haustür: „Ich hätte dir nie verziehen, meine kleine Löwin, wenn du diesen unwesentlichen Schwenker nicht noch vollzogen hättest."

    Er nahm sie in den Arm, strich ihr über ihre rotblonde Löwenmähne und gab ihr einen Kuss.

    „Ach, Paps, du wirst doch wohl ein paar Tage ohne mich auskommen."

    Inzwischen war auch ihre Mutter aus dem Haus gekommen.

    „Ihr fahrt in Urlaub?, fragte sie, „einfach so? Müssen wir uns um euer Haus kümmern, Blumen gießen? Wie lange bleibt ihr denn?

    Pascal unterbrach ihren Redeschwall: „Es ist alles geregelt, Mutter, mach dir keine Sorgen. Wir sind zwar eure Kinder, gehen aber nicht mehr in den Kindergarten. Er hasste jegliche Art von Bemutterung. „Nun müssen wir aber los, wir wollen uns heute Abend eine Opernaufführung ansehen und möchten rechtzeitig unsere Zwischenstation erreichen.

    Leonie küsste ihren Vater noch einmal, überaus innig sogar, dann ihre Mutter. Auch Pascal verabschiedete sich von seinen Schwiegereltern mit einem Kuss. Schließlich stiegen sie ein und winkten, bis sie hinter der nächsten Straßenkreuzung abgebogen waren.

    „Findest du diese plötzliche Idee nicht etwas merkwürdig, Lieber?, fragte Leni Markgraf ihren Mann, als sie zurück ins Haus gingen. „Leonie erzählt dir doch sonst immer alles. Baut sie neuerdings zu dir dieselbe Distanz auf wie zu mir?

    Johann Markgraf ließ die Frage unbeantwortet im Raum schweben. In der Tat war es das erste Mal, dass Leonie ihn nicht in ihre Pläne eingeweiht hatte. Sie wird es schlichtweg vergessen haben, hakte er das Thema für sich ab.

    Im Wagen fragte Pascal, nachdem sie auf die Autobahn aufgefahren waren: „Welches Hotel hast du für heute Abend gebucht, Liebes?"

    „Wo wir schon einmal übernachtet haben. Erinnerst du dich?"

    „Oh ja, das war eine wunderschöne Nacht, falls mich meine Erinnerung nicht im Stich lässt."

    „Ja. Leonie sah aus dem Fenster. „Damals konnten wir uns einmal Zeit füreinander nehmen.

    „Das werden wir auch dieses Mal, versicherte Pascal. „Hier und heute fangen wir damit an. Versprochen! Jedenfalls will ich nicht der Hemmschuh sein.

    „Hier?, Leonie lachte. „Dann halt auf dem nächsten Rastplatz an!

    „Auf der Autobahn?" Pascal sah spitzbübisch feixend zu ihr hinüber.

    „Parkplatzsex soll en vogue sein, habe ich gelesen." Leonie grinste verschmitzt.

    „Was du alles so liest …"

    Dabei ließ Pascal es bewenden. Sie einigten sich darauf, bis zum Hotel zu warten. Er steuerte den Wagen ohne Hast südwärts.

    Während der Fahrt riss ihre Unterhaltung immer mehr ab, Pascal konzentrierte sich auf den Verkehr, Leonie duselte ein wenig ein. An einer Raststätte legten sie einen Zwischenstopp ein, um sich die Beine zu vertreten und einen Imbiss einzunehmen.

    Am späten Nachmittag erreichten sie die Unterkunft, die Leonie ausgewählt hatte: ein bekanntes Fünfsternehotel, in dem allerlei Prominente und solche, die sich dafür hielten, nächtigten und sich verwöhnen ließen.

    „Was machen wir jetzt?, fragte Leonie. „Sicher möchtest du dich ein wenig ausruhen, nachdem du mich so wunderbar hierher kutschierst hast. Ich glaube, ich habe unterwegs sogar geschlafen.

    „Ich möchte am liebsten nur meine Beine ein bisschen ausstrecken, das habe ich mir doch wohl verdient?"

    Leonie küsste ihn. Sie entledigten sich ihrer Oberbekleidung und legten sich auf ihre Betten. Pascal döste sofort ein. Leonie nahm eine Illustrierte zur Hand, gab aber vorsichtshalber eine Weckzeit in ihr Handy ein. Sie wollte sich ohne Hast schön machen für den Opernabend, für Pascal, auch für sich. Trotz ihrer angeborenen Zurückhaltung genoss sie die Blicke, die Männer ihr zuwarfen.

    Leonie erschrak, als sich ihr Handy schrill meldete, denn sie war in einen Halbschlaf gefallen. Die Illustrierte lag auf dem Boden neben dem Bett.

    Sie streckte sich, warf einen Blick auf Pascal, der friedlich schlummerte, und begab sich ins Bad. Dort ließ sie sich in der komfortabel ausgestatteten Dusche von deren Düsen von oben und allen Seiten bestrahlten. Das warme Wasser sprudelte sanft über ihre Haut, eine Labsal nach der Autofahrt. Sie schäumte sich genüsslich mit einem sündhaft teuren Duschgel ein, das sie vor der Abfahrt noch in einer Parfümerie erstanden hatte, das ihre Haut mit einem sommerfrischen Duft versah.

    Noch länger hätte sie verweilen mögen, doch ein Blick auf die Uhr, die in der Kabine an der Wand hing, erinnerte sie daran, dass sie mit ihren Abendvorbereitungen noch lange nicht fertig war. Außerdem musste sich Pascal auch noch frisch machen.

    Sie stellte sich vor den großen Spiegel und föhnte ihr schulterlanges rotblondes Haar. Danach legte sie dezent Schminke auf und parfümierte sich. Ein letzter Blick in den Spiegel: Sie nickte ihrem Spiegelbild zu. Ihr sportlich durchtrainierter Körper, mit Brüsten, nicht zu groß, nicht zu klein, ähnelte dem harmonischen Bild einer klassischen Statue. „Du kannst dich sehen lassen, Leonie Lambert", bescheinigte sie zufrieden ihrem Spiegelbild. Sie verließ das Bad, um es Pascal zu überlassen.

    Als sie den Schlafraum betrat und er sie in ihrer verlockenden Nacktheit erblickte, konnte er nicht anders, als nach ihr zu greifen. Sie entwand sich ihm jedoch und machte ihn auf die fortgeschrittene Uhrzeit aufmerksam. Widerstrebend knurrte Pascal: „Beschwere dich nachher nicht, dass ich dich vernachlässige!"

    Lachend gab sie zurück: „Wer hat denn vorgezogen, eine Stunde zu schlafen? Ich hätte schon Lust gehabt … Nun beeil dich ein bisschen, sonst gehe ich ohne dich in die Oper."

    Sie entnahm dem Koffer ihre hauchzarten Dessous, mit denen sie ihre elfenhafte Sinnlichkeit Geltung verlieh, und streifte sie über. Darüber ein neues, raffiniert geschnittenes Kleid, das sie sich erst neulich zugelegt hatte, lang, schwarz, figurbetont, im Schulterbereich und Dekolleté verführerisch freizügig. Dazu wählte sie ein buntes Seidentuch, um ihre Schultern zu bedecken, und hochhackige Sandaletten. Als Schmuck legte sie eine schlichte Goldkette mit einem Bernsteinherzen an. Eine letzte kritische Begutachtung im Spiegel: perfekt!

    Leonie bemerkte erst, dass Pascal bereits eine Weile nackt in der Tür stand und sie bewunderte, als er murmelte: „Umwerfend. Ich bin hin- und hergerissen."

    „Umwerfen kannst du mich später, wehrte sie ihn ab, als er auf sie zukam. „Vergiss nicht, dass wir in die Oper wollen! Deswegen sind wir doch hier.

    Als auch Pascal endlich angekleidet war, wie immer ohne Krawatte – einen Smoking besaß er nicht einmal, hätte ihn auch niemals getragen –, fragte er grinsend: „Tragen dich diese Schuhe die paar Meter unfallfrei hinüber ins Opernhaus oder soll ich ein Taxi kommen lassen?"

    „Blödmann, wenn schon erwarte ich, dass du mich trägst", entgegnete sie, schnappte nach ihrem Handtäschchen mit den Utensilien, ohne die sie niemals das Haus verließ, und ging los.

    Die Temperatur draußen war noch angenehm warm, die meisten Besucher, die auf das Opernhaus zuströmten, waren sommerlich elegant gekleidet.

    Als sie sich in den Besucherstrom einreihten, fiel Leonie auf, dass man sie immer wieder verblüfft anstarrte und zu tuscheln begann. Sie dachte sich nichts dabei, hatte sich längst daran gewöhnt, Aufmerksamkeit zu erregen. Als ihr Blick auf das Plakat fiel, das den Fliegenden Holländer ankündigte, fuhr sie zusammen. Sie blieb stehen, ihre Augen konnten sich von dem Aushang nicht lösen. Sie erbleichte.

    „Ist dir nicht gut?", fragte Pascal, dem die plötzliche Veränderung nicht entgangen war.

    Leonie reagierte auf seine Frage nicht, schien sie nicht einmal vernommen zu haben, stierte nur auf das Plakat und rührte sich nicht von der Stelle.

    „Leonie! Er griff nach ihrem Oberarm. „Was ist los mit dir?

    Sie erwachte aus ihrer Starre und setzte sich mit weichen Knien wieder in Bewegung.

    „Oh, entschuldige bitte, es ist alles in bester Ordnung. Lass uns unsere Plätze einnehmen. Ich bin sehr auf die Aufführung gespannt."

    Pascal schüttelte den Kopf, ging aber nicht weiter auf ihr merkwürdiges Verhalten ein.

    Als sie Platz genommen hatten, versank Leonie ins Grübeln. Konnte es Zufall sein, was sie auf dem Plakat gesehen und was sie aus der Fassung gebracht hatte? Sie vermeinte sogar, eine innere Stimme zu vernehmen, die ihr bekannt vorkam. Der Holländer, den die Ankündigung zeigte, sah genauso aus wie der Mann, der ihr in letzter Zeit immer wieder in ihren Träumen erschienen war und nach ihr gerufen hatte. Zudem hatte

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