Engel?
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Über dieses E-Book
Die Menschen wissen nicht, was sie da sehen, wenn sie uns erkennen. Es ist ein sehr ungewöhnliches Licht, in das unsere Leute regelrecht getaucht sind. Die Sehenden sprechen von einer Aura.
Auch wir brauchen Zeit, unsere Entdecker auszumachen, deshalb dauert es in der Regel 12-18 Stunden, bis einer entdeckt ist. Dann allerdings schalten wir dessen Lebensenergie ab, welche er von uns bekam, sobald eine Samenzelle sich mit einer Eizelle vereint. Vorsicht ist schließlich besser als Nachsicht.
Seit circa fünfzig Jahren spiele ich mit dem Gedanken, alles zu offenbaren. Jetzt ist es soweit. Jede Strafe, mit der ich zu rechnen habe, ist besser, als auf diesem Planeten zu bleiben.
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Engel? - Michael Stadtmüller
Vorwort
Michael Müller, geboren 1961, wächst im Hemshof-Viertel in Ludwisghafen/Rh, Deutschland auf. In den 60er-Jahren gehören in dieser Gegend Gewalt und Härte bereits unter Fünfjährigen zur Normalität.
Er wird ausgegrenzt, weil er irgendwie anders ist.
So geht er seinen eigenen Weg größtenteils einsam durchs Leben.
Manchmal kommt er in Kontakt mit Menschen, die
sterben und deren Tod sich nicht mithilfe von Logik erklären lässt.
Erwachsen und bei der Polizei als Kommissar der Mordkommission in Ludwigshafen tätig, stellt er fest, dass er nicht der Einzige ist, der mit solchen Todesfällen zu tun hat.
Doch außer ein paar aufmerksamen Beobachtern scheinen diese Phänomene niemandem aufzufallen. Keiner registriert, was da geschieht.
Von Grund auf verschiedene Personen werden mit Menschen konfrontiert, die zu leuchten scheinen; von einer Lichtaura umstrahlt werden.
Sind das Engel in Menschengestalt?
Wenig später sterben diese Leute, aber einige von ihnen können noch von ihrem Erlebnis berichten, bevor sie ein plötzlicher Tod ereilt.
Der Kommissar lernte das erste Mal in seiner Kindheit einen neuen Freund kennen, dem genau das zugestoßen war. Michael erinnert sich daran und nun beginnt er, zu recherchieren.
Er stößt auf etwas, das nicht von dieser Welt zu sein scheint.
Doch dann ist es wohl doch nur eine normale, gut getarnte Mordserie.
Oder doch nicht …?
Das Kind
Ludwigshafen/Rh, Mai 1970
Michael hatte andere darüber reden hören, dass dieser Weiher 30 Meter tief sein soll. ›Das reicht‹, denkt er. Er fährt von zu Hause mit seinem Fahrrad an den See. Die Sonne scheint und es ist angenehm warm. Er ist acht Jahre alt. Er war als Säugling schon anstrengend, weil er nie Ruhe gab. Keuchhusten, Windpocken, Küche in Brand gesteckt. Ständig Blessuren am ganzen Körper und zerrissene Kleider wegen der ständigen Raufereien machten das Leben seiner alleinerziehenden Mutter nicht gerade leichter. Ein schmächtiger, aufgedrehter Junge, Michael. Neugierig und in der Schule ein unruhiger Geselle, der von den anderen Schülern als auch von den Lehrern als störend empfunden wird. Schon in der ersten Klasse. Er wurde kurz nach seinem sechsten Geburtstag eingeschult. Damals gehörten schon fünfjährige zu Straßenbanden, und die gingen auch schon Mal mit Messern und Steinen aufeinander los. Er weiß noch: Er war gerade sechs Wochen in der Schule gewesen und spielte alleine im Sandkasten auf dem Schulhof. Die anderen Schüler hatte ihn zu diesem Zeitpunkt schon ausgegrenzt. Er saß also so da, als sich plötzlich ein Arm um ihn legte und ihm den Hals zudrückte. Er bekam keine Luft und so riss er in Panik seinen rechten Arm nach hinten und packte den Jungen, der ihn angriff, bei den Haaren. Michael zog so heftig er konnte an diesem Schopf, sodass der Angreifer ihn unter lautem Schmerzensgeheul losließ. Michael jedoch ließ nicht los. Er zog diesen Drecksack über seinen Kopf und warf ihn in den Sandkasten. Dann packte er ihn am Hals und drückte zu. »Na, du scheiß Jugo. Wie gefällt dir das, hä? Scheiße, wenn man keine Luft mehr kriegt.« Die anderen Burschen, die vor wenigen Sekunden noch über die Attacke ihres Bandenmitgliedes gelacht hatten, fingen an zu schreien. »Lass ihn los, du scheiß Deutsche.« Michael merkte, wie ihn jemand von dem Drecksack wegziehen wollte. Der lief mittlerweile blau an und seine Zunge kam langsam raus. Plötzlich spürte er einen fürchterlichen Schlag an den Kopf und es wurde dunkel. Als er wieder aufwachte, war er alleine. Das Essensgeld, das er immer von seiner Tante mitbekam, war weg, er hatte Schmerzen am ganzen Körper, blaue Flecke und seine Kleider waren zerrissen.
Die Sonne schien. Es war ein warmer Tag, die Schule war aus und keine Kinder mehr auf dem Schulhof.
Es war Sommer 1967.
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Doch heute sollte sich alles ändern. Schon seit Jahren wurde er in der Schule gemoppt, weil er zu den wirklich armen Menschen im Viertel gehörte. Er trug Kleider aus den Säcken, die von anderen Leuten auf die Straße gestellt wurden. Doch nach dem damaligen Vorfall hatte er wenigstens seine Ruhe.
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In seinem Rucksack befindet sich ein Seil. Bei der Stelle des Sees, an der die Hobbyfischer sich vor langer Zeit schon einen Steg gebaut hatten, um ihre Ruderboote festzumachen legt er sein Fahrrad ab und geht zu den Kähnen. Er schaut bei jedem einzelnen Boot nach. Manche Fischer freuen sich so sehr über einen guten Fang, dass sie vergessen, ihr Boot zu sichern. Im dritten liegt die Eisenkette, welche mit einem Vorhängeschloss an einen Stahlring im Steg verschlossen wird, unter der Ruderbank.
»Klasse«, murmelt er vor sich hin. Er wirft seinen Rucksack an Bord und wuchtet einen großen, weißen Stein, den er direkt neben den Steg findet, hinein.
Michael zieht seine Schuhe aus, wirft sie dazu. Dann springt er selbst hinein. Er rudert bis zur Mitte des Sees. Der Junge wickelt ein Ende des Seils um den Kiesel und mit dem anderen Ende knüpft er eine Schlinge und legt sie sich um die Fesseln. Michael setzt sich auf einer Seite des Kahns auf den Rand. Seine Füße baumeln im Wasser. Er wuchtet den Stein hoch, legt ihn neben sich ab. »Los geht’s«, sagt er zu sich selbst. Er gibt dem Stein einen Schubs und nimmt noch mal ordentlich Luft. Dann ist es auch schon soweit. Der Brocken fällt. Das Seil spannt sich. Es gibt einen Ruck. Michael plumpst ins Wasser und wird von dem Gewicht dieses Monstrums nach unten gezogen. Dass der Ruck so heftig ist, damit hat Michael nicht gerechnet. Das Boot neigt sich sehr stark zur Seite. Der Junge verliert das Gleichgewicht und kippt nach hinten. Als er schon bis zur Hüfte im Wasser ist schlägt das Boot wieder hoch und Michael stößt sich den Hinterkopf am Rand. Ein starker Schmerz durchzuckte seinen Schädel, während er am Seil nach unten gezogen wird. ›Scheiße, tut das weh. Naja, is’ gleich vorbei.‹ Michael schaut nach oben und sieht… nichts. Um ihn herum ist alles schwarz wie im Arsch eines Bären. Es ist nicht das Geringste zu erkennen. Er dreht den Kopf von rechts nach links, schaut nach oben und unten, während ihn der Stein unablässig in die Tiefe zieht. Ein irrsinniger Druck auf die Ohren entsteht, doch er hat gelernt, wie man dem begegnen kann. Er nimmt seine rechte Hand hoch und hält sich die Nase zu. Er pustet durch und kann so den stechenden Schmerz in den Ohren etwas entkräften. ›Bin ich immer noch nicht unten?‹, denkt er. Ein Anflug von Panik macht sich in ihm breit, denn die Luft geht ihm aus. Er hat keine Ahnung, wie tief er schon gesunken ist. Er zieht sein Taschenmesser aus seiner Hosentasche und schneidet die Schlinge an seinen Füßen durch. Er stellt fest, dass er keinen Auftrieb hat. Sein Zustand kommt völliger Schwerelosigkeit gleich, aber da es stockdunkel ist, weiß er weder, wo oben noch unten ist. Er macht zwei, drei Schwimmzüge, bekommt aber nichts zu packen. Es ist eiskalt hier unten, aber Michael merkt, dass er am ganzen Körper schwitzt. Nochmal ein paar Schwimmzüge. ›Da war was. Linke Hand. Mich hat was gestreift. War es ein Fisch. Noch mal zurück mit der Hand. Ja, da ist was. Bisschen weiter nach unten greifen. Ich glaube, das ist Schilf.‹ Michael greift nun auch mit der rechten Hand nach diesen Grashalmen. Er bekommt sie zu fassen und kriegt eine Idee. Er zieht sich an dem Gras bis auf den Grund und geht in die Hocke. Der Boden ist ganz weich und ein wenig matschig. ›Bitte, lieber Gott. Hilf mir, dass ich richtigliege.‹ Er stößt sich mit aller Kraft vom Boden ab und macht kräftige Schwimmstöße in die Richtung, in die er geschleudert wird. Seine Lungen wollen sich mit Luft füllen, aber hier unten gibt es keine. Michael versucht sich mit Schluckbewegungen daran zu hindern, danach zu schnappen. Er schaut um sich. Blickt in alle Richtungen und sieht plötzlich links von sich ein kleines Licht, wie von einer Taschenlampe. ›Das muss oben sein.‹ Er ändert die Richtung, taucht dem Geflimmer entgegen. Die Panik wird größer, denn obwohl die Leuchtkraft stärker wird, scheint es immer noch unglaublich weit weg zu sein. ›Ich hab’ keinen Sauerstoff mehr.‹ Michael zittert an Armen und Beinen, sein Kopf dröhnt und er merkt, wie ihm die Sinne schwinden. Da taucht etwas vor ihm auf und schaut ihn an. Zwei große Augen sind es, ja genau.
Was ist das?
Das ist ein Drache, kein Fisch. Er kann den Kopf dieses Geschöpfes sehen. Wieso? Hier ist es doch stockdunkel. Der Drache dreht den Kopf und die hellen Lichtstrahlen aus seinen Augen zeigen Michael den Weg nach oben. Michael sieht in diese Richtung und bewegt sich mehr zappelnd als vorschriftsmäßig tauchend in die gezeigte Richtung. Er spürt nicht mehr, wie das Wasser wärmer wird. Es kommt ihm vor, als sehe er direkt in die Sonne. Immer größer wird sie und dann explodiet sie in seinem Kopf.
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Michael wird wach. Er liegt hustend im Sand. Neben ihm kniet ein kräftiger Mann in völlig durchnässten Sachen. Er schaut Michael besorgt an. »Na Buu, wie geht s der? Bischt auß’m Boot g’falle.« Michael schüttelt den Kopf, aber er sagt nur »Isch tauch’ jo gern, awwer Apnoe tauche is nix fa misch.«
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Der Junge hatte im Fernsehen einen Bericht über Apnoe tauchen gesehen, und weil ihm das Tauchen schon immer Spaß machte, dachte er ›Das probier’ ich mal aus, und wenn ich da richtig gut werde, dann respektieren mich die anderen.‹ Und so machte er sich an diesem schönen Tage auf um seine Grenzen zu testen. Das wäre fast ins Auge gegangen.
Er denkt: ›Der Drache hat mich überleben lassen. Warum?‹
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Ludwigshafen/Rh, Juni 1970: Michael steht kurz vor seinem neunten Geburtstag. Es ist nicht mehr lange hin bis zu den Sommerferien und die große Pause hatte vor 10 Minuten begonnen. Er wartete diese Zeitspanne immer ab, bevor er in den Milchladen an der Ecke gegenüber der Grundschule ging. Dann hatten die anderen Kinder ihre Einkäufe getätigt und das Geschäft war wieder so gut wie leer. Er läuft also hin, geht die drei Treppen zur Eingangstüre hoch und öffnet sie. Die kleine Glocke über der Tür bimmelte und kündigt sein Kommen an. Im Laden stehen zwei Frauen mit ihren Milchkannen an und unterhalten sich mit der Verkäuferin. Michael stellt sich brav als dritter in die Reihe und wartet geduldig, bis er dran ist. Die erste Frau in ihrer kurzen Warteschlange stellt ihre Kanne auf die Ladentheke und die Verkäuferin, Frau Schneider heißt sie, füllt sie mit Milch aus einem sehr großen Behälter, indem sie einen langen Hebel immer wieder von oben nach unten bewegt. Bei jedem Druck nach unten spritzt ein Schwall Milch aus dem Hahn und so füllt sich die Kanne der Frau langsam. Die Damen schwatzen und schwatzen. Michael wird ungeduldig. Er tritt von einem Bein auf das andere und sieht aus dem Schaufenster auf die Straße. ›War die Pause schon zu Ende?‹ denkt er bei sich. Als Achtjähriger hat man nicht unbedingt ein besonders ausgeprägtes Zeitgefühl. Nun, während er so vor sich hin grübelt, wird er von jemandem angesprochen. Er bekam es erst nicht mit, aber dann hört er seinen Namen. »Michael, was möchtest du denn haben? Wie immer einen Becher Milch und eine Capri-Sonne?«
»Ja. Danke Frau Schneider, sie wissen immer schon, was ich haben möchte. Das ist toll.« Frau Schneider lächelt über diese Worte, die sie schon öfter von Kunden gehört hat. Irgendwie denken und sprechen Menschen immer das Gleiche, obwohl doch jeder ein ganz eigenes Leben hat. Michael bezahlt seine Sachen als es bimmelt und ein Mann um die sechzig hereinkommt. Er sagt: »Guten Tag«, und schaut sich im Laden um. Frau Schneider hebt den Kopf, nachdem sie das Geld des Jungen in die Kasse gezählt hat und sieht in die Richtung des Mannes. Michael schaut den Herrn an, der gerade hereingekommen war, und reißt erstaunt die Augen auf.
Er denkt: ›Was ist das denn?‹, und beobachtet die Szene, die sich nun abspielt mit immer größer werdendem Staunen. Der Mann drehte sich in Richtung der Verkäuferin und als sich ihre Blicke treffen, weiten sich auch seine Augen. Er wird blass und es bilden sich in atemberaubender Geschwindigkeit Schweißperlen auf seiner Stirn. Er taumelt und muss sich festhalten. Michael stürzt zu ihm und hält ihn fest, damit er nicht umfällt. Das ist nicht leicht, aber der Mann ist nicht sehr groß , etwa 165cm und auch