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Traumscheinbar: Drei phantastische Geschichten
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Traumscheinbar: Drei phantastische Geschichten
eBook58 Seiten47 Minuten

Traumscheinbar: Drei phantastische Geschichten

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Über dieses E-Book

Das Waldkind schildert das Leben eines jungen Menschen zwischen Wildnis und Zivilisation, der seine Identität mit Hilfe eines Gemäldes findet.

In Das Katzenmädchen geht die Protagonistin eine Freundschaft ein, deren Ende ihr eine tödliche Entscheidung aufzwingt.

Pueblo erzählt von den grausigen Erlebnissen spanischer Konquistadoren, die aus Mexiko kommend in den Südwesten Nordamerikas vordringen und von Pueblo-Indianern auf mystische Weise vertrieben werden.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum18. Juli 2013
ISBN9783847644750
Traumscheinbar: Drei phantastische Geschichten

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    Buchvorschau

    Traumscheinbar - Maryam Munk

    Das Waldkind

     Meine Geburt fand im Grünen statt, dort, wo Hügel ein Tal umgaben. Über die Hügel, bis in das Tal hinein, erstreckte sich Wald. Meine Eltern hatten sich in dieser Landschaft befunden, als der Zeitpunkt meiner Geburt nahte.

    Die Dunkelheit hellte plötzlich auf, und die nasse Enge um mich wich einer trockenen Weite. Mutter schrie, als ich aus ihr glitt. Sie schrie derart, dass sie sich die Spitze ihrer Zunge abbiss. Vater schwitzte, während er als Geburtshelfer fungierte. Eigentlich war da nicht viel zu helfen, denn ich sorgte alleine dafür, dass ich zur Welt kam.  

    Mutter blutete nun oben und unten. Vater rannte los, um Hilfe zu holen. Ich lag neben meiner Mutter und starrte in das mit Spinnweben behangene Scheunendach empor. Die Nabelschnur verband mich noch immer mit der Nachgeburt, doch ich atmete schon. Das hatte ich mir selber beigebracht. Fliegen ließen sich auf mir und der Plazenta nieder.

    Ich weiß nicht, ob Mutter damals in der Scheune verblutete, oder ob Vater rechtzeitig mit Hilfe zurückkehrte. Ich weiß auch nicht, was aus Vater wurde. Ich kroch aus der Scheune, über die Felder, in den Wald. Ich entkroch meinen Eltern und der Zukunft, die sie vielleicht schon für mich geplant hatten. Der außergewöhnliche Umstand meiner Geburt ermöglichte es mir, dass ich mich früher als jeder andere Mensch dafür entscheiden durfte, welchen Lebensweg ich gehen, beziehungsweise kriechen wollte. Ich war eben ein früh entwickeltes Kind.

    Im Wald gefiel es mir. Ich schaute den Tieren ab, wie sich leben ließ. Um meinen Körper vor Insekten zu schützen, suhlte ich mich wie die Wildschweine im Schlamm. Nahm ich einen fremden Geruch oder ein unvertrautes Geräusch wahr, legte ich mich reglos ins Gebüsch, um wie das Rehkitz unauffällig zu sein. Trotz dieser Techniken hätte ich schon die ersten Tage im Wald nicht überlebt, wenn sich mir nicht eine Nahrungsquelle in Form zweier milchgefüllter Brüste angeboten hätte. Sie wurden mir von einer dicken Frau gereicht, die mich kurz vor dem Verhungern fand.    

    Die dicke Frau und der dünne Mann lebten im Wald. Ich glaubte, die beiden wären Tiere, mich selbst hielt ich auch für ein Tier. Die beiden ernährten sich von dem, was ihre Hände von Bäumen und Sträuchern pflückten oder aus der Erde gruben. Sie sprachen nie ein Wort. Vermutlich waren beide stumm. Sie liefen nackt umher und grunzten und paarten sich ohne Scheu, wie es die Tiere taten. Es waren gute Leute, die glücklich in ihrer Einsamkeit lebten.

    Die dicke Frau hatte ein Kind geboren, das aber gestorben war. Deshalb war sie begeistert, als sie mich fand. Gierig saugte ich die Milch aus ihren Brüsten, wobei sie mir den Kopf hielt und der dünne Mann uns ehrfurchtsvoll betrachtete. So hatte ich zum zweiten Mal Eltern bekommen.

    Mich nährte die beste Milch. Es war die Milch der Wildheit. Sie hielt mich gesund und ließ mich kräftig werden. Ich lernte aufrecht zu laufen und zu grunzen, und wenn ich sah, wie sich meine Eltern paarten, tat ich es ihnen spielerisch nach, indem ich mich im Gras ebenso bewegte, wie Papi es auf Mami tat. Ich war ein gesundes, kräftiges und früh entwickeltes Kind.  

    Eines Tages kehrten Mami und Papi nicht mehr heim. Sie waren ausgegangen, um Beeren zu sammeln. Ich saß im Eingang unserer kleinen Höhle und wartete den Regen ab. Meine Eltern kamen nicht. Auch am folgenden Tag kehrten sie nicht zurück. Tage und Nächte vergingen. Von meinen Eltern fehlte jede Spur. Von da an lebte ich alleine im Wald. Das war nicht so schön, aber mir blieb keine Wahl. Viele Jahre später, als ich erfuhr, was eine psychiatrische Klinik ist, kam mir ein Verdacht. Aber damals machte ich mir wenige Gedanken über das Verschwinden meiner Eltern. Wie ein Tier durchlebte ich eine dumpfe Zeit des Trauerns und lernte, alleine zurecht zu kommen.

    Irgendwann fingen sie mich ein. Sie kamen nachts. Es waren viele Männer. Sie trugen Stöcke mit sich und Netze. Sie überraschten mich im Schlaf. Zwar gelang es mir, aus

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