Fersengeld: Hasta Luego
Von Inga Tomsen
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Buchvorschau
Fersengeld - Inga Tomsen
Frau Bredot
Hanna hatte Reparaturdienst, es war Samstag. Herr Zobel wollte mit seinem Labor und den Mitarbeitern flexibler für den härter gewordenen Markt sein. Immer mehr Zahnärzte öffneten ihre Praxen auch am Samstag und sogar am Sonntag, um neue Patienten zu gewinnen und die alten Patienten bei Laune zu halten. Die zahlungskräftigen Vielarbeiterpatienten und Unternehmer wollte er auch haben. Da war das Labor im Zugzwang.
„Ein Dentallabor ist ja völlig abhängig von den Zahnärzten und von den Krankenkassen",
verteidigte sich Zobel.
„Ich kann mit den Kunden nicht diskutieren."
Das hieß für jeden Zahntechniker hin und wieder, an einem Samstag, einen Reparaturdienst zu schieben. Es würde dann von Zobel mit einem halben Urlaubstag honoriert. Wie großzügig. Hanna störte das allerdings nicht sonderlich, denn es war meistens ruhig und die Patienten waren nett und dankbar. Da bekam man dann die Anerkennung, die einem Zahntechniker im Alltag meist verwehrt blieb. Man konnte das Ergebnis seiner Arbeit mit eigenen Augen am Patienten sehen. Manche Leute wissen ja gar nicht, wer den Zahnersatz anfertigt. Eine Patientin sagte mal zu Hanna:
„Hoch das ist ja interessant. Ich dachte, das macht der Doktor alles selbst mit seinen Mädels".
Hanna hatte an diesem Wochenende mit Nang Dienst. Es klingelte. Ein altes Mütterlein stand vor der Tür und sagte mit schüchterner Stimme:
„Guten Tag, mein Name ist Bredot."
Hanna nickte freundlich, streckte ihre Hand zur Begrüßung aus und bat die Frau höflich herein.
„Lehnert",
sagte sie kurz und lächelte dabei.
„Von welcher Praxis kommen Sie?"
Die Frau erklärte ihr, dass sie von ihrer Nachbarin gehört hatte, dass das Labor Zobel am Samstag Prothesen reparieren würde und dass man warten könnte. Hanna erklärte ihr, dass man nach der Reparatur zu seinem Zahnarzt gehen muss, um die Reparatur bei der Kasse abrechnen zu können.
„Aber was hat denn der Zahnarzt mit meiner gebrochenen Prothese zu tun?",
fragte Frau Bredot verständnislos.
Hanna wusste so schnell keine plausible Antwort und sagte kurz, dass es nun mal so Pflicht sei, da nur der Zahnarzt verordnungsberechtigt sei.
„Verzeihen Sie!", sagte die kleine Frau freundlich.
„Das ist doch Blödsinn oder? Dann muss ich ja beim Zahnarzt auch nochmal bezahlen, obwohl der gar nichts daran gemacht hat? Und die Kassen meckern immer über zu hohe Ausgaben. Wissen Sie, ich war seit zehn oder zwölf Jahren bei keinem Zahnarzt mehr. Hat da die Kasse nicht genug gespart? Mein Zahnarzt ist gestorben und den kann mir heute keiner mehr ersetzen. Ich bin eben sehr anhänglich. Über dreißig Jahre war ich bei ihm in Behandlung. Ich bezahle ihnen die Reparatur gerne gleich hier."
Hanna tat die alte Frau leid, aber sie wusste, dass das verboten von Herrn Zobel war. Jedoch konnte sie die alte Frau auch nicht wieder wegschicken.
„Kommen Sie doch bitte herein! Ich mache es für Sie ausnahmsweise heute so, als Notfall. Aber Geld nehme ich nicht. Es wäre nett, wenn das unser kleines Geheimnis bliebe, okay? Möchten Sie einen Kaffee oder einen Tee trinken, Frau Bredot?"
„Ja gerne. Ich danke Ihnen ganz herzlich, aber ich möchte nicht, dass Sie wegen mir Ärger bekommen!"
Hanna winkte ab und forderte die Frau auf, ihr den gebrochenen Zahnersatz zu geben, legte ihn in eine mit Zellstoff ausgekleidete Arbeitsschale aus Kunststoff.
„Das wird jetzt ungefähr eine Stunde dauern, denn ich muss zuerst ein Gipsmodell anfertigen, nachdem ich die Prothese provisorisch geklebt habe."
„Ein Gipsmodell?", fragte Frau Bredot.
„Interessant! Ich dachte, Sie kleben das mit Spezialkleber?"
„Nein", antwortete Hanna.
„Die Prothese muss auf dem Gipsmodell fixiert werden und anschließend mit neuem Kunststoff repariert werden. Dazu isoliert man den Gips zunächst mit einer schichtbildenden Flüssigkeit, trägt den flüssigen Kunststoff auf die gesäuberte und angeschliffene Bruchstelle auf und polymerisiert sie unter Wasser aus, in einem Drucktopf. So härtet die Prothese auf dem Modell unter großem Druck aus."
Die alte Frau blickte erstaunt und interessiert. Im Beisein von Frau Bredot fixierte sie den zerbrochenen Zahnersatz an der Bruchstelle und gab Nang im Gipsraum die Prothese mit der Bitte, das benötigte Modell anzufertigen. Nun setzte sich Hanna mit einer Tasse Kaffee zu Frau Bredot und erklärte ihr, dass sie nun etwa zwanzig Minuten warten müssten, bis das Modell abgebunden ist.
„Ich möchte Sie nicht von Ihrer Arbeit abhalten",
sagte die alte Frau.
„Das tun Sie nicht. Sie sind bis jetzt die einzige Patientin heute."
„Einen interessanten Beruf haben Sie."
„Ja schon, aber es wird auch in unserem Beruf immer schwieriger. Die Arbeit ist vielseitig. Wir arbeiten mit vielen verschiedenen Materialien und Geräten. Das gefällt mir so. Alles wird individuell und präzise angefertigt. Jede Krone und Brücke muss von Hand modelliert und gegossen werden, um anschließend mikroskopisch genau aufgepasst zu werden. Aber die Labore sind von den Krankenkassen und den Zahnärzten abhängig. Sie sehen ja, nicht einmal Reparaturen dürfen wir alleine machen. In den Tattoo Studios oder Piercing Studios durchbohren ungelernte Menschen mit fragwürdigen Instrumenten Lippen, Zungen und sogar Geschlechtsteile. Sie brennen, tackern und tätowieren. Sie tätowieren mit giftigen Farbabfällen aus der Autoindustrie und chemischen Industrie und wir dürfen nicht einmal eine Abformung machen, obwohl wir dreieinhalb Jahre gut ausgebildet wurden. Die starke Lobby der Zahnärzte unterbindet dies. Die Kassen könnten Millionen sparen. Für die Anfertigung einer Totalen Prothese oder für eine einfache Reparatur ist die Zahnarztpraxis eigentlich nicht von Nöten. Unsere Gehälter stehen in keinem Verhältnis zu unserer komplizierten Arbeit, da wir mit Billiglaboren konkurrieren müssen. Dazu drücken die Zahnärzte die Preise bis zur Schmerzgrenze, weil die Leute kein Geld haben, die Zahnärzte nicht gut verkaufen können oder einfach gierig sind. Es gibt nur wenige Ausnahmen. Manche setzen sich auch einen billigen Techniker in ihr Praxislabor, unter oft unmenschlichen Bedingungen, um die geldbringenden Arbeiten selbst zu kassieren. Den unrentablen Rest geben sie wie Abfall den gewerblichen Laboren. Und die Labore machen den „Bückling" und betteln und lügen. Sie loben die eigentlich schlechten Arbeiten des Kunden oder sind nett zu dem Zahnarzt, obwohl sie ihn verachten, nur um nötigen Umsatz zu machen. Das hat was von Prostitution und die Kasse zahlt und zahlt. Die Bevölkerung weiß nicht viel von dem aufwendigen Weg, den ihre dritten Zähne gehen bis zur Eingliederung. Uns gut qualifizierte Zahntechniker wird es in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr geben, glaube