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London? Paris! Oumps.: Liebes. Leben.
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eBook208 Seiten2 Stunden

London? Paris! Oumps.: Liebes. Leben.

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Über dieses E-Book

Emma und David stehen noch am Anfang einer Beziehung, Marc und Marie sind ein geübtes Paar. Die einen trennt der Ärmelkanal, die anderen schlittern in eine Ehekrise. Marc verbringt gezwungenermaßen seine Ferien als Single in jenem südfranzösischen Ort, in dem auch Emma mit ihrem Schicksal hadert. Er verliebt sich in Emma. Emma ist hin- und hergerissen, einerseits genießt sie es, schön und begehrenswert zu sein, andererseits liebt sie David und will ihre Beziehung zu ihm nicht aus Trotz zerstören.
Auf der Suche nach einem Ausweg stolpern alle übereinander, über die Hindernisses des Alltags - und über Milou, den temperamentvollen Junghund, der in den entscheidenden Augenblicken auf seine Art "eingreift".
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum29. Juli 2015
ISBN9783738035445
London? Paris! Oumps.: Liebes. Leben.

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    Buchvorschau

    London? Paris! Oumps. - Valeska Indetzky

    Kapitel 1

    Kapitel 1

    „Milou? Milou!"

    Wo mochte dieser schwarze Teufel nur wieder stecken? Emma lehnte vorsichtig ihre Farbrolle gegen den Eimer. Als sie sich das letzte Mal auf die Suche nach ihrem Vierbeiner gemacht hatte, war die triefende Rolle auf der Unterlage festgeklebt, ganz wunderbar. Aber immerhin war sie gerade noch zurecht gekommen, um Milou daran zu hindern, die letzten der kleinen orangefarbenen Rosen auch noch zu köpfen. Davor hatte sie ihm Schnecken samt Gehäuse aus dem Maul gepult, davor … ein Auge auf einen ungebärdigen Junghund haben und gleichzeitig ein Schwimmbecken streichen war eine Schnapsidee.

    „Milouuuuu?" Kein Gebell, nichts. Nur die Zikaden zirpten in der heißen südfranzösischen Frühsommersonne. Abgesehen davon herrschte mittägliche Ruhe. Diese Stille war verdächtig und währte auch nicht lange. Ein lautes Platschen brachte Emma auf die Spur – oh je, nun war dieser Rabauke ausgebüchst und im Nachbarpool gelandet! Sie kletterte über die halbhohe Mauer, die für einen lebhaften Riesenwelpen offensichtlich kein Hindernis darstellte, und flitzte um die Hausecke. Zum Glück waren die Nachbarn nicht da.

    „Mi" – die zweite Silbe blieb Emma im Hals stecken, denn auf einer

    Liege neben dem nachbarlichen Schwimmbecken räkelte sich ein Mann. An einem Mann war an sich nichts Erschreckendes, aber dieser Mann war nackt. Er trug buchstäblich nichts bis auf seine dunkle Sonnenbrille, die er gerade abnahm und mit ihr in Richtung Wasser wedelte.

    „Wenn Sie einen schwarzen Kleinbären suchen, der ist gerade baden gegangen."

    Das war in der Tat nicht zu überhören.

    „Ich, äh, er ..."

    Warum war es bloß so schwer, einem nackten Mann beim Sprechen in die Augen zu sehen? Emma kam sich hochgradig dämlich vor. Gut, normalerweise waren ihre Gesprächspartner bekleidet, aber sie hatte in ihrem Leben auch durchaus schon mehr als einen nackten Mann gesehen. Warum machte dieses Exemplar dann aus ihr einen stotternden Teenager – oder ehrlicher eine stotternde ältliche Jungfer? Weil, wie sie sich nach einem raschen zweiten Blick aus den Augenwinkeln gestand, dieser zu der sehr ansehnlichen Sorte Mann gehörte, obwohl er sicher auch bereits wie sie selbst die 40 bereits hinter sich hatte. Schluss jetzt, Emma rief sich resolut zur Ordnung und wandte sich dem Schwimmbecken zu, über dessen Rand gerade der Kopf ihres herzallerliebsten tierischen Lebensgefährten auftauchte, in Begleitung von zwei dicken Tatzen, mit denen er sich krampfhaft am Beckenrand festhielt. Wider Willen musste Emma lachen.

    „Du siehst aus wie ein begossener Pudel, begrüßte sie den Ausreißer, „das kommt davon, wenn man nicht hören will.

    Sie beugte sich nach vorn, um Milou am Fell zu packen und aufs Trockene zu hieven. Das war leichter gedacht als getan, denn der junge Briardrüde strampelte heftig mit den Hinterläufen. Um ein Haar wäre Emma kopfüber ins Wasser gestürzt, erst im letzten Augenblick gelang es ihr, das Gleichgewicht wiederzufinden. Als die Rettungsaktion dann endlich beendet war, waren Hund und Mensch nahezu gleich nass. Ohne das zappelnde Wesen loszulassen, drehte sich Emma langsam um und hielt Ausschau nach dem Liegestuhlmann. Der hatte sich in der Zwischenzeit eine Shorts übergezogen, was seiner Attraktivität keinen Abbruch tat.

    „Hallo, sagte der schöne Fremde, „tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe. Ich heiße Marc.

    „Nein, wehrte Emma ab und war zu ihrem Unwillen schon wieder verlegen, „ich muss mich entschuldigen, dass ich so einfach hier eingedrungen bin. Aber ich wusste nicht ... ... dass hier ein nackter Mann im Garten liegt oder was willst du sagen? Emma war mit sich höchst unzufrieden. „ ... dass hier jemand ist, beendete sie ihren Satz etwas lahm. „Ich heiße übrigens Em ..., weiter kam sie nicht, denn Milou hatte es geschafft, ihre Hand abzuschütteln und sich ein weiches Plätzchen mitten auf dem gepflegten Rasen ausgesucht, um dort nach all der Aufregung in Ruhe seinen Haufen zu machen.

    „Ach Herrje, du Unglücksviech", hektisch sah sich Emma nach etwas Geeignetem um zur Beseitigung der tierischen Hinterlassenschaft.

    „Ich hole Ihnen eine Tüte, bot sich Marc an. Gelassen sah er zu, wie Emma sich an die Säuberungsaktion machte und nahm die unterbrochene Vorstellung wieder auf. „Also, Sie sind Em, und das ist ...?

    „Milou. Als der Hund seinen Namen hörte, wedelt er fröhlich und legte sich ins Gras, Vorderteil nach unten, Hinterteil erhoben. „Nein, Milou, jetzt wird nicht gespielt, beschied Emma ihn knapp.

    „So, Milou." Marc beäugte das triefende Tier leicht erstaunt.

    „Ich weiß, räumte Emma ein, „Milou ist eigentlich klein, weiß und ziemlich pfiffig. Jedes Kind in Frankreich kannte Milou, den plietschen Hund aus der Comicserie Tintin, Tim und Struppi.

    „Na, der da macht doch auch einen ganz aufgeweckten Eindruck." Marc ging in die Hocke und hielt Milou eine Hand hin. Der hielt sich nur kurz mit dem Beschnuppern auf, dann begrüßte er seinen neuen Freund stürmisch mit einem kleinen Hüpfer und einem Nasenstüber, woraufhin Marc sich prompt auf den Hosenboden setzte. Milou legte den Kopf schief, als versuchte er sich an etwas zu erinnern, dann schüttelte er sich ausgiebig.

    Es reicht, beschloss Emma und klemmte sich den Kleinen, wie sie ihn für sich nannte, unter den Arm. Knapp zwanzig Kilo nasser Hund waren zwar nicht sehr bequem zu tragen, aber so konnte er ihr auch nicht wieder ausbüchsen. „Noch einmal, entschuldigen Sie bitte die Störung." Dann trat sie den ungeordneten Rückzug über die Gartenmauer an.

    Später, als sie wieder in ihrem Schwimmbecken stand und friedlich die letzte Wand strich – friedlich deshalb, weil sie Milou auf der Terrasse angebunden und ihr schlechtes Gewissen ob dieser drakonische Maßnahme mit einem Kauknochen für den Kleinen besänftigt hatte – kehrten ihre Gedanken zu dem Fremden in Nachbars Garten zurück. Dunkle, kurze Haare, braune Augen umgeben von sympathischen Lachfalten, ein sensibler, sinnlicher Mund, schlank, aber athletisch gebaut - wer er wohl war? War er allein gekommen? Wie lange würde er bleiben? Die möglichen Antworten lenkten sie zumindest vorübergehend davon ab, über sich, ihr Leben im Allgemeinen und David im Besonderen nachzudenken.

    * * *

    Marc räkelte sich wieder auf der Liege. Von einer Nachbarin hatte sein Freund Hervé nichts erzählt, als er ihm anbot, es sich in seinem Haus in Oumps in der südfranzösischen Provinz gemütlich zu machen. Warum auch, schließlich hatte Marc kein Ferienhaus mit privatem Anschluss gesucht, als er kurzfristig nach einer Unterkunft für seinen Urlaub gesucht hatte. Er war aus allen Wolken gefallen, als Marie, seine Frau, ihm eine Woche vor ihren geplanten, gemeinsamen Ferien mitgeteilt hatte, dass sie in diesem Jahr allein wegfahren würde. Sie wolle sich eine Auszeit nehmen, um über ‚vieles’ nachzudenken. Und nun saß oder vielmehr lag er hier unter der südfranzösischen Sonne und versuchte seinerseits, zu verstehen, was mit ihnen beiden passiert war. Er hatte gerade versucht herauszufinden, wie es um über seine Gefühle für Marie bestellt war nach fast zwanzig Jahren Ehe. Noch vor wenigen Wochen wäre er um eine Antwort nicht verlegen gewesen, er hätte ohne nachzudenken, ganz spontan geantwortet: „Ich liebe sie." Aber im Moment war er sich nicht mehr sicher, und damit stellte sich die Frage nach ihrem weiteren gemeinsamen Leben. Wenn es denn ein gemeinsames Leben gab, denn Marie hatte dazu sicher auch einiges zu sagen, wenn sie sich nach dem Urlaub wieder trafen.

    Marc und Marie – sie waren schon so lange zusammen, dass Marc sich ein Leben ohne Marie gar nicht vorstellen konnte. Nach seiner Ansicht hatten sie sich harmonisch und liebevoll in ihrer Zweisamkeit eingerichtet. Er kannte Marie so gut, er respektierte sie und liebte sie auf eine selbstverständliche Art, die er nicht genau erklären konnte. Und bis vor kurzem war er davon überzeugt gewesen, dass Marie ihr gemeinsames Leben ebenso sah wie er, dass Marie ihn mit der gleichen, beständigen Liebe wiederliebte.

    Aber irgendwo in der Vergangenheit hatte er offenbar einen Wendepunkt nicht mitbekommen, er hatte sich zu sicher gefühlt in der trauten Geborgenheit ihrer Ehe, die wohl doch trügerisch gewesen war. Seit einigen Wochen war Marie, die rationale und ausgeglichene Marie, immer fahriger und nervöser geworden. Manchmal kam es ihm so vor, als sei nur noch ihr Körper anwesend, ihre Seele und ihr Geist aber hielten sich in weit entfernten Regionen auf. Sie hatten sogar gestritten, nicht diskutiert, nein richtig gestritten, und zudem auch noch aus völlig unwichtigen Anlässen! Eine dieser Auseinandersetzungen, die wieder einmal aus dem Nichts entstanden war, sprang urplötzlich auf elementare Grundzüge ihrer Beziehung über. Sprachlos vor Erstaunen hatte Marc erlebt, wie Marie schließlich in einer ungewohnt heftigen Art hervorgestoßen hatte: „Dieses Leben, das wir führen, kommt mir so furchtbar oberflächlich vor. Und du ... du bist mir manchmal so fremd, dass ich gar nicht mehr meinen Marc in dir erkenne."

    ‚Oberflächlich’ wäre nun nach Marcs Einschätzung wirklich nicht die treffende Bezeichnung für ihr Leben gewesen. Insbesondere Marie war alles andere als oberflächlich. Sie hatten keine Kinder, obwohl sie gern welche gehabt hätten. Woran es lag, konnten auch nach einer schier unendlichen Reihe von Untersuchungen nicht mit Sicherheit geklärt werden. Aber Marc und Marie waren sich einig, dass sie der ‚Natur nicht auf die Sprünge helfen’ wollten, wie Maries Gynäkologe es mehrfach vorgeschlagen hatte. Und nach einigem Nachdenken hatten sie auch den Gedanken verworfen, Kinder zu adoptieren. Sie hatten sich irgendwann damit abgefunden, Onkel und Tante zu sein und die Kinder ihrer Freunde zu hüten. Marie engagierte sich außerdem sehr wirkungsvoll in Hilfsprojekten für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Marc unterstütze sie dabei, wenn auch eher mental. Seinen Tatendrang lebte er in der Firma aus, seine Gefühle und Leidenschaften mit Marie.

    Nicht nur, dass ihn die Streitereien mit Marie zermürbten, er vermutete dahinter einen ernsten Grund. Bisher aber war es ihm nicht gelungen, herauszufinden, was seine Frau wirklich bedrückte. Hartnäckig hatte sie alle Fragen abgewehrt. Und als er auf einer Antwort bestand, kurz vor Beginn der gemeinsamen Ferien, weil er so nicht weitermachen wollte und konnte, war sie kurzerhand mit dem Vorschlag, nein, mit ihrer gefällten Entscheidung herausgerückt, allein wegzufahren. Zeit zum Nachdenken hatte sie sich erbeten und gefordert, als er nicht nachgeben wollte. Am Ende dieser Diskussion war er so geschafft, dass er erleichtert war über die Atempause, die sie ihnen mit der dem Vorschlag verschaffte, im Sommer getrennt Urlaub zu machen. Sie wollte sich in ein Wellnesshotel zurückziehen, ein für die Marie, die er kannte, völlig abwegiger Vorschlag, und er ... nun, er wusste eigentlich nicht so recht, was er wollte, außer, dass er bestimmt nicht allein zu Hause sitzen und grübeln wollte, an welcher Gabelung ihres Lebensweges sie denn eigentlich diese holprige Abzweigung genommen hatten. Der Vorschlag seine Freundes Hervé kam daher ganz gelegen, und so war Marc also in Richtung Süden aufgebrochen.

    Und in diesem ganzen Durcheinander war eine Affäre wirklich das Letzte, was Marc brauchen konnte, auch wenn Em, was für ein kurioser Name im übrigen, interessant und attraktiv war. Aber in der warmen Sonne wollte er ohnehin über nichts nachdenken. Marc rollte sich auf den Bauch und war kurz darauf eingeschlafen.

    Kapitel 2

    Marie bog um die Ecke des Flures und atmete auf. Sie war allein. Der Wintergarten, der am späten Nachmittag zum beliebten Treffpunkt wurde, lag verlassen vor ihr. Sonnenstrahlen malten hellgelbe Kringel auf den Terrakottaboden, die Blüten ihr unbekannter Blumen dufteten verführerisch, ein kleiner Wasserfall rauschte beruhigend, verborgen hinter dichten Palmenwedeln. Marie ließ sich in einen weich gepolsterten Rattansessel sinken, zog die Beine unter sich und kuschelte sich in ihren Bademantel. Sie hatte Angst. Unsinn, schalt sie sich, das ist völlig irrational. Noch ist gar nichts entschieden. Aber die Tests waren abgeschlossen, jetzt gab es kein Zurück mehr. Und die Warterei auf die Untersuchungsergebnisse zehrte an ihren Nerven. Flüchtig schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, Marc anzurufen, aber sie verwarf ihn sofort wieder. Es war das erste Mal in ihrer Ehe, dass sie Marc ganz bewusst ausschloss, und manchmal ertappte sie sich dabei, dass sie mit der für sie neuen Situation, ganz allein auf sich gestellt zu sein, ohne seinen Rat und seine Meinung einzuholen, nur schwer zurechtkam. Aber sie hatte es so gewollt, und nun musste sie durchhalten. Aufgeben kam für Marie nicht in Frage.

    Gedankenverloren zupfte sie an dem Blatt einer tropischen Pflanze, die in einem Topf neben ihrem Sessel wuchs. Ein paar Tage würde es dauern, bis alle Unterlagen vollständig waren, hatte Dr. Pivot ihr erklärt. In der Zwischenzeit ... Marie legte versonnen das Kinn auf ihre Knie ... diese Klinik war zwar komfortabel und elegant wie ein Fünf-Sterne-Hotel, aber es war eben eine Klinik. Sie musste ja nicht hier bleiben, sondern konnte sich ein paar Verwöhntage am Meer gönnen. Schließlich war es ja genau das, was sie Marc erzählt hatte. Einen Wellnessurlaub wolle sie machen. Von der Klinik hatte sie ebenso wenig erzählt wie von den vorangegangenen Untersuchungen bei ihrem Hausarzt. Warum hatte sie das alles für sich behalten?

    Marc und sie hatten nie Geheimnisse voreinander gehabt, immer hatten sie alles besprochen, was in ihrem Leben vorging. Aber die mögliche Krankheit bedrohte ihr gewohntes Leben, hing wie eine dunkle Wolke über ihr, und ihr war nur zu bewusst, was sich alles ändern würde, wenn die Untersuchungsergebnisse positiv ausfielen. Allein der Gedanke an die Folgen, die ihren Beruf ebenso betrafen wie natürlich ihr Leben mit Marc, erschreckte sie so sehr, dass sie es noch nicht gewagt hatte, sich das schlimmste aller Szenarien in allen Einzelheiten vorzustellen. Bisher war es ihr gelungen, sich davor zu drücken. Werde nicht hysterisch, hatte sie sich selbst zur Räson gebracht, bevor du nicht die endgültigen Resultate hast, ist alles andere nur Schwarzseherei. Du bist schließlich Wissenschaftlerin, benutze deinen Verstand. Vielleicht hatte sie sich deshalb nicht Marc anvertraut, weil sie so die Krankheit als eine Möglichkeit in der Schwebe halten konnte. Wenn sie erst anfing, darüber zu sprechen, würde sie Wirklichkeit werden.

    Aber durch die Bedrohung durch die Krankheit, die Marie sich weigerte, beim Namen zu nennen, hatte sich ihr Blick für den Alltag geschärft und die Menschen, denen sie darin begegnete. Immer häufiger fand sie sich in der Rolle der zynischen Beobachterin wieder, die verständnislos Diskussionen anhörte, die ihr weit am eigentlichen Thema vorbei zu gehen schienen. Vieles wirkte oberflächlich, berührte den Kern der Sache nicht, vieles lief parallel, ohne sich zu berühren. Auch ihre Ehe und Marc unterzog sie ihrer neuen, kritischeren Bewertung. Obwohl sie nie geglaubt hätte, dass es ihnen beiden passieren könnte – solche Dinge geschahen immer nur anderen und waren bei ihnen höchsten Anlass zu besorgten Gesprächen über eben diese anderen -, kam es Marie so vor, als lebten Marc und sie ebenfalls nur noch nebeneinander her, als würden die gemeinsamen Berührungspunkte immer seltener. Beide waren sehr in ihren Beruf vertieft, und Marie engagierte sich nebenher noch für weitere Projekte, aber das schon immer so gewesen. Nach außen trübte nichts die Harmonie ihres Zusammenlebens, viele ihrer Freunde beneideten sie um den Gleichklang, in dem sie sich offenbar bewegten. Und doch hatte sich etwas Wesentliches verändert. Marie vermisste immer stärker die kleinen Zeichen der Aufmerksamkeit, die sie so lange als selbstverständlich hingenommen und genossen hatte: eine e-Mail zwischendurch, ein Anruf, die Verabredung in einem Café zwischen zwei Terminen.

    Marie fühlte sich nicht mehr geliebt, und, was sie sich selbst nur sehr zögern eingestand, sie fühlte sich nicht mehr begehrt. Zumindest nicht von ihrem eigenen Mann, denn in den Augen anderer Männer sah

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