Carpe that fucking Diem! - Nutze den verdammten Tag: Vierzig Wege, mit vierzig ein verrücktes Leben zu meistern
Von Eva Sereza
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Rezensionen für Carpe that fucking Diem! - Nutze den verdammten Tag
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Buchvorschau
Carpe that fucking Diem! - Nutze den verdammten Tag - Eva Sereza
VORWORT
In meinem vierzigsten Lebensjahr habe ich fast wöchentlich aufgeschrieben, was ich erlebe, fühle und denke. Meine „Montagstagebücher" wurden so etwas wie ein Rückblick und zugleich Dokument einer Befreiung von alten Mustern und Gedanken, von neuen Impulsen und Ideen. Ich habe den zweiten Titel des Buches aus einem besonderen Grund gewählt: Vierzig Wege, mit vierzig sein verrücktes Leben zu meistern. Warum verrückt? Weil mein Leben es war. Weil meine Familie es ist. Und weil ich selbst es heute noch bin. Verrückt, was heißt das eigentlich? Man kann von einem Platz ver-rücken, den andere einem zugeteilt haben. Man kann verrückt werden, weil man nicht weiß, wo man hingehört. Wenn man nicht fest auf dem Boden steht, bestimmen andere den eigenen Standpunkt. Ich habe beschlossen, mich selbst zu verrücken: An den Platz, der meiner ist. Das Schöne ist: Es macht einen stärker - weil man sich selber dabei findet. Das Startkapital, das wir bekommen, ist nicht immer das allerbeste. Manchmal ist es sogar verdammt schlecht. Dennoch kommt es darauf an, wie wir das nutzen, was wir haben. Und was wir aus uns selber machen. Jeden einzigen Tag unseres Lebens! Carpe that fucking Diem (Nutze den verdammten Tag) - diesen Spruch fand ich kürzlich im Netz. Ich fand ihn perfekt - als ersten Titel. Denn auch unter Dreck schlummert manchmal Gold. Letztendlich ist vieles halb so tragisch, wenn man die Perspektive ändert. Wie Karl Valentin schon sagte: „Jedes Ding hat drei Seiten. Eine positive, eine negative – und eine komische!" Möge das, was ich geschrieben habe, anderen Kraft geben und sie inspirieren. Oder auch einfach nur: Fröhlich machen!
Vor vierzig lässt man Revue passieren. So entstand mein Tagebuch. Es wurde ein Cocktail aus Arbeit und Alltag, aus kunterbunten Lebensgeschichten, aus Gedanken über die Welt und Situationen, die einem begegnen - mal tragisch, mal komisch. Bin ich tatsächlich vierzig geworden? Unglaublich, wenn man hierbei bedenkt, dass ich nicht mal halb so alt war, als ich fand, dass Sterben ein guter Plan ist. So gründlich ich ansonsten auch bin, wenn ich mir was in den Kopf gesetzt habe – so nachlässig war ich in diesem Fall. Wobei - ich konnte ja nicht ahnen, dass unverwüstliche Gene wie meine sogar von einer Packung Valium (naja, ganz voll war die wohl nicht mehr) aus dem Vorratsschrank der Mama und einer halben Flasche Bacardi Rum weitgehend unbeeindruckt bleiben. Ich hatte zwar einen sauberen Rausch – sowie einen komatösen Schlaf mit durchaus interessanten Träumen – aber sterben, das war wohl noch nichts für mich. Ich bin die erste, die ich kenne, die nach einem Suizidversuch mal eben aufsteht, um Kaffee zu kochen und von ihrer Mutter dabei gefragt wird, ob es gestern „ein bisschen spät" war.
Natürlich habe ich meine Narben. Und ich habe sie lange ignoriert. Gefühle sind für mich ziemlich schwierig. Meine eigenen zumindest. Und ich rede nicht gerne darüber. Viele der Menschen, die mich lange begleiten, haben lange gebraucht, mich kennen zu lernen. Weil ich früher vor allem eins war: Überall, aber nicht wirklich da. Präsent – aber trotzdem nicht greifbar. Das hat nichts damit zu tun, dass ich die Menschen um mich nicht schätze. Ich bin für sie da – und brauche sie auch, manchmal sogar sehr. Und ich musste erst lernen, mich wirklich zu zeigen. Deshalb fing ich an zu schreiben. Ich begann damit, als ich neun Jahre alt war. Nicht jeder, der meine Biographie hat und schon mit acht die fünfte Familienkonstellation, wird später eigentlich doch ziemlich glücklich. Und bekommt sogar einen Adelstitel - adoptiert, aber immerhin! Begonnen hat alles mit einem Vater, der unwiderstehlich – und verrückt war. Er war ebenso charmant wie plötzlich unberechenbar. Am einen Tag ein Gentleman, lief er an einem anderen Tag mit einem Hirschgeweih auf dem Kopf - befestigt auf einem Motorradhelm - durch die Straßen der Stadt. An einem besonders schlechten Tag zertrümmerte er Möbel, trat Türen ein, stieg auf Brückengeländer und drohte, zu springen. Meine Mutter war traumatisiert und hatte ganz sicher große Angst, dass ich genau wie mein Vater werde. Der Mensch, der sie am schlimmsten verletzte. Der zu ihrem größten Alptraum wurde. Der Mann, dessen Tochter ich bin. Trotzdem wurde ich eine Prinzessin – und wollte es doch niemals sein. Stattdessen war ich: Einfach wild. Ich finde, es ist mir nachzusehen. Man sagt man braucht ein paar Beziehungen schon bei einer komplexen Vaterfigur. Bei dieser Anzahl (und Kalibern), mit denen man mich konfrontiert hat, ist mein unglaubliches Männerchaos eigentlich immer noch harmlos. Ich finde, das sollte ich dringend ändern. Man soll ja nichts unverarbeitet lassen!
Es hat auch Vorteile, wie ich in einem Irrenhaus geboren zu sein: Man hat viele Optionen im Leben. Zum Beispiel, auch durchgeknallt zu sein. Im Drogen- oder Rotlichtmilieu zu landen. Oder aber unglaublich stark, rebellisch und kreativ zu werden, um dem Wahnsinn zu entgehen. Ich glaube, auf mich trifft ein bisschen von allem zu – und dann wurde ich aus Versehen normal. Beruflich betrachtet, zumindest. Ganz unspektakulär: Eine Sekretärin – aber immerhin, im Topmanagement. Normal: Das glaubte ich bloß. In Wahrheit begann der Irrsinn erst dort! Die Bühne und das Musikerleben habe ich nebenbei dringend gebraucht. Denn nur „der ganz normale Wahnsinn" – das habe ich nicht ausgehalten. Hinzu kam: Ich war nicht lediglich dort geboren, ich wuchs ja auch im Irrenhaus auf! Jedenfalls war ich dort ziemlich oft, zum Beispiel wenn Arbeiten der Patienten bei Ausstellungstagen verkauft wurden. Mein Opa war Leiter der beschäftigungstherapeutischen Werkstatt am psychiatrischen Klinikum. Ich verbrachte viel Zeit bei den Großeltern, und er nahm mich – wie meine Oma auch – bisweilen mit zur Arbeit. Ich kannte keine Vorurteile, was psychische Erkrankung betraf. Mein Opa hat mir viel erklärt und ich lernte viel von seiner Art, mit Menschen, die anders sind, umzugehen. Trotzdem ist es nicht immer leicht, wenn es die eigenen Eltern betrifft. Sie waren beide sehr starke Menschen. Und trotzdem so verloren im Leben. Sie haben selbst Kinder unterrichtet, und gingen in ihrer Arbeit auf. Es schien ihnen alles gut zu gelingen – ganz abgesehen von ihrer Beziehung. Und von ihrem Kampf um das kleine Kind, das sie beide wollten, das verloren war in ihrer beider Lebensdrama, in ihrem erbitterten Streit miteinander, zwischen Liebe und Hass - der sie schließlich entzweite. Doch vor allem ging ich in einem unter: Im Krieg, der in ihrem Inneren war.
Meine Familie habe ich überlebt – so wie viele extreme Erlebnisse, aus denen ich teils mit Glück, teils mit Mut, doch immer weitgehend heil heraus kam. Meinen Job überstand ich allerdings bisweilen nur mit viel Mühe. Im Gegensatz zu meinem Zuhause gab es dort nämlich kein Entkommen! Und, ganz anders als manische Chefs, haben verrückte Mütter wie meine einen besonderen Charme: Sie war besonders liebevoll und herzlich wenig spießig. Sie war meistens mit sich selber beschäftigt. Ihre Männergeschichten waren die schlimmeren. Und sie verbrachte viel Zeit in der Klinik – oder bei einem neuen Freund. Das führt dazu, dass die Jugend ein wahrer Traum von Freiheit ist: Sturmfreie Bude am laufenden Band. Nirgendwo wurde so gefeiert, nirgendwo gab es ungestört Sex – außer bei mir, und das schon mit fünfzehn. Weil ich es zuhause nicht aushielt