Irgendwann sehen wir uns wieder
Von Kristin Pluskota
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Über dieses E-Book
Sophie findet heraus, dass Maggie und John nicht ihre Eltern sind, sondern ihre Beschützer. Ihre leibliche Mutter, Ariel wird auf Marlos gefangen gehalten. Sophie versucht alles, sie zu retten.
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Buchvorschau
Irgendwann sehen wir uns wieder - Kristin Pluskota
1.
Es regnet noch immer, das geht jetzt schon fünf Wochen so. Ich sitze vor meinem Fenster und starre in den grauen Himmel. Dicke Tropfen fallen auf die Erde. Alles ist nass, der Boden kann schon gar kein Wasser mehr aufnehmen. Kleine Flüsse haben sich gebildet und laufen die Straße hinab. An solchen Tagen fühle ich mich allein, die Stille macht mich traurig. Maggie und John geben ihr Bestes, damit mein Leben so normal wie möglich verläuft, doch die Leere in mir können sie nicht füllen. Dieses Warten auf ein bisschen Sonne, auf die einzelnen Strahlen, macht mich noch verrückt. Na ja, wohl eher das Warten auf die Wärme, die sie mitbringt. Denn danach giert mein Körper. Ich spüre dieses Verlangen. Warum ich das so brauche?! Das liegt an meiner Herkunft. Ich liebe es, wenn die warmen Sonnenstrahlen mein Gesicht berühren, wenn mein Körper die Wärme in sich aufnimmt. Es anfängt in den Fußspitzen zu kribbeln, die Waden hinauf, an den Oberschenkel hoch, durch den Bauch, bis zu meiner Brust steigt. Mein Herz anfängt schneller zu schlagen, es saugt die Wärme in sich auf und speichert diese als Energie. Dann schließe ich meine Augen und fühle, wie ich stärker werde, die Energie sich ausbreitet und mein Körper anfängt zu glühen. Dann weiß ich, dass ich am Leben bin. Egal was passiert, ich habe die Kraft es durchzustehen. Doch das war nicht immer so. Wir wohnen jetzt seit zwei Jahren in Bettles, seitdem John seinen Beruf an einer Universität aufgegeben hat. Er war ein angesehener Professor und sollte die Leitung übernehmen. Seine damaligen Kollegen haben seine Kündigung nie verstanden. Wie sollten sie auch? Jetzt arbeitet er als Lehrer an der hiesigen Schule. Schlechte Bezahlung, Überstunden und das alles nur, um in meiner Nähe zu sein. Er denkt, er kann und muss mich beschützen. Maggie, ist der liebenswerteste Mensch, den ich kenne. Nichts kann sie aus der Ruhe bringen. Sie weiß auf alle Fragen eine Antwort. Aufopfernd kümmert sie sich um mich. Dabei sind Maggie und John noch nicht einmal meine leiblichen Eltern. Der Wunsch nach eigenen Kindern bestand, doch es hat nie geklappt. Ich lebe gerne in Bettles, es ist eine ruhige Gegend. Viele Freunde habe ich nicht, die Meisten finden mich seltsam. Ich gebe mir aber auch keine Mühe mehr, dass zu ändern. Einmal im Jahr gibt es ein Straßenfest, jeder bereitet eine Kleinigkeit vor und abends wird gegrillt, ob es regnet oder die Sonne scheint. Wenn es nach John und mir gehen würde, würden wir in den Urlaub fahren. Doch Maggie hat ein zu gutes Herz, sie kann nicht absagen. Vielleicht wäre es gar nicht so schlimm, wäre da nicht unsere schrecklich neugierige Nachbarin, Lila. Ich habe mich schon so oft vor ihr erschrocken, wenn sie mich durch die Fenster beobachtet. Aber noch nerviger sind ihre ständigen Fragen. Hast du einen Freund, wie läuft es in der Schule, warum kommt dich keiner besuchen, warum machst du den Schwimmkurs nicht mit?
John und ich erlauben uns dann immer ein Scherz mit ihr. Wir erzählen ihr irgendwelche Geschichten. Einmal hatte ich einen Freund, der im Gefängnis sitzt oder ich spiele Fußball, für Lila unvorstellbar. Maggie ist dann immer ganz empört, wenn uns die Nachbarn so komisch angucken und meiden. John und ich müssen immer darüber lachen. Aber jedes Jahr werden wir aufs Neue eingeladen. Was würde passieren, wenn ich Lila die Wahrheit sagen würde? Vor zwei Jahren war mein Leben noch normal, so normal, wie ein Leben mit 16 Jahren halt ist. Ich bin zur Schule gegangen, hatte viele Freunde und lernte gerade diesen süßen Typen kennen. Rick war lustig, groß und total süß, viele Mädels standen auf ihn. Aber er hatte mich angesprochen. Ich weiß noch, wie nervös ich war. Wenn wir telefonierten, konnte ich nicht ruhig dasitzen. Ich bin durch mein Zimmer marschiert, Maggie und John haben dann immer über mich gelacht. Damals machte ich mir keine Sorgen, alles viel mir so zu. Klar gab es mal Streit mit Freundinnen oder schlechte Noten. Trotzdem war es irgendwie schön, unbeschwert. Ab und zu sehne ich mich nach diesem Leben, ich vermisse das normal sein. Maggie und John geht es nicht anders, sie würden es mir nie sagen, aber ich kann es fühlen. Ich habe sie oft beobachtet, wie zärtlich sie miteinander umgegangen sind und John Maggie zum Lachen gebracht hat, ein unbeschwertes Lachen, aus tiefstem Herzen. Ich habe es lange nicht mehr gehört. Sie mussten so viel für mich aufgeben. Unser altes Leben, unser Zuhause und unsere Freunde blieben zurück. Wir mussten von heute auf morgen unsere Sachen packen. Damals hab ich nicht verstanden, dass es für immer war. Sophie komme runter, du musst mir noch beim Tisch decken helfen!
Maggie ist nervös, ich kann das an ihrer Stimme hören. Normalerweise kann Maggie nichts aus der Ruhe bringen, ich bin eher die Jenige, die mit ihrer Art alle verrückt macht. Doch, wenn wir Besuch bekommen, ist sie wie ausgewechselt. Du weißt, wir bekommen heute Besuch von den Kollegen deines Vaters. Ich schaffe das nicht alleine! Wir müssen noch das Essen vorbereiten und die Getränke kaltstellen. Bitte komm jetzt runter.
Ich möchte nicht, dass Maggie sich noch mehr aufregt und gehe ihr lieber helfen. Das Wetter wird sich eh nicht ändern, egal wie lange ich in den Regen starre. Das wäre mal eine Fähigkeit, die Wolken zur Seite schieben, damit die Sonne ungehindert die Erde erwärmen kann.
Maggie, ich komme. Wir schaffen das schon.
Als ich in die Küche gehe, sehe ich auch, warum Maggie so verzweifelt ist. Es sieht aus wie auf einem Schlachtfeld. Maggie guckt mich verzweifelt an, ich blicke über ihre Schulter und sehe einen komischen Brei auf dem Tisch. Was ist denn mit der Gurke passiert? Wenn ich nicht wüsste, dass es eine ist, hätte ich sie nicht mehr erkannt. Was wolltest du denn damit machen?
Ich wollte einen Salat machen und habe doch eine neue Küchenmaschine. Statt Scheiben hat sie aber alles klein gehäckselt.
Maggie schüttelt den Kopf. Ich muss lachen, sie hat es nicht so mit neumodischen Dingen. Alles wird gut. Denn was soll schon passieren, bekommen wir halt nie wieder Besuch, auch schön.
Maggie guckt mich mit großen Augen an, sie weiß gar nicht, wie sie darauf reagieren soll. Fängt dann aber laut an zu lachen. Ach Sophie, komm hilf mir.
Maggie beruhigt sich so langsam, und als dann ihre Lieblingssängerin im Radio zu hören ist, dreht sie es lauter. Es gibt kein Halten mehr und wir singen und tanzen zur Musik. John kommt in die Küche und macht gleich mit.Ich liebe die Beiden und ich weiß nicht, wie ich das alles wieder gut machen soll.Diesen einen Tag, der unser Leben veränderte, werde ich nie vergessen.
2.
Ich habe schon länger gespürt, dass ich anders als die Anderen in meinem Alter bin. Plötzlich konnte ich Gefühle von meinen Freunden wahrnehmen, mehr als es vorher der Fall war. Es fing an, eine Rolle in meinem Leben zu spielen. Mein Körper signalisierte mir, wer es gut oder wer es böse mit mir meinte. Viele Entscheidungen wurden mir so von meinem Empfinden abgenommen, nicht das reine Bauchgefühl, es war mehr. Ich habe Maggie und John nichts davon erzählt, es hat sich nicht ergeben. Doch ich hätte es erzählen sollen. Es war an einem warmen Sommermorgen, Maggie rief meinen Namen, ich sollte aufstehen und mich für die Schule fertigmachen. Als ich gerade meine Sachen anziehen wollte, bekam ich schreckliche Kopfschmerzen. So schlimm, dass ich mich nicht mehr auf meinen Beinen halten konnte. Ich setzte mich auf mein Bett, doch es wurde nicht besser, sondern eher immer schlimmer. Mir wurde fürchterlich schlecht und der Raum fing an, sich zu drehen. Ich rief nach Maggie, dann wurde auch schon alles schwarz vor meinen Augen und ich stürzte zu Boden. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einem kleinen Raum. Die Wände waren weiß gestrichen, ich konnte noch die frische Farbe riechen. Ich kannte diesen Ort nicht. Angst stieg in mir auf und ich blickte mich ohne große Bewegungen vorsichtig um. Ich war auf einer Liege mitten im Raum festgebunden. Ein Stuhl stand in der einen Ecke, sonst war der Raum leer. Wenn ich mich heute zurückbesinne, läuft mir noch immer ein Schauer über den Rücken. Ich weiß noch, wie unwohl ich mich fühlte. Damals konnte ich meine Gefühle nicht kontrollieren, ich fing an zu schreien, Tränen liefen mir die Wange herunter. Was war nur passiert? Ich hörte John mit Maggie sprechen, doch konnte nicht verstehen, was sie sagten, bis endlich die Tür aufging. Maggie erschien neben der Liege und nahm meine Hand. Sie sah ängstlich aus, aber ihre Berührung war warm und beruhigend, sie ließ mich für einen kurzen Moment meine Angst vergessen. Maggie blickte mir tief in die Augen. So etwas habe ich noch nie gesehen, ihre Augen fingen an zu strahlen, es breitete sich auf ihrem ganzen Körper aus. Rote, gelbe und grüne Felder, wie Sonnenstrahlen, leuchteten in sämtliche Richtungen. Ganz unscharf und verschwommen bewegten sich diese Farben an ihrem Körper entlang. Es ist ihre Aura, diese Strahlen berührten meine Haut. Meine Hände fingen an zu kribbeln und wurden ganz warm, Maggie hielt mich noch immer fest. Dann konnte ich ihre Stimme hören tief in meinem Körper, ich starrte ihr auf den Mund, doch der bewegte sich nicht. Maggie sagte, ich sollte mich beruhigen, ihr vertrauen. Mein Körper fing an zu glühen. Ihre Wärme verteilte sich in mir. Sie sagte immer wieder, dass ich mich konzentrieren soll. Dass meine Gefühle und Empfindungen sehr stark sind, ich sie aber bald kontrollieren könnte. Damals habe ich nicht verstanden, was sie damit meinte. Doch heute weiß ich, dass Maggie sich in große Gefahr begeben hat, als sie mir ihre Hand gab. Ich spürte Maggies Herz, es schlug schnell, wurde aber immer langsamer. Mein Herzschlag passte sich ihrem an. Für diesen kurzen Augenblick blieb die Welt stehen. Als die Tür aufging, wurde ich schnell in die Realität zurückgeholt. John kam herein und Maggie löste ihre Berührung. Auch John umgaben diese Farben und Strahlen, doch bei ihm waren sie eher kühler. Blau, grün, rot, dafür leuchteten sie aber stärker, nicht so verschwommen wie bei Maggie. Auch er nahm meine Hand und mein Körper fing wieder an, zu glühen. Es war ein gutes Gefühl. Bei Maggie war es die Herzlichkeit, bei John war es die Stärke, die mir ein Gefühl von Geborgenheit gab. Er strahlte so viel Sicherheit aus, an seiner Seite konnte mir nichts passieren. Johns Stimme drang in meine Gedanken, aber auch sein Mund bewegte sich nicht. Er sprach mit so einer Ernsthaftigkeit in der Stimme, das kannte ich nicht von ihm. Er versuchte mich zu beruhigen. Immer wieder sagte er, ich sollte aufhören zu weinen. Da fiel es mir auch erst auf, dass mir noch immer Tränen über die Wange liefen. Warum war ich hier? Maggie kam näher und nahm meine andere Hand, obwohl John damit nicht einverstanden war. Doch sie hielt mich fest und ich war froh, dass sie da war. John erzählte mir, dass wir uns in einer Art von Bunker befanden, sie mussten mich hier herbringen, weil ich meine Gefühle und meine Aura noch nicht kontrollieren konnte. Durch diese Wände konnten keine Energien nach draußen dringen. John erklärte mir, dass sie mich festbinden mussten. Weil mein Körper sich so verkrampfte, sie hatten Angst, ich würde mich oder andere verletzen. Doch jetzt löste Maggie die Fesseln und ich konnte mich hinsetzen. Das Gefühl der Kälte und die Angst kamen nicht mehr zurück. Ich weiß noch, dass ich mich geborgen fühlte. Doch was war passiert? Ich konnte mich an die schlimmen Kopfschmerzen erinnern. War ich krank? Es kam alles anders, als ich dachte, dieser eine Satz veränderte mein Leben. Stellte alles auf den Kopf, an das was ich glaubte und mir immer erzählt wurde. Maggie wollte wieder nach meiner Hand greifen, doch John hinderte sie daran. Er schickte sie aus dem Zimmer, aber Maggie blieb an der Tür stehen. John forderte mich auf, ich sollte mich voll und ganz auf ihn