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Pechpilz: Ein schräger Vogel auf Glückssuche
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Pechpilz: Ein schräger Vogel auf Glückssuche
eBook226 Seiten3 Stunden

Pechpilz: Ein schräger Vogel auf Glückssuche

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Über dieses E-Book

Philip und seine Zukünftige, Steffi, erwarten ein Kind. Doch der vom Pech verfolgte Ehemann interessiert sich weiterhin wesentlich mehr für seine Kumpel, seinen Fußballverein und den damit verbundenen Trinkeskapaden, wodurch er ständig am Feuer löschen ist.
Das neue Familienleben bis hin zum Erwachsenwerden seiner Kinder, treibt Philips jugendliche Männlichkeit an den Rand des Abgrunds. Bisweilen versteht er nicht, warum auf einmal Schluss sein soll mit lustig und warum das Glück an ihm vorbeizieht.
Bis zu dem Tag, als seine Tochter den ersten Freund nach Hause bringt.


"Sobald man im Leben eine ernsthafte Verpflichtung hat, besonders in Form einer Ehe und eines Kindes, dann schenke man die eigene Jugend seinem Kind."
Das hätte der Grantler Opa Karl seinem Neffen Philip besser früher mal erklärt. Nun erwarten Philip und seine Zukünftige, Steffi, ein Kind. Philip interessiert sich aber eigentlich viel mehr für seine Kumpel, seinen Fußballverein und das nächtliche Kneipenleben.
Trotzdem glaubt Steffi felsenfest daran, ihn umpolen zu können, um ein solides Familienleben zu führen. Doch da hat sie die Rechnung ohne seine nicht enden wollenden Eskapaden gemacht, die mit viel Pech versehen sind. Steffi hat sich einen Pechvogel an Land gezogen. Das wissen alle – sie nicht minder.
Nur hat sie nicht ahnen können, dass ihr Liebster trotz Ehe und Vaterglück seinen früheren Vorlieben auch über die Jahre hinweg weiterhin den Vorzug geben würde. Und das geht auf Dauer nicht gut, und eskaliert, als die geliebte Tochter ihren ersten Freund nach Hause bringt.

Ein Buch über Vorurteile, männliche Ängste und in die Jahre gekommene Tagträumer. Der Autor zeigt liebevoll, wie Ehe und Kinder die jugendliche Männlichkeit an den Rand des Abgrunds treiben können.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum2. Juli 2018
ISBN9783746739403
Pechpilz: Ein schräger Vogel auf Glückssuche

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    Buchvorschau

    Pechpilz - Matthias Naas

    PP18

    Pechpilz

    Ein schräger Vogel auf Glückssuche

    Matthias Naas

    Roman

    Impressum

    Texte: 2018 © Copyright by Matthias Naas

    www.matthias-naas.de

    Umschlag &

    Zeichnung: 2017 © Copyright by Julian Bock Kontakt: deafman@gmx.de

    Verleger: Matthias Naas

    Karlsbader Str. 36, 64295 DA mail@matthias-naas.de

    Druck: epubli ein Service der neopubli GmbH, Berlin

    Zu diesem Buch

    Philip und seine Zukünftige, Steffi, erwarten ein Kind. Doch der vom Pech verfolgte Ehemann interessiert sich weiterhin wesentlich mehr für seine Kumpel, seinen Fußballverein und den damit verbundenen Trinkeskapaden, wodurch er ständig am Feuer löschen ist.

    Das neue Familienleben bis hin zum Erwachsenwerden seiner Kinder, treibt Philips jugendliche Männlichkeit an den Rand des Abgrunds. Noch versteht er nicht, warum auf einmal Schluss sein soll mit lustig und warum das Glück an ihm vorbeizieht.

    Bis zu dem Tag, als seine Tochter den ersten Freund nach Hause bringt.

    Matthias Naas, geboren 1969 in Darmstadt lebt dort noch heute mit seiner Familie.

    Durch die Lehre zum Schriftsetzer und den damit verbundenen Berührungen mit Buchstaben aus Blei wuchs der Drang, eigene Sätze zu formen und zu Papier zu bringen.

    Seit dem Jahr 2000 selbständiger Unternehmer. Somit blieb vom Bleisatz nur der Bleistift, der unermüdlich im Hinterhof seiner Gedanken weitertobte.

    Der Autor reist viel durch die Welt, legt Wert auf Familie und Freunde, die er gerne im Fußballstadion oder am Tresen trifft. Mit diesen Eindrücken im Gepäck formt der Bleistift Buchstaben zu Sätzen, welche nun in gebündelter Form, nach HENRY – Ein Abgesang, als sein zweiter Roman mit dem Titel PECHPILZ ans Licht der Öffentlichkeit drängen.

    Bisherige Veröffentlichungen:

    1992 Gedichtband des Verlag Freidhof:

    Deutschlands neue Dichter & Denker

    2015 Roman: HENRY – Ein Abgesang, M&V Verlag

    2015 Filmtrailer zum Buch / Grünewald Buchtrailer

    2018 PECHPILZ – Ein schräger Vogel auf Glückssuche

    Autorenwebsite: www.matthias-naas.de

    Für alle Siegersamen

    Das Glück besteht nicht darin,

    dass du tun kannst, was du willst,

    sondern darin, dass du immer willst,

    was du tust.

    Leo (Lew) Nikolajewitsch Graf Tolstoi

    I

    Zu Recht plagten mich Selbstzweifel, während meine zittrigen Finger die kalten Eisenstangen umklammerten. Dafür lächelte mein Opa Karl glückselig und entspannt, rücklings auf der steifen Hartschaummatratze liegend, zur Decke empor.

    Die Polizeibeamten auf der städtischen Station schenkten meinem seichten Wimmern keinerlei Beachtung mehr. Aber was will man um sechs Uhr morgens erwarten, wenn man die Nacht hindurch das gesamte Darmstädter Präsidium auf Trab gehalten hatte. Obendrein schienen die Polizisten hauptsächlich damit beschäftigt, unsere Angehörigen ans Telefon zu bekommen, in der Hoffnung, dass diese uns abholen würden.

    Ein 84jähriger, im Leichtsinn lebender Greis und ich, sein Enkel, der eifersüchtige Vater einer jungen Tochter, hatten uns diese verfahrene Situation eingebrockt. Zusammen mit dem bei mir in vertrauensvoller Obhut geglaubten, verängstigten Pseudo-Kampfhund meines Freundes, sowie einem unschuldigen Opfer und einer entführten Schnappschildkröte.

    Wie hatte ich Opa nur da mit reinziehen können, fragte ich mich? Und warum nur, hatte ich erneut solch einen Mist verzapfen müssen? Hatte mein Umfeld durch die Fußballleidenschaft und die unzähligen Missgeschicke der vorangegangenen Jahre nicht genug gelitten?

    Doch ich hatte ebenfalls eingesteckt, obwohl ich mich abgemüht hatte, den Fettnäpfen nach Möglichkeit aus dem Wege zu gehen. Hatte doch alles mit den zwei Sätzen meiner vierzehnjährigen Tochter begonnen: »Papa, heute kommt mein Freund Ali zu uns, um mich abzuholen. Sei nett zu ihm, okay?«

    Diese Sätze raubten mir den letzten Atem, wie ich ihn des Öfteren von Steffi, meiner Gattin, geraubt hatte. Die unvergleichliche Frau, die dem jahrelangen Chaos wacker standgehalten hatte. Zumindest bis gestern, als ich noch in Freiheit war!

    Alles hatte mit unseren scheinbar so harmlosen Zukunftsplänen angefangen. Doch bestand das wahre Glück in einer Vorzeige-Hochzeit und aus einem modernen Einfamilienhaus? Oder lag das Glück nicht doch wo anders? Wüsste ich es, würde ich jetzt wie Opa Karl, zufrieden daliegen mit einem Lächeln auf den Lippen.

    Einen Löwenanteil an diesem Scherbenhaufen trug sicher unser Architekt Christian mit seiner neu erbauten siebener Reihenhauskette! Dort, wo wir supergünstig das letzte freie Haus erworben hatten, gab es unterm Dach für zwei Kinder ein eigenes Zimmer mit Gemeinschaftsbad. Ein Geschoss tiefer lag unser Schlafzimmer mit Platz für ein klassisches Ehebett und daneben ein zusätzliches Badezimmer. Außerdem Steffis Arbeitszimmer, in welchem sie nach der Geburt plant, ihre Anwaltsfälle zum Thema Familienrecht zu bearbeiten. Das war zumindest in deshalb klasse, weil diese mittlere Etage meine TV-Fußballwelt im Wohnzimmer des Erdgeschosses von der der Kinder trennte. Ergo reichlich Ruhe für mich!

    Wie ich einige Jahre später einsehen musste, war dies ein überlebenswichtiger Puffer zwischen mir und dem geschmacksfreien Musikgruppen-Wandposter-Cocktail in dem Zimmer meiner Tochter. Der bestand aus dem Blondschopf von Sunrise Avenue, dem Sänger und Traum aller Schwiegermütter von Revolverheld sowie den Vollblut-Gangstern Bushido und Kay-One. Dafür schien die Kommunikation wie abgeschnitten. Hier die Welt der Kinder, dort das Reich der Eltern.

    Und für den Fall, dass das gemeinsame Familienleben eskalieren drohe oder die Familienbrut eines Tages zusätzlich das Wohnzimmer für sich in Beschlag nehmen würde, so könnte ich im Notfall die ungenutzten Kellerräume beziehen. Oh ja, einen Keller hatten wir ebenfalls. Den hatte uns damals der Architekten-Christian, der gleichzeitig Bauherr und Grundstückseigentümer in einer Person war, für günstige zwanzigtausend Euro zusätzlich aufgeschwatzt. Steffi fand den dufte ich weniger. Jeder seiner Vorschläge war sooo toll und alles ergab ja sooo einen Sinn.

    Eine vierköpfige Familie in einem Haus ohne Keller, das wäre doch eine mittlere Katastrophe, hatte der verkaufstüchtige Tausendsassa gemeint. Das war schlau von ihm. Steffi war zu dem Zeitpunkt mit Isabell schwanger gewesen. An ein zweites Kind hatte ich nicht einmal gedacht. Wohl aber Steffi. Wo wir denn sonst die vielen Sachen verstauen wollten, wenn nicht im Keller, hatte er geschickt gefragt. Da das Reihenmittelhaus zwar in dritter von drei Reihen voll Hasenhütten lag, kam bei der Reihenhausversion mit Keller dafür kostenfrei eine Fußbodenheizung hinzu. Steffi war liebenswert in ihrer offenen Art und unbegrenzt begeisterungsfähig. Ein Traum für jeden GEZ-Vertreter. Trotzdem Eigenschaften, die ich bedingungslos an ihr liebte, die aber zu meinem Leidwesen meist zu kostspieligen Entscheidungen führten.

    Aber damit war der Kostensteigerungsspießrutenlauf keineswegs am Ende angelangt, denn die dicken Fliesen aus Spanien vom Fliesen-Wunsch seien doch bedeutend empfehlenswerter. Da diese in der Lage wären, Wärme einzulagern, im Gegensatz zu solch dünnen, günstigen vom Baumarkt. Und durch die Kombination mit den vorteilhafteren Upgrade-Fenstern in Vierfachverglasung, würden wir im Haus enorme Energiekosten einsparen. Das alles für lediglich dreißigtausend Euro extra, was erst später zur Sprache hatte kommen sollen. Im Gegenzug erhielten wir seinerzeit das Ausstattungspaket mit dem Namen Green Earth anstatt Basic. »Freund« Christian hatte es eine Investition in die Zukunft genannt, die sich in ein paar Jahren bezahlt machen würde. Das hatte meiner grün angehauchten Steffi gefallen. Im Besonderen, da er uns hatte versprechen können, dass alles innerhalb von vier Wochen nach der Kaufvertragsunterzeichnung fertiggestellt sein würde rechtzeitig vor unserer geplanten Hochzeit und der Geburt unseres Babys. Ein Widerspruch wäre zwecklos! Umweltschonend, wie sie beide versuchten, mir zu erklären. Mit Erfolg.

    Mittlerweile überkam mich das Gefühl, dass Christian selbst wesentlich dufter sei als ich. Klar, er hatte diese von Frauen geliebten Einmeterzweiundneunzig, war gebildet, erfolgreich, blond und stets gleichmäßig gebräunt. Dazu täglich sportlich aktiv, was ihn in meinen Augen nicht sympathischer darstellte. Obendrein seine charmante Art mit Frauen zu plaudern – Hölle! Jammern half da nichts, gegen den sah ich mich außerstande anzustänkern. Dafür würde er niemals, so wie ich einmal, Darts-Weltmeister werden, oder herausfinden, wie man mit einem Feuerzeug eine Flasche Bier öffnet.

    Letzten Endes spielte meine Meinung keine Rolle. Steffi hörte ausschließlich auf Mr. Dufte. Ich sagte, lass uns die braunen Fliesen vom Bauhaus, die klassischen Armaturen vom Praktiker sowie ein paar Eimer Alpina-Weiß kaufen. Dann fragen wir mal im Bekanntenkreis, wer uns das verarbeiten kann, fertig wäre das Haus. Nein, meine Gattin meinte, Christian hätte einen besseren Geschmack. Was kam dabei heraus? Terrakotta-Fliesen, die extra für uns gebrannt wurden, Villeroy & Boch-Armaturen, Modell Classico und eine Innenwandfarbe mit dem behaglichen Namen Casa Ala Blanca. Zumindest weiß. Ansonsten gleicher Käse, nur dreimal so teuer!

    Ich steckte zu diesem Zeitpunkt in einer Zwickmühle, weswegen es mir klüger erschien, mich unauffällig und gehorsam zu verhalten. Wir suchten schon einige Monate erfolglos ein gemeinsames Heim. Dort zu klein, da zu teuer, miese Lage, kein Kindergarten und Supermarkt in der Nähe. Das übliche Wunschkonzert von angehenden Eltern, die planten zusammenzuziehen, um eine Familie zu gründen. Ein freistehendes Haus mit Fußballfeldgroßem Garten, auf dessen Rasenfläche die Kinder kicken könnten, war meine Ansage. Bezahlen, so tönte ich, sei für mich kein Problem. Ersparnisse und ein sicherer Job ergäben eine Wahnsinns-Bonität, erklärte ich ebenso Steffis Vater, der seit er mich das erste Mal traf, an mir gezweifelt hatte und sich um seine Tochter sorgte.

    Und die finsterste Realität holt einen spätestens dann wieder ein, wenn man vor dem Finanzberater seiner Hausbank sitzt. Hoffend auf den besten Deal, denn man ist ja schon über dreißig Jahre Kunde bei der Bank. Da half einem das sorgfältig aufbewahrte Jeans-Sparbuch nichts, wie ich feststellen musste. Und dabei sah meines tipptopp gepflegt aus. Als ich es mit geschwellter Brust dem Berater auf den Tisch legte, war ich der Meinung, dass er mir ein günstiges Finanzierungsangebot machen würde. Doch ich verstand umgehend, dass ich mich irrte. Dieser Typ mit Mitte zwanzig hatte eindeutig keinen Schimmer, wie kostbar das Jeans-Sparbuch für unsere Generation gewesen war.

    Als dieser daraufhin was von zwanzig Prozent Eigenkapital faselte, schrie ich ihn an: »Damals bekam man wenigstens noch Zinsen!« Er erwiderte trocken, mein Sparbuch habe mit einem damaligen Guthaben von 1.898 D-Mark weitaus weniger Zinsen in den vergangenen zwei Jahrzehnten eingebracht, wie ich es womöglich annehmen würde.

    Meine Unmutsäußerung war dann das Letzte, was ich zu dem Thema sagte, bevor Steffi mir Redeverbot auferlegte und daraufhin das Betteln um Geld übernahm, indem sie mit Papi telefonierte, der uns unter Auflagen rettete. Für mich bedeutete es, dass ich Verträge unterschrieb, die mich dazu verdammten, dass ich die kommenden dreißig Jahre fünfunddreißig Prozent meines monatlichen Gehalts an die Bank abzuführen hatte. Dazu weitere fünf Prozent für einen erstklassigen Bausparvertrag, der das alles ablösen sollte, wenn ich ergraut sein würde. Das Haus dafür im Anschluss aber unser Eigentum wäre und das klang vernünftig. Doch das Beste: Meine Ersparnisse mussten nicht geopfert werden. Steffi empfand den Jeans-Sparbuch-Versuch ziemlich megapeinlich. Zumal der Bankmann zu allem Überfluss fragte, ob ich es auflösen wollen würde, um das Guthaben dem Girokonto gutzuschreiben. Dezent zickig verneinte ich das mit den Worten, dass ich plane, es für »schwere Zeiten« aufzuheben.

    »Kannst du mir mal verraten, wie du mit nicht einmal eintausend Euro ein Haus kaufen wolltest?«, schrie Steffi lauthals, als wir auf den Stufen vor dem Sparkassenpalast standen und das war bei genauer Betrachtung eine durchaus berechtigte Frage. Ich hatte zwar knapp fünftausend Euro auf meinem Girokonto übrig, aber selbst zusammen reichte es nicht mal dafür, einen gebrauchten Kleinwagen zu kaufen.

    Steffis Vater ermöglichte uns ein privates Darlehen, dass das benötigte Eigenkapital für die Bank abdecken sollte. Dafür musste unser Haus aber auf Steffis Namen eingeschrieben werden. Nur so zur Absicherung, wie der Herr Papa versicherte. Nicht, dass ich mich mit dem Haus unterm Arm absetzen würde, dachte er womöglich insgeheim. Obendrein sollte aber nur ich als Familienernährer das Darlehen der Bank, wie seines, monatlich bedienen. Ich habe in meinem Leben wahrlich schlauere Deals fabriziert, aber dieser war unverzeihlich. Andererseits, Unterhaltszahlungen hätten sich ähnlich verheerend auf mein Einkommen ausgewirkt, wo ich doch bald Vater werden sollte.

    Schlaue Menschen behaupten, man habe immer eine Wahl. Ich hatte keine. Obendrein stand unsere Hochzeit an, für die mein restliches Erspartes draufgehen sollte. Außerdem kristallisierte sich langsam heraus, dass mein überaus geliebter Fußballverein, die Darmstädter Lilien, es in die Relegationsspiele schaffen würden. Und das bedeutete für mich letztendlich, dass das Rückspiel der beiden Aufstiegsspiele zur Zweiten Bundesliga auf den Tag vor unserer standesamtlichen Trauung fallen würde. Deshalb war ich gut beraten, ausreichend Pluspunkte bei Steffi im Vorfeld zu hamstern, denn es kam so, wie vorhergesehen.

    Spielbeginn zwanzig Uhr dreißig, aber leider in Bielefeld. Das erforderte eine sorgfältige Reiseplanung von Darmstadt aus, damit ich Steffi glaubhaft versichern konnte, rechtzeitig zur Trauung zurück zu sein. Dies bedurfte nicht nur Mutes, sondern ebenso einer durchdachten Strategie. Es wurde in meinem Fall vor allem eines: kostspielig.

    Ich weiß, was Frauen jetzt denken werden. Alles nur wegen eines doofen Fußballspiels und so. Aber das war etwas anderes. Etwas von größerer Bedeutung, denn es ging um das fast aussichtslose Rückspiel in der Relegation. Das Hinspiel in unserem Stadion drei Tage zuvor stellte kein Problem dar, aber eben dieses Rückspiel. Verpassen wollte ich keines der beiden. Eher hätte ich mich im nahegelegenen Woog-See ertränkt. Und so bat ich meine Freunde, den Junggesellenabschied auf den Tag des Rückspiels zu legen. Die Idee fand ich genial, zumal die sich im Zweifel etwas Dämliches hätten einfallen lassen. Sowas wie in einem Teletubby-Kostüm durch unsere Innenstadt zu laufen und lustige Trinkspielchen zu machen. Niemals hätten die mir beispielsweise eine Stripperin organisiert, die nackt aus einer Riesentorte springt, um sich anschließend auf meinem Schoß zu räkeln. Der Kniff: Über einen Junggesellenabend würde Steffi nicht meckern können, war man für die Pläne Anderer doch offensichtlich machtlos wie unwissend, was die Freunde planten.

    Um Steffi weiter milde zu stimmen, lobte ich Christian in den Himmel, der mir im Verlaufe des Deals etwas zu eng mit Steffi wurde. Aber sie meinte, ich bräuchte mir bei ihm gar keine Sorgen zu machen, der interessiere sich nicht für das weibliche Geschlecht. Ich schluckte die Pille der Ungläubigkeit, verbeugte mich demütig vor ihr und fand die Auswahl der Innenwandfarben passend. Selbstredend benötigten wir dazu einen Keller, keine Frage. Zu dem Preis schien der gar geschenkt.

    Zu jenem Zeitpunkt wurde mir verschwiegen, wie viel unser Baby zusätzlich zu den horrenden Lebenshaltungs und Darlehenskosten verschlingen würde. Als ich mich später einmal darüber auslassen sollte, meinte Steffi lapidar, dass ich doch gerne einmal auf meine Dauerkarte fürs Stadion verzichten könnte. Ebenso auf die kostspieligen Fahrten zu den Auswärtsspielen. Das saß! Ehrlich. Lieber hätte ich mir einen Arm abgehackt oder mir eine Niere oder die Leber herausschneiden lassen und in Rumänien vertickt.

    Mein Plan mit Blick auf das Relegationsspiel am Vorabend der Trauung schien dafür brillant. Fand ich zumindest. Für mich und meine Freunde buchte ich den letztmöglichen Zug von Bielefeld zurück, um elf Uhr abends, und gegen zwei Uhr sollten wir daheim sein! Ich rechnete bis zu vier Minuten Nachspielzeit ein, Gedränge beim Rauslaufen, ebenfalls den Fußweg zur Haltestelle. Das alles sollte man in vierzig Minuten locker schaffen können. Sollte. Das verlorene 1:3 beim Hinspiel zu Hause trübte die Stimmung keinesfalls. Wir müssten drei Tore schießen. Und da wir in unserem Stadion nur eines in des Gegners Netz geballert hatten, schien die Hürde extrem hoch, aber die. Daher war davon auszugehen, dass es nichts zu Feiern gäbe. Ergo, wir locker den letzten Zug erreichen würden.

    Im Grunde genommen klappte die Vorbereitung für den gefakten Junggesellenabschied spitze, quasi wie am Schnürchen. Thomas, mein alter guter Sportsfreund aus einem körperlich fitteren Lebensabschnitt, war Teil unserer Freundesgruppe und erhielt von mir klare Instruktionen, vier Tage vor dem geplanten Junggesellenabschied Steffi anzurufen. Er schien mir für diese Aufgabe der am geeignetste meiner Jungs, da er, bevor wir es überhaupt in Erwägung gezogen hatten, einmal verheiratet und geschieden war. Außerdem war er körperlich so robust, dass er nicht gleich einknicken würde, sollte Steffi losmotzen. Das Ziel war eindeutig. Er sollte ihr beibringen, dass sie mich demnächst zwecks eines Junggesellenabschieds entführen würden.

    »Ihr habt wohl den Arsch offen, das ist ein Tag vor unserer Hochzeit!«, hörte ich sie nach anfänglicher Stille empört in den Hörer rufen.

    Ich saß im Wohnzimmer und wusste: Das war der Anruf! Er hatte einen von mir vorgeschriebenen Text erhalten, den er nur abzulesen brauchte. Unter den jeweiligen Ansagen, die Thomas zu machen hatte, notierte ich die infrage kommenden Antworten von Steffi, damit er nicht gänzlich unvorbereitet dastand. Mein Tipp hatte gelautet: »Ihr spinnt doch völlig, das ist jetzt nicht euer Ernst!«

    Ok, sie kam gleich mit dem offenen Arsch, was eine leichte Verschärfung darstellte. Als Nächstes sollte er sagen, dass sie sich dieser Verantwortung vollkommen bewusst wären und es ihnen ungemein leidtäte, es so kurzfristig arrangiert zu haben. Die Arbeit halt. Und sie würden

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