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Im Schutz der Orchideen
Im Schutz der Orchideen
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eBook358 Seiten5 Stunden

Im Schutz der Orchideen

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Über dieses E-Book

Samantha Black führt ein beschauliches Leben in Los Angeles.
Doch nach einem Überfall holt sie ihre Vergangenheit wieder ein.
Sie verliebt sich in einen alten Bekannten und stürzt in ein Gefühlschaos.
Ein Strudel von überraschenden Ereignissen führt sie schließlich nach Kolumbien.
Dort werden sie und ihre Familie in die Machenschaften von Mafia und Geheimdiensten hineingezogen.
Plötzlich kämpft sie mit ihren Freunden in Bogota ums Überleben.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum7. Feb. 2015
ISBN9783737530408
Im Schutz der Orchideen
Autor

Karola Schmidt

Karola Schmidt wurde 1957 geboren. Sie ist verheiratet und hat eine Tochter. Sie war 47 Jahre im Handel tätig. In ihrer Freizeit liest sie leidenschaftlich gerne Romane. Aus diesen bekommt sie die Inspiration für Ihre Bücher.

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    Buchvorschau

    Im Schutz der Orchideen - Karola Schmidt

    Prolog

    Kolumbien. »Ich habe einen!«, rief Miguel seiner Mutter zu. Sie lächelte ihren Sohn an. »Leg ihn in dein Körbchen Schatz.« Es war bereits sein fünfter Pilz. Von weitem sah er das traurige Gesicht seiner kleinen Schwester Antonia. Sie hatte noch keinen einzigen Pilz in ihrem Körbchen. Miguel sah sich weiter um und schon entdeckte er wieder einen. Er nahm den Pilz, ging zu Antonia und stellte ihn unbemerkt neben ihren Korb. Es sah aus, als hätte er dort schon immer gestanden. Als Antonia den Pilz sah, strahlte sie. »Ich habe auch einen! Juhu!«, rief sie überglücklich. Miguels Mutter hatte alles beobachtet. Mit einem Lächeln im Gesicht sah sie zu ihrem Mann, der etwas abseits stand und sich über die Geste seines Sohnes freute. Plötzlich gab es in der Nähe einen lauten Knall und ließ alle hochschrecken. Eine Kugel zischte an Carlos vorbei und schlug neben ihm in einen Baum ein. »Das sind Schüsse!« Carlos und Dolores ließen die mit Pilzen gefüllten Körbe stehen und liefen zu ihren Kindern. »Schnell weg hier!«, flüsterte ihr Vater und nahm Miguel bei der Hand. Dolores riss ihre Tochter am Arm und folgte beiden. Hinter sich hörten sie Schritte. »Stehen bleiben!«, rief jemand. Doch Carlos und seine Familie rannten weiter. Carlos de Vargas wurde in diesem Moment klar, dass er etwas tun musste. Vor Jahren hatte er zufällig in der Nähe einen alten von Gestrüpp überwucherten Bunker entdeckt.

    »Dolores, lauf mit den Kindern zu unserem Versteck. Ich werde sie, wer immer die auch sind, von euch ablenken.« »Aber Carlos?« »Keine Diskussion, bitte! Ich liebe euch!« Er gab seiner Frau und den Kindern einen Kuss und lief in eine andere Richtung.

    Dolores de Vargas brachte ihre Kinder in den Bunker, wo sie dieses Wochenende mit der ganzen Familie einen Abenteuerurlaub erleben wollten.

    »Miguel, du bist schon zwölf Jahre und ein großer Junge, pass auf deine Schwester auf. Hast du mich verstanden? Bleibt hier, bis ich wiederkomme.«

    »Wo willst du denn hin Mama? Du kannst uns doch nicht allein lassen.« Tränen traten in Miguels Augen, doch er bemühte sich nicht zu weinen. Antonia klammerte sich an ihre Mutter. »Ich will nicht hier bleiben. Nimm mich mit Mami, bitte.«, jammerte sie. »Kinder kommt mal zu mir. Ihr müsst jetzt stark sein. Ich muss eurem Vater helfen. Versteht ihr das?«

    Mit ängstlichem Blick sahen die beiden ihre Mutter an. Dolores blutete das Herz. Sie hoffte, dass alles nur ein Missverständnis war und diese Leute hinter jemand anderem her waren. Miguel nahm seine kleine Schwester in den Arm und begann sie zu trösten.

    Dolores de Vargas verließ den Bunker und lief in die Richtung, in der ihr Mann verschwunden war. Plötzlich blieb sie abrupt stehen. An einigen Blättern klebte Blut. Dolores wurde vor Schreck übel. Sie folgte der Blutspur und plötzlich hörte sie einen entsetzlichen Schrei. Vorsichtig, Meter für Meter ging sie weiter und versteckte sich dann hinter dichten Büschen. Durch das Blätterwerk sah sie drei junge Männer. Einer von ihnen fiel sofort durch seine Größe auf. Er musste an die zwei Meter groß sein. Die anderen beiden waren kräftig gebaut. »Was hast du gesehen?«, schrie der große Mann den am Boden Sitzenden an. Als der nicht sofort antwortete schlug er mit seiner Faust zu. Als der Verletzte zur Seite kippte, erstarrte Dolores. Es war ihr Mann. Diese miesen Verbrecher hatten ihren geliebten Carlos schwer misshandelt. Eine Seite seines Gesichtes blutete sehr stark. Dolores hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Tränen rannen über ihr Gesicht. Plötzlich zückte der Riese ein Messer. Er zog Carlos an seinen Haaren in eine aufrechte Position, legte das Messer an sein rechtes Ohr und schnitt es ohne Vorwarnung ab. Carlos schrie jämmerlich vor Schmerz.

    »Das wird dir eine Lehre sein uns zu belauschen. Das nächste Mal bist du tot.« Der Riese lachte herablassend, stieß Carlos auf den Boden und verschwand mit seinen Begleitern. Dolores rannte zu ihrem Mann. Sie zitterte am ganzen Körper. Zaghaft berührte sie Carlos am Arm. Er zuckte zusammen. Ein leises Stöhnen kam über seine Lippen. »Liebling, du lebst. Gott sei Dank!«, schluchzte Dolores leise. Sie half ihrem Mann auf die Beine, legte ihren Arm um seine Hüfte und stützte ihn so gut sie konnte. Carlos drückte ein Taschentuch an seine Ohrverletzung, um die Blutung zu stoppen.

    »Hast du unsere Kinder in Sicherheit gebracht?« Die Worte waren kaum zu hören. Carlos Lippen waren aufgeplatzt und aus seinem Mund tropfte Blut.

    Dolores tupfte ihrem Mann das Blut ab, sah ihn liebevoll an und nickte. »Sie warten im Bunker auf uns.«

    Der Überfall

    Los Angeles

    »Mom bitte, leg das Messer weg, es ist nur Geld. Es lohnt sich nicht dafür zu sterben. Bitte Mom!«

    Samantha versuchte ihre Mutter von dem Vorhaben abzubringen, den maskierten Mann mit einem simplen Küchenmesser anzugreifen. Die Person fuchtelte nervös mit einer Pistole herum und forderte Samantha zur Herausgabe ihrer Tageseinnahmen auf. Der Mann war so aufgebracht, dass sich sein Schweißgeruch, vermengt mit einem Schuss Alkohol, ekelerregend durch den ganzen Laden verteilte. Natürlich konnte man ein Menschenleben nicht mit Geld aufwiegen, trotzdem war Samantha sauer und wütend auf diesen Mistkerl. Schließlich hatte sie den ganzen Tag dafür hart gearbeitet.

    Hier in Los Angeles wurde Samantha vor 26 Jahren geboren. Sam, wie sie kurz genannt wurde, sah mit ihren braunen, schulterlangen Haaren bezaubernd aus, hatte eine tolle Figur und war sehr selbstständig. Sie als reich zu bezeichnen, wäre übertrieben gewesen. Finanziell unabhängig traf es eher. Seit etwa zehn Jahren lebte sie mit ihrer Mutter wieder in Los Angeles. Aus beruflichen und familiären Gründen ihrer Eltern, hatte es sich so ergeben. Das Leben in L.A. war schön, aufregend, aber auch gefährlich, wie sie gerade erleben musste.

    Mit der Hilfe ihrer Mutter hatte Samantha Black in L.A. ein Geschäft für Second Hand Mode eröffnet. Der größte Teil der Sachen stammte von bekannten Schauspielern, die hin und wieder ungenutzte Kleider, Hosen und so einiges andere vorbei brachten um es zu verkaufen oder auch nur loszuwerden. Es kam auch mal vor, dass Sam zu den Kunden persönlich fuhr, um die Sachen vor Ort abzuholen. Durch ihre liebenswerte, offene Art war Samantha immer gern gesehen und verschaffte sich so einen Bekanntheitsgrad. Ihrem Geschäft kam es sehr zu Gute und die Prominenten waren froh, dass sich jemand um die Entsorgung ihrer gebrauchten Bekleidung kümmerte.

    Vor etwa einer Stunde war ihre Mutter vorbei gekommen, um bei der Tagesabrechnung zu helfen und ihre Tochter ein wenig beim Aufräumen zu unterstützen. Eigentlich hatte Sam mehr Angst um ihre Mutter als um sich selbst. Sie war davon überzeugt, dass der Kerl jeden Moment die Waffe auf ihre Mutter abfeuern würde.

    Doch was im nächsten Moment geschah, konnte Samantha nicht so recht realisieren.

    Hinter dem maskierten Mann erschien eine männliche Person und mit nur einem Handstreich hatte er den Dieb außer Gefecht gesetzt und zu Boden geschickt. Erst dachte Sam, er wäre tot, doch gleich darauf begann er sich langsam zu bewegen. Er stöhnte vor Schmerz. Der Fremde war so schnell und geschickt mit den Händen gewesen. Er wusste genau, wohin er zielen musste. Sam war beeindruckt und vor allem erleichtert.

    Für einen kurzen Moment blickte sie in zwei faszinierend braune Augen.

    »Du solltest die Cops rufen, bevor der Kerl wieder klar im Kopf ist.«

    Mit diesen Worten drehte sich der fremde Retter um und verschwand genauso schnell, wie er erschienen war. Es ging alles so schnell, Sam hatte ihn nicht mal nach seinem Namen fragen können, um sich bei ihm zu bedanken. Trotzdem würde sie ihn immer wieder erkennen. Er war groß, hatte eine durchtrainierte Figur, sah unheimlich gut aus und diese Augen. Samantha schüttelte kurz den Kopf um wieder klar denken zu können. Nachdem sich Sam wieder gefasst hatte, wählte sie den Notruf der Polizei.

    Es dauerte nur einige Minuten, da waren auch schon aus der Ferne die Sirenen des Polizeiwagens zu hören.

    Zwei Polizeibeamte stellten Fragen über den Hergang des Überfalls. Sam konnte ihnen detaillierte Angaben und sogar Bildmaterial zur Verfügung stellen. In Los Angeles waren Überfälle auf Geschäfte an der Tagesordnung. Aus diesem Grund entschied sie sich für eine Überwachungskamera, deren Anschaffung sich gerade als hilfreich erwies. Jetzt nahm einer der Beamten dem immer noch am Boden liegenden Maskierten die Maske vom Gesicht. Eigentlich wollte sie nicht wissen, wer er war oder wie er aussah. Im nächsten Augenblick war Sam jedoch erschrocken, wie jung er aussah. Kaum zu glauben, fast noch ein Kind. Er konnte höchstens 15 oder 16 Jahre alt sein.

    Ihre Mutter hatte sich inzwischen in einen der bequemen Sessel gesetzt. Sie sah blass aus, offenbar ging es ihr nicht ganz so gut. Sam holte ihr ein Glas Wasser.

    Das Geschäft besaß Samantha Black bereits seit sechs Jahren und noch nie hatte jemand versucht sie auszurauben. Insgeheim hoffte sie, dass das auch nicht noch einmal passieren würde. Wenn dieser Unbekannte nicht aufgetaucht wäre, sie wollte sich nicht ausmalen, was noch hätte geschehen können. Die Polizeibeamten legten dem Täter Handschellen an und nahmen ihn mit.

    Sam ging der Fremde nicht aus dem Kopf. Immer wieder sah sie ihn vor sich. Sie hatte das Gefühl, ihn zu kennen. Es kam ihr vor, als hätte sie ihn schon einmal irgendwo gesehen. Seine Stimme, seine Art, wie er sich bewegte. Sam versuchte sich zu erinnern, wo sie ihm schon mal begegnet sein könnte. Vielleicht hatte sie sich aber auch nur geirrt und ihre Einbildung war wieder einmal stärker.

    Gefährliche List

    Seit einigen Tagen herrschte in L.A. Hochbetrieb. Die Oskarverleihung stand vor der Tür. Jeder, der auf diesem Event dabei sein wollte, versuchte sich so schick wie nur möglich herauszuputzen. Da die meisten Sachen in Samanthas Geschäft von Schauspielern und anderen Prominenten in der Regel nur einmal getragen wurden, hatte sie in ihren Regalen und auf den Kleiderständern fast neuwertige Waren. Ihre Stammkunden wussten dies natürlich und so rannten sie ihr sozusagen die Tür ein. Für Sam war es gut, der Umsatz war gigantisch und genau deshalb hatte sie den Vorfall vor etwa zwei Wochen nicht vergessen.

    Die meiste Zeit versuchte sie gelassen zu wirken, kam aber nicht umhin, ihre Umgebung mit anderen Augen zu sehen. So entging Samantha auch nicht, dass seit diesem bewussten Tag auf der gegenüberliegenden Seite in unterschiedlichen Abständen ein schwarzer Landrover parkte. Durch das Seitenfenster des Wagens erkannte sie den Mann, der ihr und ihrer Mom am Abend des Überfalls geholfen hatte. Sam war sich relativ sicher, dass er sie und ihr Geschäft beobachtete. Auf unerklärliche Weise war sie froh darüber, dass er in ihrer Nähe war.

    Ihrer Mutter hatte sie nichts davon gesagt. Wie sie ihre Mom kannte, wäre sie sofort über die Straße zum Auto gelaufen oder hätte die Polizei gerufen. Sie versuchte schon immer ihre Tochter zu beschützen. Das tat sie schon früher mit einer Hingabe, die Samantha manchmal fast erdrückte.

    Vor etwa zehn Jahren zogen beide von Kolumbien nach Los Angeles zurück. Sams Mutter arbeitete im Auswärtigen Amt in Bogota als Dolmetscherin und ihr Vater leitete den Fuhrpark der amerikanischen Botschaft. Er liebte Autos. Eines Tages verschwand er spurlos und niemand hatte jemals wieder etwas von ihm gehört. Jede Suchaktion blieb erfolglos. So entschied sich ihre Mutter aus Kolumbien wieder zurück in die Staaten zu ziehen. Aus irgendeinem Grund war sie immer noch davon überzeugt, dass ihr Mann, Sams Dad noch am Leben war.

    Manchmal hatte sie das Gefühl, ihre Mutter würde ihr etwas verschweigen. Sam glaubte, dass sie mehr über das Verschwinden ihres Vaters wusste, als sie ihr gegenüber zugab.

    Am Ende dieses Tages hatte sich Sam fest vorgenommen, unter dem Vorwand sich zu bedanken, hinüber zu diesem Fremden zu gehen. Sie würde den Mann darauf ansprechen, warum er beinahe jeden Tag dort stand und sie beobachtete. Auch wenn sie sich vielleicht danach lächerlich vorkommen sollte, sie wollte es einfach wissen.

    In diesen Tagen hatte sie keine festen Ladenschließzeiten. Wenn sie der Meinung war, es würden keine Kunden mehr kommen, dann verschloss sie die Tür und machte Feierabend. So auch an diesem Abend. Es war kurz vor 22 Uhr als Sam den Schlüssel ins Schloss steckte, um den Laden zu schließen. Allerdings kam sie nicht mehr dazu, denn gerade als sie den Schlüssel umdrehen wollte, stand der Mann aus dem Landrover vor ihr. Fast blieb ihr das Herz vor Schreck stehen, aber irgendwie spürte sie keinerlei Angst ihm gegenüber.

    Für einen kurzen Moment sahen sich beide an.

    »Ich muss mit dir sprechen«, sagte er durch die geschlossene Glastür zu ihr.

    »Mit mir sprechen, warum?«

    »Lass mich bitte herein, dann werde ich es dir erklären.«

    Im ersten Moment überlegte sie, ob es nicht gefährlich wäre, ihn so spät noch herein zu lassen. Doch andererseits war sie natürlich neugierig auf ihn. Er sah gut aus, hatte einen warmherzigen Blick und überhaupt, warum eigentlich nicht. Immerhin hatte er ihr das Leben gerettet, warum also sollte er ihr jetzt etwas antun wollen. Mit einem kurzen Nicken zeigte sie ihre Zustimmung und öffnete die Tür, die sie gleich wieder hinter ihm verriegelte.

    »Ich gehe mal davon aus, dass du mich nicht mehr kennst?«, sagte der Fremde zu Sam.

    Überrascht, sah sie ihn an.

    »Sollte ich es denn?«, fragte sie.

    Auf seinem Gesicht zeigte sich ein verschmitztes Lächeln. Offenbar war er über ihre Frage belustigt.

    »Nun«, begann er zögerlich, »ich habe damals als Laufbursche im Autofuhrpark deines Vaters ausgeholfen.«

    »Bei meinem Vater? Du meinst in Kolumbien, in der amerikanischen Botschaft?«

    »Genau dort, Sam. Habe ich mich denn wirklich so sehr verändert?«

    Für einen kurzen Moment holte sie sich alle Erinnerungen an diese Zeit zurück in ihr Gedächtnis. Dann plötzlich fiel es ihr wieder ein.

    »O nein! Du bist Rick?«

    Ein verlegenes Lächeln huschte über sein Gesicht.

    »Du sagst es, Ricardo Cruz.«

    Sam musste sich erst einmal hinsetzten. Im Augenblick überschlugen sich alle ihre Gedanken. »Rick«, sagte sie wie zu sich selbst. Jetzt wusste Sam, warum sie so ein Gefühl hatte diesen Mann zu kennen.

    »Was machst du hier? Ich habe dich im Auto gegenüber gesehen. Du hast mich die ganze Zeit beobachtet. Warum? Hast du mich gesucht oder ist es nur ein Zufall? Weißt du vielleicht etwas über meinem Vater?«

    Er legte seine Hand auf Sams Schulter und sagte in einem ruhigen Ton:

    »Sam, ich werde dir alle deine Fragen beantworten, nur könnten wir bitte woanders hingehen? Ich möchte nicht, dass uns deine Mutter überrascht. Okay?«

    Sie sah Rick immer noch mit großen Augen an und konnte es kaum fassen, dass sie ihn nicht sofort erkannt hatte. »Ja, ja natürlich, gehen wir ins Büro und meine Mom kommt heute nicht. Donnerstags ist sie mit ihren Freundinnen beim Bingo. Du kannst also ganz beruhigt sein.«

    Sam schaltete die Lampen im Verkaufsraum aus und gemeinsam gingen sie durch einen schmalen Gang in ihr Büro.

    Rick ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Sie konnte sehen, dass er über ihre Einrichtung und auch über ihr elektronisches Equipment erstaunt war. Seine Gestik war deutlich zu erkennen.

    »Du bist ja voll ausgerüstet. Überwachungskameras, Alarmsystem, also ich bin beeindruckt. Wurdest du schon öfter überfallen oder warum diese Vorsichtsmaßnahmen? Ich hoffe natürlich, du wirst es nicht irgendwann wieder gebrauchen müssen.«

    »Nun, das hoffe ich auch. Der Überfall neulich war das erste Mal. Er hat mir gereicht und ich muss sowas auch nicht noch einmal haben, das kannst du mir glauben. Ich nehme an, du hast mich und mein Geschäft schon länger beobachtet?«

    Erstaunt sah er Sam an.

    »Wie kommst du darauf?«

    »Nun, du warst sehr schnell zur Stelle und offenbar wusstest du genau, was du zu tun hattest. Es sah sehr geschickt aus, wie du den Kerl zu Boden gestreckt hast.«

    Sam konnte deutlich sehen, dass er überlegte, was er ihr antworten sollte. Sein ganzes Verhalten war einfach nicht zu durchschauen, trotzdem hatte er etwas Faszinierendes an sich.

    »Ja weißt du Sam, ich musste mich all die Jahre durchs Leben kämpfen. Glaube mir, ich hatte es nicht gerade einfach und dein Va.....«

    Sofort hielt er inne. Er starrte sie an, als hätte man ihn beim Stehlen erwischt.

    »Rick, was wolltest du gerade sagen? Was ist mit meinem Vater? Du wolltest doch gerade etwas sagen. Lebt er noch? Weißt du etwas von meinem Dad und warum ist er verschwunden ohne ein einziges Wort? Die ganzen Jahre, kein Lebenszeichen von ihm. Meine Mom war damals außer sich, sie hat nie aufgehört nach ihm zu suchen oder an ihn zu denken. Bitte Rick, was ist los? Mein Vater ist nicht tot, nicht wahr?«

    Ricardo schloss die Augen und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Innerlich kämpfte er mit sich. Er verfluchte sich, dass ihm so ein Patzer passieren konnte. Jetzt blieb ihm nichts weiter übrig, er musste Sam reinen Wein einschenken. Natürlich war er zu Sam gekommen, um sie über den Verbleib ihres Vaters aufzuklären, doch er wollte es vorsichtig angehen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er endlich den Mund öffnete und mit der Sprache heraus kam.

    »Sam, es wird dir nicht gefallen, was ich dir über deinen Vater zu sagen habe. Eins solltest du aber wissen, dein Dad war und ist auch heute noch ein ehrenwerter Mann. Alles, was er in den letzten Jahren getan hat, tat er aus Liebe zu dir und deiner Mutter.«

    Sam merkte wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Ihr Vater lebte. Sam konnte es nicht fassen.

    »Sprich ruhig weiter Rick, ich will alles wissen, auch wenn es mich verletzten sollte, was es jetzt schon tut.« Sam fühlte sich verraten und sie war wütend auf ihren Vater. Er war die ganzen Jahre am Leben und hatte sich nicht ein einziges Mal gemeldet. Kein Lebenszeichen, einfach nichts. Wie konnte er ihr und ihrer Mutter das antun.

    »Wie du möchtest Sam. Als dein Vater damals verschwand, tat er es, um euch damit zu schützen. Ich meine dich und deine Mutter. Er war ein angesehener ehrlicher Mensch und er liebte seine Familie über alles. Autos waren seine Leidenschaft und genau die wurden ihm zum Verhängnis. Eines Tages kamen zwei Männer zu ihm. Sie hatten sich offenbar mit gefälschten Dokumenten Einlass in die Botschaft verschafft. Ich hatte im Werkstattlager zu tun und so konnten sie mich nicht sehen. Als ich sie sah machte ich mich sozusagen unsichtbar. Jedes Wort, was sie mit deinem Vater redeten, konnte ich hören. Er sollte für deren Boss Autos umbauen, um unbemerkt Drogen aus Kolumbien in die Staaten zu schmuggeln. Ich hörte, wie dein Vater diesen Auftrag sofort ablehnte. Doch die Kerle akzeptierten kein NEIN, zogen ihre Waffen und bedrohten deinen Vater damit. Wenn er nicht tun würde, was sie von ihm verlangten, wollten sie seine ganze Familie töten.«

    Jetzt liefen Sam die Tränen wie in einem Sturzbach über die Wangen. Rick reichte ihr ein Taschentuch und sie schnaubte sich die Nase. Sam war so aufgelöst. Trotzdem wollte sie alles erfahren. Rick griff nach ihrer Hand und streichelte sie zärtlich.

    »Soll ich wirklich weiter erzählen, Sam?«

    Samantha nickte Rick zu.

    »Ja ich möchte es hören.«

    Verlegen entzog sie sich seiner Berührung.

    »Ich habe dir noch nichts angeboten, möchtest du etwas trinken?«

    Ein smartes Lächeln huschte über Ricks Gesicht.

    »Gern, aber mach dir keine Umstände meinetwegen, ein Glas Wasser genügt schon.«

    In ihrem Kühlschrank hatte Sam immer einen kleinen Vorrat an Getränken. Ein Wasser für Rick und ein Bier für sich selbst, das konnte sie jetzt gebrauchen. Wieder umspielte ein Lächeln seine gut geformten Lippen, als er das Bier sah. Sam bemerkte seinen Gesichtsausdruck.

    »Das brauche ich jetzt«, sagte sie etwas verlegen.

    »Kann ich mir gut vorstellen. Nun, dein Vater hatte natürlich Angst um euch und so tat er so, als willigte er ein. Einer der Männer legte ihm seine Waffe an die Stirn, mit dem Finger am Abzug. Ich hörte, wie er zu ihm sagte, dass es deinem Vater leid tun würde, wenn er Dummheiten machen sollte oder die Polizei informieren würde. Daraufhin verschwanden sie. Gleich darauf kam ich aus meinem Versteck. Dein Dad fragte mich, ob ich alles mit angehört hätte. Ich nickte und gab ihm sofort zu verstehen, dass ich auf seiner Seite stand und niemandem etwas von diesem Vorgang erzählen würde. Sam, wir hatten echt Angst um euch. Wen diese Leute einmal in die Mangel nehmen, glaub mir, die sind hinterher nicht wiederzuerkennen oder aber sie sind tot.«

    Er leerte das Glas Wasser in einem Zug.

    »Ich würde jetzt auch gern ein Bier trinken.«

    Sam zitterten die Hände vor Aufregung.

    »Aber natürlich gern. Ich habe auch noch ein Sandwich, wenn du möchtest.«

    »Nein danke, ich habe schon gegessen.«

    »Erzähl weiter Rick. Was geschah dann?«

    Sam holte Rick ein Bier und setzte sich wieder auf ihren Platz.

    »Dein Vater war so durcheinander. Er war aufgeregt und ich glaube, er wusste nicht, was er tun sollte. Du weißt ja, ich bin damals dort aufgewachsen und so kannte ich jeden Winkel so gut wie meine Westentasche. Ich bot deinem Dad an, euch erst einmal zu verstecken. Er lehnte energisch ab. Seine Familie im Stich lassen, das kam für ihn überhaupt nicht in Frage. Trotzdem musste eine Lösung her. An dem Tag, an dem er verschwand, sprach er mit deiner Mutter. Sie wusste, was er vorhatte, aber er verschwieg, wohin er gehen würde. Sie sollte nicht in Versuchung kommen ihm zu folgen. Er gab ihr auch den Rat, zur Polizei zu gehen, um ihn als vermisst zu melden und außerdem die Medien einzuschalten. Nur auf diese Art war es glaubhaft, dass ihr nichts von dem spurlosen Verschwinden eures Vaters wissen konntet. Die Drogenmafia würde euch in Ruhe lassen und euch nicht als Druckmittel verwenden.«

    Rick entging der Blick von Sam nicht, als er ihre Mutter erwähnte.

    »Du sagst, meine Mutter hat gewusst, dass mein Vater untertauchen würde? Sie hat die ganze Zeit gewusst, dass er am Leben ist?«

    Sams Stimme bebte vor Aufregung. Es war ihr anzusehen, dass sie Mühe hatte, nicht auf der Stelle auszuflippen. Rick versuchte sie zu beruhigen.

    »Glaube mir, es war für dich das Beste, dass du nichts davon wusstest. Du warst zu der Zeit erst 15 Jahre, beinahe noch ein Kind. Sie wollte dich doch damit nur schützen.«

    Sam schüttelte immer wieder den Kopf. Die ganzen Jahre hatte ihre Mutter es vor ihr verheimlicht.

    Was für eine Bürde.

    »Hast du denn immer mit ihr in Verbindung gestanden und sie über meinen Vater informiert?«

    »Ja, das habe ich. Von Zeit zu Zeit sahen sie sich auch heimlich. Deine Mutter kannte nur nicht seinen Aufenthaltsort und so sollte es auch bleiben, bis jetzt.«

    »Was meinst du damit? Ist etwas geschehen?«

    »So ist es. Dein Vater ist verschwunden. In unserem üblichen Versteck ist er seit zwei Tagen nicht mehr aufgetaucht. Ich habe keine Ahnung, wo er sich im Augenblick aufhält.«

    Nächtlicher Besuch

    Amanda und William Black passten einfach zusammen. Als Samanthas Eltern sich vor 31 Jahren kennen lernten, so erzählte ihre Mutter immer, war es nur ein kurzer Augenblick und sie wussten sofort, sie gehörten zusammen. Damit sollte sie auch Recht behalten. Sam hatte ihre Eltern nie streiten gesehen. Sie gingen immer liebevoll miteinander um und diese Liebe gaben beide an ihre Tochter weiter. Sam hoffte, auch einmal so einen herzlichen Partner zu bekommen. Bisher hatte sie aber noch nicht den Richtigen gefunden. Es gab schon den einen oder anderen in ihrem Leben, aber das war nichts Ernstes. Liebeleien, Schwärmereien, was man eben so empfindet, wenn man jung ist. Als ihre Familie noch in Kolumbien wohnte, war sie total verliebt in einen Jungen. Er war 18 und sie erst 14 Jahre alt. Sein Name war Manuel. Ein disziplinierter, ruhiger Typ, sah gut aus und hatte eine sehr anmutige Ausstrahlung. Sam beobachtete Manuel heimlich. Sie bewunderte seinen muskulösen Körper, der sich unter seinem T-Shirt und seiner Jeans abzeichnete. Manchmal, wenn sie sich mal über den Weg liefen, wechselten sie ein paar Worte miteinander. Natürlich war Sam noch zu jung für ihn, was sie sehr bedauerte. In ihren Träumen war sie seine Freundin. Er war ein großer Autoliebhaber. Um seine Ausbildung zu finanzieren, arbeitete er in der Werkstatt ihres Vaters und half ihm beim Montieren oder Putzen der Limousinen. Das gefiel Sam natürlich sehr und damit sie ihn öfter sehen konnte, besuchte sie ihren Vater häufiger als sonst. William lächelte immer, wusste er doch genau, dass seine Tochter nicht nur wegen der Autos herkam.

    Manuel und seine Familie waren Kolumbianer. Samanthas Eltern hatten keinerlei Vorurteile gegen die Einheimischen. Im Gegenteil, sie waren nett, zuvorkommend und sie mussten, um ihr tägliches Brot zu verdienen, hart arbeiten. Manuels Eltern hatten nicht das Geld für seine Ausbildung in den Staaten, also verdiente er sich in der Werkstatt das Geld dafür.

    Nach dem Ende der Schulzeit sah sie Manuel nicht mehr so oft.

    Samantha wollte später einmal Ärztin werden und er unbedingt ein Elitekämpfer. Schon als Kind träumte er davon. Manchmal zeigte er Sam, was er so an Kampftechniken drauf hatte. Sie war sehr von ihm beeindruckt. Mit Hilfe der amerikanischen Botschaft und Sams Vater konnte Manuel die gewünschte Ausbildung bei der US Navy aufnehmen, was für Emigranten in der Regel fast unmöglich war. Als Manuel aus Bogota wegging, kam sein zwei Jahre jüngerer Bruder Ricardo zu ihrem Vater in die Werkstatt. Er war das Gegenteil von seinem großen Bruder. Ein Rebell, ein Rumtreiber, aber trotzdem immer zuverlässig und wie viele Jungs in seinem Alter verrückt nach Autos. Deshalb war er nicht gerade böse, als Manuel von zu Hause fort ging.

    Sam allerdings brach es fast das Herz. Oft lag sie allein in ihrem Zimmer, starrte die Decke an und ließ ihren Tränen freien Lauf. Einige Monate bekam sie

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