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Verschollen im Urlaub
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eBook229 Seiten2 Stunden

Verschollen im Urlaub

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Über dieses E-Book

Peer van Breugelen, Finanzchef eines weltweit operierenden Elektrokonzerns ist spurlos verschwunden, nachdem ein Wirbelsturm der maximalen Kategoriestufe aus seinem Urlaubsort abgezogen ist. Die Ehefrau kümmert sich um die notwendige Vermisstenanzeige eigenartigerweise erst nach ihrer Rückkehr in Zürich. Dabei gibt sie zu Protokoll, sich während des Hurrikans in einer anderen Unterkunft aufgehalten zu haben, und verdächtigt Hans Spruit, für das spurlose Verschwinden verantwortlich zu sein. Ein Jahr zuvor war der Reiseleiter in Kroatien dabei behilflich, einen durch ihren Ehemann unfreiwillig verschulden Tod eines Nachtportiers zu vertuschen, bis das Ehepaar das Land verlassen hatte. Für die Unterstützung erwies sich Peer van Breugelen einige Tage später extrem undankbar, indem er sich verleugnen ließ, als ihn der Reiseleiter um finanzielle Hilfe angehen wollte. Hans hatte sich Hals über Kopf aus Kroatien absetzen müssen, nachdem ihm die Polizei auf die Spur gekommen war. Die Flucht war mit dem Verlust des Jobs und erheblichen Unkosten verbunden. Da sich der damalige Reiseleiter in Mexiko ihr gegenüber nicht zu erkennen gegeben hat, vermutet sie dahinter einen Racheakt, welcher ihrem Gatten letztendlich das Leben kostete. Frau van Breugelen ist aber nicht in der Lage, für ihre Behauptung einen Beweis zu erbringen. Als jedoch ein kompromittierendes Schreiben bei der mexikanischen Polizei eingeht, welches den Reiseleiter belastet, nimmt sich die Staatsanwaltschaft in Den Haag jenem mysteriösen Fall an.

Parallel beauftragt eine Versicherungsgesellschaft in Zürich eigene Ermittler mit der Suchaktion nach dem Topmanager. Dieser ist bei Tod im Ausland mit einer hohen Summe versichert. Angesichts der enormen Schadensbilanz, welche der gewaltige Hurrikan hinterlassen hat, werden Verschollene nach einem Jahr für tot erklärt. Ab jenem Moment erlangt die Witwe einen Rechtsanspruch auf Auszahlung einer hohen Versicherungssumme. Bei diesem Betrag handelt es sich um sieben Millionen Euro.

Die Investigationsbemühungen des Versicherungskonzerns nehmen in Mexiko ihren Anfang. Dabei kommen erste Resultate ans Tageslicht. Des Weiteren stößt ein Detektiv auf eine verdächtige Spur in Zürich. Zuletzt konzentriert sich die Suche nach dem Verschollenen überraschenderweise auf Kuba. Eine anfängliche Vermisstenmeldung mündet somit in einen Kriminalfall internationalen Ausmasses.

Ein aktueller Hinweis:

Dieser Roman ist garantiert virenfrei, obwohl Protagonisten ein Corona-Bier trinken.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum10. Juli 2020
ISBN9783752907728
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    Buchvorschau

    Verschollen im Urlaub - Rolf Spittel

    Alles begann an der kroatischen Adriaküste...

    Rezeptionistin Dube blickt leicht verstohlen über ihren Arbeitsbildschirm. Von diesem Reiseleiter, welcher gerade die Beine neben dem Tresen ausstreckt, von so einem sportlichen Mann würde sie sich aus Wellen retten lassen. Ihr Gewissen schellt sie daraufhin eine schamlose Frau. Jener absurde Gedanke wird bestimmt von der neuen Fernsehserie inspiriert. Seit mehreren Abenden verfolgt sie Ausstrahlungen von Bay Watch und eine Tatsache erscheint ihr dazu geradezu lächerlich. Seit Geburt an der Küste zu leben, und sich maximal bis zur Hüfte in die Fluten der Adria zu getrauen. Ihre Augen taxieren derweilen die muskulösen Arme des Reiseleiters. Die Haut wirkt nicht nur makellos glatt, man erkennt nicht einmal den Ansatz von Behaarung. Und bei ihr ist es wieder höchste Zeit für eine Depilation. Sie würde gerne einmal durch das glatte, modisch geschnittenes, mittelblonde von Hans Spruit Haar streichen ... Hinsichtlich seines Geschmacks für Kleidung fallen ihr gleich mehrere Verbesserungsvorschläge ein. So sind nun einmal die allermeisten Männer veranlagt. Ihnen fehlt einfach der Flair für eine passende Farbkombination und darin weist ihr Gegenüber erhebliche Defizite auf. Wie kann man nur eine rote Jacke mit einer hellgrauen Hose kombinieren! Die Gedanken wechseln auf eine ganz andere Frage über, welche ihr seit einiger Zeit durch den Kopf gehen.

    - Hast Du eigentlich vor, ein weiteres Mal auf unsere Insel zurückzukehren? Eventuell vielleicht schon im nächsten Jahr?

    Hans legt seine Ausflugsabrechnungen beiseite und blickt der Rezeptionistin tief in die dunkelbraunen Augen.

    - Ich käme die nächste Saison gerne zurück. Unter der Voraussetzung, dass Du bis dahin geschieden bist.

    - Du bist mir vielleicht ein Casanova. Und was machst Du, falls ich bis dann wirklich solo bin? Aber leider weiß ich nur zu genau, dass Du mit der schönen Ina im Hotel Park ebenso ungeniert zu flirten pflegst. Und nun im Ernst. Hast Du bereits Zukunftspläne geschmiedet?

    Der Reiseleiter wirft einen Blick zur hoteleigenen Bootsanlegestelle hinab. Die Frage hat ihn unvorbereitet getroffen und er denkt zum ersten Mal ernsthaft über seine eigenen Pläne für die nächste Sommersaison nach. Der bereits fünf Monate andauernder Aufenthalt als Repräsentant von Neckermann Reisen auf der kleinen, verträumten Insel behagt ihm weitgehend. Lopud befindet sich lediglich eine Stunde mit dem Postschiff vom nervenaufreibenden Massentourismus in Dubrovnik entfernt. Von Ruhe und Natur umgeben, betreut er deutsche und holländische Urlauber seines Arbeitgebers, welche ihre Ferien in einem der drei Hotels verbringen. Bis vor wenigen Wochen hatte er zwar mit erheblichen Überbuchungsproblemen zu kämpfen, der Fehler beruhte aber einzig auf der Unfähigkeit des Generaldirektors der Hotelgruppe. Abgesehen vom damit direkt verbundenen Ärger hat er sich ansonsten pudelwohl gefühlt, was kein Wunder darstellt. Auf dieser dalmatinischen Insel existiert kein Autoverkehr, die schmale Uferpromenade verbindet die Hotels und dazwischen befinden sich einige Gebäude entlang einer halbkreisförmigen Bucht. Die äußerst bescheidene Infrastruktur besteht gerade mal aus einer Eisdiele, zwei kleinen Supermärkten, vier Restaurants, zwei Bars und einem Büro, welches zugleich als Postbüro und Verkaufsstelle für die Personenfähre dient. Die Gesamtbevölkerungszahl beläuft sich auf weniger als 250 Seelen. Hans erinnert sich noch gut an seinen Antrittsbesuch.

    Anfang April, kurz vor Ankunft der ersten Pauschalurlauber aus Mitteleuropa, betrachtete er vom Oberdeck des Postschiffes aus die geringen Ausmaße der Insel. Vier Kilometer in der Länge, und etwas weniger als die Hälfte in der Breite. In ihrer Mitte steigt ein kleiner Berg auf etwa 200 Höhenmeter an, überall wächst typische Mittelmeervegetation. Als der betagte Dampfer an der vorderen Hafenmauer anlegte, wartete praktisch die vollständige Bevölkerung mit Handkarren und zwei Minitraktoren auf eintreffende Ware. Für die anstehende Saison hatte man gleich kisten- oder sogar palettenweise Getränke, Lebensmittel, Putzmaterial und Klopapapier im Einkaufszentrum des neuen Hafens von Dubrovnik bestellt. Nach dem Verlassen des Schiffes betrat der neue Reiseleiter zunächst den botanischen Garten. Ein verwittertes Hinweisschild warnt Besucher beim Betreten vor einstürzendem Gemäuer des 1979 durch ein Erdbeben zum größten Teil zerstörten Grandhotels. Man erkennt das Gebäude nur noch durch die Äste der Laubbäume und Efeuranken. Die ehemaligen Unterkünfte würden im Hochsommer dringend benötigt, aber wer bringt die Mittel für den Wiederaufbau auf?

    Sämtliche Fassaden privater Wohnhäuser bestehen aus Granit und keines der Gebäude wurde nach 1850 erbaut. Vereinzelte Palmen spenden Schatten und üppig blühende Oleandersträucher setzen ihre Farbtupfer entlang der Uferpromenade. Hans musste hin und wieder Handkarren ausweichen, auf welchen Inselbewohner ihre bestellten Waren transportierten. Kinder spielten derweilen barfuß am schmalen Sandstreifen, wo die Wellen der Adria gemächlich ausrollen. Vereinzelt grüßten ihn Einheimische wie einen alten Bekannten und vor der Kirche unterbrachen zwei Senioren ihr Schachspiel. Beide wollten unbedingt den neuen Vodic in Augenschein nehmen. Es hatte sich bereits in Windeseile herumgesprochen, dass der neue Reiseleiter von Neckermann auf dem Postschiff eingetroffen sei. Einer der Schachspieler bot ihm eine dunkle Zigarette an, er lehnte dankend ab und setzte den Streifzug fort.

    Er war in ein kleines Paradies gelangt, in welchem demnächst Urlauber geruhsame Ferien verbringen. Auf Lopud suchen Mitteleuropäer inmitten einer weitgehend intakten, mediterranen Landschaft nach Ruhe und Erholung. Er folgte einen schmalen Pfad den Hügel hinauf, an der ersten Weggabelung führte ihn ein Eselspfad zum Südstrand hinab. Es handelt sich um eine der wenigen Buchten in Kroatien, welche über einen Sandstrand verfügen. Das Ufer umsäumt ein kleiner Pinienhain. Es kehrte begeistert um, und setzte den Rundgang in der entgegengesetzen Richtung fort. Laufend erblickte er Ruinen ehemaliger Kirchen, verfallener Kapellen und verlassener Landhäuser. Anspruchslose Kletterpflanzen überwuchern architektonische Zeugen einer ruhmreichen Vergangenheit. Vor einem verheerenden Erbeben im Spätmittelalter diente Lopud den reichen Kaufleuten aus Dubrovnik als Sommerresidenz. Diese Epoche ist längst Geschichte, ebenso wie die einstige Vorherrschaft von Venedig entlang der östlichen Adria. Die heutigen Bewohner leben hauptsächlich vom Tourismus, die Landwirtschaft dient vorwiegend ihrem Eigenbedarf. Jede einzelne Familie pflegt Rebstöcke, Obstbäume und Zypressen . Das Holz des spindeldünnen Laubbaumes wird für Dachgewölbe verwendet.

    Auf halber Strecke kam er an einer Konoba vorbei, welche dem Nachtportier des Hotels Lafodia gehört. Der Kroate betreibt die Schenke tagsüber und bietet Eigenprodukte an. Rotwein, Rohschinken und in Olivenöl eingelegten Ziegenkäse. Sein lukratives Nebengewerbe hat Josipe nicht angemeldet, wie es sämtliche Einheimischen handhaben. Deswegen wirft immer jemand ein wachsames Auge auf die Adria. Sobald ein Polizeiboot aus Dubrovnik vor Lopud auftaucht, verschwinden sämtliche Hinweisschilder zu illegalen Privatbetrieben. Und falls zu dieser Stunde ein Urlauber die Absicht hegt, einen Hauswein zu trinken, steht er vor verschlossener Tür. Aber sobald die Gefahr gebannt scheint, steuerpflichtig zu werden, kann man wieder luftgetrockneten Schinken zum Rotwein genießen.

    Die Anzahl der Hotelbediensteten wächst kurz vor Beginn der Sommermonate massiv an. Ab diesem Moment schuften vom Festland angeworbene Arbeitskräfte in den Hotels. Und allerspätestens Mitte September, wenn sich die Unterkünfte allmählich zu wieder leeren beginnen, sieht man allen die Erschöpfung direkt im Gesicht an, und die meisten haben massiv an Körpergewicht eingebüßt. Sämtliche Hotelangestellte malochen von Ende April bis Mitte September ohne einen freien Tag am Stück durch. Dank ihrer aufkumulierten Überstunden erhält das Personal ganzjährig einen eher bescheidenen Monatslohn ausbezahlt.

    Während der Wintermonate verirrt sich eher selten ein Reisender nach Lopud. In dieser touristenlosen Zeit wird ebenfalls nicht gefaulenzt. Die alten Gebäude verlangen ständige Renovierungsarbeiten, und wer etwas Geld ansparen konnte, baut ein weiteres Fremdenzimmer am eigenen Haus an. Fast alle Familien vermieten mindestens ein Gästezimmer oder Appartements während der Sommermonate. Einmal eine eigene Pension mit sechs bis acht Unterkünften zu besitzen, dieser Wunschtraum ist praktisch sämtlichen Einheimischen gemein. Im Juli und August übertrifft die Nachfrage nach einer Schlafstelle das vorhandene Bettenangebot der Hotels bei Weitem, in diesem Zeitraum leben manche Familien im Wohnzimmer. Schlafzimmer werden vermietet, weil täglich Urlauber ohne Hotelreservierungen auf dem Postschiff eintreffen.

    Hans kennt unterdessen die meisten Privatunterkünfte. Er musste einige Urlauber während einer Woche oder sogar der gesamter Aufenthaltsdauer außerhalb des gebuchten Hotels unterbringen. Der Generaldirektor hatte im Vorjahr weitaus mehr Zimmer an ausländischen Reiseveranstalter verkauft, als tatsächlich verfügbar sind. Hinter dem ren hausgemachten Überbuchungsproblem steckte weder böse Absicht, noch wollte der Direktor damit Privatzimmer füllen helfen. Der Manager verfügt schlicht und einfach nicht über die notwendige Ausbildung, um seiner anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden. Die Legitimation für diesen Posten leitet sich einzig aus einer langjährigen Mitgliedschaft in der Regierungspartei ab. Als er das Jahr zuvor mit Hoteleinkäufern die Preise und Bettenkontingente einzeln aushandelte, verzählte sich der Kroate halt dummerweise.

    Und als im Hochsommer zahlreiche überbuchte Urlauber die Rezeptionen zornig belagerten, war von Gospodin Direktore weit und breit keine Spur zu sehen. Vollkommen berechtigte Unmutsäußerungen trafen ausschließlich unschuldige Reiseleiter und Rezeptionisten. Ihm und seinen Kollegen von der Konkurrenz fiel es dabei weiß Gott nicht leicht, aufgebrachte Urlaubsgäste zu beruhigen, schließlich hatten diese bereits vor Monaten ihre Ferienarrangements gebucht. Als sie nach der anstrengenden Anreise erfuhren, im eigentlich reservierten Hotel sei kein Zimmer frei, lehnten es die Allermeisten kategorisch ab, in ein Alternativhotel nach Dubrovnik ausweichen. Diese spezielle Klientel wählt mit Bedacht die kleine Insel an der süddalmatinischen Adriaküste aus.

    Er unterbreitete einigen Hauseigentümer ein für kroatische Normaleinkommen sehr lukratives Angebot und daraufhin rückten die Familien noch etwas enger zusammen. Überbuchte Urlauber übernachten sogar auf einer ausziehbaren Couch im Wohnzimmer. Der Kundendienst in Frankfurt wurde sogleich darüber informiert. Daraufhin wurde allen betroffenen Urlaubern ein Großteil ihres Reisepreises direkt nach der Rückkehr zurückerstattet und im Anschluss bat die Zentrale in Frankfurt die Hotels dafür indirekt zur Kasse. Sämtliche mit Überbuchungen zusammenhängende Unkosten zog die Buchhaltung direkt von der nächsten Monatsabrechnung ab, welche die Hotelgesellschaft in Frankfurt einreichen muss. Jene happigen Abzüge ziehen garantiert eine positive Auswirkung nach sich. Derartig hohe Einbußen werden die Parteispitze davon überzeugen, dass man den Generaldirektor besser anderweitig eingesetzen sollte. Einigen in Privatunterkünften untergebrachten Urlaubern gefiel ihr Alternativaufenthalt dermaßen gut, dass sie bereits für das Folgejahr einen Privaturlaub im Haus ihrer Gastfamilien reserviert haben.

    Und mit einem neuen und hoffentlich kompetenteren Generaldirektor erscheint ihm eine weitere Sommersaison auf der autofreien Insel durchaus erstrebenswert. Dabei muss man allerding die Unberechenbarkeit der Einsatzzentrale berücksichtigen. Personalplanung und Wünsche der einzelnen Reiseleiter weichen häufig diametral voneinander ab. Diese Tatsache holt ihn aus seinen Gedankengängen zurück. Dube hat sich derweilen bereits gefragt, ob Hans eventuell beleidigt sei, weil keine Antwort erfolgte. Endlich macht er den Mund auf.

    - Ich käme gerne wieder, aber letztendlich hängt die Entscheidung von der Zentrale in Frankfurt ab. Wie lange muss ich eigentlich noch untätig herumsitzen, oder ist die Sprechstunde bereits beendet?

    Bevor ihm die Rezeptionistin antwortet, kann sie es partout nicht unterlassen, ihm zuvor nochmals sein Missgeschick direkt unter die Nase zu reiben.

    - Du hast also die neue Armbanduhr bei der schönen Ina liegen gelassen? Es ist 19.50 Uhr.

    Die Rezeptionistin im Hotel Dubrava hatte den Holländer vor knapp zwei Stunden gebeten, ihr die zahlreichen Funktionen seiner Seiko vorzuführen. Inmitten der Demonstration erschien ein erboster Urlauber, um mit seinem Reiseleiter eine vollkommen unnötige Diskussion über eine unabänderliche Flugplanänderung zu führen. Und diese sinnlose Beschwerde beanspruchte dermaßen viel Zeit, dass er im Anschluss zum Hotel Lafodia rennen musste, ohne zuvor seine Armbanduhr zurückzuverlangen.

    Aus dem leicht bissigen Kommentar von Dube glaubt er, eine leichte Eifersucht heraus zu hören. Die beiden Rezeptionistinnen senden hin und wieder eindeutige romantisch geprägte Signale aus, doch zu mehr als einem Flirt wird es niemals kommen. Die Frauen sind verheiratet und befolgen akribisch die Gebote der katholischen Kirche. Ganz weit oben steht geschrieben, Du sollst nicht ehebrechen. Er muss noch zehn Minuten ausharren, um den ausschließlich für Reiseleiter reservierten Tisch im Restaurant aufsuchen zu können.

    Dube versteht nicht, warum der Holländer stets so gewissenhaft die Sprechstundenzeiten einhält. Treues Stammpublikum stellt ab September die Mehrheit der Urlauber, und nimmt eher selten die Hilfe eines Reiseleiters in Anspruch. Der Oliver von der TUI ist da einiges schlauer. Der atypische Deutsche ist heute erst gar nicht zur Sprechstunde erschienen. Aber warum tut es ihm Hans nicht gleich?

    - Warum verhältst Du dich so typisch deutsch? Ich beziehe meine Frage auf die strikte Einhaltung der Arbeitszeit.

    - Ich möchte in dieser Wintersaison unserem Fernost-Team angehören. Sollten sich Urlauber jedoch beim Kundendienst darüber beschweren, mich während der angeschriebenen Zeiten nicht in der Sprechstunde angetroffen zu haben, kann ich mir den Einsatz in Ostasien direkt abschminken. Und das bedeutet, einen weiteren Winter in einer der Reservationszentralen in Deutschland zu arbeiten.

    Die Rezeptionistin hört ihm überhaupt nicht mehr zu! Dube starrt stattdessen zur Anlegestelle des Hotels. Er folgt ihrem Blick und versteht ihre Verwunderung. Eine hochmotorisierte Jacht legt gerade an und ein Besatzungsmitglied hilft einem Ehepaar galant beim Aussteigen. Dube muss sogleich einen Kommentar dazu abgeben.

    - Die Herrschaften müssen sich verirrt haben, die Filmfestspiele finden in Venedig statt.

    Und mit einem zynischen Grinsen dreht sich die Rezeptionistin zum Reiseleiter um.

    - Oder handelt es sich um eine verspätete Ankunft von Neckermann-Reisen? In diesem Fall musst Du den roten Teppich für deine illustren Urlauber ausrollen.

    Beide wissen, dass Mitglieder der Oberschicht niemals die Dienste des deutschen Reiseveranstalters in Anspruch nehmen. ‚Neckermann machts möglich‘, mit diesem Slogan spricht man eine lediglich eine Kundschaft an, welche nicht über prall gefüllte Brieftaschen verfügen. Im Kroatienkatalog werden fast ausschließlich nur Hotels aus dem Zwei- und Dreisternebereich angeboten. Dube fokussiert derweilen den Blick auf das ungewöhnliche Paar. Ein spezielles Kleidungsstück hat es ihr besonders angetan.

    - Die hiesigen Nachttemperaturen kühlen in diesem Monat schon etwas ab, aber eine Edelpelzjacke halte ich für überzogen! Sieh nur, was für ein Luxus die Schultern der feinen Dame ziert.

    Hans hat keine Ahnung, welches arme Tier dafür sein Leben lassen musste. In jedem Fall erscheint ihm eine Stola vollkommen deplatziert. Die Pelzträgerin stolziert in High Heels die Treppenstufen herauf. Ein Anblick, welcher ihn tatsächlich an die Glimmerwelt von Filmfestspielen erinnert. Derartige Anlässe kennt Hans lediglich vom Fernsehschirm her. Die Rezeptionistin kommentiert das Herannahen des Paares ganz im Stil einer Klatschreporterin.

    - Die Schultern der Diva in einem himmelblauen Abendkleid aus Seide des Hauses Dior bedeckt eine elegante Zobelstola von Révillon. Ihr etwa 45-jähriger Begleiter trägt einen Smoking von Karl Lagerfeld.

    Das ungewöhnliche Paar wirkt dabei selbstsicher. Sie ist maximal Anfang 30, und er mindestens fünfzehn Jahre älter. Gold und mehrere Karat funkelt in der Abendsonne, Blitzlichtgewitter setzt nicht ein. Sie vernehmen auch kein Jubel wartender Fans. Gekreische hungriger Möwen hallt stattdessen durch die Abendluft und Einheimische nahe der Anlegestelle trauen ihren Augen nicht. Der Gepäckträger des Hotels rennt tatsächlich mit zwei Koffern in den Händen die Treppenstufen hinauf. Normalerweise vermeide Mirko doch jede unnötige Anstrengung. Welche Trinkgeldhöhe hat ihn wohl zu dieser Höchstleistung gedopt?

    Hans begibt sich an den Arbeitstisch zurück und öffnet etwas verunsichert den Aktenkoffer, um die Transferliste der letzten Ankunft zu konsultieren. Darauf wird ein Ehepaar aufgeführt, welches nicht im gebuchten Charterflugzeug aus Amsterdam anreisen konnte. Gemäß telefonischer Anweisung aus der Zentrale muss deren Unterkunft auf unbestimmte Zeit blockiert bleiben. Es kann doch nicht sein, oder ...

    - Dube erwartest das Hotel heute noch irgendwelche Ankünfte?

    Die Rezeptionistin verneint dies kategorisch. Sein sechster Sinn veranlasst ihn, sich schleunigst zu erheben, um die neuen Gäste bereits am Hoteleingang abzufangen.

    - Guten Abend. Habe ich die Ehre, das Ehepaar Van Breugelen mit etwas Verspätung auf Lopud willkommen zu heißen?

    - Dem ist so, und wir hoffen, unsere Unterkunft wurde mittlerweile nicht anderweitig belegt.

    Hans ist mit sich zufrieden. Auf seinen beruflichen Instinkt ist Verlass. Dube muss kräftig durchatmen, während die van Breugelens ihre Personalien auf den Anmeldeformularen eintragen. Die anschließende

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