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Mörderisches Endspiel. Ostfrieslandkrimi
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Mörderisches Endspiel. Ostfrieslandkrimi
eBook232 Seiten2 Stunden

Mörderisches Endspiel. Ostfrieslandkrimi

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Über dieses E-Book

Ein Hof bei Neßmersiel steht in Flammen. Doch damit nicht genug: Bei den Löscharbeiten werden zwei Leichen geborgen! Hauptkommissar Axel Groot und Kommissarin Hilka Martens von der Kripo Norden kennen den Tatort bereits von einem früheren Fall. Schnell merken sie, dass hier verschiedene Fäden zusammenlaufen. In einem Versteck auf dem Hof taucht eine große Summe als gestohlen gemeldetes Bargeld auf. Und plötzlich gerät Hilka Martens selbst unter einen schrecklichen Verdacht. Hat die Kommissarin sich in einem schwachen Moment zu einer unüberlegten Tat hinreißen lassen? Oder will ihr jemand etwas anhängen? Vergangenheit und Gegenwart scheinen in diesem mörderischen Fall zu verschmelzen. Hilka Martens weiß bald nicht mehr, wer Freund und wer Feind ist, und trifft eine folgenschwere Entscheidung. Alles läuft nun auf den finalen Showdown hinaus...

SpracheDeutsch
HerausgeberKlarant
Erscheinungsdatum21. März 2022
ISBN9783965865556
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    Buchvorschau

    Mörderisches Endspiel. Ostfrieslandkrimi - Stefan Albertsen

    Prolog

    Vergessen war die Ruhe, die vom See ausging und die den Aufruhr in ihrem Inneren mühsam niedergekämpft hatte. Sie wandte sich vom stillen Gewässer ab. Die Bohlen unter den Füßen knarrten. Schwacher Lichtschein drang durch die Scheiben der Hütte ins Freie. Es war nur ein Dämmern, das nicht einmal zehn Meter weit in die umliegende Dunkelheit hineinreichte. Aber es genügte, um die Person, die sich ihr näherte, aus der Finsternis zu schälen.

    Es war ein Mann. Groß, schlank, fast schon hager. Eine drahtige Erscheinung mit dunklen, kurzen Haaren und einem asketisch geschnittenen Gesicht. Er war ihr vertraut, als kenne sie ihn seit Ewigkeiten und nicht erst seit knapp über einem Jahr.

    In ihr regte sich die Hoffnung, dass er ihr helfen könne. Dass der wahr gewordene Albtraum, in dem sie gefangen war, endlich ein Ende finden würde. Dass sie die Chance bekam, ihren Namen reinzuwaschen.

    Sie wollte ihn begrüßen und ihm sagen, dass sie sich freute, dass er bereit war, ihr beizustehen, dass sie sich glücklich schätzte, von ihm Hilfe zu erhalten, doch er kam ihr zuvor.

    »Es tut mir leid«, sagte er. Sie vernahm ein Zittern in der Stimme. »Bitte glaub mir. Ich habe keine andere Wahl.«

    Nicht nur dieser Unterton alarmierte sie. Ein Flackern in seinen Augen verstärkte den Eindruck. Sie wich zurück, wie vor einem eisigen Hauch, der von ihm ausging. Er sprach erneut, doch sie verstand nicht, was er sagte. Ihr Blick haftete auf dem Gegen­stand, den er in der rechten Hand hielt.

    Eine Pistole.

    Dann geschah alles blitzschnell. Er hörte auf zu reden, hob den Arm und richtete die Waffe auf sie.

    »Aber …« Mehr kam ihr nicht über die Lippen. Es folgte ein dumpfer Knall.

    Ein harter Schlag traf sie, wirbelte sie umher. Die Wucht des Treffers schleuderte sie über das Geländer hinweg. Nach einem Moment der Schwerelosigkeit fühlte sie die Kälte des Sees, die sie gnadenlos umschloss. Ein alles verzehrender Schmerz jagte wie ein Schwert durch sie hindurch, ließ jede ihrer Bewegungen zur Leblosigkeit erstarren.

    Hilka Martens versank wie ein Stein in abgrundlos erscheinen­der Dunkelheit. In ihren versiegenden Gedanken formte sich der Name des Mannes, der auf sie geschossen hatte.

    Axel Groot …

    1. Kapitel

    Neun Tage zuvor

    Das Wasser schoss dem tintigen Nachthimmel entgegen. Es formte einen perfekten Bogen und regnete auf die Flammen nieder, die scheinbar zornig aus dem eingestürzten Dachstuhl züngelten. Die Flüssigkeit traf zischend auf ihren flackernden Kontrahenten, ein durchdringendes Knacken entstand in den Überresten des Gebälks, als der rasante Temperaturwechsel einsetzte.

    Axel Groot beobachtete den Vorgang mit einer Mischung aus Bewunderung für die Feuerwehrleute und Ungeduld darüber, dass er in tiefspäter Nacht an diesen Ort gerufen worden war. Er führte den Thermobecher an die Lippen und nahm einen langen Schluck von dem heißen Kaffee. Charlie Thaler hatte mitbekommen, dass man Groot als Diensthabenden der Kripo-Bereitschaft aus den Federn geklingelt hatte, und ihm in Windeseile den aromatischen Wachmacher aufgebrüht.

    Groot lächelte bei dem Gedanken an diese treue Seele. Ja, ich bin dankbar, dass ich sie habe, dachte er kopfschüttelnd. Sie ist manchmal genau wie Mutter.

    Die eben empfundene Heiterkeit wich dem Schmerz des Verlusts, den ihr Tod bei ihm hinterlassen hatte. Das Lächeln zerbrach und er senkte langsam den Becher. So erging es ihm immer, wenn ihm die Eltern in den Sinn kamen. Unweigerlich drängte sich ihm nagende Ungewissheit in die Erinnerungen und machte es unmöglich, vollends mit der Tatsache abzuschließen, dass sie nicht mehr bei ihm waren. Gleichzeitig wallte Zorn in ihm auf, denn all das brachte einen Automatismus in Gang, an dessen Ende ihm ein Name vor dem geistigen Auge stand. Der Name des Mannes, den er unter Verdacht hatte, ihm die beiden Menschen genommen zu haben, die er am meisten geliebt hatte.

    »Gorodetsky«, flüsterte er. Seine Stimme wurde vom Zischen des Wassers, dem Knacken und Krachen des Dachstuhls und den zahlreichen gerufenen Kommandos der Feuerwehrleute übertönt.

    Ich werde ihn für das bezahlen lassen, was er euch und mir angetan hat, schwor Axel zum wiederholten Male im Gedanken. Er kam sich im selben Moment reichlich lächerlich vor, denn wie er das anzustellen hatte, war ihm bislang ein Rätsel.

    Er hatte nichts. Keinen Hinweis darauf, wo der ursprünglich aus Russland stammende Terrorist und Profi-Killer untergetaucht war. Es gab nicht einen einzigen Beleg dafür, dass Piet und Janne Groot ermordet worden waren. Alles hatte damals auf einen schrecklichen Autounfall hingedeutet, bei dem die beiden fast bis zur Unkenntlichkeit verbrannten.

    Axel gestand sich ein, dass er nicht in der Lage war zu beweisen, dass Maxim Gorodetsky überhaupt am Leben war. Offiziell war er nach einer verhängnisvollen Verfolgungsjagd in Portugal mit seinem Wagen über eine Klippe gerast und ins Meer gestürzt.

    »Trübe Gedanken oder einfach nur Müdigkeit?«

    Groot schrak zusammen und wandte sich mit einer raschen Bewegung um. Hilka Martens, Kommissarin und engste Kollegin bei der winzigen Kripo-Abteilung in Norden, stand neben dem Dienstwagen, mit dem er hergekommen war.

    »Was machen Sie denn hier?«, entfuhr es ihm.

    Sie deutete auf das Feuer, das sich nach wie vor dem wolken­losen Nachthimmel entgegenstreckte und trotz der vehementen Gegenwehr der Feuerwehr fleißig am Dach des wuchtigen Gebäudes zehrte. »Ich habe über Funk von dem Spektakel erfahren und mitbekommen, dass Sie alarmiert wurden. Deshalb dachte ich, dass Sie vielleicht meine Unterstützung gebrauchen könnten.«

    Vor einigen Monaten hätte diese Eröffnung Axel zu einem Widerspruch, zumindest zu einem verärgerten Kommentar verlei­tet. Mittlerweile sah er vieles gelassener. Vor allem aber schätzte er seine Kollegin. Er hatte im Laufe des letzten Jahres mehr Vertrauen zu ihr gewonnen als zu anderen Weggefährten, die er zehnmal so lang kannte. »Das ist nett«, entgegnete er, nahm einen weiteren Schluck und nickte. »Obwohl ich eher annehme, dass Ihr Hiersein mit der Location zu tun hat.« Groot stellte den Thermo­becher auf die Motorhaube und deutete dann auf das brennende Gebäude.

    »Okay, ja, das stimmt natürlich auch«, bekannte die Kommis­sarin. »Als ich hörte, dass Michael Bergs Hof brennt, wurde ich hellhörig, aber können Sie mir das verübeln?«

    Axel ließ sich ein paar Sekunden Zeit, ehe er den Kopf schüttel­te. »Nein, ganz im Gegenteil, es hätte mich eher gewundert, wenn Sie nicht hier auf der Matte gestanden hätten. Ich weiß ja, dass Sie in Ihrer Freizeit oft den Polizeifunk mithören.«

    »Glauben Sie denn, dass das Feuer irgendwie mit unserem Fall von damals zusammenhängt?«

    Groot sah nachdenklich zum Brand hinüber. Es lag mittlerweile etwas über ein Jahr zurück, dass Hilka Martens und er im Mordfall Rolf Behrend ermittelt hatten. Letztlich waren dessen Tochter und ihr Komplize Michael Berg des zweifachen Mordes und des Schmuggels von Diebesgut überführt worden.

    Dass Bergs Hof in dieser Nacht in Flammen stand, war möglicherweise ein Zufall. Freilich fiel es dem Oberkommissar schwer, das zu glauben. Und wenn er den Blick seiner Kollegin korrekt deutete, erging es ihr ebenso.

    »Aber ganz ehrlich«, holte ihn ihre Stimme in die Gegenwart zurück, »ich wollte Sie nicht allein lassen bei diesem Einsatz. Ich glaube, zusammen erreichen wir mehr.«

    Axel lächelte »Ja, ein zusätzliches Paar Augen könnte sehr hilfreich sein. Ich hoffe nur, dass Sie bei nichts Wichtigem unterbrochen wurden.«

    Die Kommissarin erwiderte das Lächeln mit leidigem Ausdruck. »Chef«, sagte sie und es klang wie eine Ermahnung. »Es ist fast drei Uhr am Morgen. Was sollte ich Wichtiges zu tun haben?«

    Groot ließ sich Zeit mit der Antwort, sah einen Augenblick lang wie gebannt den umhereilenden Männern und Frauen in ihren Schutzanzügen zu und griff dann erneut nach dem Becher, um ihn zu leeren. »Mir fallen eine ganze Menge Dinge ein, die man um diese Uhrzeit machen könnte«, erwiderte er und grinste. »Zum Beispiel innige Liebkosungen mit dem Freund austauschen.«

    Hilka Martens sog geräuschvoll die Luft ein und sein Grinsen wurde breiter. Er zog die Schultern in die Höhe, als erwarte er, einen harten Schlag zu kassieren.

    »Sagen Sie mal, bei Ihnen piept’s wohl, oder?«, zischte die Kommissarin und stemmte die Fäuste in die Seiten. »Sie wissen genau, dass ich keinen Freund habe und deshalb …« Sie unter­brach sich und begnügte sich damit, ihren Chef anzufunkeln.

    »Du meine Güte, Sie verstehen aber wirklich keinen Spaß«, ließ er mit gespielter Entrüstung vernehmen. Für gewöhnlich war er eher der ernste Part in ihrer kollegialen Beziehung. Doch von Zeit zu Zeit wechselten sie die Positionen.

    »Das ist kein Spaß, Groot«, knurrte Hilka Martens. »Für mich ist dieses Thema …« Sie schien nach dem richtigen Wort zu suchen. »… heikel.« Es blitzte in den Augen der Kommissarin auf, als habe sie einen guten Einfall. »Sie würden an meiner Stelle genauso reagieren.«

    Axel winkte ab. »Ach, glauben Sie wirklich?« Allmählich gefiel ihm der nächtliche Schlagabtausch.

    »Ja, glaube ich«, zischte sie. »Es würde Ihnen doch sicherlich nicht gefallen, wenn ich mich über … Manuela auslassen würde.«

    Die Erwähnung dieses Namens wirkte auf Groot wie ein Blitz, der vom Himmel herabfuhr, um ihm den Schädel zu spalten. Er zuckte zusammen.

    »Nein«, erwiderte er, »würde es ganz und gar nicht. Immerhin sprechen wir von meiner Ex-Frau, die mir über Jahre hinweg das Leben schwer gemacht hat, ehe sie sich nach einem wahren Scheidungskrieg in jenen finsteren Höllenwinkel zurückgezogen hat, aus dem sie stammt. Ich …«

    Er bemerkte Hilkas süffisantes Lächeln und hörte auf zu reden.

    »Du meine Güte«, giggelte sie. »Sie verstehen aber wirklich keinen Spaß.«

    Axel seufzte und senkte gottergeben den Kopf. »Okay, in Ordnung. Ich habe es nicht anders verdient. Wer anderen eine Grube gräbt … und so weiter und sofort.«

    »Vergeben und vergessen, Chef«, gab Hilka versöhnlich zurück, »aber irgendwann müssen Sie mir mal erklären, warum Sie mich so oft damit aufziehen, dass ich keine feste Beziehung habe.«

    »Weil das Leben kurz ist«, erklang eine Stimme aus Richtung der Hofzufahrt und unterbrach die Kommissare. »Herr Groot ist sich dessen bewusst und möchte Sie ebenfalls daran erinnern.« Gernot Michaelis, der Leiter der Spurensicherung, trat in den flackernden Schein des Feuers, der nach wie vor das Grundstück erhellte. Sein langgezogenes, knorriges Gesicht wirkte im unste­ten Licht wie eine bleiche Maske. Der baumlange Mann nickte den beiden zu. »Guten Morgen, die Herrschaften. Bitte verzeihen Sie, dass ich mich in Ihr Gespräch eingemischt habe, aber ich konnte nicht widerstehen.«

    »Schon gut«, meinte Groot nur. »Wir waren sowieso mit dem Thema durch.«

    »Waren wir?« Hilka Martens’ Stimme klang so, als hätte sie nichts gegen eine Fortsetzung der Unterhaltung einzuwenden.

    Axel ließ sich davon nicht beirren. »Ja, waren wir.«

    Die Kommissarin zuckte mit den Achseln, doch Groot war sich sicher, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut darauf zu sprechen kommen würde.

    »Haben Sie eine Ahnung, warum man uns geholt hat?«, fragte Michaelis und versuchte, ein ausgiebiges Gähnen zu unterdrü­cken.

    Die Martens enthielt sich einer Antwort und so übernahm Axel es, auf die Frage einzugehen. »Nein, leider nicht. Aus der Benach­richtigung ging nur hervor, dass jemand von der Polizei vor Ort benötigt würde. Und als ich hier eintraf, sagte man mir nur, dass ich hier warten solle, was aber kein Wunder ist.« Groot deutete zum Geschehen hinüber. Mittlerweile wuchsen die Flammen längst nicht mehr so hoch wie vor einigen Minuten. Der massive Einsatz zeigte Erfolg. »Die Feuerwehrleute haben genug zu tun, und es macht mir nichts aus zu warten.«

    Michaelis zog eine Schnute. »Na ja, ich wäre jetzt lieber im Bett«, brummte er. Ein leises Schnauben drang zwischen den Lippen hervor. »Aber Dienst ist nun einmal Dienst.«

    »Sie sagen es«, stimmte Hilka Martens zu.

    Die nächsten Minuten standen sie stumm beieinander und sahen zu, wie die wackeren Feuerwehrleute den Brand mehr und mehr in den Griff bekamen.

    »Ich gehe davon aus, dass Sie beide nicht vergessen haben, dass wir vor einigen Monaten schon einmal hier zu tun gehabt haben, oder?« Michaelis’ Frage klang wie die missmutige Aufforderung eines Lehrers an seine Schüler, sich mit dem Lösen einer Rechen­aufgabe zu beeilen.

    »Ja«, antwortete Axel, nachdem er und Hilka einen kurzen Blick gewechselt hatten. »Wir erinnern uns sehr deutlich an die Nacht, in der zwei Schwerverbrecher versucht haben uns umzubringen.«

    Der Mann von der Spurensicherung hob erstaunt die buschigen Augenbrauen. »Ach ja, richtig, dieses Pärchen hat Ihnen damals ziemlich zugesetzt, richtig?«

    Die Kommissarin grinste säuerlich. »Vorsichtig ausgedrückt, Herr Michaelis.«

    Er kratzte sich verlegen am Kopf und kam zu keiner Erwiderung, weil sich aus dem Hintergrund eine Gestalt näherte. Sie trug einen jener für Feuerwehrleute typischen Schutzmäntel und einen hellen Helm. Reflektierende Markierungen blitzten an verschie­denen Stellen der auffälligen Bekleidung auf.

    Es war der Leiter des Einsatzes. Groot hatte mit ihm nach seiner Ankunft gesprochen und war überrascht worden, denn es handelte sich um Niels Oltmann, den ältesten Sohn des Chefs des Polizeipräsidiums in Norden. Oltmann nahm den Helm ab, atmete ein paar Mal kräftig durch und wischte sich über das verschwitzte Gesicht, in dem zahlreiche familiäre Ähnlichkeiten zum Vater auffielen.

    Axel bekam aus dem Augenwinkel mit, wie Hilka Martens zusammenzuckte. Sie sandte ihm einen fragenden Blick, doch er schüttelte kaum merklich den Kopf, was ›nicht jetzt‹ bedeutete.

    »Also«, Oltmann räusperte sich die Kehle frei, »wir haben den Brand mittlerweile so weit im Griff, dass ich Sie in den Bereich zwischen Hauptgebäude und Scheune führen kann. Dort liegt der Grund, weshalb wir Sie benachrichtigt haben.« Der hochgewach­sene Mann, der dem Vater nicht nur ähnlich sah, sondern auch in Sachen Körperbau kaum nachstand, bedeutete ihnen, ihm zu folgen.

    Er brachte sie zu einem der Einsatzfahrzeuge, auf dem ein flackerndes Blaulicht seinen unruhigen Schein in die Nacht entsandte. Der Wehrführer wies sie an, in bereitliegende Schutz­mäntel zu schlüpfen und sich Helme aufzusetzen, ehe sie ihren Weg fortsetzten.

    Sie kamen dicht an das brennende Gebäude heran und Groot fühlte ein Gemisch aus Hitze und Feuchtigkeit, das ihnen entgegengeweht wurde. Von der derzeitigen Position aus erkannte er, dass zahlreiche Fenster des Haupthauses geborsten waren und düsterer Rauch ins Freie gepresst wurde. Sowohl das eingesetzte Löschwasser als auch die unheilvolle Thermik, die über das Grundstück jagte, wirbelten die schwarzen Wolken durcheinander, ehe sie zum Himmel emporstiegen, von dem sie sich farblich nicht abzuheben vermochten.

    Für einen kurzen Augenblick befürchtete der Oberkommissar, dass Oltmann sie dichter an das knisternde Geschehen heran­führen würde, doch der Feuerwehrmann bog in rechtem Winkel dazu ab und lenkte seine Schritte zur abgewandten Seite.

    Sie traten in den Schatten des Hauptgebäudes. Die Hitze schwand von einer Sekunde zur anderen. Bis hierher schien sich das Feuer nicht vorgearbeitet zu haben. Trotzdem waren hier einige Leute verteilt, die mit ihren Schläuchen Wasser über das Dach jagten. Der Qualmgeruch verringerte sich auf ein erträgli­ches Maß. Feine Wassertropfen nieselten ununterbrochen auf sie nieder.

    »Vorsicht, der Boden ist rutschig«, warnte Oltmann und schaltete eine Taschenlampe ein. Ihr kräftiger Lichtstrahl tastete den feucht glänzenden Untergrund ab.

    Michaelis gab einen überraschten Ruf von sich und ruderte mit den langen Armen, doch Hilka Martens’ Hand schoss reaktions­schnell vor und verhinderte, dass der Leiter der Spurensicherung hinfiel.

    »Danke vielmals«, sagte er artig und nickte der Kommissarin zu.

    »Nichts zu danken«, erwiderte sie nur.

    Oltmann war unbeirrt weitergegangen. Groot folgte dichtauf.

    »Sehen Sie«, meinte der Wehrführer und blieb stehen. Der Lichtstrahl glitt weiter und traf auf

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