Spezialoperation Mördersuche: 3 Top Krimis
Von Alfred Bekker, Pete Hackett und Thomas West
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Über dieses E-Book
Jesse Trevellian in Not (Thomas West)
Schweigen ist Silber, Rache ist Gold (Alfred Bekker)
Trevellian und die Autoschieber (Pete Hackett)
Eigentlich sollte nur ein Luxusauto für einen Autoschieberring geklaut werden. Doch im Innern saß die Tochter eines der größten Verbrecher von New York. Als die Entführer versuchen, ihn zu erpressen, geht er auf seine eigene Weise gegen die Konkurrenz vor. Die FBI-Agents Trevellian und Anderson bekommen es mit zwei Verbrecherbanden zu tun.
Alfred Bekker
Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
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Buchvorschau
Spezialoperation Mördersuche - Alfred Bekker
Thomas West, Alfred Bekker, Pete Hackett
Spezialoperation Mördersuche: 3 Top Krimis
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Inhaltsverzeichnis
Spezialoperation Mördersuche: 3 Top Krimis
Copyright
Jesse Trevellian in Not
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Schweigen ist Silber, Rache ist Gold
Trevellian und die Autoschieber
Spezialoperation Mördersuche: 3 Top Krimis
Alfred Bekker, Thomas West, Pete Hackett
Dieser Band enthält folgende Krimis:
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Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfredbooks und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.
© by Author / COVER FIRUZ ASKIN
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Jesse Trevellian in Not
Krimi von Thomas West
Der Umfang dieses Buchs entspricht 115 Taschenbuchseiten.
Nach einem blutigen Feuergefecht am New Yorker Hudson-River zwischen Kurden, Kubanern und dem FBI werden der Special-Agent Jesse Trevellian, die Staatsanwältin Emma O'Fancy und der Kurde Dr. Yoshkun Erdan von PKK-Anhängern auf einer Yacht entführt. Unterwegs gelingt es den Gefangenen, sich zu befreien, doch landen sie kurz darauf in den Händen des irakischen Geheimdienstes. Special-Agent Milo Tucker, der sich um seinen Freund und Partner Jesse sorgt, erhält den geheimen Sonderauftrag, in den Nahen Osten zu fliegen, um mit Hilfe von CIA-Agenten Trevellian und die Staatsanwältin zu befreien. Yoshkun Erdan soll an den türkischen Geheimdienst ausgeliefert werden. Wer ist Feind und wer ist Freund ? – diese Frage müssen sich alle Beteiligten stellen, bis es in der Einöde des nordirakischen Berglandes, nahe der türkischen Grenze, zum alles entscheidenden Kampf kommt ...
1
Der Mann hatte schwarze Augen, die gleichmütig in irgendeine Ferne blickten. Sein knochiges Gesicht schien aus rötlich braunem Granit gemeißelt zu sein. Eine gerade Narbe zog sich von seiner rechten Schläfe über die eingefallene Wange bis zum Kinn. Und er trug die Uniform eines irakischen Leutnants.
Samir Chaban war sein Name.
In Begleitung von vier Soldaten schritt er den schmalen, grell erleuchteten Kellergang entlang. Vor der letzten der vielen Metalltüren blieb er stehen. Aufschließen!
Er trat beiseite. Einer der vier Soldaten entriegelte die niedrige Zellentür und stieß sie auf. Das schwere Türblatt krachte gegen die Zellenwand. Feuchtwarmer Gestank drang aus dem dämmrigen Verlies - Schweiß, Urin, Moder und Rattenkot. Gestank des Todes.
Chaban zog den Kopf ein und betrat die Zelle. Im spärlichen Licht, das aus dem Gang in das enge Verlies drang, schälten sich die Konturen eines Mannes aus dem Halbdunkeln. Eng an die feuchte Wand gepresst kauerte er auf dem Lehmboden. Langsam hob er den Kopf.
Ohne äußere Regung musterte Chaban das zerschundene Gesicht: aufgeplatzte Lippen, zugeschwollene Augen, blutverkrustetes Haar.
Wie im Zeitlupentempo schob der Mann sich an der Wand hoch, bis er halbwegs gerade auf seinen Beinen stand. Seine Handflächen strichen fahrig über das Gemäuer hinter ihm. Als suche er einen Fluchtweg. Bitte nicht ... bitte...
, krächzte er. Es gibt nichts mehr, was ich euch sagen könnte ...
Sie hatten ihn geprügelt. Stundenlang. Geprügelt und schlimmeres. Chaban war nicht dabei gewesen. Aber die Schreie des Mannes waren über den ganzen Kasernenhof zu hören gewesen.
Du wirst nicht mehr verhört, Ibrahim.
Chaban trat beiseite. Mit einer knappen Kopfbewegung winkte er die Soldaten in die Zelle. Sie packten den Mann und zerrten ihn von der Wand weg.
Ibrahim wehrte sich nicht. Nur, als sie ihn an ihrem Leutnant vorbeizerren wollten, stemmte er sich mit den Beinen gegen den Lehmboden. Für einige Sekunden blieben sie vor Chaban stehen.
Ibrahims Blick klammerte sich an den schwarzen Augen des Offiziers fest. Ich habe eine sehr junge Frau ...
. Er flüsterte keuchend. Sein Adamsapfel sprang auf und ab. … und vier Kinder ...
Chaban blieb stumm. Er hatte den Gefangenen gesehen, als sie ihn vor ein paar Tagen aus den kurdischen Bergen brachten - die stolze Verachtung in seinen Augen hatte ihn beeindruckt. Keine Spur mehr davon. Nur noch Angst, nur noch der Schrei um Gnade.
Wie ein Mann zu kämpfen, ist leicht, Ibrahim Erdan
, sagte er. Wie ein Mann zu sterben, ist schwer. Versuch es trotzdem.
Die Soldaten schleppten den Kurden aus der Zelle. Chaban folgte ihnen durch den Kellergang nach draußen auf den Kasernenhof. Das Erschießungskommando stand schon in Reih' und Glied.
Chaban wusste nicht, was Ibrahim Erdan verbrochen hatte. In Angelegenheiten des Geheimdienstes war es besser, nicht allzu neugierige Fragen zu stellen. Die Offiziere des Geheimdienstes waren unangemeldet mit dem Gefangenen aufgekreuzt. Sie hatten Räume und Material beansprucht, und Chaban hatte ihnen gegeben, was sie verlangten.
Und jetzt stellte er ihnen ein Erschießungskommando zur Verfügung. Der Hinrichtungsbefehl war erst vor einer Stunde aus Bagdad gekommen.
Sie zerrten den Kurden vor die Außenmauer der Latrinen und verbanden ihm die Augen mit einem schwarzen Tuch.
Es war zu Chaban durchgesickert, dass der Kurde zur PKK gehörte. Zur radikalsten aller Kurdenparteien. Und dass er einen Bruder hatte, der zur Führungsebene der PKK gerechnet wurde. Den Rest musste der Leutnant sich selbst zusammenreimen.
Für Chaban sah es ganz so aus, als würde Bagdad neuen Kurdenaufständen vorbeugen wollen. In der UNO-Schutzzone, nördlich des 36. Breitengrades, rotteten sich immer wieder ein paar Heißsporne zusammen. Da war es besser, vorsorglich ein paar Köpfe abzuschlagen, als mit einem Bataillon in die Berge ziehen und einige Dörfer ausräuchern zu müssen. Das würde nur die UNO auf den Plan rufen.
Gleichgültig nickte Chaban dem Unteroffizier zu. Während der dem Erschießungskommando seine Befehle zubrüllte, beobachtete Chaban den Kurden vor der Latrinenwand. Er war schon fast zwanzig Jahre Soldat und hatte unzählige Männer sterben sehen. Der Tod faszinierte ihn immer noch. Die Haltung der Menschen angesichts ihres Endes - das war es, was ihn interessierte.
Ibrahims Haltung schien sich verändert zu haben. Jedenfalls seine Körperhaltung. Er stand jetzt kerzengerade und breitbeinig da. Die Schultern hingen nicht mehr schlaff herunter, wie eben in der Zelle noch. Den Kopf reckte er trotzig nach oben. Er trug die schwarze Augenbinde fast wie eine Auszeichnung. Nur die geschwollene Unterlippe zitterte.
Feuer!!
Noch bevor der Widerhall der Schüsse verstummte, schlug Ibrahims Leiche mit dem Gesicht im Staub des Kasernenhofes auf.
Chaban wandte sich ab und schritt langsam zur Kommandantur zurück. Wider deinen Willen wirst du geboren
, murmelte er. Wider deinen Willen lebst du, wider deinen Willen stirbst du ...
. Einer der Sprüche aus dem jüdischen Gebetsbuch, die sein Großvater immer zu zitieren pflegte. Der hatte sich noch offen zu seiner Religion bekannt.
Chaban war da zurückhaltender. Hin und wieder, wenn er in Bagdad war, ließ er sich sogar in einer Moschee blicken. Nicht nur weil er irakische Offiziersuniform trug.
Am Eingang zur Kommandantur drehte er sich noch einmal um. Sie schleiften die Leiche des Kurden über den Hof zu einem Armeelaster. … und wider deinen Willen wirst du einst Rechenschaft ablegen vor dem König aller Könige ...
2
Gratuliere, Roger!
Duxburys Chef kam ins Redaktionsbüro und warf die neuste Ausgabe der New York Post vor ihn auf seine Schreibtisch. Das Blatt geht weg wie Freibier.
Duxbury nahm die Zeitung auf. In roten Lettern prangte die Schlagzeile: >Verursachten kubanische Agenten das Blutbad am Hafen?<
Und darunter: >Vermisster FBI-Agent noch immer nicht gefunden<
Der zweite Tag nach der Schießerei am Pier 28. Schon gestern war die Auflage in bisher unerreichte Höhen gestiegen. Duxbury überflog seinen eigenen Artikel.
>... noch immer tappt die Polizei im Dunkeln. Das Massaker am Hafen von TriBeCa, bei dem vorgestern sieben Menschen den Tod fanden - darunter drei unbeteiligte Passanten - gibt immer neue Rätsel auf. Die Informationen aus der Federal Plaza sickern - wie so oft - nur spärlich an die Öffentlichkeit. Gestern Abend musste der Pressesprecher des FBI einräumen, dass der Fall auch für die Bundespolizei immer verworrener wird. Hieß es vorgestern noch, kurdische Terroristen hätten die Schießerei am Pier 28 provoziert, wird jetzt immer deutlicher, dass Agenten des kubanischen Geheimdienstes die Hauptverantwortung für das Blutbad tragen. Unserer Zeitung liegen Informationen vor, wonach das FBI von sieben kubanischen Agenten ausgeht. Alle sieben sind US-Staatsbürger. Drei von ihnen starben bei der Schießerei. Durch wessen Kugeln, ist noch unklar. Einer der vier Festgenommenen konnte inzwischen in einer Klinik in der Downtown vernommen werden. Über seine Aussagen schwieg der Pressesprecher des FBI sich aus. In einer anderen Manhattaner Klinik kämpfen die Ärzte um das Leben eines schwer verletzten türkischen Staatsbürgers. Es wird vermutet, dass es sich dabei um einen Kurden handelt ...<
Duxbury angelte sich eine Zigarette aus der Philip-Morris-Schachtel auf seinem Schreibtisch. Sein Chef griff ungefragt zu. Dass die Kubaner anfingen zu ballern, glaub' ich nicht
, sagte Duxbury. Ich hab' mit eigenen Augen gesehen, wie plötzlich zwei Männer aus dem Toilettenhäuschen auftauchten und mit Maschinenpistolen auf die Kubaner schossen. Diese Männer sahen aus wie Orientalen. Und Kurden sind meines Wissens Orientalen.
Man hat aber keinen toten Kurden gefunden
, gab der Chefredakteur zu bedenken.
Das spricht doch für meine Theorie.
Duxbury las weiter.
>... wie wir gestern berichteten, versuchte ein Team des FBI die Entführung einer Staatsanwältin und eines ehemaligen militanten Kurden zu verhindern. Der Kurde gehört nach neusten Informationen der marxistischen PKK (Kurdische Arbeiterpartei) an. Er wird in der Türkei wegen mehrerer Bombenattentate gesucht. Die Rolle der Staatsanwältin ist unklar. Von beiden Personen fehlt seit vorgestern jede Spur. Auch ein Beamter des FBI wird vermisst. Zur Stunde suchen Polizeitaucher den Hudson nach seiner Leiche ab ...<
Duxbury ließ die Zeitung sinken. Hast du eine Idee, was die Staatsanwältin mit diesem Terroristen zu tun hat?
, wollte der Chefredakteur wissen.
Duxbury schüttelte den Kopf. Zufall, denke ich. Er wurde gejagt, suchte Unterschlupf, und Emma O'Fancy lief ihm über den Weg. So einfach stell' ich mir das vor.
Er nahm die obligatorische Sonnenbrille aus seinem dichten Haar und begann nachdenklich auf dem Bügel herumzukauen.
Was mich viel mehr interessiert - Trevellian und Tucker wussten plötzlich, dass die beiden zum Hafen wollten. Dieser Tipp kam aus dem Fünften Polizeirevier. Ich frage mich, wer die Polizei verständigt hat.
Finde es heraus.
Der Chefredakteur drückte die Zigarette aus und rutschte von Duxburys Schreibtisch. Diese Schießerei gibt sicher noch eine Schlagzeile her.
Das werd' ich herausfinden, verlass dich drauf - aber erst einmal fahr' ich zum Hafen und schau' mal, ob sie inzwischen Trevellians Leiche aus dem Hudson gefischt haben.
Zehn Minuten später saß er in seinem dunkelblauen BMW Z 3 und fuhr Richtung SoHo und TriBeCa. Die morgendliche Rushhour löste sich gerade auf. Nach einer halben Stunde bog er von der West Street in das Hafengelände ab.
Vor dem Zugang zu Pier 28 war das Hafengelände immer noch weiträumig abgesperrt. Um das Trassierband herum - Business as usual: Touristen, Verkaufsstände, Straßenhändler. Als wäre hier nie etwas geschehen.
Duxbury parkte seinen Wagen und stieg aus. Innerhalb der Absperrung stand ein halbes Dutzend Polizeifahrzeuge. Und ein großer Van. Durch die offene Seitentür sah der Journalist eine Frau vor einem Bildschirm mit Reagenzgläsern hantieren. Offenbar ein mobiles Labor.
Auf dem Weg zum Trassierband kam er an einem Blumengebinde vorbei. Es lag auf dem Asphalt innerhalb einer Kreideskizze. Duxbury erkannte die Konturen eines menschlichen Körpers. Auf dem Gebinde ein Holzkreuz. Eine große Kerze auf der Stelle, an der die Kreideskizze den Kopf des Menschen andeutete, der vorgestern hier im Kugelhagel starb.
Duxbury blieb stehen, zog sein Handy heraus und wählte die Nummer der Redaktion. Schickt doch mal einen Fotografen zum Pier 28. Irgendjemand hat hier ein Kreuz und ein paar Blumen hingelegt. Wahrscheinlich Angehörige von Leuten die vorgestern hier erschossen wurden. Das sollten wir bringen.
Dann schlüpfte er unter dem Trassierband durch und betrat den Anlegesteg. Eine Gruppe von Männern stand fast am Ende des Piers und starrte ins Wasser. FBI-Beamten. Duxbury erkannte den Partner des vermissten Agenten - Milo Tucker.
Als er bei der Gruppe angelangt war, kletterte eben ein Taucher aus dem Wasser. Er zog die Taucherbrille ab und schüttelte den Kopf. Nichts.
Milo Tucker wandte sich ab - und entdeckte den Journalisten. Die Absperrung gilt auch für die Presse
, sagte er müde.
Absperrung?
Duxbury schob sich die Sonnenbrille ins Haar und blickte zurück. Hab' ich ganz übersehen.
Der FBI-Mann hatte andere Sorgen, als einen Pressegeier zu verscheuchen. Gleichgültig, beide Hände in den Hosentaschen vergraben, ging er an Duxbury vorbei.
Irgendwas gefunden?
Duxbury lief ihm hinterher. Der blonde Special-Agent schüttelte den Kopf. Gemeinsam schlenderten sie zum Hafengelände zurück.
Spurlos verschwunden. Genau wie die Staatsanwältin und dieser Kurde.
Yoshkun Erdan?
, fragte Duxbury. Milo nickte. Also müssen die drei mit einem Schiff aus dem Hafen gebracht worden sein.
Erwartungsvoll sah er den Agenten an.
Lassen Sie mich in Ruhe, Duxbury
, knurrte der. Sie wissen genau, dass unser Chef eine Nachrichtensperre verhängt hat.
Aus ermittlungstaktischen Gründen, ich weiß, aber unserer Mitbürger ...
… sind Ihnen scheißegal. Sie sind doch nur geil auf eine möglichst blutrünstige Story.
Ich dachte immer, beim FBI lege man etwas mehr Wert auf gepflegte Umgangsformen ...
Kommt immer drauf an, mit wem man gerade spricht.
Die unverhohlene Ablehnung, die ihm von dem FBI-Mann entgegenschlug, überraschte Duxbury nicht. Immerhin hatte der Mann seinen Partner verloren. Und wenn man der Telefonistin in der FBI-Zentrale glauben durfte - Duxbury hatte ihr ein paar Interna abgeschwatzt - waren die beiden nicht nur Partner, sondern gute Freunde gewesen. Sehr gute Freunde.
Kein Wunder, war der Mann zugeknöpft und mürrisch. Duxbury versuchte es trotzdem noch einmal. Die Rolle, die die Kurden in der ganzen Sache spielen, scheint ja immer schleierhafter zu werden.
Milo Tucker nickte nur missmutig. Woher wussten Sie eigentlich, dass genau hier, am Pier 28, etwas passieren würde?
Milo blieb stehen, zog die Augenbrauen hoch und musterte ihn mit einer Mischung aus Spott und Verachtung. Schönen Tag noch
, sagte er und ließ Duxbury stehen.
Ich find's auch ohne dich 'raus
, murmelte Duxbury.
3
Ab und zu öffnete jemand die Luke und stellte eine Kanne Wasser in den engen Frachtraum. Hier lag ich seit zwei Tagen. Auf Tuchfühlung mit zwei Menschen, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Jedenfalls nicht persönlich.
Sie hatten uns mit dicken Tauen an Händen und Füßen aneinandergefesselt. Wenn sie uns nicht einen Kunststoffschlauch in die Wasserkanne gesteckt hätten, wären wir vor dem Wasser verdurstet.
So aber konnten wir uns vorbeugen und unsere Körper so arrangieren, dass wir nacheinander trinken konnten. In der Dunkelheit des Frachtraumes stießen wir beim ersten derartigen Versuch die Kanne um.
Zusätzlich zu meinen rasenden Kopfschmerzen hatte ich nun auch noch nasse Hosen.
Die Frau rechts von mir kannte ich aus der Zeitung. Sie war Staatsanwältin und hieß Emma O'Fancy. Vorgestern, am Hafen, hatte ich sie ein paar Sekunden lang von Weitem gesehen. Als sie in einen Lieferwagen eingestiegen war.
Zusammen mit dem Mann links von mir. Den kannte ich von einem Fahndungsfoto - Yoshkun Erdan. Die Türken suchten nach dem Mann. Er gehörte zu einer radikalen kurdischen Partei, und stand wegen diverser terroristischen Aktionen auf den türkischen Fahndungslisten. Der türkische Außenminister hatte sich an unsere Regierung und der türkische Geheimdienst MIT an die CIA gewandt, und um Amtshilfe gebeten.
Die CIA wiederum hatte den Fall an uns abgeschoben. Der Geheimdienst wollte nicht noch einmal wegen eines Kurden ins Gerede kommen. Die internationale Presse hatte die CIA schon mit der Verhaftung des PKK-Führers Öcalan in Zusammenhang gebracht.
So kam es jedenfalls, dass wir vom FBI nach dem Mann fahnden mussten. Wegen Einreise in die USA mit gefälschten Dokumenten.
Und jetzt lag ich hier neben ihm im Frachtraum eines Schiffes. So nah neben ihm, dass ich die Wärme seines Körpers spürte. Irgendwo hinter der Holzwand, an der wir lagen, brummte ein Motor. Unser Gefängnis schaukelte auf und ab. Mein Magen pulsierte.
Ich war erst einige Stunden wieder bei Bewusstsein, und wir hatten noch nicht viel miteinander gesprochen. Wie zum Teufel kam ich in diesen finsteren Raum? Wieso lag ich hier an zwei Fremde gefesselt? Und warum raste dieser hämmernde Schmerz in meinem Schädel?
Mühsam versuchte ich, blasse Erinnerungsfetzen zu einem sinnvollen Bild zusammenzusetzen. Doch nur Bruchstücke von Szenen flimmerten über meine innere Bühne.
Da war ein Lieferwagen, da war die Anlegestelle im Hudson-Hafen, und da lag ein Mann schreiend auf dem Pier. Ein Mann in blauem Overall. Wie ein Latino hatte er ausgesehen.
Wenn ich die Augen zusammenkniff und wieder öffnete, streiften die Wimpern meines rechten Auges an einem Stück Stoff. Und etwas zog die Haut meiner rechten Gesichtshälfte zur Schläfe hinauf. Mein gepeinigtes Hirn brauchte ein paar Anläufe bis ich merkte, dass man mir den Schädel verbunden hatte.
Kann mir jemand erklären, wie ich zu dem Verband auf meinem Kopf komme?
, krächzte ich.
Einer der Kerle da draußen hat Ihnen den Schaft seiner Uzi über den Schädel gezogen.
Der Mann neben mir sprach mit monotoner, heiserer Stimme. Tiefe Resignation sprach aus ihr.
Unmöglich
, sagte ich.
Sie sind an Bord gesprungen und haben zwei der Männer mit ihrer Waffe bedroht. Der dritte schlich sich von hinten über den Deckaufbau an. Wenn er richtig getroffen hätte, wäre ihr Kopf jetzt ein Krater. So sind Sie mit einer tiefen Platzwunde und einer Gehirnerschütterung davongekommen.
Mir kam es vor, als würde Erdan von einem Fremden erzählen. Kopfplatzwunde? Gehirnerschütterung?
Ja. Deswegen ist bei Ihnen auch der Film gerissen. Und wahrscheinlich ist Ihnen auch übel.
Mir fiel ein, dass der Mann Arzt war. Und Sie haben die Wunde zugenäht ...
Ja. Einer der fünf Männer da draußen ist der Schwiegervater meines Bruders. Und ein alter Freund von mir. Er hat mir den Verbandskasten überlassen. Glücklicherweise war Nahtmaterial dabei.
Ich stöhnte laut. Und wohin geht die Reise jetzt?
Wenn wir das wüssten ...
Jetzt meldete sich auch die Frau neben mir zu Wort, Emma O'Fancy. Sie klang gefasst. Man wollte uns auf einen Frachter bringen. Ein paar Männer unter der Führung eines Lateinamerikaners. Ich glaube, er war Kubaner ...
Ich hab's beobachtet ...
… ein ekelhafter Kerl. Und plötzlich tauchten die Kurden auf. Sie schossen um sich und schleppten uns auf diese Yacht. Der Kubaner wurde getroffen.
Können Sie mir mal erklären, was Sie mit diesem Gentleman links von mir zu tun haben, Mrs. O'Fancy?
Sie erzählte mit stockender Stimme. Wie Erdan sie gezwungen hatte, ihn mit in ihr Apartment zu nehmen, wie ihr Chef bei ihr geklingelt hatte, und wie dieser Latino bei ihr anrief und Erdan ein Ultimatum stellte.
… ich wollte ihn daran hindern, sich zu stellen. Aber sie drohten damit, seinen Bruder zu töten ...
Eine Erklärung dafür, warum sie mit an den Hafen gefahren war, lieferte sie nicht. Ich fragte auch nicht nach. Die Art wie sie erzählte, verriet mir genug: Sie sprach über diesen Terroristen nicht wie über einen Gewalttäter, der sie überfallen hatte, sondern wie über einen Freund, der in der Klemme saß. Ein typisches Syndrom bei Geiseln. Ich sollte mich noch wundern ...
Immerhin erfuhr ich, dass der Mann an meiner linken Seite, aus der PKK ausgestiegen war und seine ehemaligen Mitstreiter draußen auf Deck ihm vermutlich deswegen auf den Fersen waren. Und ich erfuhr, dass nicht nur die Türken hinter Yoshkun Erdan her waren, sondern auch der irakische Geheimdienst.
Dann sind sie ja ein mit Feinden gesegneter Mensch.
Wenn ich in hoffnungslosen Lagen bin, neige ich zum Zynismus.
Nichts Außergewöhnliches für einen Kurden.
Seine Antwort klang keineswegs zynisch. Er schien bitterernst zu meinen, was er da sagte.
Schön für Sie, dass Sie eine gewisse Übung mit solchen Situationen haben
, knurrte ich. Der Lady hier und mir nützt das leider gar nichts.
Ich habe niemanden gezwungen, mich zu begleiten
, sagte er leise.
Eine Zeit lang hing jeder von uns seinen düsteren Grübeleien nach. Meine Kopfschmerzen wollten mich davon abhalten an so etwas wie Zukunft zu denken. Aber mein Überlebenswille setzte sich gegen die Kopfschmerzen durch.
Sie haben doch mit dem Mann gesprochen, der immer das Wasser bringt - wie heißt er gleich ...?
Kemal.
Kemal, okay - hat er irgendwas gesagt, wo es hingeht, was man mit uns vorhat und so weiter?
Erdan stieß ein bitteres Lachen aus. Sie wollen mich vor ein Militärgericht der PKK stellen. Als abschreckendes Beispiel für alle, die daran denken auszusteigen. Fragen Sie mich aber nicht, wo dieses sogenannte Militärgericht tagt.
Und wir? Was werden die wohl mit uns machen?
Er schwieg. Ich merkte, wie er den Kopf von mir abwandte und in die Dunkelheit hineinseufzte. Das gefiel mir nicht.
Wir sind amerikanische Staatsbürger.
Wieder diese entschlossene Frauenstimme neben mir. Als wollte sie sich selbst Mut machen. Ein FBI-Beamter und eine Staatsanwältin! Sie würden sich ja selbst schaden, wenn sie uns nicht freiließen. Nein - sie haben nicht vor, uns zu töten ...
Ich ließ ihr diese Hoffnung. Zwei Stunden lang wenigstens. Dann sah sie ihren Irrtum selbst ein ...
4
Das Bild Saddam Husseins lächelte gütig auf Isa Samaras Rücken hinab. Der Mann auf dem Bild war weit weg. Allah sei Dank! Der irakische Geheimdienstoffizier war in diesen Tagen gottfroh, nicht in seiner Heimat Dienst tun zu müssen.
Die Anrufe, die seit gestern aus Bagdad hier, in seinem Stützpunkt in Havanna eingingen, wurden von Mal zu Mal einsilbiger. Zu Hause hätte man ihn längst zu einer vorgesetzten Dienststelle zitiert. Und je nach Laune des Präsidenten würde er vielleicht schon unter Hausarrest stehen und in seiner Wohnung auf die Schergen der Staatspolizei warten.
Die Aktion, mit der Yoshkun Erdan gefangen genommen werden sollte, war gründlich schiefgelaufen. Und hatte einen einzigen Scherbenhaufen hinterlassen.
Jede amerikanische Zeitung, die er kriegen konnte, ließ sich Samara ins Büro bringen. Gierig verschlang er die Berichte über das Blutbad in New York City. Erdan war entkommen. Angeblich verschwunden. Zusammen mit zwei US-Bürgern.
Wenn wenigstens Cortez, dieser Versager, tot wäre! Aber er lag schwer verletzt auf einer Intensivstation. Samara hoffte inständig, der Kubaner würde nie mehr aus seinem Koma erwachen.
Bis jetzt machten die Amerikaner nur Druck auf Castro. Natürlich nicht über die offiziellen diplomatischen Kanäle. Seit gestern boykottierten sie den Fährbetrieb nach Florida. Zwei Kreuzer hatten kubanische Gewässer durchquert und ein Jagdbomber-Geschwader den Kubanischen Luftraum verletzt. Aber wenn sie erfuhren, dass der irakische Geheimdienst hinter der Schießerei steckt ...
Samara malte sich die Krise lieber nicht aus, die dann unausweichlich war. Und die Konsequenzen für sein persönliches Schicksal erst recht nicht.
Auch aus dem Hauptquartier des kubanischen Geheimdienstes kamen frostige Anrufe. Die leitenden Offiziere mussten aus amerikanischen Medien zur Kenntnis nehmen, dass auf amerikanischem Boden Operationen kubanischer Geheimdienstleute stattgefunden hatten, von denen sie nichts wussten.
Man forderte eine Erklärung von dem irakischen Geheimdienst-Offizier. Hassan, Samaras Adjutant, bastelte gerade an einer wolkigen Lügengeschichte.
Seinem eigenen Hauptquartier in Bagdad allerdings konnte Samara keine Lügengeschichte vorsetzen. Er hatte behauptet, den Kontakt zu dem Kommando verloren zu haben, wisse aber aus sicherer Quelle, dass Erdan gefangen genommen wurde.
So saß er also schweißgebadet am abgeschabten Schreibtisch seines Büros und versuchte zu retten, was zu retten war. Seine Knollennase hatte eine tiefrote Färbung angenommen, ständig leckte er sich über seinen buschigen Schnurrbart, und sein Aschenbecher füllte sich mit Kippen.
Er telefonierte mit sämtlichen Außenposten, versuchte die Kubaner zu überreden, ihm Schiffe und Flugzeuge zur Verfügung zu stellen, und scheuchte seine Leute hin und her.
In seiner ersten Wut über den Fehlschlag hatte er Befehl gegeben, Ibrahim Erdan hinzurichten. Die Vollzugsmeldung sechs Stunden später hatte ihm nicht die Spur einer Genugtuung verschafft.
Codierte Nachrichten von Agenten aus den kurdischen Autonomiegebieten im Norden des Iraks gingen ein. Einem Kommando der PKK sei es gelungen in New York City zu landen. Auftrag: Den potentiellen Öcalan-Nachfolger Erdan zu verschleppen.
Samara stutzte. Hinweise darauf, dass Erdans eigenen Leute es waren, die seinem Killer in der Manhattaner Bank dazwischengefunkt hatten, lagen ihm zwar schon seit ein paar Tagen vor. Aber jetzt wusste er endlich Genaueres. Sogar den Namen