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Gegen die Krise der Zeit: Konservative Denker im Portrait
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eBook508 Seiten5 Stunden

Gegen die Krise der Zeit: Konservative Denker im Portrait

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Über dieses E-Book

22 konservative Vordenker des 20. Jahrhunderts werden in diesem Sammelband kundig portraitiert. Dabei geht es nicht darum, eine bloße historische Zusammenfassung ihres Gedankengebäudes zu liefern, sondern konkrete Punkte herauszuarbeiten, wo ihr Denken brennende Probleme der Gegenwart berührt und damit für unsere Zeit aktuell wird. Aus diesem Grund hat der Herausgeber auch einen weiten Konservativismus-Begriff bei der Auswahl der zu behandelnden Philosophen und Publizisten angelegt. Der Band versammelt daher so unterschiedliche Denker wie Julius Evola und Günther Rohrmoser, Ernst Jünger und Nicolas Gomez Davila oder Ortega y Gasset und Arnold Gehlen, Eric Voegelin und Carl Schmitt. Auch noch lebende Autoren wie Prof. Robert Spaemann und Günter Maschke werden behandelt.

Weitere Portraits widmen sich Plinio Corrêa de Oliveira, Julius Evola, Ivan Illiev, Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Russel Kirk, Edgar Jung, Arthur Moeller van den Bruck, Johannes Messner, Michael Oakesshott, Wilhelm Röpke, Hans Sedlmayr, Leo Strauss und Othmar Spann.

Der Herausgeber
Daniel Führing, geboren 1973 in Pietersburg/Südafrika, Sohn eines deutschen Vaters und einer burischen Mutter. Studium der Politikwissenschaft, Rechtswissenschaften und Theologie in Bonn, Leuven/Belgien und Rom. Privatlehrer und Dozent an diversen katholischen Hochschulen in Nord- und Südamerika
SpracheDeutsch
HerausgeberAres Verlag
Erscheinungsdatum10. Aug. 2021
ISBN9783990810880
Gegen die Krise der Zeit: Konservative Denker im Portrait

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    Buchvorschau

    Gegen die Krise der Zeit - Ares Verlag

    Einleitung

    Ja, es gibt sie noch, jene Zeitgenossen unter uns, die beanspruchen, konservativ zu sein und damit meinen, eine durchdachte Weltanschauung zu vertreten. Und sie tun es entgegen des heute noch verbreiteten „aufgeklärten" Vorurteils, Konservative hätten ihre Überzeugungen unreflektiert übernommen und hafteten gestrigen Denk- und Lebensmustern an. Dass sich solche Vorurteile lange halten konnten, sagt natürlich nichts über ihre Richtigkeit aus. Meist sind Vorurteile auch nur bequeme Entschuldigungen, sich mit einer Sache nicht ernsthaft auseinandersetzen zu müssen. Es trifft zweifelsohne auf den politischen Konservatismus zu, dass eine geistige Auseinandersetzung mit ihm gemieden wird. Dadurch wird der hartnäkkige Verdacht nicht ganz aus der Welt verbannt, dass seine Kritiker nicht eingestehen wollen, dass der Konservative vielleicht doch irgendwo Recht hat. Aber könnte wiederum eine Anfrage der Kritiker nicht vielleicht doch berechtigt sein: Was sollte oder könnte denn heute noch bewahrt werden? Die Untergrabung unserer bewährten Werte und Lebensmaximen etwa?

    Den Konservatismus näher zu erfassen, ist kein leichtes Unterfangen. Der Begriff selbst deckt zunächst ein Bedeutungsfeld ab, das von erprobt, wertgebunden, rettend, stabil bis reaktionär, rückständig, verknöchert reicht. Als speziellen Terminus bezieht er sich auf eine bestimmte weltanschauliche Strömung der politischen Ideengeschichte. Da das Gebiet der politischen Theorie auf unseren Hochschulen und andere gesellschaftspolitische Positionen genauso wie die „veröffentlichte Meinung" – von einigen wenigen lobenswerten Ausnahmen abgesehen – vom meist oberflächlichen Zeit(un)geist dominiert werden, ist es nicht leicht zu erfahren, was eigentlich die Grundaussagen der Repräsentanten des Konservatismus sind. Auch dieser Sammelband kann nur ein kleiner Streifzug sein. Dafür wurde der Konservativismus-Begriff weit gefasst, wobei inhaltliche und auch historische Spannungen zwischen den vorgestellten Denkern bewusst in Kauf genommen wurden. Dessen ungeachtet stellt diese Sammlung einige verborgene Einsichten, Leitbilder und Maßstäbe konservativen Denkens dar. Sie mögen vom Schutt zeitgeistiger Vorurteile, denen wir ausgesetzt sind, freigelegt werden – eine schwierige und auch unerschöpfliche Aufgabe.

    Es kann gesagt werden, dass jene konservative Weltanschauung erfassbar ist, handelt es sich dabei doch um die Grundlagen unserer eigenen geistigen Kultur. Diese klassischen und christlichen Traditionen sind heute zurückgedrängt und diskreditiert, aber sie sind durchaus nicht tot. Als bewusste politische Richtung gibt es den Konservativismus seit dem Ausbruch der Französischen Revolution und der Verbreitung ihrer Ideen, die das überkommene Ordnungsgefüge Europas radikal in Frage gestellt und erschüttert haben. Somit ist der Konservativismus insbesondere eine Reaktion auf das rationalistische, ungeschichtliche und auch lebensfeindliche Denken der „Aufklärung in all seinen Variationen, die Papst Benedikt XVI. als „lebensgefährliche Erkrankung des Geistes bezeichnet hat. Seit über zweihundert Jahren und bis in die Gegenwart hinein richtet er sich im Kern gegen die Hybris des modernen Menschen und seines Wirklichkeitsverlustes. Bedingt durch die „Impulse von 1968 hat sich eine neue „konservative Intelligenz herausgebildet, die (unter anderem in Anknüpfung an die „Konservative Revolution") wieder versucht, Dinge zu erschaffen und nicht nur als Status-quo-Konservative alten Zeiten nachweint.

    Der erwähnte Wirklichkeitsverlust ist insbesondere zurückzuführen auf die Abkehr von den Fragen nach dem guten Leben und somit generell den übergeordneten, existentiellen Zielen des Daseins. Die Antworten der Tradition auf diese scheinbar einfachen Fragen sind heute kaum mehr bekannt. Doch leben wir auch noch heute in unserer Zivilisation mehr schlecht als recht irgendwie von Voraussetzungen einer „geschichtlich gereiften Vernunft", die längst nicht mehr als selbstverständlich erachtet werden und ihrer Legitimität beraubt wurden.

    Wenn der Vorwurf des Wirklichkeitsverlusts erhoben wird, dann müsste dies vornehmlich an der Frage nach dem, was der Mensch eigentlich ist, festgemacht werden können. Die Frage der Anthropologie trifft den Kern divergierender Weltanschauungen mit all ihren politischen Konsequenzen. Der Konservative trachtet danach, den Menschen nicht auf Teilaspekte zu reduzieren, sondern er will ihn in der Gesamtheit seiner Realität sehen. Demnach ist der Mensch nicht nur ein materielles, biologisches, politisches Lebewesen, sondern insbesondere auch homo religiosus. An diesen anthropologischen Grundkonstanten hält der Konservative fest. Und in einem bestimmten Sinne haben die klassischen Definitionen des Konservatismus auch heute ihre Gültigkeit: „Konservativ sein ist nicht hängen an dem was war, sondern leben aus dem, was immer gilt (Antoine de Rivarol), oder: „Nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme (Thomas Morus).

    Zum anthropologischen Realismus des Konservativen gehört es, zu beachten, dass der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist. Es entspricht dem Menschen, dass er mit allen Zügen seines Wesens als Teil eines gemeinschaftlichen Organismus, insbesondere der Familie und dem Volk, existiert. Er ist unabdingbar um seiner selbst willen auf jene bezogen, und um seine existentiellen Bedürfnisse befriedigen sowie seine intellektuellen und moralischen Fähigkeiten erst verwirklichen zu können, benötigt er sie. Ein realistischer Zugang zum Wesen des Menschen kann die Augen nicht vor den Abgründen der menschlichen Natur verschließen: Von Natur aus mag der Mensch gut geschaffen sein, doch ist er immer ein schwaches, zum Bösen neigendes „Mängelwesen (Johann G. Herder). Nach Carl Schmitt ist es als Symptom des politischen Verfalls anzusehen, wenn Menschen unfähig oder unwillig würden, die „böse Natur des Menschen anzuerkennen. „Böse kann bei Schmitt bedeuten: korrupt, korrumpierbar, schwach, feige, dumm, roh, triebhaft, vital, irrational. Im Gegensatz dazu kann „gut so viel bedeuten wie: vernünftig, perfektibel, erziehbar, friedlich. Ein nicht zu vergessender Aspekt hierbei ist (wie die biblische Geschichte des Sündenfalls lehrt) die Angst und die Unwilligkeit des einzelnen Menschen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Und eine Antwort kann man immer nur einer höheren Instanz gegenüber schuldig sein.

    Ein Weiteres darf unserer Achtsamkeit nicht entgehen: Menschen sind nicht gleich. Das klassische Gerechtigkeitsverständnis, das im Widerspruch zum heute dominanten Egalitarismus steht, ist das von Platon stammende suum cuique. Der römische Jurist Domitius Ulpianus formulierte folgendermaßen: „Die Gerechtigkeit ist der beständige und unwandelbare Wille, einem jeden sein Recht zu gewähren. Die Vorschriften des Rechts sind folgende: ehrenhaft leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine zu gewähren."

    Der Konservative weiß mit dem hl. Augustinus, dass die Bewährung in der Bewahrung des Ewigen ein großer und schwieriger Kampf ist, für die man im Diesseits nicht unbedingt belohnt werden muss: „Solange wir leben, kämpfen wir, solange wir kämpfen, ist es ein Zeichen, dass der gute Geist in dir nicht erloschen ist. Und wenn dein letzter Tag dich nicht als Sieger findet, so soll er dich als Kämpfer finden." In der Bindung an Ewigkeitswerte wie Familie, Volk und Gott, für die es zu sterben und somit erst zu leben lohnt, kämpft der Konservative!

    Das Gedächtnis der in diesem Band vorgestellten und ebenso der zahlreichen ihnen verwandten politischen Theoretiker hat für die Bewältigung unserer Gegenwartsprobleme nichts von ihrer Aktualität eingebüßt, ganz im Gegenteil. Leuchttürme wie etwa Nicolás G. Davilá, Ernst Jünger und Gerd-Klaus Kaltenbrunner oder Othmar Spann erinnern uns daran, was einer gesunden Ordnung von jeher zugrunde gelegen hat und auch in Zukunft zugrunde liegen wird. Jeder von ihnen hat uns den einen oder anderen wertvollen Gedanken für unsere Zeit überlassen. Sie mögen dem Leser geistige Kraftquelle sein.

    Es gibt unzählige Möglichkeiten, sich einem Denker und seinem Werk zu nähern. In dieser Hinsicht wurde den Autoren freie Hand gelassen. Unsere Beiträge sollen zum Weiterlesen, zu einem Sichvertiefen in das vorgestellte Werk anregen. Bei der Auswahl der Autoren wurde darauf Bedacht genommen, dass sie sich nicht nur durch tiefe Kenntnis der Behandelten auszeichnen, sondern auch, dass sie ihrem Thema mit Empathie gegenüberstehen: nicht die bloß anscheinend objektive Distanz, sondern ein echtes Ringen mit dem Gegebenen, nicht ein bloßes Nacherzählen, sondern ein Nach-denken. Dass führt naturgemäß zu einem persönlichen Herangehen an das Thema. Dabei wurde aber auch darauf geachtet, dass die Gesamterscheinung der Autoren und Zugänge, bei aller Vielfalt der behandelten Denker, die Einheit des Gedankens wahrt: die Flamme weiterzureichen. Herrn Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker, dem Verleger des Grazer Ares Verlages, sei an dieser Stelle gedankt, eben dies mit dieser Veröffentlichung ermöglicht zu haben.

    Es bleibt dem Herausgeber, dem Leser für die weitere Lektüre und sein politisches Leben, dem nie (ganz) entflohen werden kann, an die heute in Zeiten einer Hegemonie der politischen Korrektheit zu selten praktizierte Tugend der Tapferkeit hinzuweisen. Für Perikles liegt in der Tapferkeit bekanntlich das Geheimnis der Freiheit begründet. Und auch die paulinische Regel, alles zu prüfen und das Gute zu bewahren, sei in Erinnerung gerufen: Omnia autem probate, quod bonum est tenete (1. Thess. 5, 21).

    Dr. Daniel Führing

    Plinio Corrêa de Oliveira und die Gegenrevolution

    VON MATHIAS VON GERSDORFF

    In seinem Hauptwerk, „Revolution und Gegenrevolution, beschreibt Plinio Corrêa de Oliveira den Revolutionsprozess, der seit über 500 Jahren dabei ist, die Katholische Kirche anzugreifen und die christliche Zivilisation zu zerstören. Dieser Prozess begann im Europa des ausgehenden Mittelalters, als der christliche Geist, vor allem die Liebe zum Kreuz Christi, an Kraft verlor. Die Revolution ist einzig und universell und besteht aus mehreren Etappen: Renaissance, Protestantismus, Französische Revolution, kommunistische Revolution und 1968er-Revolution samt ihrer vielen Verästelungen. Motor dieses Prozesses ist der Hochmut und die Sinnlichkeit. Beide haben die Gleichmacherei zu einem metaphysischen Wert erhoben. Die Welt, die die Revolution anstrebt, ist eine Utopie der völligen Gleichheit. Da aber die Schöpfung von Gott hierarchisch aufgebaut wurde, ist die Revolution nichts anderes als eine Hinführung zum Chaos und zur Unordnung. Die Gegenrevolution ist der Prozess, der als Reaktion zur Revolution entsteht: „Wenn die Revolution Unordnung ist, so ist die Gegenrevolution die Restauration der Ordnung. Unter Ordnung aber verstehen wir den Frieden Christi im Reiche Christi; das heißt, eine strenge, hierarchische, wesenhaft sakrale, antiegalitäre und antiliberale christliche Kultur.¹

    Die christliche Zivilisation

    Plinio Corrêa de Oliveira definiert die christliche Zivilisation als diejenige, die sich aus der Treue der Menschen zur göttlichen Gnade, also zum Erlösungswerk Gottes, ergibt: „In dem Maße, in dem der Mensch also im Gnadenleben fortschreitet, schafft er auch durch die Ausübung der Tugend eine Kultur, eine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung, in völliger Übereinstimmung mit den grundlegenden, unvergänglichen Prinzipien des Naturgesetzes und des göttlichen Gesetzes. Wir bezeichnen diese als christliche Zivilisation."

    Für Plinio Corrêa de Oliveira besitzt jede Revolution drei Stufen oder Etappen: die Revolution der Tendenzen, der Ideen und der Fakten. Viele Denker haben die Revolution der Ideen oder der Fakten beschrieben. Corrêa de Oliveira war wohl der Erste, der den Tendenzen, also den menschlichen Neigungen im Inneren der menschlichen Seele, große Bedeutung zumaß. Aus diesem Grund publizierte Corrêa de Oliveira immer wieder Analysen von Architektur, Kunst, Moden, Musikstile, Verhaltensformen usw., denn sie drücken eine innere Einstellung im Menschen auch dann aus, wenn sie (noch) nicht einer bewussten und ausformulierten Idee entspringt. So konnte ein überzeugter Monarchist vor der Französischen Revolution unbewusst republikanische Verhaltensweisen angenommen haben.

    Das ist in wenigen Worten der Inhalt von „Revolution und Gegenrevolution". Plinio Corrêa de Oliveira schrieb es im Jahr 1959, als er schon seit Jahrzehnten am öffentlichen und politischen Leben Brasiliens als katholischer Anführer und Publizist teilnahm. Es ist also ein Buch, das aus langen Überlegungen entstammt, aber auch aus einer langen Erfahrung und vielen Beobachtungen.

    Der Einfluss der Meditation der zwei Fahnen in den Exerzitien des hl. Ignatius von Loyola in „Revolution und Gegenrevolution ist offensichtlich. Über die Einflüsse auf Plinio Corrêa de Oliveira sowie seine geistesgeschichtliche Einordnung hat mehrmals der italienische Autor und Gründer von „Alleanza Cattolica, Giovanni Cantoni, publiziert. Im Aufsatz „A contribuição de Plinio Corrêa de Oliveira e de Revolução e Contra-Revolução no desenvolvimento do pensamento e da ação contrarevolucionários"² kategorisiert er folgendermaßen die Leistung des Brasilianers: 1. Vor allem durch sein Hauptwerk „Revolution und Gegenrevolution kann Plinio Corrêa de Oliveira in die Tradition des hl. Augustinus und seiner Doktrin der zwei Städte (die Stadt Gottes im Gegensatz zur Stadt des Menschen) eingeordnet werden. 2. Cantoni sieht Corrêa de Oliveira in der Tradition des Ultramontanismus des 19. Jahrhunderts. Dies vor allem, weil die „Katholische Bewegung Brasiliens der 20er und 30er Jahre, der Corrêa de Oliveira in leitender Stellung angehörte, erheblich vom Geist Pius’ IX. und seinem „Syllabus" beeinflusst war. 3. Für Cantoni ist Plinio Corrêa de Oliveira der wichtigste Vertreter der gegenrevolutionären Bewegung in Brasilien und 4. in Lateinamerika. 5. Plinio Corrêa de Oliveira muss als ein Vordenker und Aktivist für den Aufbau einer von der Revolution zerstörten christlichen Zivilisation angesehen werden.

    Die Einordnung Cantonis ist eine gute Orientierung, darf aber nicht zu eng gefasst werden, denn in Wahrheit war Plinio Corrêa de Oliveira für alle Einflüsse offen, soweit sie dem wahren und authentischen katholischen Geist entsprachen. In den letzten Jahrzehnten seines Lebens war er zwar unermüdlich gegen Sozialismus und Kommunismus aktiv, doch in seinen Vorträgen und Artikeln, die sich nicht mit aktuellen Themen beschäftigten, breitete er immer wieder und immer tiefer seine Vision einer wieder aufzubauenden christlichen Zivilisation aus. Für die jüngeren Generationen, die ihn gekannt haben, ist dieser der bei Weitem dominante Aspekt seiner intellektuellen Arbeit und Persönlichkeit überhaupt. Die Publikationen, die nach seinem Tode erschienen sind, befassen sich insbesondere mit diesem Bereich seiner großen intellektuellen Leistung.

    Plinio Corrêa de Oliveira entstammte einer aristokratischen Familie des riesigen Landes. Früh trat er in die Marianischen Kongregationen ein, in denen er dank seiner großen Fähigkeiten als Redner zu einer führenden Figur der damals stark wachsensenden „Katholischen Bewegung" wurde. Die Jugend Brasiliens trat mit Begeisterung in die Organisationen des Jugendapostolats ein, das während des Pontifikats von Papst Pius XI. sehr populär wurde.

    Die Bedeutung der „Katholische Bewegung Brasiliens der Zwischenkriegszeit und der Marianischen Kongregationen, die Teil dieser Bewegung waren, darf man nicht unterschätzen. Plinio Corrêa de Oliveira beschreibt folgendermaßen die Rolle und die Bedeutung der Marianischen Kongregationen für Brasilien im Jahr 1928: „Die Katholische Bewegung begann ihre Phase des Aufschwungs. Ihre Stärke kam von der großen Ausdehnung, die die Marianischen Kongregationen erreicht hatte. Bis dahin war die Situation ganz anders gewesen. Es war schlecht angesehen, wenn ein Mann sich als Katholik bekannte. Die wenigen männlichen Kongregierten galten als seltsam bei der Mehrheit der Menschen und lebten etwas am Rande des gewöhnlichen Lebens. Anfang der 1920er Jahre begann diese Situation sich umzukehren, sodass 1930 es als renommiert galt, zu den Reihen der katholischen Bewegung zu gehören. […] Die Marianische Bewegung zeichnete sich durch eine große Authentizität und einen großen religiösen Eifer aus, eine wachsende Verehrung der Muttergottes und eine entschiedene antikommunistische Haltung. Außerdem stand diese Bewegung in Opposition – auch wenn das nicht auf den ersten Blick erkennbar war – zu den antichristlichen Aspekten der Französischen Revolution und ihren kulturellen und ideologischen Konsequenzen, die sich im Laufe des XIX. und in den ersten Jahrzehnten des XX. Jahrhunderts immer mehr entfalteten. Es soll bemerkt werden, dass die internen Krisen, die damals innerhalb der führenden Gruppen des katholischen Milieus in Europa und den Vereinigten Staaten zu entstehen begannen, noch nicht Brasilien erreicht hatten. Die Kirche lebte einen vollkommenen religiösen Frieden mit einer absoluten Übereinstimmung zwischen den kirchlichen Organisationen; alle respektierten die Autorität der kirchlichen Hierarchie. Kurz, Brasilien genoss noch den religiösen Frieden, den Papst Pius X. für die Kirche in heroischer Art und Weise durch seinen Kampf gegen die modernistische Häresie erkämpft hat. Niemand kam auf die Idee, dass ein praktizierender Katholik untreu sein oder bösen Willen haben oder innerhalb der Kirche für die Feinde dieser arbeiten könnte.³

    Die Existenz der „Katholischen Bewegung bedeutet nicht, dass es auch Milieus gab, die ganz und gar anti-katholisch gesinnt waren. Leider war ein wichtiger Teil der Eliten des Landes völlig laizistisch gesinnt und in der Freimaurerei organisiert. Corrêa de Oliveira erlebte ein solches Milieu mit voller Wucht, als er sein Jurastudium an der renommierten Fakultät des „Largo de São Francisco begann. Die Reaktion von Corrêa de Oliveira auf die Zustände in seiner Jurafakultät war die Gründung einer Katholischen Studentenaktion, der „Ação Universitária Católica" (Studentische Katholische Aktion), zusammen mit einigen weiteren Mitgliedern der Marianischen Kongregation, die von Anfang an einen militanten Charakter hatte.

    Im ersten Exemplar des Mitteilungsblattes mit demselben Namen schreibt Plinio Corrêa de Oliveira anlässlich der Gründung der katholischen Studentenaktion das Manifest „Zur Verteidigung der höchsten Interessen der Kirche, der Zivilisation und des brasilianischen Heimatlandes: „Viele haben schon eine Ahnung dieser schönen Initiative zur geistlichen Wiederherstellung der brasilianischen Gesellschaft. […] Einen Überblick über die aktuellen Geschehnisse in Brasilien führt uns zur unausweichlichen Überzeugung, dass es nicht mehr möglich ist, in einem Zustand der Trennung zwischen dem religiösen Gewissen und dem zivilen Gewissen zu leben, als ob sich das Zweite nicht vom Ersten inspirieren lassen soll […] zwischen dem Gewissen derjenigen, die andere regieren und dem Gewissen derjenigen, die sich selbst regieren müssen, als ob das gesamte gesellschaftliche Leben nicht Schaden nimmt durch die Vernachlässigung der ewigen Prinzipien, die der Menschheit die Orientierungen gaben und sie bis zu unseren Tagen geleitet haben.

    Im selben Exemplar des Mitteilungsblattes beschreibt Plinio Corrêa de Oliveira, dass das oben zitierte Manifest in allen höheren Schulen von São Paulo verbreitet wird und ruft alle Mitglieder der Marianischen Kongregationen auf, bei diesem Kampf mitzumachen: „Heute ist jeder Katholik selbstverständlich ein Kämpfer. In einer Stadt, vor dessen Toren der Feind postiert ist, befinden sich alle Einwohner im Kriegszustand. Sie kämpfen, wie sie können und Verräter ist derjenige, der vor den Ungewissheiten des Kampfes flieht, um feige Schutz zu Hause zu suchen. Nun, in diesem Kampf, der mehr denn je droht, zyklopische Ausmaße anzunehmen, muss jeder Katholik ein Kämpfer sein und jeder Kämpfer ein wahrer Held."

    Die 1920er und 1930er Jahre waren politisch und gesellschaftlich sehr turbulente Jahre in Brasilien. 1930 kam es zum Putsch von Getúlio Vargas, der für immer das Land verändern sollte. Die alte Aristokratie der Landbesitzer verlor die Macht, im Land begann ein Prozess der Industrialisierung und der Verstädterung, der bis heute fortgesetzt wurde. 1933 war Getúlio Vargas allerdings aufgrund der politischen Umstände gezwungen, eine Verfassunggebende Versammlung einzuberufen. Nun zeigte sich, dass die „Katholische Bewegung nicht nur sehr fromm, sondern sich ihrer politischen Macht bewusst war. Aus dem katholischen Milieu wurde die „Katholische Wahlliga (Liga Eleitoral Católica) gegründet und Plinio Corrêa de Oliveira war einer ihrer wichtigsten Kandidaten. Zu diesem Zeitpunkt war er nicht nur aufgrund der Marianischen Männerkongregation bekannt, sondern hatte sich schon als Studentenführer an der Rechtsfakultät und als Publizist – er schrieb regelmäßig für die offiziöse Erzbistumszeitung „Der Legionär – einen Namen gemacht. So wurde er bei der Wahl der meist gewählte Abgeordnete im ganzen Land. Die „Katholische Wahlliga wurde so stark, dass sie alle Forderungen, wie etwa finanzielle Verbesserungen für die Familien, Gottesbezug in der Verfassung, Religionsunterricht in den Schulen usw., durchsetzen konnte.

    Nach Ablauf des Mandats widmete er sich der Hochschullehre und übernahm den Lehrstuhl für Kulturgeschichte am Hochschulkolleg der Fakultät für Rechtswissenschaften an der Universität São Paulo. Später wurde er Ordinarius für Geschichte der Neuzeit und der Gegenwart an der Fakultät für Philosophie und Wissenschaften São Bento und Sedes Sapientiae der Katholischen Universität von São Paulo.

    Plinio Corrêa de Oliveira war im Jahr 1940 einer der Gründer der „Katholischen Aktion des Erzbistums São Paulo und ihr erster Präsident. Damit wurde er die leitende Figur des brasilianischen Laientums. Als solcher war er einer der wichtigsten Redner beim legendären IV. Nationalen Eucharistischen Kongress im Jahr 1942 – mit etwa einer halben Million Teilnehmern, eine für damalige Zeiten gigantische Zahl. Aufgrund der damals schlechten bzw. langsamen Informationswege und auch aufgrund des Ersten Weltkrieges blieb Lateinamerika mehrere Jahre isoliert von Europa, weshalb progressistische Ideen, die noch von Papst Pius X. bekämpft wurden, sehr spät in Brasilien ankamen. Doch sie kamen, was Plinio Corrêa de Oliveira, schon erfahren in der Leitung von Organisationen, bald erkannte. Manche Milieus, Laien wie auch Priester, waren der Meinung, die Katholische Kirche müsse sich modernisieren. Konkret bedeutete das, man müsse die „veralteten Devotionsformen wie Herz-Jesu-Verehrung, Rosenkranzgebet, Heilige Stunde usw., abschaffen. Außerdem sollte eine größere Gleichheit zwischen Laien und Priestern geschaffen werden. Der Weg, wie man diese Neuerungen in die Katholische Kirche Brasiliens einführen wollte, war die Aufwertung der Katholischen Aktion, also die mit Abstand wichtigste Laienbewegung im Lande. Praktisch sollte sie Zuständigkeiten erhalten, die nur das Priestertum haben darf. 1943 schrieb Plinio Corrêa de Oliveira sein erstes Buch: „Zur Verteidigung der Katholischen Aktion". Damit wollte er öffentlich machen, wie die laizistischen und liberalen Gedanken das Leben der Katholischen Kirche umgestalten sollten, nämlich nach dem Vorbild der modernen Räte- und Gremienkirche in Deutschland.

    „Zur Verteidigung der Katholischen Aktion" hatte eine immense Wirkung, denn jeder erkannte, was vor sich ging. Diejenigen, die eine liberale und moderne Kirche anstrebten, konnten nicht mehr insgeheim arbeiten. Mit diesem Buch konnte Plinio Corrêa de Oliveira um Jahrzehnte den Verweltlichungsprozess der Kirche, der heute allerorts zu beobachten ist, in seinem Land verhindern.

    In seinem ersten Buch verwendet Corrêa de Oliveira dieselbe Strategie, die er auch in den Mitteilungsblättern der Katholischen Aktion an der Universität verwendet hat: den Unterschied bzw. den Kontrast zwischen der liberalen, sozialistischen, kommunistischen oder faschistischen Position zum Lehramt der Katholischen Kirche. Er scheute dabei keine Polemik und keine Diskussion. Die Sache der Katholischen Kirche stand für ihn über allen Dingen und sie musste verteidigt werden, koste es, was es wolle.

    Allerdings hatte diese Veröffentlichung einen hohen persönlichen Preis: Corrêa de Oliveira machte sich viele Feinde und wurde zu einer polemischen und schillernden Persönlichkeit. Im Laufe von wenigen Jahren verlor er die Posten, die er in Kirchengremien innehatte. Er wurde als Präsident der Katholischen Aktion abgesetzt und verlor auch seinen Posten als Chefredakteur des „Legionario", zu dem er zwischenzeitlich aufgestiegen war.

    An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass der offiziöse „Legionario" keine Kirchenzeitung war, die sich nur dem Leben der Kirche widmete, sondern auch ständig auf die Gefahren für die christlichen Wurzeln Brasiliens aufmerksam machte. So wurden von 1929 bis 1947 insgesamt 2.936 Artikel gegen den Nationalsozialismus und den Faschismus veröffentlicht, davon stammten 447 aus der Feder Corrêa de Oliveiras.

    Beschäftigt man sich mit dem Leben und mit den vielen Publikationen von Plinio Corrêa de Oliveira – von denen leider die meisten noch nicht aus dem Portugiesischem übersetzt wurden –, stellt man rasch fest, dass er seine Weltanschauung und auch seine Methoden, die Revolution zu bekämpfen, nie im Kern verändert hat. Seine Analysen wurden zweifelsohne immer reicher und komplexer, sein Verständnis des Feindes, also der Revolution, wurde immer umfassender. Doch er baute auf das auf, was er schon in jungen Jahren entwickelt hatte. Dies hatte zur Folge, dass er immer wieder Verbündete und ideologische Freunde verlor, wenn diese sich dem Zug der Revolution anschlossen.

    Spiritualität

    An dieser Stelle muss etwas über die Spiritualität von Plinio Corrêa de Oliveira gesagt werden, um verstehen zu können, woher er die Kraft nahm, seinen Weg und seinen Kampf für die christliche Zivilisation auf sich zu nehmen.

    Wie schon oben gesagt wurde, trat er recht früh in die Marianischen Kongregationen ein. Doch schon zu Hause konnte er die Atmosphäre eines katholischen Heims genießen. Das bedeutete nicht nur, dass er schon früh beten lernte und die Sakramente empfing. Er lernte auch, was ein katholischer Alltag ist. Dank dieser Erfahrung entwickelte er ein feines Gespür, mit dem er feststellen zu konnte, was nicht dem katholischen Geist entsprach. So war er problemlos in der Lage festzustellen, dass der Faschismus eine Falle für die Katholiken war, die eine antikommunistische Einstellung hatten. Unermüdlich bekämpfte er deshalb Faschismus und Nationalsozialismus, die durchaus eine Gefahr für seine Heimat gewesen sind. Er war dazu nicht nur in der Lage, weil er sehr früh das katholische Lehramt studiert hat, sondern weil er die psychologischen Konsequenzen dieser falschen Ideologien kannte. Seine brasilianische Intuition zeigte ihm sehr schnell, wenn jemand oder etwas nicht dem katholischen Geist entsprach.

    Besonders großen Einfluss auf ihn hatte die Lektüre der „Abhandlung über die vollkommene Andacht zu Maria (Goldenes Buch) des hl. Ludwig Maria Grignion von Monfort. Die Weihe zur Muttergottes entsprechend dieser Abhandlung war die Grundlage seines Gebetslebens. Die Verehrung der Muttergottes und ihre Rolle in der Geschichte nehmen einen wichtigen Platz in seiner publizistischen Arbeit ein, aber auch in seinen Vorträgen und sonstigen Begegnungen mit Menschen, beispielsweise Aktivisten der TFP, die sich dem gegenrevolutionären Aktivismus widmeten. „Die Gottesmutter war stets das Licht meines Lebens, und ich erhoffe von ihrer Barmherzigkeit, dass sie mein Licht und meine Hilfe bis zum letzten Augenblick meines Daseins sein möge, schrieb er 1978 in seinem geistigen Testament.

    Im Jahr 1950 beteiligt er sich an der Gründung der Monatszeitschrift „Catolicismo für Kultur und Zeitgeschehen, für die er in den 1950er Jahren praktisch jeden Monat lange Artikel schreiben würde. In diesen zehn Jahren schreibt Corrêa de Oliveira zu einer Vielzahl von Themen. Besonders bekannt wurde sein Kreuzweg, der unzählige Male aufgelegt wurde. Jeden Monat schrieb er die Kolumne „Ambiente, Bräuche, Zivilisationen, in der er anhand der Analyse von Architektur, Kunst, Persönlichkeiten den Gegensatz zwischen einer modernen Zivilisation, die die Wurzeln zu ihrer christlichen Vergangenheit durchschnitten hat, eben mit einer Zivilisation, die – wenn nicht direkt christlich war, wie beispielsweise die Gotik –, doch zumindest noch vom christlichen Geist und Lebensauffassung beeinflusst ist. Die meisten Artikel über die Muttergottes verfasste er in dieser Zeit. Noch heute liest man mit großem Gewinn seine langen soziologischen Studien.

    Am Ende der 1950er Jahre schrieb er „Revolution und Gegenrevolution. Er verfasste diesen Essay zunächst für die 100. Nummer von „Catolicismo. Plinio Corrêa de Oliveira ist Autor von 2.500 Artikeln, viele von erheblicher Länge. Er formulierte aus katholischer Perspektive soziologische und historische Studien, die immer die aktuelle Situation und die Bedürfnisse der Kirche im Blick hatten.

    „Catolicismo, eigentlich eine Monatszeitschrift, entwickelte sich zu einem Archipel in ganz Brasilien von Leservereinen, deren Mitglieder ehemals in den Marianischen Kongregationen aktiv waren und die mit der moderneren Linie der Laienverbände nicht einverstanden waren. In seiner Biografie über Corrêa de Oliveira schreibt Massimo Introvigne, dass es nur durch die Zeitschrift „Catolicismo im Brasilien der 1950er Jahre möglich war, über die lehramtlichen Dokumente aus Rom zu erfahren. Die Kirchenpresse war schon weitgehend in den Händen derjenigen, die die Kirche modernisieren wollten und Papstdokumente, traditionelle Devotionen und generell eine militante Haltung gegen die Entwicklungen der Gesellschaft hin zum Sozialismus ablehnten. Aus diesem Kreis gab es zunehmend Stimmen, die Plinio Corrêa de Oliveira um eine knappe Darstellung seiner geschichtsphilosophischen Gedanken baten. So entstand „Revolution und Gegenrevolution".

    Kampf dem Kommunismus

    Neben seiner Tätigkeit für „Legionario und „Catolicismo war Plinio Corrêa de Oliveira Kolumnist von 1968 bis 1990 für die auflagenstärkste Tageszeitung des Bundesstaates São Paulo, die „Folha de São Paulo. Im Oktober 1960 veröffentlichte Plinio Corrêa de Oliveira das umfangreiche Buch „Bodenreform: Gewissensfrage zusammen mit Geraldo de Proença Sigaud, Erzbischof von Diamantina, Antonio de Castro Mayer, Bischof von Campos, und dem Volkswirt Luiz Mendonça de Freitas. Mit diesem Buch, das in Brasilien zu einem wahren Bestseller wurde, beginnt der jahrzehntelange Kampf von Plinio Corrêa de Oliveira gegen Sozialismus und Kommunismus.

    Trotz intensiver Bemühungen, das Land zu industrialisieren, war Brasilien immer noch ein Agrarland. Nur durch die Einführung kommunistischer Strukturen auf dem Land konnte es gelingen, den Kommunismus einzuführen. Die Intention von „Bodenreform: Gewissensfrage" war genau diese: Die Bodenreform, sozialistisch und konfiskatorisch, wie sie geplant war, sollte den Weg in den Kommunismus ebnen. Corrêa de Oliveira durchreiste das Land und stellte das Buch und seine Thesen vor. Auch hier war die Grundlage seiner Argumentation das katholische Lehramt.

    Mit diesem Buch begann eine völlig neue Phase im Leben Corrêa de Oliveiras. Aufgrund der Expansion des damaligen Kommunismus wurde er definitiv zum Aktivisten. Die vielen Bücher und Artikel, die er in den Folgejahren schreiben sollte, waren fast alle im Hinblick auf die kommunistische Bedrohung verfasst. Etwa zehn Bücher schrieb er zwischen 1960 bis 1987 zu diesem Zweck.

    Doch der Kommunismus konnte nicht allein mit Texten bekämpft werden. Im Jahr 1960 gründete er die „Brasilianische Gesellschaft zur Verteidigung von Tradition, Familie und Privateigentum (TFP) als Organisation, die sich kampagnenmäßig für die Verbreitung von „Bodenreform: Gewissensfrage und generell für den Widerstand gegen Sozialismus und Kommunismus einsetzen sollte. In allen großen Städten des Landes konnte die TFP Vertretungen öffnen. Zeitweise zählte sie Tausende von Mitgliedern und Sympathisanten. Dadurch wurde diese Organisation die wichtigste antikommunistische Kraft im Land. Die TFP fand rasch Sympathisanten in anderen Ländern, sodass ähnlich gesinnte Vereinigungen in mehreren Ländern gegründet wurden. Zunächst in Chile und Argentinien, später in anderen Ländern Süd- und Nordamerikas. Dieses Netz von autonomen, aber befreundeten Organisationen konnte rasch weltweit Manifeste und Bücher gegen den Kommunismus veröffentlichen. Eines der wichtigsten war „Der selbstverwaltete Sozialismus: gegenüber dem Kommunismus eine Barriere oder ein Brückenkopf im Jahr 1981 gegen den ersten Regierungsentwurf des französischen Präsidenten François Mitterrand. Auch in Deutschland wurde dieses mehrseitige Dokument veröffentlicht und dank der hervorragenden Resonanz konnte etwas später ein „TFP-Büro in Frankfurt am Main eröffnet werden.

    Aufgrund des rasanten Wachstums der brasilianischen TFP und der befreundeten Organisationen im Ausland verlagert sich seine Tätigkeit zunehmend auf die Leitung seiner Gründung. In den letzten Jahrzehnten seines Lebens hält er jede Woche mehrere Vorträge. Zu dem kommt eine immense Korrespondenz mit den unterschiedlichsten Personen und Institutionen. Zum Zeitpunkt der Redaktion dieses Aufsatzes wird die gigantische geistige Hinterlassenschaft Corrêa de Oliveiras immer noch zwecks Veröffentlichung aufgearbeitet. Doch ein Großteil ist schon im Internet unter pliniocorreadeoliveira.info frei zugänglich. Dort können auch viele übersetzte Texte gelesen werden.

    Von 1960 bis zum Ende der kommunistischen Herrschaft in Osteuropa war der Einsatz Corrêa de Oliveiras und der diversen TFPs unermüdlich. Die vielen Publikationen, öffentlichen Stellungnahmen und Kampagnen aufzuzählen, würde den Rahmen dieses kurzen Aufsatzes sprengen. Um die Wirkkraft zu dokumentieren, soll die Unterschriftensammlung für die Unabhängigkeit Litauens erwähnt werden, die im Jahr 1990 durchgeführt wurde und die Rekordzahl von 5.218.520 Unterschriften sammeln konnte, wodurch sie eine Erwähnung im „Guiness Book of Records" fand. Die Unterschriftensammlung machte das Schicksal des kleinen baltischen Landes weltweit bekannt. Die Weltöffentlichkeit verfolgte die Unabhängigkeitsbestrebungen mit solcher Aufmerksamkeit, dass sich eine Welle der Empörung erhob, als sowjetische Panzer am 13. Januar 1991 versuchten, das Parlament in Vilnius zu stürmen. Wenige Monate später erkannte Russland die Unabhängigkeit widerwillig an.

    Das große Ziel von Plinio Corrêa de Oliveira war nicht nur die Zerstörung der Revolution, sondern auch zum Aufbau einer christlichen Zivilisation beizutragen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verfasste er sein letztes Buch: „Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten", das 1993 im portugiesischen Original erschien. Corrêa de Oliveira kommentiert in diesem Buch die Ansprachen von Papst Pius XII. an den römischen Adel und das Patriziat und zeigt, dass der traditionelle Adel, also die historischen Eliten, auch in der modernen Welt eine Rolle besitzen. Doch nicht nur das: Diese Eliten sollen einen entscheidenden Beitrag zur Wideraufrichtung der christlichen Zivilisation leisten.

    Ausgewählte Literatur

    Plinio Corrêa de Oliveira: Revolution und Gegenrevolution, Tradition, Familie und Privateigentum (TFP) Büro Deutschland/Deutsche Vereinigung für eine christliche Kultur (DVCK) e. V., Frankfurt am Main 1996

    Plinio Corrêa de Oliveira: Betrachtungen für die Karwoche, Deutsche Vereinigung für eine christliche Kultur e. V., Frankfurt am Main 2003

    Plinio Corrêa de Oliveira: Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten, Österreichische Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum, Wien 2008

    Roberto de Mattei: Il crociato del secolo XX. Plinio Corrêa de Oliveira, dt.: Der Kreuzritter des 20. Jahrhunderts. Mit einem Vorwort von Kardinal Alfons Maria Stickler SDB, Deutsche Vereinigung für eine christliche Kultur e. V., Frankfurt am Main 2004

    Anmerkungen

    1Revolution und Gegenrevolution, zweiter Teil, zweites Kapitel.

    2Dt. etwa: „Der Beitrag Plinio Corrêa de Oliveiras für die Entwicklung des gegenrevolutionären Denkens. Entnommen aus: „Associação dos Fundadores da TFP: Plinio Corrêa de Oliveira 1908–1995: Dez anos depois. Sao Paulo 2005").

    3Zitiert aus „Tradición, Familia Propiedad – Un ideal, un lema, una gesta" (eigene Übersetzung).

    Nicolás Gómez Dávila und die ewigen Wahrheiten der Philosophie

    VON TILL KINZEL

    Literatur ist das Gegenteil von Philosophie. Philosophie ist das Bestreben, möglichst klare und distinkte Ideen zu erhalten. Es geht also in der Philosophie darum, Exaktheit als Maßstab des Denkens zu begründen. Denn nur durch Exaktheit, durch strenge Definition von Begriffen, durch Abgrenzung und Präzision im logischen Schließen kann die Philosophie ihre Existenzberechtigung im Konzert der modernen Wissenschaften, die im Idealfall allemal mathematisierte Wissenschaften sind, halbwegs erweisen. Weil Philosophie also Anteil hat am Ideal der Exaktheit, kann Philosophie im wesentlichen identisch gedacht werden mit „analytischer Philosophie". Denn wenn Philosophie auf die logische Klärung der Gedanken zielt, darauf vor allem, wenn sie die Welt und Menschen auf den Begriff bringen soll, wenn die Anstrengung des Begriffs dem Menschen eine geordnetere Welt als zuvor hinterläßt, dann ist Philosophie zuallererst analytisch, dann muß sie analytische Philosophie sein.

    Literatur dagegen ist das Gebiet ästhetischer Empfindungen und Wertungen, die daher notwendig subjektiven Charakter haben müssen. Literatur kann nach allgemeiner Überzeugung (und trotz der gegenwärtig modischen Rede vom „Wissen der Literatur") keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben, weil sie sich aus dem Reich der Imagination speist, ohne notwendige Kontrolle durch irgendeine Realität. Literatur schafft eine zweite Realität, eine Wirklichkeit, die sich nicht dadurch angemessen erfassen läßt, daß sie als Repräsentation der ersten Realität verstanden wird. Denn Literatur stellt dem Leser eine Realität vor, die nicht notwendigerweise dem Gebot der Referenz unterliegt, das für wissenschaftliche Darstellungen unabdingbar ist. Literatur verweist auf

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