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Die letzten Blumen sieht man nicht: Kriminalroman
Die letzten Blumen sieht man nicht: Kriminalroman
Die letzten Blumen sieht man nicht: Kriminalroman
eBook141 Seiten1 Stunde

Die letzten Blumen sieht man nicht: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Kriminalkommissar Christian Gellert hat es gar nicht gern, wenn bei ihm eine Verwandtschaft zu dem deutschen Dichter Christian Fürchtegott Gellert vermutet wird. Denn er liest nicht. Höchstens Ermittlungsberichte. Auf Fragen, den Dichter betreffend, antwortet er trocken: „Ich bin sein Urgroßvater.“ Er besitzt eine Frau, die ihm als ehemalige Röntgenassistentin das Luftanhalten beibringt und außerdem ein Enkel Lottchen, das einfache Lottchen, welches ihm bei der Aufklärung des Mordes an Waltraud Balluschak gelegentlich von der Spur abbringt. Während seiner Ermittlungen in dem kleinen erzgebirgischen Dorf Siebenacht kommt er Land und Leuten näher. Aber scheinbar erfolglos irrt Gellert von einer Ermittlung zur anderen. Da kommt er auf eine Idee. Und sie wird ihn zum Mörder oder der Mörderin führen.
SpracheDeutsch
HerausgeberOmnino Verlag
Erscheinungsdatum26. Feb. 2020
ISBN9783958941472
Die letzten Blumen sieht man nicht: Kriminalroman
Autor

Wolfgang Eckert

1935 in Meerane (Sachsen) geboren, Ausbildung zum Weber, mehrjährige Tätigkeit als Handweber; von 1960 bis 1963 Studium am Literaturinstitut in Leipzig; seit 1970 freiberuflicher Schriftsteller; zahlreiche Erzählungen, Romane, Aphorismen und Gedichte, ausgezeichnet u. a. mit dem Förderpreis des Literaturinstitutes und des Mitteldeutschen Verlages Halle a. d. Saale (1972) und dem Hans-Marchwitza-Preis der Akademie der Künste Ost-Berlin (1974). Von der Witwe Erich Knaufs übernahm Eckert 1987 den Nachlass des Publizisten, den er u. a. mit einer Biografie und der Übergabe des Nachlasses als Dauerleihgabe an das Kunsthaus Meerane der Vergessenheit entriss. Er lebt in Meerane.

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    Buchvorschau

    Die letzten Blumen sieht man nicht - Wolfgang Eckert

    1.

    Kriminalkommissar Christian Gellert saß in seinem Dezernat, als das Telefon schrillte und er von seiner vorgesetzten Dienststelle informiert wurde, dass im erzgebirgischen Siebenacht oberhalb am Waldesrand eine Frauenleiche von Forstarbeitern gefunden worden war. Offenbar durch äußeren Einfluß zu Tode gekommen. Er solle sich umgehend in Bewegung setzen und ermitteln. Kollegen der Mordkommission seien schon unterwegs, um das Gelände abzusichern.

    Gellert verstaute einige nun zweitrangig gewordene Akten in seinen Schreibtisch, schob eine Tüte mit Wurstbrötchen und eine Flasche Mineralwasser in seine Arbeitstasche. Dann ging er noch einmal auf die Toilette und betrachtete sich hinterher misstrauisch beim Händewaschen im Spiegel, ob er wirklich wie ein Kriminalkommissar aussieht, der noch einige Jahre bis zur Rente hat. Er ging ins Revier hinab, das zu ebener Erde lag, und verließ es mit der knappen Bemerkung, er sei im erzgebirgischen Siebenacht und käme heute nicht wieder zurück.

    Auf dem Parkplatz vor dem unauffällig eingerichteten Morddezernat wartete sein grauer Ford, der ebenfalls so aussah, als hätte er es nicht mehr weit bis zur Verschrottung. Gellert empfand, dass sie beide gut zusammenpassten. Er gab Siebenacht in sein Navi ein, und kurze Zeit später begann die Dame im Navi ihm Vorhaltungen zu machen, wie er zu fahren hatte.

    Natürlich sah Gellert nicht wie ein Kriminalkommissar aus. Keine breiten Schultern, keine imposante Körperlänge, kein energisches Kinn, kein scharfer, alles durchdringender Blick. Christian Gellert, dem es missfiel, wenn ihn andere mit dem deutschen Dichter Christian Fürchtegott Gellert verglichen, denn er las nicht, höchstens Ermittlungsberichte, sah wie der Finanzbuchhalter einer kleinen Bürstenfabrik aus: Er trug eine blassgraue Brille mit rechteckigen randlosen Gläsern, hinter denen die Augen etwas größer wirkten. Alles in allem war die Brille das Ergebnis einer schlechten Beratung durch den Optiker. Die Brille verfeinerte Gellert. Man konnte vermuten, dass er über jeden Mord heftig erschreckte. Ein Umstand, der ihn harmlos und unsicher erscheinen ließ, beinahe scheu, und Verbrecher arglos machte. Darauf beruhte sein Erfolg. Denn er hatte in seiner langen Laufbahn etliche Täter zur Strecke gebracht. Aber einige waren ihm auch entgangen. Er wusste, wie unterschiedlich die Gesichter Ermordeter aussehen konnten. In letzter Zeit befiel ihn Widerwillen, sobald er an diese Gesichter dachte. Er spürte Müdigkeit, wenn ihm die noch verbleibenden drei Jahre Fahndung auf einmal so lang vorkamen. Jahrzehnte war er Tätern auf der Spur und ihren Motiven, zu morden, so dass diese mühevolle Kleinarbeit ihn zu philosophischen Grübeleien brachte. Seine Arbeit als Berufung, Böses zu sühnen. Er tat das als notwendiges Muss.

    Langsam begann das Gelände hügelig zu werden. Er wusste, dass er sich auf einer lang gestreckten Bundesstraße befand und irgendwo daran dieses Kaff Siebenacht auftauchen musste. Rechts und links abgeerntete Felder, Strohballen darauf verstreut wie riesige Klorollen. Hinter den Feldern begann der Fichtenwald zunächst noch lückenhaft, dann aber dichter werdend an die Straße heran zu rücken. Kleine Dörfer mit spitzen Kirchtürmen als einzige Erhebung darin tauchten auf. Die Dame im Navi hatte wenig Arbeit und schwieg meistens.

    Dann kamen die ersten Berge. Die Wälder darauf wirkten wie grüner Samt. In der Ferne breit gezogen die Hänge zweier Berge, des Fichtelberges und des Keilberges im Böhmischen. Gellert dachte sich in die Ferne, in Urlaubsorte, mit Hirschbratengeruch in den Gaststätten, Läden mit bunten Kunstgewerbeartikeln, Weihnachtsstimmung, die Sessellifte, den Seilbahnbetrieb. Wie konnten Menschen in dieser sanften und harmonisch wirkenden Landschaft andere umbringen? Oder wartete ein Selbstmord auf ihn?

    Wie um seine trüben Gedanken zu unterstützen, prasselte plötzlich ein kalter Novemberregen gegen die Frontscheibe des Fords. Gellert schaltete die Scheibenwischer ein, und sie rafelten mit einem quietschenden Geräusch über die Vorderfront. Graue Wolken hingen schwer und ausgetriefelt in die Berge. Die Straße glänzte wie nasse Seide, er ging mit dem Tempo etwas herunter. Kurze Zeit später erreichte er Siebenacht. Da er dort kein konkretes Ziel angeben konnte, hielt die Dame im Navi ihr Schlusswort. Das Dorf erstreckte sich links im Tal, rechts der Straße reihten sich einige Häuser wie verloren aneinander. Gellert fuhr langsam suchend an ihnen vorbei. Er überlegte schon, ob er ins Dorf hinunter müsse. Die Abfahrt hatte er übersehen. Bei dem Verkehr, der ihn von vorn und hinten umgab, war ein Wenden riskant. Aber da erkannte er vom Dorf entfernt oberhalb eines Waldstückes und auf einem der abgeernteten Felder einige Fahrzeuge. Beim näheren Heranfahren sah er, dass es Polizeiautos waren, ein Notarztwagen und ein silbernes Leichenauto mit milchig gefärbten Fenstern. Der Platz bis zum Waldrand war weiträumig mit rotweiß gestreiften Stoffbändern abgeschirmt. Leute bewegten sich darin wie Landvermesser. Gellert fuhr bis zum äußersten Rand der Straße, möglichst mit seinen Reifen den schlammigen Untergrund des Feldes vermeidend. Er stieg aus, der Regen empfing ihn eisig, und er ärgerte sich, dass er keinen Hut bei sich hatte. Am Eingang des umbänderten Geländes stand ein Polizist, wahrscheinlich aus dem hiesigen Revier, denn Gellert kannte ihn nicht. Der Polizist nahm eine sperrige Haltung ein, die Arme abgewinkelt, die Brust gespannt. Er sah dem Passanten entgegen und musterte seine des aufgekommenen Windes wegen nach vorn gebeugte schmale Gestalt und die vom Regen nass auf die Stirn geklebten Haarsträhnen. Er kannte solche Leute, die sich als Gaffer ansammelten und mit ihren Smartphons von allen Seiten abenteuerliche Aufnahmen schossen.

    „Gehen Sie bitte zurück zu Ihrem Auto und fahren Sie weiter", sagte er.

    „Kriminalkommissar Gellert", sagte Gellert und hielt dem Ordnungshüter seinen Ausweis hin.

    Der Polizist prüfte tatsächlich und immer noch misstrauisch Gellerts Ausweis, erkannte schließlich die Wahrheit, trat zur Seite und entschuldigte sich, nur seinen Auftrag ausgeführt zu haben.

    Der Mediziner Dr. Schmuck und Gellerts Mitarbeiter Papritz standen an einem Stapel aufgeschichteter Fichtenstämme, die bereits entästet zum Abtransport bereit lagen. Ein Fotograf war dabei, seine Kamera zu verstauen. Gellert zog den Duft frisch geschnittenen Holzes ein. Er gab Dr. Schmuck und Papritz die Hand. Dicht vor dem Holzstoß lag mit dunkelblauer Folie zugedeckt die Leiche. Ihre Umrisse waren zu sehen. Gellert beugte sich darüber und wickelte die Folie zurück. Die Frau lag auf der Seite, dem Holzstoß zugewandt. Ihr linker Arm klemmte unter dem Körper, der rechte zeigte in Richtung des Holzstoßes. Es sah so aus, als hätte sie jemand in stabile Seitenlage gebracht. Sie trug einen roten Anorak und hellblaue Jeans. Das dunkelblonde Haar war mittellang. Vom Schädel über die Stirn bis zur Nase war eine Spur getrockneten Blutes zu sehen. Im rechten Ohr, das Gellert nur sehen konnte, steckte ein muschelweiß schimmernder Ohrclip in Form eines Blattes. Der Regen tropfte auf ihr starres gelbliches Gesicht und schien es zu beleben. Die Haut war glatt, wie aus Stein, und Gellert dachte, dass solche Glätte jünger machte. Er schätzte die Frau auf Mitte Vierzig. Und wieder empfand er sein trauriges Geschäft. Er zog die Folie über die hingestreckte Frau und sah Dr. Schmuck fragend an. „Wann?"

    „Etwa zwölf bis fünfzehn Stunden", sagte Dr. Schmuck.

    „Also gestern Abend", stellte Gellert fest.

    „Sie muß sich an dem Holzstoß hochgezogen haben und dann zurück gefallen sein. Wahrscheinlich trat unmittelbar danach der Tod ein", erklärte Papritz.

    In der Nähe warteten einige Polizisten mit Spürhunden an der Leine, die aber ruhig standen und nicht auf Suche gingen.

    „Der Regen, bemerkte Papritz. „Sie haben nichts gefunden in welche Richtung auch immer.

    „Brauchen Sie mich noch?, fragte Dr. Schmuck und sah auf seine Armbanduhr. „Wir werden die Leiche sezieren. Möglicherweise kann ich Ihnen dann noch Genaueres berichten. Sie wissen ja, wo Sie mich erreichen.

    „Es kann durchaus so sein, dass Sie was finden, erwiderte Gellert. „Ich melde mich bei Ihnen.

    Sie sahen zu, wie Dr. Schmuck mit seinem Auto rangierte, das Warnlicht einschaltete und auf die Bundesstraße einlenkte. Der Regen hatte etwas nachgelassen und war in dichtes Nieseln übergegangen, was noch unangenehmer war. Die Polizisten mit den Spürhunden blickten fragend zu Gellert, und er gab ihnen ein Zeichen, dass sie nicht mehr benötigt wurden. Sie bauten ihre Umsperrung ab und verpackten alles in die Kofferräume ihrer Autos. Als sie davon fuhren, blieben nur noch Gellert, Papritz und die zwei Angestellten des Begräbnisunternehmens zurück. Gellert zog fröstelnd den Kragen seines Anoraks höher. Ein Gefühl der Verlassenheit überfiel ihn und erneut empfand er seinen Beruf als verdammt beschissen. Nur Papritz, treu und verlässlich wie immer, nahm ihm ein bisschen das Gefühl der Einsamkeit.

    „Gibt es Spuren zur Straße?", fragte er.

    „Eben nicht, erwiderte Papritz, „nirgendwo ist da was.

    „Und zum Wald?"

    „Wir haben den Förster befragt. Die Spuren sind von Rehen, die hier abends auf der Lichtung stehen. Und weiter drin haben Wildschweine diese Nacht alles zerwühlt."

    „Das Blut auf der Stirn. Ist sie erschlagen worden?"

    „Doktor Schmuck stellte fest, es wurde vielleicht zwei bis dreimal mit einem harten Gegenstand auf sie eingeschlagen. Der letzte Hieb kann tödlich gewesen sein."

    „Und? Etwas gefunden? Irgendein Knüppel oder ein Eisen?"

    „Nichts. Der oder die Täter waren wachsam."

    „Hmmm", machte Gellert. Er maß die Strecke zur Straße mit Blicken. Es war ein fester, von schweren Forstfahrzeugen hart gewalzter Weg. Ein Selbstmord kam also nicht infrage. In letzter Zeit hatten sich einige Mordverdachte als Selbstmorde heraus gestellt. In einer Gesellschaft, die immer so sehr von ihren Werten schwärmte und Comedians mit ihren billigen Späßen auch noch ganze Säle zu primitivem Lachen brachten, waren Selbstmorde nicht gesellschaftsfähig, ungebührliche Antworten. Für Gellert waren die meisten Selbstmorde Morde. Denn oft steckten unerkannte Schuldige dahinter, schuldig am Weg dorthin. Aber Gellert wusste auch, dass er statt Kriminalkommissar hätte besser Philosoph werden müssen, denn er dachte zu sehr über seine Täter

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