Inneren Frieden bewahren: Erklärungen über Geduld auf der Grundlage von Kap.6 des Textes Bodhisattvacharyavatara des indischen Meisters Schantideva
Von Gesche Rabten
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Buchvorschau
Inneren Frieden bewahren - Gesche Rabten
Gesche Rabten
Inneren Frieden bewahren
Vorwort von Gonsar Tulku Rinpotsche
Aus dem Tibetischen von Helmut Gassner
Übearbeitet und herausgegeben von Schülern Gesche Rabtens unter der Leitung von Gonsar Tulku Rinpotsche
Das Umschlagmotiv stellt eines der glücksverheißenden Symbole dar, die von Mönchen des Ganden Schartse Klosters im südindischen Exil speziell für diese Taschenbuchreihe in Sand gestreut wurden.
Die Technik des Streuens von Sandbildern gehört zu den traditionellen geistigen Künsten im tibetischen Buddhismus. Sie wurde von Buddha in den großen Tantras als besonders geeignet für das Herstellen von Mandalas empfohlen und ist bis heute in den großen Klöstern Tibets erhalten geblieben.
Der Spiegel symbolisiert die klare und erkennende Natur des Geistes wie auch die letztliche Bestehensart aller Phänomene, die wie Reflektionen in einem Spiegel zwar erscheinen, denen aber jede wahre Natur fehlt, da sie in abhängiger Weise bestehen.
Erste Auflage 1999
Alle Rechte vorbehalten – Printed in Switzerland
© Edition Rabten, Le Mont-Pèlerin / VD
e-mail: info@editionrabten.com
www.rabten.eu/Publications_de.htm
Fotos: Portrait Umschlagklappe, Seiten 11 und 41: Gonsar Tulku Rinpotsche / Sandbild Umschlag: Ruedi Hofstetter
eBook Herstellung: Edition Rabten www.rabten.eu
ISBN 3-905497-13-1
eBook: ISBN 978-2-88925-072-1
eBook-Auslieferung:
HEROLD Auslieferungs Service GmbH
www.herold-va.de
Vorwort des Herausgebers
Diese Erklärungen wurden im Jahre 1983 vom Ehrwürdigen Gesche Rabten an drei verschiedenen Orten gegeben. Das erste Seminar wurde im März am Letzehof in Österreich gehalten, das zweite im Juni in München-Otterloh in Deutschland und das dritte im August in Les Avants in der Schweiz. Gesche erklärte die Verse nicht in strikter Reihenfolge, sondern gab ihre essentielle Bedeutung aus seiner großen Erfahrung wider.
Das vorliegende Buch basiert auf der mündlichen Übersetzung aus dem Tibetischen von Helmut Gassner. Es wurde von Schülern des Ehrwürdigen Gesche Rabten unter der Leitung vom Ehrwürdigen Gonsar Tulku Rinpotsche überarbeitet und herausgegeben, dem wir an dieser Stelle aus ganzem Herzen für seinen Weitblick und seine verständnisvolle, geduldige Hilfe danken möchten. Darüber hinaus gilt unser Dank auch all denen, die in vielfältiger Weise am Zustandekommen dieses Buches mitgeholfen haben.
Der Herausgeber, Dezember 1998
Vorwort
Dieses Buch enthält wertvolle Ratschläge eines wirklichen geistigen Freundes. Der Ehrwürdige Gesche Rabten Rinpotsche war einer der herausragendsten Meister des tibetischen Buddhismus unserer Zeit. Aus den vielen Unterweisungen, die er seinen Schülern gab, geht es im vorliegenden Text um das Entwickeln von Geduld, die unentbehrlichste aller Eigenschaften für unseren Geist. Auf Sanskrit heißt sie Kschanti, was nichts anderes als Geduld bedeutet. Geduld ist die Fähigkeit, Unangenehmes und Leidvolles ungestört zu überdauern. Auf allen Ebenen des Dharma wird die Übung der Geduld hervorgehoben, weil Geduld eine der wichtigsten Quellen für Frieden und Harmonie unter den Wesen ist, und weil Ärger und Abneigung, das Gegenteil von Geduld, Frieden und Glück der Wesen zerstören. Geduld ist auch eine der sechs Hauptübungen der Bodhisattvas und wird als Kschanti-Paramita bezeichnet, was Vollkommenheit der Geduld bedeutet.
Es gibt drei Arten von Ärger, und entsprechend gibt es auch drei Aspekte von Geduld, die in allen Wesen potentiell vorhanden sind. Mit den geeigneten Methoden können diese Potentiale entwickelt und zur Vervollkommnung gebracht werden, wie es im Kapitel über die Geduld des Textes Bodhisattvatscharyavatara, einem klassischen Mahayana-Text des großen indischen Meisters Bodhisattva Schantideva (ca. 685 - 763 n. Ch.) beschrieben ist.
Der Kommentar zu diesem Kapitel, den mein verehrter Meister Gesche Rabten Rinpotsche hier gibt, entspringt direkt seiner persönlichen Erfahrung und einer langen Vertrautheit mit dem Entwickeln von Geduld. Gesches ganzes Leben ist ein Beispiel für die Vervollkommnung dieser Übung, wie auch seine Biographie zeigt. So werden die klaren und nachvollziehbaren Erklärungen des vorliegenden Buches sicher eine Quelle der Hoffnung, Inspiration und Ermutigung für alle sein, die entschlossen sind, ihrem Ärger und Hass ein Ende zu bereiten und damit den wirklichen Feind in sich zu besiegen.
Gonsar Tulku Rinpotsche
Rabten Choeling
Le Mont-Pèlerin, Schweiz
November 1998
Bodhisattva SchantidevaWurzeltex
Schantideva
Bodhisattvatscharyavatara
Sechstes Kapitel - Geduld
Was immer wir an heilsamen Handlungen, wie Verehrung der Buddhas und Großzügigkeit, in tausend Zeitaltern angehäuft haben - ein einziger Augenblick des Zornes wird es zerstören.
Es gibt kein Übel, das dem Hasse gleicht, und keine Geistesstärke wie die Geduld.
So sollte ich auf viele Arten streben, über Geduld zu meditieren.
Mein Geist wird keinen Frieden finden, wenn er leidvolle Gedanken des Hasses nährt.
Weder Freude noch Glück werde ich erfahren, die Unruhe wird mich um den Schlaf bringen.
Ein Meister, der Hass in sich trägt, läuft Gefahr, selbst durch diejenigen sein Leben zu verlieren, deren Wohl und Glück von seiner Güte abhängen.
Hass schüchtert Freunde und Verwandte ein. Bin ich auch freigiebig, sie werden mir nicht trauen. Kurz, da ist niemand, der mit Ärger glücklich lebt.
So schafft der Urfeind Zorn solche Leiden und viele mehr.
Wer ihn aber unverdrossen bekämpft, wird jetzt und in der Zukunft glücklich sein.
Genährt durch geistige Unzufriedenheit, die aus den Gedanken entsteht, daß man das, was man nicht will, tut, und das, was man will, nicht tut, nimmt der Hass zu und vernichtet mich.
Daher muß ich diesem Feind vollständig jede Nahrung entziehen, denn dieser Feind hat keine andere Aufgabe als die, mir zu schaden.
Was mir auch zustoßen mag, nichts soll den Frohsinn meines Geistes stören, denn bin ich unglücklich, werde ich nichts Gutes vollbringen, und meine Verdienste werden abnehmen.
Warum über etwas unglücklich sein, dem abgeholfen werden kann?
Und was nützt es, über etwas unglücklich zu sein, dem nicht abgeholfen werden kann?
Für mich und meine Freunde wünsche ich kein Leid, keine Geringschätzung, keine harten Worte und gar nichts Unangenehmes.
Aber wenn es um meinen Feind geht, wünsche ich das Gegenteil.
Die Ursachen für Glück kommen manchmal zustande, die Ursachen für Leid hingegen sind sehr zahlreich. Ohne Leiden gibt es keine Entsagung. Daher, Geist, sei fest.
Wenn die Anhänger der Göttin Durga und das Volk von Karnapa für nichts den Schmerz von Schnitt- und Brandwunden ertragen, warum dann, um der Befreiung willen, habe ich keinen Mut?
Es gibt überhaupt nichts, das nicht durch Gewöhnung leichter würde.
Wenn ich mich also an kleine Leiden gewöhne, lerne ich, größeres Leid geduldig hinzunehmen.
Wer hat das nicht schon erlebt bei kleineren Leiden wie Schlangenbissen, Insektenstichen, Gefühlen von Hunger und Durst und solch geringfügigen Problemen wie Ausschlag?
Bin ich ungeduldig im Ertragen von Hitze und Kälte, Wind und Regen, Krankheit, Knechtschaft und Schlägen, werde ich nur noch mehr darunter leiden.
Einige werden besonders tapfer und standhaft, wenn sie ihr eigenes Blut sehen; einige jedoch werden schwach und fallen in Ohnmacht, wenn sie das Blut anderer sehen.
Das rührt daher, daß ihr Geist entweder fest oder zaghaft ist. Daher beachte ich mir zugefügtes Übel nicht - Leid kann mir nichts anhaben.
Auch im Leiden bleibt der Geist der Weisen leuchtend klar und makellos, denn wenn der Kampf gegen die Verblendungen aufgenommen wird, erfährt man viel Schlimmes in Zeiten der Schlacht.
Die siegreichen Krieger sind jene, welche, die Leiden nicht beachtend, die Feinde Hass und Zorn überwinden.
Gewöhnliche Krieger erschlagen nur Leichname.
Darüber hinaus hat das Leid gute Eigenschaften: Es macht uns verzagt, und der Hochmut vergeht.
Wir entwickeln Mitgefühl