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Waffen für Teheran: Die Geschichte des Noricum-Skandals
Waffen für Teheran: Die Geschichte des Noricum-Skandals
Waffen für Teheran: Die Geschichte des Noricum-Skandals
eBook184 Seiten2 Stunden

Waffen für Teheran: Die Geschichte des Noricum-Skandals

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Über dieses E-Book

Es ist einer der großen Skandale der jüngeren österreichischen Geschichte: Anfang der 1980er-Jahre lieferte das VOEST-Tochterunternehmen Noricum illegal Kanonen an den Iran als Kriegspartei des ersten Golfkriegs. Im Mittelpunkt stand der spätere Hauptangeklagte Gaan Eisenburger. Jetzt erzählt er die wahre Geschichte des Deals und zeichnet dabei ein spannendes Bild von Österreich am Ende der Ära Kreisky und am Beginn einer neuen Zeit. Ein Buch über Schattenmänner, Scheinerschießungen und politische Machenschaften.
SpracheDeutsch
Herausgeberedition a
Erscheinungsdatum27. Feb. 2021
ISBN9783990015001
Waffen für Teheran: Die Geschichte des Noricum-Skandals

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    Buchvorschau

    Waffen für Teheran - Gaan Eisenburger

    Gaan Eisenburger:

    Waffen für Teheran

    Alle Rechte vorbehalten

    © 2021 edition a, Wien

    www.edition-a.at

    Cover: Isabella Starowicz

    Dieses Buch erzählt Ereignisse, die sich tatsächlich zugetragen haben. Zum Schutz der Privatsphäre daran beteiligter Personen wurden Namen, geografische Begriffe und teilweise auch zeitliche Abläufe und andere Details geändert.

    ISBN gedruckte Ausgabe 978-3-99001-499-8

    ISBN E-Book 978-3-99001-500-1

    E-Book-Herstellung und Auslieferung:

    Brockhaus Commission, Kornwestheim

    www.brocom.de

    »Ein Gegenstand ist weder gut noch böse. Gut und böse ist der Gebrauch, den der Mensch davon macht.«

    – Edward Teller, Vater der Wasserstoffbombe

    IRAN, TEHERAN, GEFÄNGNIS EVIN, NOVEMBER 1986

    Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, als sie den Raum betreten, um mich zu holen.

    Ich muss kurz eingeschlafen sein, vielleicht bin ich auch ohnmächtig geworden. Der Unterschied ist nur noch schwer auszumachen.

    Stundenlang haben sie mir immer dieselben Fragen gestellt. Spionierte ich für Israel? Lieferte ich Informationen in den Irak? Hatte ich die ehrwürdigen Mullahs und Ajatollahs, die neuen Herren des Iran, bei dem Waffendeal betrogen? Meine Antworten waren ihnen egal.

    Irgendwann stellten meine Augen, mein Mund, mein ganzer Kopf den Betrieb ein. Ich weiß nicht, ob für Stunden, Minuten oder nur Sekunden. Dann riss mich das laute Getrampel von Militärstiefeln aus der Dunkelheit.

    Ich bin noch immer im selben schlecht beleuchteten, staubigen Raum. Ich liege über einen alten Holztisch gebeugt, unter mir eine grüne Linolplatte. Eine Schreibtischlampe blendet mich. Vor mir sitzt noch immer der Mann, der mich so unermüdlich verhört hat. Er trägt die Uniform der Pasdaran, der iranischen Revolutionsgarde, die hauptverantwortlich für den Sturz des Schahs und für das neue islamische Regime im Iran ist. Er ist sehr schlank, noch keine vierzig, sein Gesicht ist spitz, wie ein Raubvogel. Er wirkt intelligent. Wenn wir uns unter anderen Umständen kennengelernt hätten, wäre er mir vielleicht sympathisch gewesen.

    Hinter ihm stehen vier Soldaten.

    Es ist der 7. November 1986. Ich bin Gefangener der iranischen Revolutionstruppen, die mir vorwerfen, Spion und Betrüger zu sein. Menschen, das weiß ich, sind in diesem Land schon für weniger erschossen worden.

    »Wo ist der Dolmetscher?«, frage ich. Dass der einzige Mann, der meine Sprache fließend spricht, verschwunden ist, kann nur eines bedeuten. Sie sind nicht mehr interessiert daran, mit mir zu sprechen.

    Die Soldaten sagen etwas auf Farsi, zu schnell, als dass ich es verstehen könnte. Mir werden die Augen mit einem dreckigen Fetzen verbunden, dann werde ich hochgerissen. Meine Handgelenke werden aneinandergebunden. So werde ich aus dem Raum geführt. Blind und unsicher, geschwächt von den letzten Tagen, wanke ich durch den Gang. An meinen Ellbogen die eisernen Griffe von Männern, die zu allem bereit sind.

    Was werden sie mit mir machen? Bringen sie mich in eine Zelle? Zu einem neuen Verhör? Haben sie vielleicht erkannt, dass sie den Falschen haben, dass ich mit all dem nichts zu tun habe, und bringen sie mich wieder zurück in mein Hotel?

    Hoffnung sucht sich die kleinsten Schlupflöcher. Aber ich hätte es besser wissen müssen. Ich bin in Evin, dem berüchtigtsten Gefängnis des Irans. In Trakten, die für fünfzig Leute bestimmt sind, zwängen sich nach der Revolution mehrere Hundert zusammen. Es ist kein Ort für Hoffnung.

    Keiner der Soldaten spricht. Nach Stunden des Fragens und Antwortens hat die Stille etwas Absolutes, Endgültiges.

    Ich spüre den kalten Luftzug des iranischen Morgens. Ich kann die langsam weichende Dunkelheit und den kühlen Sand beinahe riechen. Sie haben mich nach draußen gebracht, vermutlich in den Gefängnishof.

    Werde ich meine Kinder jemals wiedersehen? Werde ich meine Frau einmal noch umarmen können? Werde ich dieses Land überhaupt jemals wieder verlassen? Oder werde ich in irgendeinem Loch enden, wie so viele angebliche Spione, Betrüger, Ungläubige und Regimekritiker? Der Iran im Jahr 1986 ist kein guter Ort, um aufzufallen.

    Wir bleiben stehen, ich werde abrupt herumgedreht und unsanft gegen etwas Hartes gestoßen. Eine Wand. Ich spüre kalten Lehm auf meinem Hinterkopf. Ich würde mich gerne kratzen, aber meine Hände sind noch immer gefesselt.

    Ich höre Schritte und ein Knirschen, als die schweren Stiefel der Soldaten sich zu mir drehen und zum Stehen kommen. Sie graben sich in den Sand, suchen Halt, eine feste Position.

    Wie hatte es soweit kommen können? Wie konnte ich hier, in Evin, dem letzten Ort der mir bekannten Welt, enden? Wo hatte das alles begonnen? Als ich mich entschloss, den Frieden meines Hofes gegen das internationale Waffengeschäft zu tauschen? Als wir in Jordanien den ersten großen österreichischen Waffendeal seit dem Zweiten Weltkrieg abwickelten? Oder als die Jordanier dann entschieden, mit genau diesen Waffen den Irak in seinem blutigen Krieg gegen den Iran zu unterstützen? Irgendwo dazwischen, aber das spielt wohl jetzt keine Rolle mehr.

    Jemand schreit auf Farsi. Das Repetieren der Maschinenpistolen ist so gut zu hören, dass ich sie trotz verbundenen Augen vor mir sehe. Die Mündungen sind auf mich gerichtet.

    Eine seltsame Stille breitet sich in mir aus. Keine Angst, keine Furcht, nur Leere und die Sehnsucht, noch einmal meine Familie zu sehen. Kurz habe ich den Eindruck, ich müsste nur die Hand ausstrecken und ich könnte sie berühren. Doch dieser Moment geht so schnell vorüber, wie er gekommen ist. Dann bin ich wieder allein, mein Herz schlägt unglaublich schnell und Verwunderung überkommt mich. Seltsam.

    Werde ich jetzt sterben?

    FÜNF JAHRE ZUVOR

    DAS GESCHÄFT

    »Ich weiß schon, meine Damen und Herren, das ist alles sehr kompliziert…«

    – Fred Sinowatz, Bundeskanzler, bei seinem Amtsantritt

    JORDANIEN, ANFANG 1981

    Der Kanadier Gerald Bull entwickelte 1975 in Kanada seine Kanone GC-45, nachdem er bereits für die Amerikaner an einer »Weltraumkanone« gearbeitet hatte, die Satelliten in den Orbit schießen sollte. Das Besondere an der GC-45 war ihre unglaubliche Schussdistanz von mehr als 40 Kilometern. Bull galt als genialer Techniker auf dem Gebiet der Rüstungsindustrie. Keine andere Kanone dieser Zeit konnte diese Distanz erreichen.

    In Österreich gibt es keinen Umkreis von vierzig Kilometern, der frei von Städten und Dörfern ist. Man muss schon in die jordanische Wüste fahren, um eine GHN-45 (Gun Howitzer Noricum), die von der österreichischen Firma Noricum modifizierte Version der GC-45, ausprobieren zu können.

    Und das war genau, was wir taten.

    In dem menschenleeren Gebiet führten wir unser hauseigenes Produkt, die weiterentwickelte GHN-45 Gun Howitzer Noricum, einem interessierten Publikum vor. Und interessiert waren so einige.

    In der Wüstenlandschaft, eingeschlossen von Irak und Saudi-Arabien, war jede Explosion meilenweit zu sehen und wir konnten gefahrlos testen.

    Beim Abfeuern trieb eine Druckwelle durch den Sand und ließ die wenigen Büsche und Pflanzen erzittern. Das Projektil schoss beinahe lautlos durch die flimmernde Luft nach oben. Dann bildete sich irgendwo in weiter Ferne eine Staubwolke. Das Loch, das durch den Einschlag entstanden war, konnten wir von unserer Position aus bloß erahnen.

    Die jordanischen Militärs hatten in vierzig Kilometer Entfernung ein Viereck abgesteckt. Darin stand ein leeres Ölfass. Das war das Ziel.

    Ein einzelnes Ölfass in einer genau abgesteckten Zone zu treffen, aus vierzig Kilometer Entfernung, ist so gut wie unmöglich. Das Projektil ist während seines Flugs einigen Einflüssen ausgesetzt, vor allem Wind. Die markierte Stelle sollte dabei helfen, zu bestimmen, wie nahe das Projektil seinem Ziel kommen konnte.

    Die Militärs und wir warfen einen Blick auf die Einschlagsstelle. Wo war das Ölfass gewesen? Nach einem Moment wurde uns klar, dass es genau dort gestanden hatte, wo jetzt ein Krater klaffte. Unsere Kanone hatte das Fass genau getroffen. Die Wahrscheinlichkeit dafür war vermutlich so groß wie ein Hole-in-One beim Golf.

    Die jordanischen Offiziere wussten genau wie wir, dass es sich dabei um einen unglaublich glücklichen Zufall handelte. Aber das machte es nicht weniger beeindruckend. Und es konnte als gutes Omen aufgefasst werden. Also klopften die Offiziere meinem Kollegen Ellmer und mir auf die Schulter. Es war ein überaus beeindruckender Test.

    Auch die Gäste des jordanischen Königs aus Thailand, dem Irak und Saudi-Arabien verfolgten die Demonstration gespannt. Für Ellmer und mich war es die Stunde der Wahrheit. Erst hier, mitten in der jordanischen Wüste, mit allen Verträgen fertig ausgearbeitet, würden wir herausfinden, ob die HN-45 hielt, was wir unseren Kunden versprachen. Und das tat sie.

    Unsere belgischen Kollegen, sonst professionell und reserviert, wirkten ebenfalls erleichtert. Auch für sie ging es um viel Geld, denn der Deal war, dass die belgische PRB (Poudreries Réunies de Belgique), eine der ältesten Waffenfabrikanten des Landes, die Munition und wir die Kanonen lieferten. Das eine war ohne das andere nutzlos.

    »Zufrieden?«, fragte ich den tscherkessischen Offizier, der die Verhandlungen für die jordanische Seite führte.

    Er legte Wert darauf, als Tscherkesse erkannt zu werden. Tscherkessen waren eine Volksgruppe, die in Russland siedelten, allerdings während des Kaukasuskrieges in den Nahen Osten vertrieben wurden, etwa nach Jordanien. Viele von ihnen fand man im Militär.

    Der Offizier nickte. Mein Kollege Ellmer und ich konnten aufatmen. Damit stand dem ersten großen Deal der Noricum nichts mehr im Weg.

    Wir waren erst seit etwa einem Jahr im Wehrgeschäft. Das war eine verdammt kurze Zeit. Statistiken zufolge lagen zwischen den ersten konkreten Kontakten von Verkäufer und Käufer und dem tatsächlichen Verkauf durchschnittlich fünf Jahre. Waffen sind ein heikles Gut. Viel muss bedacht werden. Wie funktionieren sie? Wie werden sie geliefert und gewartet? Vor allem aber: Wo und wie dürfen sie überhaupt verwendet werden?

    Besonders für eine österreichische Firma bedeutete der Handel mit Waffen ein großes Risiko. Und wir waren nicht irgendeine Firma. Die Noricum war ein Tochterunternehmen der VÖEST, das seit Jahrzehnten als Paradebeispiel der verstaatlichten Industrie galt. Nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dem Nationalsozialismus und dem Neutralitätsgesetz produzierte der Staat Österreich wieder großkalibrige Waffen. Alles, was mit Militär zu tun hatte, war durch Österreichs Vergangenheit vorbelastet. In den Medien hätte es einen großen Aufschrei gegeben.

    »Das lief gut«, sagte Ellmer leise zu mir, als wir in die Jeeps der Jordanier stiegen, die uns zurück Richtung Hauptstadt Amman brachten. »Ich glaube, sie sind beeindruckt.«

    Ellmer und ich hatten in den letzten Monaten viel Zeit damit verbracht, diese Vorführung zu organisieren.

    »Mein Rücken schmerzt noch immer«, beklagte ich mich auf der Rückfahrt über holprige Straßen. »Das mit der Economy-Class ist kein Zustand.«

    Die Belgier schickten stets eine Delegation gut gekleideter Männer, die First Class flogen und den Champagner auf die Spesenrechnung setzten.

    Die VÖEST verfolgte eine etwas andere Politik.

    Ellmer war ein alter VÖESTler, wie er im Buche steht. Er war ein begnadeter Techniker, sorgfältig und genau. Seine Management-Fähigkeiten waren allerdings bescheiden, genauso wie seine Englischkenntnisse. Er hörte lieber zu, das Reden überließ er mir. Wir waren mit der Zeit ein ausgezeichnetes Team geworden. Er war für die Technik zuständig, ich für das Geschäft.

    »Ich fand den Flug nicht schlimm«, sagte er nur.

    »Die Belgier fliegen First Class. Jeder in diesem Geschäft fliegt First Class«, fügte ich hinzu. »Wir sind die einzigen Leute in der ganzen internationalen Wehrindustrie, die zu einem Milliardengeschäft in der Economy Class fliegen, neben schreienden Kindern und betenden Männern.«

    »Die VÖEST gibt eben nicht unnötig Geld aus«, sagte er und zuckte mit den Schultern.

    Es war sinnlos, mit ihm darüber zu diskutieren. Genau wie die anderen bei der VÖEST verstand er nicht, dass eine Maschine technisch perfekt sein konnte, aber wenn das Auftreten der Verkäufer nicht stimmte, blieb sie am Ende des Tages übrig. Im Verkauf ist technische Qualität ein wichtiger Teil, aber vor allem geht es um Vertrauen. Und es ist nicht besonders vertrauenserweckend, wenn wir die beste Kanone verkaufen wollen, die es auf dem Markt gibt, und dafür in der Economy Class anreisen.

    Aber so lief das bei uns. Wenn wir mit einer Delegation österreichischer Politiker irgendwohin flogen, um über Geschäftsbeziehungen zwischen Österreich und dem Ausland zu verhandeln, flogen die Politiker und ihre Beamtenschaft in der Ersten Klasse. Die Generaldirektoren der Verstaatlichten, die den Trip bezahlten, durften es sich in der Zweiten Klasse bequem machen.

    Einige Kilometer außerhalb der Hauptstadt fuhren unsere Wägen in eine Militärbasis. Wir wurden in einen spartanischen Raum gebracht, in dem wir die Verträge unterzeichneten. Zuletzt wurde das Endnutzer-Zertifikat unterschrieben. Dieses Dokument war besonders wichtig. Darin versicherte der jordanische Staat, die Kanonen zum Eigengebrauch zu erwerben. Wenn sie sich entschließen sollten, die Kanonen an irgendwelche zwielichtigen Unruhestifter weiterzugeben, dann war das nicht mehr unser Problem. Das dachten wir damals zumindest.

    Überreicht wurde uns das unterschriebene Endnutzer-Zertifikat vom Bruder des jordanischen Königs Hussein I., der eine wichtige Rolle während des Nahostkonflikts zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten um Palästina gespielt hatte und dafür in der westlichen Welt großes Ansehen genoss. Die Übergabe hatte beinahe einen feierlichen Rahmen, so gut das in der Militärbasis eben möglich war.

    Nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen, die sich bereits über Wochen erstreckt

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