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Arbeitsplatz Tagesschule (E-Book): Zur Situation in Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung
Arbeitsplatz Tagesschule (E-Book): Zur Situation in Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung
Arbeitsplatz Tagesschule (E-Book): Zur Situation in Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung
eBook393 Seiten3 Stunden

Arbeitsplatz Tagesschule (E-Book): Zur Situation in Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung

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Über dieses E-Book

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen.

Plätze in Tagesschulen, Horten oder an Mittagstischen sind gefragter denn je. So divers das schulergänzende Betreuungs- und Bildungsangebot ist, so unterschiedlich sind berufliche Herkunft und Qualifikation der Menschen, die die Kinder betreuen, die Einrichtung mitgestalten oder auch leiten. Über ihre Arbeitsbedingungen und die davon beeinflusste Qualität ihrer pädagogischen Arbeit ist bis jetzt wenig bekannt. Die Autorinnen liefern dazu erstmals Befunde und zeigen, welche Faktoren das Engagement, die Gesundheit und die Arbeitszufriedenheit des Personals fördern. Dabei identifizieren sie auch Handlungsfelder für die weitere Entwicklung von Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung.
SpracheDeutsch
Herausgeberhep verlag
Erscheinungsdatum1. Juni 2020
ISBN9783035516296
Arbeitsplatz Tagesschule (E-Book): Zur Situation in Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung

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    Buchvorschau

    Arbeitsplatz Tagesschule (E-Book) - Regula Windlinger

    Vorwort

    Mein ganzes Berufsleben wurde vom Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf überschattet … Als junge Frau erfuhr ich von einem älteren Vorstandsmitglied meiner Frauenzentrale, dass das kein Thema sei, sie hätte schliesslich auch zwischen Beruf und Familie wählen müssen! Es sei nur normal, dass auch junge Frauen eine Wahl treffen müssten …

    30 Jahre hat es gedauert, bis das Dogma der Unvereinbarkeit dem Ziel der Vereinbarkeit gewichen ist.

    Zu viele Mütter verzichteten auf die Option Beruf, viele unter Inkaufnahme empfindlicher finanzieller Nachteile, manche aus Bequemlichkeit und einige, weil sie sich als Vollzeit-Mütter definierten.

    Dass dabei das Kindesinteresse – von Ausnahmen abgesehen – kaum gewahrt wurde, schien nicht der Rede wert.

    Was, bitte schön, ist an der Tatsache sozial, wenn manche Mütter zu Hause mit einem warmen Mittagessen aufwarten, während sich Schlüsselkinder mit halbwegs aufgetauter Tiefkühlkost zufriedengeben müssen?

    Einige Kinder haben in einer zweistündigen Mittagpause einen Weg von einer Stunde hinter sich zu bringen, nicht immer vom Verkehr geschützt, andere sind in fünf Minuten zuhause, finden noch Zeit für ein Nickerchen oder ihr Lieblingsspiel. Gerecht?

    Allen Kindern falle es, so ist von der Seite der Lehrpersonen zu hören, schwer, sich nach der auswärtigen Mittagspause wieder in den Schulbetrieb einzufinden. Für viele Lehrerinnen und Lehrer ein unnötiger Zeit- und Kraftverschleiss.

    Der Mittagstisch bietet mancher Lehrperson die Gelegenheit, in privaten Gesprächen das Vertrauen zu den Schülern zu vertiefen und solchermassen heiklen Themen wie etwa den «Daheimnissen» (Geheimnisse in der Familie), Mobbing und anderem Schülerstress auf die Spur zu kommen.

    Und die nachschulische Betreuung ermöglicht es der Lehrerschaft, sich auf individuelle Lerndefizite ihrer Schülerinnen und Schüler zu konzentrieren; sie erhöht damit die Chancengleichheit auf der Bildungsebene.

    Die Tagesschule garantiert fast jeder Familie sich finanziell mithilfe des Frauenlohns über Wasser halten zu können.

    Kurzum: Die Tagesschule, die schulergänzende Bildung und Betreuung, ist zweifellos die sozialste, die gerechteste und die bildungsfreundlichste Form der Schule.

    Wer das erkannt hat, wird sich dafür einsetzen müssen, dass die Struktur und damit das Gelingen der Tagesschule garantiert wird. Und da scheint es mir selbstverständlich zu sein, dass die Arbeitsbedingungen der Schülerbetreuung optimiert werden müssen, sodass diese zum Gelingen des Projekts Ganztagesschule beitragen wird.

    Nach 30 Jahren Ringen um Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden wir es wohl noch schaffen, die Arbeitsmodalitäten des dafür notwendigen Personals richtig hinzukriegen, nicht wahr?

    Dieses Buch schafft dafür eine Grundlage, indem es die Anstellungs- und Arbeitsbedingungen des Personals darstellt und Handlungsfelder identifiziert für die weitere Entwicklung.

    Dr. Ellen Ringier, Präsidentin Stiftung Elternsein und Herausgeberin von «Das Schweizer Elternmagazin Fritz+Fränzi»

    Februar 2020

    1 Einleitung

    Dieses Buch ist aus einem Forschungsprojekt der Pädagogischen Hochschule Bern (PHBern) entstanden. Wir haben den prägnanten Projekttitel «Arbeitsplatz Tagesschule» auch für dieses Buch übernommen. Da der Begriff «Tagesschule» in der Deutschschweiz zwar oft für die schulergänzende Betreuung insgesamt verwendet wird, aber gleichzeitig auch die entsprechenden Einrichtungen im Kanton Bern bezeichnet, verwenden wir im Buch den Begriff «Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung».

    1.1 Was sind Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung?

    Die institutionelle schulergänzende Bildung und Betreuung (SEBB) beinhaltet die formelle und regelmässige Betreuung von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen ausserhalb der obligatorischen Schulstunden in privaten oder öffentlichen Einrichtungen und hebt deren Bildungsanspruch hervor (vgl. EDK & SODK, 2018; Schüpbach, 2010). Die Vielfalt der Angebote im Bereich SEBB ist in der Schweiz gross und spiegelt sich in den lokal unterschiedlichen Begriffen wider. Es gibt diesbezüglich keine einheitlichen Bezeichnungen für die Angebote. Schüpbach (2010) unterscheidet Einrichtungen, in welchen Unterricht und Angebote ausserhalb des Unterrichts in eine ganztägige Struktur integriert sind («gebundene Tagesschule») von Einrichtungen, welche neben dem obligatorischen Schulunterricht verschiedene ergänzende Angebote anbieten (z.B. Mittagstisch, Hausaufgabenhilfe), die freiwillig wählbar sind («modulare Tagesstruktur»). In der Schweiz sind bis anhin Einrichtungen in Form von modularen Tagesstrukturen am häufigsten (vgl. Windlinger, 2016).

    Da wir die Kantone Aargau, Bern und Solothurn untersucht haben, verwenden wir die kantonalen Begriffe, nämlich Tagesschulen und Tagesstätten (Tagis) für den Kanton Bern, Mittagstische und Tagesstrukturen für die Kantone Aargau und Solothurn. All diese Einrichtungen werden mit dem Oberbegriff «Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung» (SEBB) bezeichnet.

    1.2 Wie haben sich die Einrichtungen der SEBB entwickelt?

    Angebote im Bereich der schulergänzenden Bildung und Betreuung haben in den letzten Jahren in der Schweiz stark zugenommen und werden weiter ausgebaut. Lange Zeit bewegte sich jedoch in der ausserfamiliären Kinderbetreuung wenig, weil «der rasche Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegsjahrzehnte – in einem vom II. Weltkrieg nicht zerstörten Land […] dazu bei[trug], dass es sich in der Schweiz mehr junge Familien wirtschaftlich leisten konnten, die Mutter vollamtlich auf Haushaltsaufgaben und Kinderbetreuung zu verpflichten» (Bundesrat, 2017, S. 20). Deshalb sind in der Schweiz traditionelle Haushaltsstrukturen und Familienformen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern häufig (Bundesrat, 2017, S. 7).

    Neue gesellschaftliche Entwicklungen und der familiale Wandel haben dazu geführt, dass mehr schulergänzende Bildung und Betreuung gefordert wurde und wird. An die SEBB werden entsprechend unterschiedliche wirtschaftliche, politische, pädagogische und gesellschaftliche Ansprüche und Erwartungen gestellt: Sie soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen und Frauen vermehrt in die Erwerbsarbeit einbinden, was zudem dem prognostizierten Fachkräftemangel entgegenwirken soll (Eidg. Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung [WBF], o.J.; Forrer Kasteel & Shenton-Bärlocher, 2008). Schulergänzende Bildung und Betreuung soll ausserdem die Bildungschancen benachteiligter Kinder verbessern (Schüpbach, 2018b). Zudem hat die SEBB auch einen ökonomischen Vorteil, weil erwerbstätige Eltern mehr Einkommenssteuern bezahlen und weniger oft auf Sozialhilfebeiträge angewiesen sind (Guerra Lig-Long & Dietiker, 2011).

    Verschiedene Interessengruppen unterstützen also den Ausbau der schulergänzenden Bildung und Betreuung mit unterschiedlichen Begründungen. Themen wie die Personalstruktur, die Arbeitsbedingungen und Fragen der Qualität stehen dabei aber oft nicht im Vordergrund (vpod, 2012) oder sind schwierig zu bearbeiten, da verlässliche Daten dazu fehlen.

    1.3 Weshalb ist es wichtig, die Arbeitsbedingungen zu untersuchen?

    Diverse Studien haben gezeigt, dass die Qualität von schulergänzender Bildung und Betreuung auch von den Mitarbeitenden der Einrichtungen und deren Qualifikation abhängt. Die Qualität der Einrichtungen der SEBB hat wiederum einen Zusammenhang mit dem Lernerfolg der Kinder und Jugendlichen (Schüpbach, 2016; Schüpbach, Allmen, Frei & Nieuwenboom, 2017). Zudem haben Studien aus dem Schulbereich gezeigt, dass das Wohlbefinden von Lehrpersonen einen positiven Effekt auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler hat (vgl. z.B. Arens & Morin, 2016). Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, die Arbeitsbedingungen des Personals in Einrichtungen der SEBB zu untersuchen. Dies ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil die Angebote in der Schweiz im Moment ausgebaut werden. Eine Wissensbasis soll der Weiterentwicklung, insbesondere der Qualitätsentwicklung dieser Angebote dienen.

    1.4 Inhalt und Leseanleitung

    In diesem Buch werden die Entwicklungen und die Rahmenbedingungen der Einrichtungen der SEBB in den drei untersuchten Kantonen Aargau, Bern und Solothurn dargestellt (Kapitel 2). Darauf folgen aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung zum Thema Arbeit und Gesundheit (Kapitel 3). An diese zwei Grundlagenkapitel schliesst in Kapitel 4 die Beschreibung unseres Forschungsprojekts «Arbeitsplatz Tagesschule» an. In Kapitel 5 bis Kapitel 14 stellen wir die Forschungsergebnisse dar. Dabei beruhen die Kapitel 5 bis 12 auf quantitativen Auswertungen (statistische Analysen) und Kapitel 13 und 14 auf qualitativen Auswertungen (Analyse und Kategorisierung von Antworten auf offene Fragen). Jedes Kapitel beinhaltet eine Facette des Forschungsprojekts und kann als in sich geschlossen und für sich verständliche Einheit gelesen werden. Zum Abschluss bietet das Kapitel 15 eine Schlussbetrachtung und Hinweise zu Handlungsfeldern. Am Ende jedes Kapitels wird das Wichtigste in kurzer Form zusammengefasst. Fachbegriffe und Abkürzungen werden im Glossar ab Seite 222 erklärt.

    2 Rahmenbedingungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung in den drei Kantonen

    Die schulergänzende Bildung und Betreuung ist Teil der Bildungslandschaft in den drei Kantonen Aargau, Bern und Solothurn. Sie ist regelmässig ein Politikum, weil sie sich in einem Gebilde voller Gesetze, Richtlinien und Forderungen bewegt. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den drei Kantonen. Als Erstes werden allgemeine Gesetze und Verordnungen beschrieben, die für sie gelten – beginnend mit Gesetzen auf internationaler Ebene. Es folgen Gesetze auf nationaler, interkantonaler sowie kantonaler Ebene. Schliesslich beleuchten wir die Vorgaben der drei untersuchten Kantone Aargau, Bern und Solothurn bezüglich konkreter Aspekte. Dabei ziehen wir Richtlinien und Empfehlungen verschiedener Verbände hinzu, die sich für Einrichtungen der SEBB einsetzen.

    Die Regulierung wie auch die Forderungen nach Einrichtungen der SEBB in der Schweiz sind vielfältig und basieren auf verschiedensten Gesetzen und Empfehlungen. So ist die Kinderbetreuung in der übergreifenden UN-Kinderrechtskonvention (1989) festgehalten, welche die Schweiz 1997 ratifizierte:

    Zur Gewährleistung und Förderung der in diesem Übereinkommen festgelegten Rechte unterstützen die Vertragsstaaten die Eltern und den Vormund in angemessener Weise bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, das Kind zu erziehen, und sorgen für den Ausbau von Institutionen, Einrichtungen und Diensten für die Betreuung von Kindern. (Art. 18 Abs. 2)

    Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Massnahmen, um sicherzustellen, dass Kinder berufstätiger Eltern das Recht haben, die für sie in Betracht kommenden Kinderbetreuungsdienste und -einrichtungen zu nutzen. (Art. 18 Abs. 3)

    Auf Bundesebene ist für die Kinderbetreuung insbesondere die Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern (PAVO, 1977) massgebend. Sie regelt unter anderem die Bewilligungspflicht und -voraussetzungen sowie die Aufsicht bei Neueröffnungen von Kindertagesstätten und Einrichtungen der SEBB. Darin sind sehr allgemeine Voraussetzungen aufgeführt, beispielsweise zur Wohnhygiene und zum Brandschutz, aber auch zur Qualität im Sinne einer entwicklungsförderlichen Betreuung und angemessenen personellen Ausstattung. Für den Vollzug sind die Kantone verantwortlich, wobei die meisten Kantone ergänzende kantonale Rechtsgrundlagen geschaffen haben.

    Es bestehen weitere Vorschriften und Gesetze, die bei der Eröffnung einer Einrichtung der SEBB zur Anwendung kommen. Sie betreffen zum Beispiel Unfallverhütung, Lebensmittelsicherheit oder baupolizeiliche Anforderungen, die darüber hinaus grundsätzlich für Unternehmen oder Gebäude gelten.

    Der Bundesrat (2017) benennt den Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung im Familienbericht von 2017 als eine Option für das Handlungsfeld «Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit». Damit wurde der Handlungsbedarf nach mehr Betreuungsplätzen auf Bundesebene erkannt. Konkrete Unterstützung bietet der Bund mit der Verordnung über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung (KBFHV, 2018). Dabei handelt es sich um ein Impulsprogramm, das neuen Betreuungseinrichtungen in den ersten zwei oder drei Betriebsjahren eine Finanzhilfe gewährt. In der Verlängerung der Verordnung bis 2023 sind zudem Finanzhilfen für die Erhöhung von Subventionen für die familienergänzende Kinderbetreuung (an die Erziehungsberechtigten oder an die Einrichtungen) sowie Finanzhilfen für Projekte zur besseren Abstimmung des familienergänzenden Betreuungsangebots auf die Bedürfnisse der Eltern enthalten.

    Schulergänzende Einrichtungen werden zudem auf interkantonaler Ebene gefordert. So steht im HarmoS-Konkordat (2007) Folgendes:

    Es besteht ein bedarfsgerechtes Angebot für die Betreuung der Schülerinnen und Schüler ausserhalb der Unterrichtszeit (Tagesstrukturen). Die Nutzung dieses Angebots ist fakultativ und für die Erziehungsberechtigten grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 11 Abs. 2).

    Das HarmoS-Konkordat ist seit 2009 in Kraft und wurde seither von 15 Kantonen unterzeichnet. Dazu gehören die Kantone Bern und Solothurn, nicht aber der Kanton Aargau.

    Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) und die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) regeln in einer gemeinsamen Erklärung die Federführung für die interkantonale Koordination der familienergänzenden Betreuung (EDK & SODK, 2018). Bei Kindern im Schulalter ist demnach die EDK verantwortlich. Zudem erklären sie das Kindeswohl als Ausgangspunkt aller Ziele und Massnahmen in Bezug auf die schulergänzende Betreuung. Die schulergänzende Betreuung soll die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie ermöglichen und damit der Existenzsicherung von Familien dienen. Sie soll Familienarmut bekämpfen und mithelfen, die Zielsetzung der Fachkräfteinitiative (WBF, o.J.) zu erreichen.

    Schliesslich kommt der Bundesrat beim Vergleich der Familienpolitik auf nationaler und kantonaler Ebene zum Schluss, dass «im Handlungsfeld Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit […] die Einschätzung von Bund und Kantonen zu den Herausforderungen ebenfalls nicht weit auseinander [liegt]. Unbestritten ist der weitere Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung» (Bundesrat, 2017, S. 38).

    Die Gesetzesgrundlagen der Kantone sind diesbezüglich sehr unterschiedlich, was auch für die im Forschungsprojekt untersuchten Kantone Aargau, Bern und Solothurn gilt. Der Kanton Aargau regelt nur wenig kantonal, er verpflichtet jedoch mit dem Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung KiBeG von 2016 die Gemeinden, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot sicherzustellen. Zudem muss sich die Wohngemeinde finanziell an den Betreuungskosten beteiligen, unabhängig vom Betreuungsort und abhängig vom Einkommen der Erziehungsberechtigten. Das Gesetz kam als Gegenvorschlag zu einer Volksinitiative zustande, die sich weit mehr kantonale Regelungen gewünscht hätte (Regierungsrat Kanton Aargau, 2014). Zuständig für die schulergänzende Bildung und Betreuung ist im Kanton Aargau das Departement Gesundheit und Soziales (Organisationseinheit Gesellschaft – Fachstelle Alter und Familie). Den Gemeinden wird ein grösstmöglicher Handlungsspielraum eingeräumt, sie müssen eigene Qualitätsstandards festlegen (Regierungsrat Kanton Aargau, 2019).

    Im Kanton Bern bestehen verschiedene, teils ausführliche Gesetzesgrundlagen. Sowohl in der Verfassung des Kantons Bern (1993) als auch im Volksschulgesetz (VSG, 1992) sind Grundsätze und Angebote grob geregelt. Hervorzuheben ist hierbei, dass im Volksschulgesetz das Tagesschulangebot als Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Volksschule verstanden wird. Zudem gibt es im Kanton Bern seit 2008 eine Tagesschulverordnung, die detailliert das Angebot regelt (TSV, 2008). Wie auch im Kanton Aargau (Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau, 2016) gibt es im Kanton Bern einen Leitfaden zur Einführung und Umsetzung (Erziehungsdirektion des Kantons Bern [ERZ], 2009). Für die Fragen rund um die schulergänzende Kinderbetreuung ist im Kanton Bern die Erziehungsdirektion (Amt für Kindergarten, Volksschule und Beratung) zuständig. Eine Ausnahme bilden hierbei die «Tagis» (Tagesstätten) sowie private Einrichtungen der SEBB. Sie unterliegen dem Kantonalen Jugendamt und dessen Richtlinien für die Bewilligung privater Kindertagesstätten sowie der Kantonalen Gesundheits- und Fürsorgedirektion (Kantonales Jugendamt Bern, 2017; ASIV, 2011). Da die institutionalisierte SEBB im Kanton Bern mehrheitlich von Tagesschulen angeboten wird, gehen wir im Folgenden nicht weiter auf die Richtlinien des Kantonalen Jugendamts ein.

    Im Kanton Solothurn ist die Fachstelle Familie und Generationen zuständig für die SEBB sowie für die Aufsicht und Bewilligung von privatrechtlichen Einrichtungen. Die Fachstelle ist dem Amt für soziale Sicherheit (ASO) und somit dem Departement des Innern untergeordnet. Im Gegensatz zu den Kantonen Aargau und Bern besteht im Kanton Solothurn keine Pflicht für die Gemeinden, ein bedarfsgerechtes Angebot von Tagesstrukturen zu führen, vielmehr ist es eine Empfehlung zur Förderung der familienergänzenden Betreuungsangebote (SG, 2007, Art. 107). Änderungen diesbezüglich scheiterten bisher. Sowohl der parlamentarische Auftrag der Fraktion SP/Grüne zur «Schaffung von Tagesschulen» als auch die Volksinitiative «Familienfreundliche Tagesstrukturen in den Solothurner Gemeinden» der FDP wurden abgelehnt (Regierungsrat Kanton Solothurn, 2008; Staatskanzlei Kanton Solothurn, 2011). Im Kanton Solothurn ist eine Bewilligung für eine Einrichtung der SEBB vonseiten Kanton nur nötig, wenn das Angebot mindestens 20 Stunden pro Woche umfasst und mindestens 6 Kinder betreut werden (ASO, 2015). Dazu gibt es kantonale Richtlinien und ein Handbuch, welches jedoch lediglich Empfehlungscharakter hat. Weiter führt der Kanton Solothurn einen Praxisleitfaden, der die Gemeinden unterstützen soll, bedarfsgerechte Angebote aufzubauen. Schulergänzende Tagesstrukturen, welche die Schule selbst oder die Gemeinden führen, sind von der Bewilligungspflicht durch das ASO (2016) ausgenommen.

    In allen drei Kantonen sind also die Kantone und Gemeinden für die Bewilligung, Aufsicht und Reglementierung von Einrichtungen der SEBB gemeinsam zuständig, wobei sich im Kanton Aargau die kantonalen Vorgaben darauf beschränken, die Verantwortung dafür an die Gemeinden zu übertragen.

    Im Folgenden führen wir kantonale Gesetzesgrundlagen und Richtlinien jeweils in der Reihenfolge Aargau, Bern, Solothurn auf und ergänzen die verschiedenen Aspekte durch Empfehlungen von Verbänden.

    2.1 Ziele der schulergänzenden Bildung und Betreuung

    Der Kanton Aargau begründet die familienergänzende Kinderbetreuung mit der Vereinbarkeit von Familie und Arbeit oder Ausbildung. Zudem definiert er die Verbesserung der gesellschaftlichen, insbesondere der sprachlichen Integration und Chancengerechtigkeit der Kinder als Ziele (KiBeG, 2016). Ergänzt werden diese durch weitere mögliche Zielsetzungen, so die Förderung der Standortattraktivität, die Erhöhung des Wirkungsgrades der Bildungsinvestitionen und die Verminderung von Familienarmut. Die Gemeinden können diese bei der strategischen Ausarbeitung des Angebots berücksichtigen (Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau, 2016).

    Auch der Kanton Bern führt die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Betreuungsaufgaben als Motiv auf. Zudem soll die schulergänzende Betreuung die Schule dabei unterstützen, den Bildungsauftrag (Erziehung und Förderung) zu erfüllen (VSG, 1992; Verfassung des Kantons Bern, 1993).

    Der Kanton Solothurn beleuchtet die Gründe einer finanziellen Beteiligung von Gemeinden an familienergänzenden Betreuungsangeboten mit der sozialpolitischen Verantwortung, der gesellschaftlichen und sprachlichen Integration von fremdsprachigen Kindern, mit der Chancengerechtigkeit, der Befreiung aus der Familienarmut, der Attraktivitätssteigerung des Wohnortes, der steuerlichen Gewinne, der Arbeitgebendenattraktivität, der wirtschaftlichen Standortattraktivität und den qualifizierten Mitarbeitenden, die auf dem Arbeitsmarkt erhalten bleiben (ASO, o.J.).

    Kibesuisse, der Verband Kinderbetreuung Schweiz, merkt an, dass Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung ein pädagogisches Angebot für Kinder in Ergänzung zum Unterricht darstellen, dabei werden «die individuellen Entwicklungsschritte der Kinder […] anregungsreich und entwicklungsfördernd unterstützt. Somit liegt den Tagesstrukturen als non-formales Bildungsangebot ein sozialer und präventiver Charakter zugrunde, der sich an die von der UNICEF definierten Kinderrechte anlehnt» (Kibesuisse, 2017, S. 3–4).

    2.2 Leitung der Einrichtungen

    Der Kanton Aargau macht zu den Anforderungen an Leitungspersonen keine Angaben, sondern delegiert dies an die Gemeinden. Der Kanton Bern setzt für eine Leitungsperson einer Tageschule eine abgeschlossene (sozial-)pädagogische Ausbildung voraus (TSV, Art. 3, 2008). Der Kanton Solothurn ergänzt dies in seinen kantonalen Richtlinien zusätzlich mit einer persönlichen Eignung und Führungserfahrung oder der Bereitschaft, innert drei Jahren eine angemessene Führungsausbildung abzuschliessen (ASO, 2016).

    Kibesuisse (2018a) empfiehlt eine tertiäre pädagogische Ausbildung für Leitungspersonen und eine Führungsausbildung oder -weiterbildung. Die Verbände Kibesuisse sowie Bildung und Betreuung empfehlen zudem, dass Leitungsaufgaben von den Betreuungsarbeiten getrennt werden und angemessen Zeit in Form von Stellenprozenten zur Verfügung gestellt wird. Im besten Fall entsprechen die Anstellungsbedingungen der Leitung der Einrichtung der SEBB derjenigen einer Schulleitung (Bildung und Betreuung, 2010; Kibesuisse, 2017). Die Schweizerische Gesundheitsstiftung Radix betont zudem, dass die Leitungsfunktion neben den erwähnten Punkten auch «Vertrauen von allen Beteiligten, Einfühlungsvermögen, Freude, Wertschätzung und Engagement für eine gute Atmosphäre» und die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen beinhaltet (Conrad Zschaber, Jost, Weidmann, Bender & Rytz, 2018, S. 9). Die Fachstelle Kinder&Familien (2017) empfiehlt, dass die betriebliche Leitung über eine betriebswirtschaftliche Führungsweiterbildung verfügt.

    2.3 Personal

    Im Kanton Aargau gibt es keine Vorgaben zum Personal in Einrichtungen der SEBB. Allerdings wird von den Gemeinden erwartet, dass sie gemeindeintern Qualitätsstandards erarbeiten (Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau, 2016, S. 21). Viele Gemeinden haben die Qualitätsstandards der Fachstelle Kinder&Familien übernommen (Fachstelle Kinder&Familien, pers. Kommunikation, Juni 2019).

    Die Tagesschulverordnung des Kantons Bern schreibt einen Anteil (sozial-)pädagogisch ausgebildetes Personal von mindestens 50 Prozent vor, eine Ausnahme macht sie für Tagesschulen mit tiefen pädagogischen Ansprüchen (TSV, 2008). Es gibt Merkblätter der Erziehungsdirektion des Kantons Bern zu den Anstellungsbedingungen von Tagesschulmitarbeitenden, sowohl zu den Gehältern (ERZ, 2018a) als auch zu den Ausbildungen (ERZ, 2016). Die Anstellungsbehörde der Arbeitnehmenden in den Tagesschulen im Kanton Bern sind die Gemeinden, welche die Anstellungsbedingungen festlegen

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