Hilfe, ich liebe einen Dieb!: Die neue Praxis Dr. Norden 20 – Arztserie
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Über dieses E-Book
»Was kann ich für Sie tun, Frau Meier?«, fragte Daniel seine erste Patientin an diesem Morgen. »Ehrlich gesagt, bin ich heut nicht wegen mir hier«, antwortete die rundliche Mittsechzigerin. Bevor sie sich auf einen der beiden Stühle gegenüber von Daniel setzte, strich sie nachdenklich das hellblaue Schürzchen glatt, das sie zu ihrem dunkelblauen Dirndl trug. »Um wen geht es?«, wollte Daniel wissen. »Um Ferdi, meinen Neffen. Es muss endlich etwas geschehen. Die Familie muss Verantwortung übernehmen. Ich hoff, dass Sie uns dabei helfen können.« »Und bei was genau?« »Unser Ferdi ist vermutlich alkoholkrank.« »Wie kommen Sie darauf, Frau Meier?«, fragte Daniel, während er sich das Patientenblatt von Ferdinand Meier ansah. Der KFZ-Meister mit eigener Werkstatt gehörte zu seinen Patienten, war aber seit einigen Monaten nicht mehr bei ihm gewesen. Dass er Probleme mit dem Alkohol hatte, war ihm bei seinem letzten Besuch nicht aufgefallen, zumal auch seine Blutwerte keinen Anlass zur Besorgnis gaben. »Der Ferdi ist in letzter Zeit immer häufiger angetrunken. Selbst neulich, als mein Mann und ich zum Nachmittagskaffee bei ihm und seiner Frau waren, hat er getrunken.« »Wie viel hat er denn getrunken?«
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Buchvorschau
Hilfe, ich liebe einen Dieb! - Carmen von Lindenau
Die neue Praxis Dr. Norden
– 20 –
Hilfe, ich liebe einen Dieb!
... und er ist auch noch Kinderarzt? Der Fall wirft Rätsel auf
Carmen von Lindenau
»Was kann ich für Sie tun, Frau Meier?«, fragte Daniel seine erste Patientin an diesem Morgen.
»Ehrlich gesagt, bin ich heut nicht wegen mir hier«, antwortete die rundliche Mittsechzigerin. Bevor sie sich auf einen der beiden Stühle gegenüber von Daniel setzte, strich sie nachdenklich das hellblaue Schürzchen glatt, das sie zu ihrem dunkelblauen Dirndl trug.
»Um wen geht es?«, wollte Daniel wissen.
»Um Ferdi, meinen Neffen. Es muss endlich etwas geschehen. Die Familie muss Verantwortung übernehmen. Ich hoff, dass Sie uns dabei helfen können.«
»Und bei was genau?«
»Unser Ferdi ist vermutlich alkoholkrank.«
»Wie kommen Sie darauf, Frau Meier?«, fragte Daniel, während er sich das Patientenblatt von Ferdinand Meier ansah.
Der KFZ-Meister mit eigener Werkstatt gehörte zu seinen Patienten, war aber seit einigen Monaten nicht mehr bei ihm gewesen. Dass er Probleme mit dem Alkohol hatte, war ihm bei seinem letzten Besuch nicht aufgefallen, zumal auch seine Blutwerte keinen Anlass zur Besorgnis gaben.
»Der Ferdi ist in letzter Zeit immer häufiger angetrunken. Selbst neulich, als mein Mann und ich zum Nachmittagskaffee bei ihm und seiner Frau waren, hat er getrunken.«
»Wie viel hat er denn getrunken?«
»Das weiß ich nicht. Er hat es nicht in unserem Beisein getan, sondern heimlich. Auf einmal war er ganz daneben und hat trotzdem behauptet, er hätte nichts getrunken. Wenn einer heimlich trinkt, dann ist es mit seinem Alkoholismus schon weit fortgeschritten, habe ich gelesen.«
»Es ist zumindest kein gutes Zeichen.«
»Das sieht seine Frau auch so. Was ihr noch mehr zu schaffen macht als seine Sucht, ist diese Lügerei. Dass er immer wieder schwört, er würde nichts trinken, höchstens mal ein Glas Bier oder ein Glas Wein, aber nicht mehr.«
»Das Leugnen gehört leider oft dazu. Die Betroffenen wollen nicht wahrhaben, was sie sich antun.«
»Aber er kann es nicht länger leugnen. Er hat jetzt sogar seinen Führerschein für ein paar Wochen abgeben müssen, weil die Polizei ihn erwischt hat, als er torkelnd aus seinem Auto stieg. Er hatte zwei Promille Alkohol im Blut.«
»Gut, dass nicht mehr passiert ist.« Ferdinand Meier war ein großer starker Mann Ende vierzig. Mit ein oder zwei Glas Bier konnte er diesen Wert nicht erreichen. Er musste um einiges mehr trinken, als er seiner Familie gegenüber zugab.
»Ja, da hatte er noch einmal Glück gehabt. Aber wer weiß, was das nächste Mal passiert, wenn er sich wieder in diesem Zustand ans Steuer setzt. Seine Frau ist vorübergehend zu ihrer Schwester nach Schwabing gezogen. Erst wenn der Ferdi bereit ist, sich seine Sucht einzugestehen und Hilfe annimmt, wird sie zu ihm zurückkehren.«
»Dann wollen wir hoffen, dass das bald der Fall ist.«
»Vielleicht können Sie ihn dazu bringen, dass er sich Hilfe sucht.«
»Ich werde es versuchen.«
»Vielleicht hat er auch Depressionen und sucht deshalb Trost im Alkohol.«
»Wie kommen Sie darauf, dass er Depressionen hat?«, fragte Daniel. Als Ferdi vor sechs Monaten zu einem Routinecheck das letzte Mal bei ihm gewesen war, hatte er auch keine Anzeichen dieser Krankheit gezeigt.
»Es ist nur so eine Idee. Irgendeinen Grund muss es doch haben, dass er plötzlich so viel trinkt.«
»Was sagt seine Frau dazu?«
»Sie meint, er sei nicht depressiv, sondern alkoholkrank. Ferdi allerdings hält es inzwischen für möglich, dass er depressiv ist«, entgegnete Gusti und ließ ihren Blick durch das Sprechzimmer gleiten. Zuerst über Daniels Schreibtisch, die seitlich am Tisch befestigte Lampe mit dem großen weißen Schirm, hinüber zur Untersuchungsliege mit dem weißen Polster und schließlich schaute sie auf die schöne alte Standuhr in ihrem Gehäuse aus Ahornholz.
»Haben Sie denn Erfahrung mit Depressionen, Frau Meier?«
»Mei, ich selbst hatte glücklicherweise noch nicht damit zu tun, aber ich hab eine gute Freundin, die jahrelang an dieser Krankheit litt. Ich möcht dem Ferdi unbedingt helfen, weil ich nicht möcht, dass er so endet wie meine Freundin.«
»Was ist mit ihr passiert?«
»Sie ist eines Morgens nicht mehr aufgewacht. Sie hatte zu viele Tabletten genommen. Werden Sie den Ferdi auch auf Depressionen hin untersuchen, Herr Doktor?«
»Das werde ich besser meiner Frau überlassen. Sollte Ihr Neffe Anzeichen einer Depression zeigen, werde ich ihn an sie überweisen.«
»Mei, das wär freilich die beste Lösung. Ist sie denn schon wieder in der Praxis?«
»Noch nicht Vollzeit, aber sie nimmt schon wieder Patienten an.«
»Ich bin sicher, Ihrer Frau würd sich der Ferdi anvertrauen. Ich hab ihn auch gleich mitgebracht. Er sitzt im Wartezimmer. Ich hab ihm erzählt, dass ich heut zu einer Routineuntersuchung zu Ihnen geh und konnt ihn überreden, mich zu begleiten. Ich hoff wirklich sehr, Sie können etwas für ihn tun.«
»Wenn er sich helfen lassen will, dann werden wir einen Weg finden.«
»Ich danke Ihnen, Herr Doktor. Ich werd dann gehen. Bitte sagen Sie ihm nicht, dass ich Ihnen bereits von seinen Problemen erzählt hab.«
»Darauf können Sie sich verlassen«, versicherte Daniel ihr. »Ihr Neffe hat Glück, so eine Tante wie Sie zu haben.«
»Mei, seine Eltern leben nicht mehr, und ich möcht ihm ein bissel einen Halt geben.«
»Genau das tun Sie gerade, Frau Meier.«
»Es wär schön, wenn er wieder zu sich finden würd«, seufzte Gusti.
»Er ist hier, das ist ein guter erster Schritt«, sagte Daniel und hielt Gusti die Tür auf.
Gusti Meier gehörte zu seinen Patientinnen der ersten Stunde. Sie kannte fast jeden in der Nachbarschaft, und wenn es etwas Neues gab, dann wusste sie es. Manche hielten ihr vor, dass sie nichts für sich behalten konnte, aber ganz so war es nicht. Gusti wusste, wann es besser war, zu schweigen, das hatte sie schon bewiesen.
Aber auch Ferdi kannte seine Tante, besser als sie vielleicht glaubte. Er wusste, dass es an diesem Vormittag nicht um sie ging, sondern, dass sie nur einen Vorwand gesucht hatte, um ihn dazu zu bewegen, mit seinem Arzt über seine Probleme zu sprechen.
»Ich gehe davon aus, dass Tante Gusti Ihnen bereits geschildert hat, wie es im Moment um mich steht«, sagte er, nachdem Daniel ihn begrüßt hatte.
»Bitte, nehmen Sie erst einmal Platz, Herr Meier«, bat Daniel Gustis Neffen.
Ferdi ging es nicht gut, das sah er auf den ersten Blick. Er sah müde aus, hatte dunkle Augenringe und hatte auch einige Kilos abgenommen, wie er an der zu weiten Jeans und dem ebenfalls zu weiten T-Shirt erkennen konnte.
»Was auch immer meine Tante Ihnen erzählt hat, ich bin kein Alkoholiker. Ich trinke vielleicht mal ein Glas Bier oder ein Glas Wein, das ist alles.«
»Warum sind Sie dem Rat Ihrer Tante gefolgt und zu mir gekommen?«, fragte Daniel und überließ es seinem Patienten, was er ihm anvertrauen wollte.
»Meine Frau und ich haben im Moment kein gutes Verhältnis. Auch sie glaubt, dass ich zu viel trinke und mich deshalb oft schlecht benehme. Aber noch mehr als das, belastet diese dunkle Stimmung, die mich ständig überfällt, unsere Ehe. Ich will meine Frau nicht verlieren, Herr Doktor, deshalb bin ich hier.«
»Sie sind bereit, etwas dafür zu tun, dass es nicht passiert. Das ist ein guter Anfang. Ich schlage vor, erst einmal