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Startup Finanzierung: Dein Insider-Guide: Praxis-Tipps von Investoren für Gründerinnen und Gründer
Startup Finanzierung: Dein Insider-Guide: Praxis-Tipps von Investoren für Gründerinnen und Gründer
Startup Finanzierung: Dein Insider-Guide: Praxis-Tipps von Investoren für Gründerinnen und Gründer
eBook808 Seiten4 Stunden

Startup Finanzierung: Dein Insider-Guide: Praxis-Tipps von Investoren für Gründerinnen und Gründer

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Über dieses E-Book

Bist du Gründer oder Gründerin auf der Suche nach Investoren, um dein Startup-Unternehmen aufs nächste Level zu heben?

Mit Hilfe zahlreicher Fallstudien aus der Praxis verraten die Investoren Martin Giese und Nicolaj Højer Nielsen in diesem Buch ihre Insider-Tipps:

  • Wo du Investoren findest
SpracheDeutsch
HerausgeberMartin Giese
Erscheinungsdatum9. Jan. 2020
ISBN9783000644078
Startup Finanzierung: Dein Insider-Guide: Praxis-Tipps von Investoren für Gründerinnen und Gründer

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    Buchvorschau

    Startup Finanzierung - Martin Giese

    Kapitel 1

    Brauchst du wirklich

    externes Kapital?

    Ob, wann und wo du dich nach Kapital umsiehst, hängt von der Art deines Gründungsvorhabens ab. Es gibt Startups, die (zunächst) keine externe Finanzierung brauchen (Typ 1), Startups, die ohne externes Kapital niemals überleben könnten (Typ 2), und Startups, die vor der Wahl stehen, organisch durch Umsätze zu wachsen oder Fremdkapital als Beschleuniger für Wachstum zu verwenden (Typ 3). In diesem Kapitel lernst du, welche Finanzierungsfragen für deinen Startup-Typ relevant sind.

    Die Mehrzahl der Unternehmensgründungen braucht externes Kapital. Ob du nun ein Software-Startup gründest oder ein neues Restaurant eröffnest – der Kapitalbedarf kann in beiden Fällen ganz beträchtlich sein. Für die Software-Entwicklung brauchst du Serversysteme und Softwareentwickler, für das Restaurant Mobiliar, eine Gastronomieküche und Personal.

    Die Startup-Gründung unterscheidet sich jedoch in einem wichtigen Punkt von einer „normalen Unternehmensgründung: Startups bauen auf „(hoch) innovativen Produkten/Dienstleistungen, Geschäftsmodellen und/oder Technologien auf (Deutscher Startup Monitor 2018).

    Im Gegensatz zu klassischen Unternehmensgründungen wie Beratungen, Friseursalons, Restaurants, Industriebetrieben oder Handelsunternehmen bedeutet dieser Unterschied ein viel weniger planbares Ergebnis und ein höheres Risiko. Damit fallen auch viele der klassischen Arten der Kapitalbeschaffung wie Bankkredite als Finanzierungsmöglichkeit weg. Hier sind andere Finanzierungsstrategien und -quellen relevanter. In den folgenden Kapiteln schauen wir uns deshalb die unterschiedlichen Typen von Investoren an, für welche Startups sie sich prinzipiell interessieren, in welchen Phasen sie investieren, und wie du sie überzeugen kannst, dein Unternehmen zu finanzieren.

    Aber lass uns zuerst eine Frage klären: Braucht denn überhaupt jedes Startup eine externe Finanzierung – und wenn ja, wozu?

    Welche Startups brauchen eine externe Finanzierung?

    Ob dein Startup eine externe Finanzierung benötigt, hängt davon ab, welchem der folgenden drei Typen deine Gründung angehört.

    Typ 1: Dein Startup braucht (zunächst) keine externe Finanzierung

    Startups, die gar keine externe Finanzierung brauchen, sind die Ausnahme (aber es gibt sie). Solche Startups haben einen begrenzten Kapitalbedarf, weil sie wenig physische Investitionen tätigen müssen, ihr Produkt oder ihre Dienstleistung schnell verfügbar ist und sie schon mit ihren Pilotkunden schnell signifikante Umsätze generieren können. Wenn dann noch überschaubare Vertriebs- und Marketingkosten hinzukommen, hast du die perfekte Situation, dass du (erst einmal) kein externes Kapital für deine Gründung brauchst. Du kannst dich aus eigenen Mitteln oder aus deinen Umsätzen finanzieren.

    Wenn dein Geschäft aktuell keinen externen Finanzierungsbedarf hat, kannst du dich freuen. Du musst zwar einige wichtige Punkte beachten (siehe Kapitel 2), brauchst dich aber nicht intensiv darum zu kümmern, Geldgeber für dein Unternehmen zu rekrutieren. Stattdessen kannst du deine Energie in das Tagesgeschäft und das Wachstum deines Unternehmens stecken. Und ganz wichtig: Lass dir die Freude am Aufbau deines Startups ohne externe Geldgeber auch nicht von anderen Gründerinnen und Gründern verderben, die stolz ihre Finanzierungserfolge als Beweis dafür anführen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Das Ergebnis ist es, was zählt!

    Typ 2: Ohne Kapital funktioniert dein Startup nicht

    Nehmen wir nun jedoch an, du hast eine Idee, die erst in drei bis vier Jahren ein marktreifes Produkt sein wird, weil du sie erst entwickeln musst. In einer perfekten Welt würden die Kunden schon für die Entwicklung aufkommen, aber in unserer nicht ganz so perfekten Welt wirst du diese Entwicklung selbst zahlen müssen. In anderen Worten: Ohne externe Finanzierung wird es dein Unternehmen nie geben.

    Ein Beispiel wäre ein Team Studierender, das im Labor ein neues Medikament zur Heilung von Krebs entwickelt und mit dieser Idee ein Biotech-Unternehmen gründen möchte. Das Labor kostet die Studierenden nicht viel, da sie dort alle Ressourcen zur Verfügung haben, die sie brauchen. Ab einem gewissen Punkt müssen sie jedoch alles auf eine Karte setzen, das Medikament testen und mehr Ressourcen für Forschung und Entwicklung aufwenden. Die Kosten können sich leicht auf mehrere Hundert Millionen Euro belaufen, bevor das Medikament auf dem Markt ist.

    Für manche Unternehmen ist eine Finanzierung also die einzige Option. Entweder du bekommst Kapital für dein Startup, oder es wird kein Unternehmen geben. Die Frage, die du dir stellen musst, ist:

    • Wann und aus welchen Quellen sichere ich mir das Geld, um mein Unternehmen aufzubauen?

    Finanzierung für einen Heimtest für Spermienqualität gesucht

    Team MotilityCount (Nicolaj rechts)­

    2009 entwickelten zwei erfahrene Forscher im Bereich der menschlichen Fruchtbarkeit, Jacob Mollenbach und Steen Laursen, ein neues Konzept: Sie wollten einen Heimtest für die Spermienqualität entwickeln, mit dem Männer zu Hause in ihrer vertrauten Umgebung Hinweise auf mögliche Unfruchtbarkeitsprobleme bekommen können, ohne eine Fruchtbarkeitsklinik aufsuchen zu müssen. Dazu experimentierten sie ein wenig mit einem Prototypen, der vielversprechende Ergebnisse lieferte. 2010 luden sie Nicolaj ein, Teil ihres Unternehmens zu werden und das Team im Management zu verstärken. Außerdem bereiteten sie ihre erste Patentanmeldung vor und reichten sie ein, um ihr Konzept vor Nachahmern zu schützen. Nicolaj erläutert:

    Das Haupthindernis, was unser Vorankommen bremste, war fehlendes Geld. Die geschätzten Kosten für die finale Entwicklung, die Prototypentests, den Produktionsstart und die Zertifizierungen lagen bei etwa anderthalb Millionen Euro – viel mehr, als wir drei Gründer in der eigenen Tasche hatten. Externes Kapital zu bekommen, war die einzige realistische Chance, weitermachen zu können.

    Wir haben uns schnell dafür entschieden, nicht den gesamten Betrag am ersten Tag einzuwerben. Stattdessen bemühten wir uns, erst einmal 500.000 Euro einzuwerben, um die Entwicklung zu Ende zu bringen und ausreichend Daten zu sammeln, um belegen zu können, dass unser Gerät wirklich funktionierte. Nach mehreren Monaten voller Meetings überzeugten wir 2011 einen öffentlichen Fonds und vier Freunde, in das Unternehmen zu investieren.

    Es folgten zwei Jahre Versuch und Irrtum (mit mehr als 50 3D-gedruckten Prototypen), bis wir endlich ein Gerät hatten, das so präzise funktionierte und so leicht zu benutzen war, wie wir es uns vorgestellt hatten. Mit diesen Daten warben wir 2013 die restliche Million von lokalen Business Angels, unserem Produktionspartner und einem öffentlichen Fonds ein, um damit das Gerät zu produzieren und für den Verkauf zertifizieren zu lassen.

    2016, einige Jahre später: Das Produkt wird unter dem Namen SwimCount online (www.swimcount.com) und weltweit in Apotheken in Zusammenarbeit mit lokalen Zwischenhändlern verkauft.

    Dies brachte aber ein neues Dilemma mit sich: Sollte das Unternehmen mehr Geld (für Vertriebs- und Marketingausgaben) einwerben, um zu versuchen, schneller zu wachsen, oder lieber langsamer auf Basis des Cashflows aus dem laufenden Geschäft wachsen? So wandelte sich MotilityCount von einem Unternehmen des Typ 2: Ohne Finanzierung kein Unternehmen zu einem Unternehmen des Typ 3:Ohne FinanzierungkeinWachstum.

    Typ 3: Ohne Kapital wächst dein Startup nicht

    Die dritte Gruppe von Startups kann sich theoretisch selbst finanzieren. Sie könnte aber zusätzlich noch externes Kapital einwerben, um weiteres Wachstum anzutreiben.

    Ein Beispiel wäre ein Team, das eine einfache Smartphone-App für Verbraucher entwickeln möchte und dafür ein Unternehmen gründet. Dafür sind die Anlaufkosten relativ niedrig: rund 25.000 Euro für die Entwicklung des Codes und die Aufnahme in App-Stores.

    Das Umsatzmodell von Apps ist meist so aufgebaut, dass die Basisversion wenig kostet oder ganz kostenlos ist. Um Erfolg zu haben, braucht das Team eine Menge Downloads und eine Premiumversion, um einige Nutzer in zahlende Kunden zu verwandeln. Anfangs hat es die App bereits erfolgreich organisch beworben, indem es Mund-zu-Mund-Propaganda und Social Media-Marketing nutzt und alles selber finanziert. Es gibt erste positive Presseberichte und die Nutzerzahlen steigen langsam an. Aber wegen der geringen Anlaufkosten zieht der Erfolg Nachahmer an. Und schon bald ist der Markt voll mit Wettbewerbern, die dem Team seine Marktposition wegschnappen wollen.

    Das Team hat nun die Möglichkeit, aufs Ganze zu gehen und sein Unternehmen mit Kapital schnell wachsen zu lassen. Damit kann es in groß angelegte Werbekampagnen, Pressearbeit und die Entwicklung einer noch besseren Version investieren und hat eine Chance, den umkämpften Markt für sich zu erobern. Wenn es sein Vorhaben alleine, ohne externe Finanzierung und mit geringen Wachstumsraten angeht, könnte seine Marktposition dagegen von aggressiven, gut finanzierten Wettbewerbern überholt werden.

    Gehört dein Startup zu diesem Typ, ist also nicht die Frage, ob du das Startup ohne Finanzierung zum Laufen bekommen kannst, sondern:

    • Bekommst du das nötige Kundenwachstum ohne Kapital hin?

    • Und falls du kein Kapital aufnimmst: Wirst du langfristig überleben?

    Vor der Wachstumsfinanzierung aus eigener Kraft Wert schaffen

    Sebastian Schaal

    Ein Beispiel für ein Startup des dritten Typs ist das Münchner Unternehmen Luminovo. Das Gründerteam rund um die Geschäftsführer Sebastian Schaal und Timon Ruban vereint große Expertise rund um Künstliche Intelligenz (KI), insbesondere im Bereich Deep Learning auf Basis von Bild- und Text-Daten. Das Team entwickelt maßgeschneiderte KI-Lösungen für Kunden aus dem Silicon Valley, deutsche Mittelständler und DAX-Firmen.

    Sebastian Schaal erläutert Luminovos Finanzierungsstrategie so:

    Wir glauben an eine Künstliche Intelligenz, die Menschen eher unterstützt als ersetzt und lästige, undankbare und repetitive Aufgaben erleichtert.

    Eines der Produkte, die wir basierend auf dieser Vision umgesetzt haben, ist unsere Deep Learning-Lösung zur Bilderkennung für ProSiebenSat.1. Dort bringt eine zweistellige Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den ganzen Tag damit zu, das Programmmaterial auf Nacktheit, Gewalt, Hasssymbole und schmutzige Sprache zu sichten. Unser System ist parallel zum Menschen in den Prozess integriert und lernt nach und nach, menschliche Entscheidungen besser zu verstehen und selbst zu spiegeln. Zusammen können Mensch und Maschine deutlich höhere Mengen an Content verarbeiten, weil die menschliche Aufmerksamkeit auf die relevanten Stellen gelenkt wird. So erreicht unser Kunde höhere Qualität schneller und zu niedrigeren Kosten.

    Allein durch unsere zufriedenen Kunden arbeiten wir aktuell mit 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (inklusive Werkstudenten) bereits profitabel. Wir haben uns aber bewusst entschieden, unser Startup von einem projektgetriebenen Beratungsunternehmen in ein Produktunternehmen zu verwandeln, um unsere Leistungen mittelfristig nicht nur für eine Handvoll Unternehmen, sondern für Tausende von Kunden anbieten zu können. Dazu wollen wir mittelfristig Venture Capital aufnehmen, um diese Entwicklung zu beschleunigen und maximales Wachstum zu erzielen.

    Mit diesem Schritt warten wir aktuell allerdings noch, bis wir mit der Produktentwicklung ein Stück weiter sind. Unser Ziel ist es, eine Plattform für KI-Lösungen aufzubauen und in der Praxis zu beweisen. Bis das Produkt soweit ist, finanzieren wir uns durch Projekte. Diese wählen wir strategisch so aus, dass die jeweiligen Entwicklungen immer auch die zentrale Plattform weiterbringen. Gleichzeitig legen wir durch die Projekte die Grundlage dafür, unsere Kunden langfristig als Lizenznehmer mit wiederkehrenden Umsätzen an uns zu binden. So präsentieren wir den Investoren dann keine riskante Seed-Story mehr, sondern eine klare Wachstums-Story mit überschaubarem Risiko auf einem etablierten Fundament.

    Das Wichtigste zusammengefasst

    Brauchst du wirklich Kapital, um dein Unternehmen zum Laufen zu bekommen? Für manche Unternehmen ist das gar nicht nötig. Wenn du in dieser glücklichen Situation bist, solltest du dich darauf konzentrieren, dein Unternehmen aufzubauen, statt Investoren um Kapital zu fragen.

    Manche Startups brauchen Kapital, weil ihre Anlaufkosten so hoch sind, dass sie ohne zusätzliches Kapital gar nicht erst anfangen können. Andere Startups brauchen Kapital, damit das Unternehmen wächst. Ob und wieviel Kapital dein Startup braucht, hängt also davon ab, welchem dieser Typen es angehört.

    Die Zuordnung ist allerdings immer auch eine Frage der individuellen Strategie (auf welche Weise willst du dein Startup aufbauen?) und des Timings (wann gehst du welchen Schritt?). Welche Überlegungen du hierzu anstellen solltest, klären wir im folgenden Kapitel.

    Kapitel 2

    Wann ist der richtige Zeitpunkt für externes Kapital?

    In diesem Kapitel helfen wir dir, dich für die richtige Finanzierungsstrategie zu entscheiden. Denn die falsche Strategie zu fahren – zu früh, zu spät, zu viel oder zu wenig Geld aufzunehmen – kann gravierende Folgen für dein Unternehmen haben. In diesem Kapitel lernst du, welchen Preis externes Kapital hat, wie du deinen Kapitalbedarf herausfindest, und welche Alternativen zur Investorensuche du vorübergehend (oder sogar dauerhaft!) verfolgen kannst.

    Willst du das Geld wirklich? Jetzt?

    Auch wenn Investoren dein Startup schon früh als das nächste große Ding feiern und du die Chance hast, viel Geld einzuwerben: Externes Kapital wird dir nie geschenkt, sondern hat seinen Preis. In jedem Fall wird es dich Zeit und Mühe kosten, ein Investment einzuwerben, eine Förderung zu beantragen oder eine Crowdfunding-Kampagne zu organisieren. Langfristig am entscheidendsten ist jedoch: Bei den meisten Finanzierungsformen wirst du Anteile an deinem Unternehmen für das Investment abgeben müssen. Je mehr Geld du aufnehmen willst und je früher du Geld aufnimmst, desto mehr Unternehmensanteile musst du verkaufen.

    Das Beispiel rechts verdeutlicht eine typische Verwässerung der Anteile in einem Unternehmen, das von den üblichen Verdächtigen in verschiedenen Phasen Kapital bekommt. Es beginnt damit, dass du Anteile an eine Mitgründerin oder einen Mitgründer abgibst und Freunde, Business Angels und Acceleratoren in dein Unternehmen investieren. Als nächstes vergibst du Anteile an deinen ersten Angestellten und weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (über einen Anteilspool). Schließlich bekommst du ein riesiges Investment von einem lokalen Venture Capital-Fonds (VC-Fonds), und später noch ein weiteres von einem internationalen VC-Fonds. Am Ende hältst du nur noch 17 deiner ursprünglichen 100 Prozent Anteile an deinem Unternehmen.

    Lohnt es sich, statt 100 Prozent eines sehr kleinen Kuchens nur noch 17 Prozent eines (hoffentlich) großen Kuchens zu behalten? Das hängt von deiner spezifischen Situation ab und davon, was du wirklich mit deinem Startup erreichen willst. Ist es dir wichtiger, dein Unternehmen selbst steuern zu können, selbst wenn es nur ein kleines ist, als es zu einem weltweiten Marktführer zu machen? Dann solltest du diesen Weg sicher nicht gehen! Aber wenn du ein Startup hast, das Kapital braucht, um zu wachsen oder schnell genug zu wachsen, sind VC-Fonds und andere Arten von Investoren möglicherweise genau das, was du brauchst!

    Du solltest dich fragen:

    • Brauchen wir das Geld wirklich?

    • Wird das Geld wirklich einen riesigen Unterschied für unser Unternehmen machen – oder könnten wir unsere Ziele auch ohne erreichen?

    • Und wenn wir Geld brauchen, brauchen wir es jetzt oder kann das auch bis später warten?

    Nicht immer ist der größere Kuchen der bessere

    Eine in der Startup-Welt oft ignorierte Tatsache ist: Oft ist das innovative Dienstleistungsunternehmen, über das Gründerszene oder TechCrunch niemals berichten werden, für dich als Gründerin oder Gründer deutlich lukrativer als das riesige, weltweit gehypte Produkt-Startup. Denn das kann nicht ohne externes Kapital abheben. So bist du gezwungen, einen Großteil deines Unternehmens an Investoren zu verkaufen, um überhaupt zum Ziel zu kommen. Den Gewinn beim Verkauf dieses nach außen hin riesigen Kuchens streichen dann größtenteils andere ein.

    Dein Kuchen mag zwar kleiner sein, aber gehört er dir zu 100 Prozent, stehst du beim Verkauf möglicherweise sogar besser da. Wie Rand Fishkin, Gründer des erfolgreichen SEO-Software-Unternehmens Moz, sagt: Wenn alles glatt geht, könntest du dir am Ende ein zusätzliches Batmobil oder zwei leisten!

    Sammle Kapital erst dann ein, wenn es für dein Unternehmen einen Unterschied macht

    Hanno Renner

    Hanno Renner, Gründer und Geschäftsführer des HR-Software-Startups Personio, erläutert:

    Natürlich haben wir bei unserer Finanzierungssuche davon profitiert, dass unser SaaS-Unternehmen für VC-Fonds gerade sehr attraktiv war. Die Börsengänge von Slack und Zoom zeigen, wie viel Wert in dem Bereich generiert werden kann, und das Geschäftsmodell mit seinen wiederkehrenden, stabilen Umsätzen ist gut planbar. Außerdem sind wir schnell gewachsen: Unsere Umsätze hatten sich jedes Jahr bereits verdrei- oder vierfacht.

    Mein Rat an Gründerinnen und Gründer ist dennoch: Sammle Kapital nicht dann ein, wenn du kannst, sondern dann, wenn du damit etwas anders machen kannst – zum Beispiel, wenn du dein Wachstum damit noch mehr beschleunigen kannst. Ein halbes Jahr vor unserer Seed-Runde hätte uns mehr Geld gar nichts gebracht: Wir mussten erst einmal unseren eigenen Business Case entwickeln und uns mit dem eigenen Geschäft vertraut machen. Da wollten wir niemanden, der uns reinquatscht.

    Wir kennen einige Gründerinnen und Gründer, die es bereut haben, früh Investoren aufzunehmen, weil sie es (im Rückblick) länger aus eigener Kraft geschafft hätten. Sie wissen inzwischen, welche riesigen Sprünge der Wert ihres Startups macht, wenn sie neue Meilensteine erreichen.

    Während der Wert einer Idee praktisch Null ist, schießt er wie eine Rakete nach oben, wenn das Startup ein Team rekrutiert hat, einen Prototypen gebaut hat, ein Produkt herausbringt, Umsätze macht und beginnt, schnell zu wachsen. Ein Beispiel hierfür ist die unten dargestellte Entwicklung der Unternehmensbewertung von Recon Instruments. Recon Instruments war ein 2007 gegründetes Startup aus Vancouver, das 2015 an Intel verkauft wurde.

    Die Idee war es, Elektronik mit Sportausrüstung zu kombinieren, etwa in Schwimmbrillen, Skibrillen und Sonnenbrillen mit eingebautem Head-up-Display (HUD). Die Bewertung in den verschiedenen Unternehmensphasen stieg stetig an, nachdem das Startup jeweils neue Meilensteine erreicht hatte.

    Die ersten Investments, die du aufnimmst, sind sehr teuer, da der Wert deines Unternehmens niedrig ist. Du wirst also einen großen Teil deines Unternehmens für relativ wenig Geld abgeben müssen, wenn du früh Investoren aufnimmst. Und wenn du zu früh zu viel Geld aufnimmst, hältst du am Ende vielleicht nur noch einen kleinen Bruchteil deines Unternehmens, wenn es zum Unternehmensverkauf (Exit) kommt. Das beeinflusst nicht nur deinen finanziellen Ertrag, sondern auch deine Möglichkeiten, das Unternehmen zu steuern.

    Die Medaille hat aber auch eine andere Seite. Es ist mindestens genauso gefährlich für dein Unternehmen, wenn du zu wenig Kapital aufnimmst. Denn eine Finanzierungsrunde beansprucht einen beachtlichen Anteil deiner Management-Kapazität. Gründerinnen und Gründer unterschätzen immer wieder, dass es in der Regel mindestens sechs Monate dauert, eine Finanzierungsrunde vorzubereiten und abzuschließen. Die Zeit, die du für die Suche nach Investoren, deren Ansprache und die Verhandlungen aufwendest, fehlt dir für die Weiterentwicklung deines Produkts, den Aufbau deines Teams oder die Akquise deiner Kunden.

    Nimmst du zu wenig Geld auf, musst du gleich nach der Kapitalaufnahme schon wieder mit der Investorensuche für die nächste Runde beginnen – ohne dass du Zeit hast, in der Zwischenzeit an deinem Kerngeschäft zu arbeiten. Das gefährdet nicht nur dein Unternehmen insgesamt, sondern verhindert auch, dass du in der Zwischenzeit Meilensteine erreichst, die den Wert des Unternehmens steigern und dir bessere Konditionen für die nächste Runde ermöglichen.

    Wenn du dir nicht genau überlegst, wie viel Geld dein Startup wirklich benötigt, passiert es dir mit hoher Wahrscheinlichkeit bei deiner nächsten Finanzierungsrunde, dass du entweder zu viel oder zu wenig Geld aufnimmst.

    Wann du wieviel Geld brauchst

    Genauso, wie du bei deinem privaten Konto anhand deiner voraussichtlichen Ausgaben und Einnahmen planen kannst, wie lange dir dein Erspartes reichen wird, kannst du auch für dein Unternehmen berechnen, wann du wieviel Geld brauchen wirst. Dafür brauchst du einen Finanzplan, in dem sich dein Geschäftsmodell und deine Prognosen über die Entwicklung deines Unternehmens widerspiegeln (siehe zum Finanzplan auch Kapitel 16).

    Aus deinem Finanzplan kannst du die folgenden Kennzahlen ablesen oder berechnen:

    • Break-even Point: Der Zeitpunkt (Monat), ab dem sich dein Unternehmen selbst finanziert, also neutrale bis positive Erträge erwirtschaftet. Zuvor braucht dein Unternehmen externes Geld, um wirtschaften zu können.

    • Burn Rate: Der Geldbetrag, den du (monatlich) im Durchschnitt „verbrennst", um dein Geschäft am Laufen zu halten – insbesondere also alle regelmäßigen Ausgaben wie Personal, Marketing, Entwicklungskosten und so weiter, aber auch einmalige Investitionen in Anlagen oder Werkzeuge.

    • Kassenbestand (Liquidität) : Das zu jedem Zeitpunkt verfügbare Geld auf deinem Unternehmenskonto.

    Diese Kennzahlen verraten dir zwei wichtige Informationen über deinen Kapitalbedarf:

    • Gesamter Kapitalbedarf bis zum Break-even Point: Die Summe aller negativen Erträge in den Monaten bis zum Break-even Point ist der Kapitalbedarf, den du benötigst, bis sich dein Unternehmen selbst durch eigene Einnahmen finanziert.

    • Runway („Startbahn"): Die Zeit (Monate), die dein Kassenbestand noch ausreicht, um dein laufendes Geschäft (deine Burn Rate) zu finanzieren. Wenn du also 100.000 Euro auf dem Konto und eine Burn Rate von 20.000 Euro hast, hast du noch einen Runway von fünf Monaten.

    Hast du dein Startup gerade erst gegründet, ist der Break-even Point mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weiter weg als 18 oder 24 Monate. Es ist nicht sinnvoll, die gesamte bis dahin fehlende Summe auf einmal einzusammeln – das Risiko wäre Investoren viel zu hoch und dein Unternehmenswert zu niedrig, um dir so viel Geld auf einen Schlag zu geben. In diesem Fall macht es Sinn, die Finanzierung in mehrere Etappen einzuteilen und diese an Meilensteine zu koppeln.

    Du musst nicht das ganze Geld auf einmal einwerben

    Ein verbreiteter Fehler unter Gründerinnen und Gründern ist es, zu versuchen, das gesamte für ihr Unternehmen benötigte Geld – von der Ideenphase bis zu dem Punkt, an dem das Unternehmen profitabel ist – am ersten Tag einzuwerben. Das ist fast immer unmöglich, weil viele Investorinnen und Investoren, insbesondere die mit tieferen Taschen als deinen und denen deiner Freunde und Familie, nicht investieren werden, bis du mehr Fortschritte vorzuweisen hast. Also konzentriere dich darauf, ausreichend Kapital einzuwerben, um den nächsten Meilenstein zu erreichen, der dann andere Investoren anziehen wird!

    Damit du eine Weile konzentriert an deinem Kerngeschäft arbeiten und deine nächsten Meilensteine erreichen kannst, sollte deine Finanzierung dir einen Runway von mindestens 12, besser aber 18 Monaten sichern. Zwei Simulationen helfen dir dabei, den dafür erforderlichen Spielraum besser einzugrenzen:

    1.Runway mit konservativ gerechneten Umsätzen: Viele Gründerinnen und Gründer schätzen ihre zukünftigen Umsätze zu optimistisch ein oder unterschätzen, dass Produktentwicklung oder Zahlungen von Kunden länger brauchen. Brechen die Umsätze ein oder treten nicht so ein wie geplant, verkürzt sich der Runway durch die fehlenden Einnahmen. Indem du einen Sicherheitsabschlag von 50 Prozent oder mehr von den Umsätzen abziehst, erhältst du einen konservativeren Runway.

    2.Runway im Sparmodus: Wenn dir das Geld langsam ausgeht, kannst du anfangen, manche Ausgaben zu sparen oder zu verschieben und so den Runway etwas zu verlängern. Das funktioniert nicht für fixe Kosten wie Personal- oder Mietkosten, aber für variable Kosten wie beispielsweise deine geplante Marketing-Kampagne für die Weihnachtssaison. Dies Sparmodus-Simulation verrät dir, wie lange du das Ende des Geldes (Insolvenz) im Ernstfall noch herauszögern kannst.

    Um unbedingt zu verhindern, dass dein Konto vor Ablauf dieser Zeit leer läuft, schlage auf den Kapitalbedarf bis zum Ende des Runway unbedingt noch einen zusätzlichen Puffer von 20 bis 40 Prozent auf. Dieser ermöglicht dir, flexibel auf unerwartete Herausforderungen oder Chancen reagieren zu können. Außerdem verhinderst du so die unangenehme Situation, dass dir das Geld ausgeht und du in Verhandlungen mit Investoren mit dem Rücken zur Wand stehst.

    Wie du ohne externes Kapital startest

    Wenn du mit deinem Startup noch ganz am Anfang stehst und noch keine Fixkosten für Büro, Gehälter oder Maschinen hast, ist es möglich, auch ohne externes Kapital erste Meilensteine zu verfolgen – sei es nur, dass du dein Team vervollständigst oder einen ersten rudimentären Prototypen baust. Dennoch brauchst du wohl oder übel Geld für deinen Lebensunterhalt oder kleinere Anschaffungen, also was tun?

    Bootstrapping bedeutet ins Deutsche übertragen in etwa „sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen". Auf Startups bezogen heißt das, sich nicht durch externes Kapital zu finanzieren, sondern den Unternehmensaufbau – bis zu einem gewissen Punkt – aus eigenen Mitteln zu tragen. Klingt nach einer Angelegenheit für Leute, die einen Haufen Geld auf dem Konto herumliegen haben? Nicht unbedingt!

    Laut Deutschem Startup Monitor finanzieren sich vier von fünf Startups (auch) durch eigene Ersparnisse. Damit ist Bootstrapping vielleicht nicht die summenmäßig größte, aber die häufigste Finanzierungsquelle überhaupt!

    Bootstrapping ist die ideale Finanzierung für die Anfangs- oder Ideenphase deines Unternehmens. Diese Art der Finanzierung hast du als einzige vollständig selbst in der Hand, denn du bist (neben deinen Mitgründerinnen und Mitgründern) die einzige Person, die du von deiner Idee überzeugen musst!

    Aber auch dein Geld muss natürlich irgendwo herkommen. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie du dein Startup zum Laufen bekommst: durch Ersparnisse oder durch einen „Brotjob".

    Ersparnisse

    Die Gründung aus der eigenen Garage heraus ist nicht umsonst das Sinnbild für die Kreativität, die eine Bootstrapping-finanzierte Gründung erfordert. Cleveres Sparen, ein gutes Netzwerk und wenig Eitelkeit sind die Schlüssel zum Erfolg, wenn du deine Gründung anfangs aus eigenen Mitteln bestreitest. Das bedeutet beispielsweise, dass deine Büroräume vielleicht weniger glamourös ausfallen werden, als du es dir für dein späteres Unternehmen vorstellst. Du musst kreativ werden: Büroauflösungen oder Ebay Kleinanzeigen sind eine gute Möglichkeit, an günstige oder sogar geschenkte Möbel zu kommen. Das ist nur ein Beispiel, wie du anfangs Kosten sparen kannst.

    Du kannst mit etwas Kreativität den Garagen-Mythos aktiv nutzen, um dein Startup für Mitstreiter attraktiv zu machen – und die richtigen Personen für dein Team zu finden. Wer wirklich etwas bewegen will und von deiner Idee überzeugt ist, wird dafür auch erst einmal im Dachgeschoss deiner Eltern arbeiten statt im schicken Innenstadt-Loft mit Kickertisch. Und es ist toll, wenn dein Team nach und nach gemeinsam Meilensteine erlebt wie den Umzug in ein größeres oder schöneres Büro.

    Auch Investoren, sofern du dir später doch welche suchen wirst, werden beeindruckt sein, wie du mit bescheidenen Mitteln in einer kleinen Werkstatt einen Prototypen gebaut hast. Es beweist Unternehmergeist und Überzeugung für deine Idee, wenn du es schaffst, dir aus dem Nichts etwas aufzubauen!

    Ein „Brotjob"

    Studien zeigen, dass die risikoreiche Gründung eines Startups denjenigen Personen deutlich leichter fällt, die durch ihre Familie oder einen vorherigen gut bezahlten Job bereits Geld auf der hohen Kante haben. Oder, wie es Martins Entrepreneurship-Professor Ken Morse schon in den 1990er Jahren am MIT formulierte: „Every entrepreneur needs a spouse with a stable income".

    Logisch: Es ist leichter für dich, deine ganze Energie in ein Gründungsvorhaben zu stecken, wenn du dir keine Sorgen darum machen musst, ob dein Lebensunterhalt in der Zeit gedeckt ist. Und du kannst dein erspartes Geld in die notwendigen Anschaffungen investieren, um deine Geschäftsidee in die Tat umzusetzen.

    Was aber, wenn diese Ausgaben deine Rücklagen bereits übersteigen und du keine Möglichkeit hattest, dir das Geld anzusparen? In diesem Fall kannst du dir überlegen, dein Startup durch einen anderen Job zu finanzieren, bevor du dich ganz ins kalte Wasser stürzt und deinen Job kündigst.

    Laut KfW-Gründungsmonitor beginnen mehr als die Hälfte (58 Prozent) aller Existenzgründerinnen und Existenzgründer ihre Tätigkeit im Nebenerwerb. Zu den Existenzgründern gehören zwar nicht nur innovative Startups (diese stellen nur 14 Prozent aller Gründer in 2018). Die Zahl zeigt jedoch, dass viele Gründerinnen und Gründer den Weg wählen, sich erst einmal finanziell durch einen Job abzusichern, der ihnen ein regelmäßiges Einkommen und Sicherheit beschert, während sie sich in ihrer übrigen Zeit einer neuen Geschäftsidee widmen.

    Je nachdem, wie viel Zeit du in dein Vorhaben stecken möchtest, kannst du möglicherweise mit deinem Arbeitgeber eine Teilzeitbeschäftigung vereinbaren oder deine Idee erst einmal nach Feierabend und am Wochenende weiterentwickeln. Kannst du dir deine Zeit bereits jetzt frei(er) einteilen – etwa weil du schon selbstständig, Student/Doktorand oder in Elternzeit bist – hast du auch die Chance, dir tagsüber Zeiten für die Arbeit an deinem Startup freizuhalten.

    Dein Startup in Teilzeit zu beginnen, muss nicht nur eine Notlösung sein. Eine Gründung in Teilzeit ermöglicht dir, deine Idee erst einmal weiterzuentwickeln und auszuprobieren, bevor du dich vollständig ins Risiko einer Gründung stürzt. Je mehr du so bereits erreichen kannst, desto leichter wird es dir fallen, in einer späteren Phase nach externem Kapital zu suchen. Denn dann stehst du nicht mehr nur mit einer Idee da, sondern hast bereits erste Meilensteine vorzuweisen.

    In Teilzeit zu gründen, hat jedoch auch einige Nachteile. Die Doppelbelastung von Beruf oder Familie und Startup-Gründung kann auf die Dauer enorm stressig werden. Spätestens, wenn du anfängst, Kunden zu akquirieren und Geld zu verdienen, musst du dich auch arbeitsrechtlich und steuerlich absichern, um hohe Nachzahlungen oder Probleme mit deinem Arbeitgeber (wenn du einen hast) zu vermeiden.

    Ohne Nebenverdienst hätte ich mir die Gründung nicht leisten können

    Rike Brand © Sabine Jakobs

    Rike Brand ist seit 2017 Mitgründerin von Spyra, einem Münchner Startup, das die „Wasserpistole für den Papa" entwickelt – ein Hightech-Outdoorspielzeug für den Sommer, das 2018 knapp eine halbe Million Euro auf Kickstarter einsammelte.

    Rike Brand erläutert:

    Als ich mich entschloss, mit Sebastian Walter an der Wasserpistole der Zukunft mitzuarbeiten, hatte ich zuvor gerade mehrere Monate Arbeit in eine andere Gründungsidee investiert, aus der schließlich doch nichts wurde. Meine Ersparnisse waren aufgebraucht, aber Spyra hatte noch keine Ressourcen, aus denen das Startup meinen Lebensunterhalt hätte finanzieren können.

    Aus dem Grund habe ich mit meinem Mitgründer vereinbart, dass ich vier Tage pro Woche bei Spyra arbeite und einen Tag frei habe, um (wie zuvor auch schon zeitweilig) als selbstständige Texterin und Editorin meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Lösung ermöglichte mir zumindest, die Miete zu zahlen und mich ein halbes Jahr über Wasser zu halten, bis wir die Zusage für ein EXIST-Gründerstipendium und damit ein festes Gehalt erhielten. Trotzdem war diese Zeit hart, denn ich habe Monate lang oft sieben Tage die Woche gearbeitet und musste trotzdem jeden Cent dreimal umdrehen.

    Es hat sich aber gelohnt – und heute sehe ich sogar die Vorteile dieser Lösung. In der intensiven Zeit der Gründung habe ich durch meinen Tag im „Brotjob" bei anderen Unternehmen auch immer wieder Abstand gewinnen und neue Ideen in meine Arbeit bei Spyra übernehmen können. Die gegenseitige Inspiration und das ständige Lernen möchte ich nicht mehr missen, weshalb ich die Vier-Tage-Lösung in Absprache mit meinen Mitgründern auch nach der Finanzierung beibehalten habe.

    Achte auf Fairness beim Bootstrapping im Team!

    Natürlich sollte das mitgebrachte Geld nicht das erste Kriterium bei der Auswahl deines Mitgründers oder der Verteilung der Unternehmensanteile sein. Genauso wie deine Zeit ist es eine weitere eingebrachte Ressource – und genauso kann es hierüber Streit geben, wenn es hier ein Ungleichgewicht gibt.

    Ob du das Geld für die erste Phase beisteuerst oder deine Mitgründerin – achte darauf, dass ihr das Thema besprecht und gemeinsam eine faire Lösung für die Anerkennung dieser „Starthilfe" findet.

    Wenn du im Team gründest, ist es leichter zu organisieren, wenn – je nach finanzieller oder familiärer Situation der einzelnen Teammitglieder – anfangs noch nicht alle in Vollzeit im Unternehmen mitarbeiten. Behalte bei deiner Planung aber im Auge, dass Gründen in Teilzeit bei Investorinnen und Investoren ein ziemlich schlechtes Image hat. Du wirst den Vorwurf hören, dass du nicht vollständig von deiner Idee überzeugt bist, dir das „Commitment" fehlt oder du nicht ehrgeizig genug bist.

    In der Tat ist es im B2B-Sektor oder bei Hardware-basierten Geschäftsmodellen schwierig, außerhalb der üblichen Geschäftszeiten mit Kunden oder Lieferanten zu kommunizieren. Bietest du dagegen digitale, skalierbare Dienstleistungen an, sind diese länger vom nächtlichen Schreibtisch aus zu managen.

    Kannst du deine Gründe und Pläne nicht schlüssig darlegen, bekommen Investoren leicht den Verdacht, dass dein Startup langfristig hinter seinen Möglichkeiten zurückbleiben oder eine Marktchance verpassen wird, weil du nicht genug Zeit und Aufmerksamkeit hineinsteckst. Wenn du keine Bestrebungen zeigst, die aktuelle Situation zu ändern und beispielsweise deine Mitgründerin oder deinen Mitgründer zu überzeugen, in Vollzeit mit dir zusammenzuarbeiten, werden sich Investoren abwenden und dein Startup als Hobby einstufen.

    Ob und für wie lange die Gründung in Teilzeit für dich sinnvoll und zielführend ist, hängt also auch von deinen eigenen Plänen für die weitere Unternehmensentwicklung und deiner Kommunikation dieser Pläne an Investoren ab.

    Wie dein Startup ohne externes Kapital wächst

    Sich ohne externes Kapital zu finanzieren, ist bei manchen Unternehmen keine kurzfristige Überbrückungsstrategie, sondern das Ergebnis einer langfristigen strategischen Abwägung: Wollen (und können) wir externes Kapital aufnehmen, oder finanzieren wir uns aus laufenden Aufträgen? Beides hat Vor- und Nachteile.

    Immerhin knapp 20 Prozent der im Deutschen Startup Monitor befragten Startups nennen die Innenfinanzierung, also die Finanzierung durch die laufenden Einnahmen aus dem operativen Geschäft, als eine der Kapitalquellen ihres Unternehmens.

    Damit die Innenfinanzierung als langfristige Strategie funktioniert, müssen drei wichtige Voraussetzungen gegeben sein:

    1. Wenig physische Investitionen

    Software-Entwickler oder Anbieter innovativer Dienstleistungen haben grundsätzlich einen großen Startvorteil beim Versuch, sich durch laufende Einnahmen zu finanzieren.

    Nehmen wir an, du hast beschlossen, ein Beratungs- oder Trainingsunternehmen zu gründen, das eine innovative Beratungsmethode basierend auf Big Data-Analysen nutzt. Der anfängliche Bedarf von physischen Ressourcen ist begrenzt: ein Computer, ein Büro und ein Internetanschluss, und du kannst mit dem Programmieren loslegen und erste Kunden anrufen, um deren Wünsche abzufragen.

    Dieses Vorgehen ist nicht möglich, wenn dein Startup Hardware baut, die hohe Anfangsinvestitionen beispielsweise für Maschinen, Werkzeuge oder Material erfordert.

    „Hardware is hard" – dieser Spruch gilt nicht nur für die technischen Herausforderungen, die die Entwicklung von Hardware-Produkten mit sich bringt. Wenn du erst einmal Stahlwerkzeuge im Wert von Hunderttausenden Euro für die Herstellung deiner Kunststoffteile anschaffen musst, um dein Produkt auf den Markt zu bekommen, übersteigt das schnell auch das Budget der Wohlhabenderen unter uns.

    2. Schnell marktfähiges Produkt

    Gute Karten hast du auch, wenn dein Produkt oder deine Dienstleistung schnell verfügbar ist und Umsätze generieren kann. Wenn dann noch überschaubare Vertriebs- und Marketingkosten hinzukommen, hast du die perfekte Situation, dass du kein externes Kapital für deine Gründung brauchst.

    Ein schnell marktfähiges Produkt bedeutet nicht, dass das Produkt direkt hundertprozentig so aussehen muss, wie du es dir in deiner Unternehmensvision vorstellst. Vielleicht reichen deiner ersten Kundin sogar schon zehn Prozent deiner Vision – solange dein Produkt ihr einen Nutzen bringt und sie bereit ist, dafür zu zahlen.

    Allerdings brauchen die Produkte vieler Startups sehr lange, bis sie zur Anwendung kommen können. Vielleicht entwickelst du eine völlig neue Energietechnologie, die erst einmal eine Menge Grundlagenforschung erfordert, bis sie überhaupt funktioniert. Oder es liegt an regulatorischen Gründen: Ein fertig entwickeltes Medizinprodukt benötigt oft Jahre für klinische Tests und Zulassungsverfahren, bis du damit Umsätze erwirtschaften kannst. Solche Vorhaben haben es entsprechend schwer, während dieser Zeit Umsätze zu generieren.

    Unser Produkt war von Anfang an so gut, dass wir uns aus Kundenaufträgen finanzieren konnten

    Bastian Nominacher

    Der Wirtschaftsinformatiker Bastian Nominacher ist Mitgründer und Mitgeschäftsführer des 2011 gegründeten Unternehmens Celonis, einem der wenigen deutschen Startups, die als „Unicorn" mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet werden. Celonis entwickelt Software, die Prozessdaten eines Unternehmens – zum Beispiel zum Kundenservice oder der Finanzplanung – nutzbar macht, um diese Prozesse zu optimieren.

    Bastian Nominacher erläutert:

    Celonis ist aus einem Projekt der studentischen Unternehmensberatung Academy Consult München e.V. an der TU München entstanden. Meine Kommilitonen und ich bekamen vom Bayerischen Rundfunk den Auftrag, die Laufzeiten von Serviceanfragen an den Sender zu minimieren. Für diesen Auftrag entwickelten wir eine komplett neue Software und hatten Erfolg: Die Durchlaufzeit für eine Anfrage sank von fünf Tagen auf einen Tag, und damit hatten wir einen ersten glücklichen Kunden.

    Zu Beginn unserer Gründung half uns ein EXIST-Gründerstipendium. Aber unser Produkt war bereits so gut, dass wir uns von Anfang an auf Kunden fokussieren konnten, mit denen wir Umsätze machten. Nur weil unsere Technologie so schnell einsatzbereit war, konnten wir fünf Jahre lang auch ohne externe Finanzierung allein aus unseren Aufträgen auf 100 Mitarbeiter wachsen. Erst 2016 haben wir das erste VC-Kapital aufgenommen – nicht, weil wir das Geld dringend brauchten, sondern um mit dem Netzwerk des Fonds unsere Expansion in den US-amerikanischen Markt zu starten.

    3. Kooperative Pilotkunden

    In den seltensten Fällen ist dein Produkt in einer frühen Phase bereits so ausgereift, dass du es regulär am Markt ausrollen kannst. Oder es ist bereits brauchbar, aber dir fehlen die Referenzen, die dir die Tür zu deinen Kunden öffnen. Deswegen brauchst du für erste Umsätze anfangs besondere Kunden: deine Pilotkunden.

    Pilotkunden sind Kundinnen und Kunden, die bereit sind, auch eine unausgereifte(re) Version deines Produktes zu nutzen und dir dafür eine Gegenleistung zu geben. Warum sie das tun? Sie haben ein besonderes Interesse daran, neue Technologien oder Innovationen als erste auszuprobieren, weil sie sich einen Vorteil davon versprechen.

    Im privaten Bereich spricht man von den „Innovatoren". Diese Leute findest du oft auf Crowdfunding-Plattformen (siehe Kapitel 9), wo sie versuchen, als erste an die neuesten Gadgets zu kommen.

    Aber nicht nur Gadget-Fans, sondern auch große Konzerne sind heute mehr denn je daran interessiert, mit Startups zusammenzuarbeiten. Ihr Ziel ist es, frische Ideen für ihre eigenen Geschäftsmodelle zu gewinnen und auszuprobieren, ob sich damit Geld verdienen lässt. (Manche gründen sogar einen eigenen Startup-Accelerator – dazu mehr in Kapitel 10.)

    Wenn du überzeugt ist, dass dein Produkt einem großen Unternehmen bereits in einem frühen Stadium nutzen kann, ist es wichtig, strategisch vorzugehen. Viele Startups machen den Fehler, ihren Pilotkunden ein funktionierendes Produkt kostenlos zur Verfügung zu stellen. Aber es macht keinen Sinn, ein Produkt zu entwickeln, für das die Kunden nicht bereit sind zu zahlen!

    Dein Ziel in dieser ersten Phase sollte natürlich noch nicht das große Geld

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