Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Pascal Paoli und die korsische verfassung
Pascal Paoli und die korsische verfassung
Pascal Paoli und die korsische verfassung
eBook204 Seiten1 Stunde

Pascal Paoli und die korsische verfassung

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Das lange 19. Jahrhundert ist unter anderem geprägt von politischen Umbrüchen. Die Französische Revolution gipfelt in der Verfassung von 1791, der ersten modernen Verfassung Europas, die als Beginn des langen 19. Jahrhunderts gelten kann. Doch bereits 1755, Jahrzehnte vorher, formulierte Pascal Paoli, General und Staatsoberhaupt von Korsika, eine Verfassung für seine Insel. 
1729 markierte das Jahr, in dem Korsika begann, sich gegen die genuesische Herrschaft aufzulehnen – es begann ein Unabhängigkeitskampf über fast ein halbes Jahrhundert, dessen Ende durch die französische Besatzung 1769 besiegelt wurde. Höhepunkt der Unabhängigkeitsbestrebungen war die Zeit von 1755 bis 1769, in denen die Genuesen unter Pascal Paoli weitgehend vertrieben wurden und der Versuch, einen funktionierenden Staat zu schaffen, stattfand. 
Paoli war in seiner Zeit durchaus eine Berühmtheit, ein Held. Paoli und der korsische Kampf um die Unabhängigkeit galten als Symbol für den Kampf um die Freiheit und waren wohl vor allem für die Entwicklungen in Italien nicht unbedeutend. Zweifelsohne war auch die Verfassung von 1755 ein Novum. Jahrzehnte vor den bekannteren modernen Verfassungen von Frankreich und den USA, stellt sie ein ihnen sehr ähnliches Dokument dar, das man fast als moderne Verfassung bezeichnen kann. Das Dokument als solches wurde im Europa seiner Zeit jedoch nicht beachtet.
In der bisherigen Forschung wurde die Verfassung Korsikas von 1755 entweder als Factum hingenommen, oder aber gänzlich ignoriert. Nach einer Analyse mit aktuellen Definitionen des Begriffs „Verfassung“ in der Forschung sowie dem Vergleich mit den Verfassungen der USA und Frankreichs lässt sich festhalten, dass die korsische Verfassung in großen Teilen mit dem modernen Verfassungsbegriff übereinstimmt.
Waren nun Pascal Paoli und die Verfassung von 1755 ein europäisches Leitbild?
SpracheDeutsch
HerausgeberEuropa Edizioni
Erscheinungsdatum31. Dez. 2020
ISBN9791220107440
Pascal Paoli und die korsische verfassung

Ähnlich wie Pascal Paoli und die korsische verfassung

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Pascal Paoli und die korsische verfassung

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Pascal Paoli und die korsische verfassung - Ricarda Rapp

    Verfassung

    1. Einleitung

    1.1 Problemstellung und Forschungsinteresse

    Das lange 19. Jahrhundert ist unter anderem geprägt von politischen Umbrüchen, die Französische Revolution gilt als Beginn des langen 19. Jahrhunderts, hat sie doch viele ähnliche Bewegungen in Europa angestoßen und mit der Verfassung von 1791 die erste moderne Verfassung Europas hervorgebracht. Der Französischen Revolution und der Verfassung von 1791 wird eine große Signalwirkung und Vorbildfunktion auf andere Umwälzungs- und Verfassungsbestrebungen zugeschrieben.

    Als außereuropäischer Pionier gelten die USA, deren Verfassung als erste moderne gilt und die mit ihrem Unabhängigkeitskrieg, der zum Teil als Revolution bezeichnet wird, und ihrer Verfassung noch vor der Französischen Revolution den Aufbruch in die Moderne wagten und denen eine Vorbildfunktion in Bezug auf Frankreich zugeschrieben wird.

    In der Literatur wird völlig außer Acht gelassen, dass in Korsika bereits Jahrzehnte vorher eine vergleichbare Bewegung stattgefunden hat, in deren Kontext Pascal Paoli eine Verfassung formulierte. 1729 markiert das Jahr, in dem Korsika begann, sich gegen die genuesische Herrschaft aufzulehnen – es begann ein Unabhängigkeitskampf über fast ein halbes Jahrhundert, dessen Ende durch die französische Besatzung 1769 besiegelt wurde. Höhepunkt der Unabhängigkeitsbestrebungen war die Zeit von 1755 bis 1769, in denen die Genuesen unter Pascal Paoli weitgehend vertrieben wurden und der Versuch, einen funktionierenden Staat zu installieren stattfand. Als General, also Staatsoberhaupt, der Insel Korsika formulierte Pascal Paoli 1755 eine Verfassung für seine Insel. Wenn es sich hierbei um ein Werk handelt, das man als moderne Verfassung bezeichnen kann, wäre diese älter als die oben erwähnten Verfassungen, die gemeinhin als die ersten gelten.

    Ob es sich nun jedoch bei der korsischen Verfassung von 1755 überhaupt um eine moderne Verfassung handelt, wäre die erste Frage, der es nachzugehen gilt. Hierbei muss die Verfassung von 1755 analysiert, mit gültigen Definitionen moderner Verfassungen abgeglichen und mit anderen Verfassungen verglichen werden.

    Die Unabhängigkeitsbestrebungen Korsikas blieben in Europa nicht unbemerkt. Es lässt sich nun vermuten, dass eine Signalwirkung oder Vorbildfunktion, wie sie Frankreich oder den USA zugeschrieben wird, eventuell auch von Korsika ausgegangen sein könnte. Immerhin liegt die korsische Revolution zeitlich vor der französischen und amerikanischen und es lassen sich Hinweise finden, dass vor allem die Person Pascal Paoli bei Aufklärern und Staatsmännern bekannt war und teilweise auch in Kontakt zu ihnen stand.

    Die zweite Frage lautet daher, inwiefern die Unabhängigkeitsbestrebungen Korsikas von außen wahrgenommen wurden oder gar für die Entwicklung in anderen Ländern Europas von Bedeutung waren. Lässt sich ein Einfluss auf andere Umwälzungsbewegungen feststellen? Wurde die korsische Verfassung von 1755 und die Ereignisse der Unabhängigkeitsbestrebungen von anderen (europäischen) Ländern überhaupt wahrgenommen und wie reagierten Herrscher, politische Personen oder die Öffentlichkeit darauf? Diese Frage soll vor allem auf den Zeitraum der Regentschaft Pascal Paolis, also von 1755 bis 1769, und auf den europäischen Raum begrenzt werden, ohne Blicke über den Tellerrand hinaus von vorne herein auszuschließen.

    1.2 Forschungsstand

    War das Korsika Pascal Paolis ein europäischer Vorreiter? Der aktuelle Forschungsstand lässt sehr zu wünschen übrig. In der deutschsprachigen Literatur wird man zum Thema korsischer Unabhängigkeitskampf und korsische Verfassung von 1755 nur sehr spärlich fündig. Es existieren mehrere Werke über die Geschichte Korsikas allgemein¹ und ein Aufsatz in einer geschichtsdidaktischen Zeitschrift, der sich mit dem Einsatz der korsischen Verfassung von 1755 im Geschichtsunterricht befasst.² Bemerkenswert ist, dass zumindest die Person Paolis im deutschsprachigen Raum im 19. Jahrhundert³ mehr Aufmerksamkeit zu bekommen haben schien, als in jüngerer Vergangenheit. Im Französischen lassen sich mehrere Werke finden, die sich mit Pascal Paoli, dem Autor der Verfassung von 1755, befassen, ohne dass diese dort selbst explizit thematisiert würde.⁴ Außerdem gibt es eine kommentierte Edition des Verfassungstextes⁵ und eine Doktorarbeit im juristischen Bereich,⁶ die sich mit dem Inhalt der Verfassung beziehungsweise dem Regierungssystem und dessen Veränderungen über den gesamten Zeitraum des Generalats hinweg auseinandersetzt. Aus jüngerer Zeit stammt eine Arbeit, die sich laut Titel ausdrücklich mit der korsischen Verfassung beschäftigt. Jedoch wird in dieser sehr ausführlich über die verschiedensten Facetten Korsikas zur Zeit der Unabhängigkeitskämpfe, von der Vorgeschichte über die Spiritualität bis zur Geografie, und deren Auswirkungen auf die Verfassung geschrieben. Die Verfassung beziehungsweise ihre Inhalte und das darin festgelegte Regierungssystem werden allerdings nur sehr spärlich thematisiert und das Dokument ist selbst im Anhang nur unvollständig abgedruckt.⁷

    In verschiedenen Werken, die sich mit der Verfassungsgeschichte allgemein befassen, finden sich Hinweise darauf, dass es in Korsika bereits vor den bekannten Verfassungen in Frankreich und den USA konstitutionelle Versuche gegeben hat. Beispielsweise widmet sich Fenske (2001) mit einem – sehr kurzen – Kapitel dem korsischen Phänomen und der Verfassung, deren fehlende Bekanntheit er darauf zurückführt, dass sie nie abgedruckt wurde.⁸ Auch im Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte wird die korsische Verfassung im Kapitel über Verfassung und Verfassungsbegriff kurz erwähnt⁹ und im Kapitel über Italien gewürdigt. So ist hier zu lesen: „Das Vorspiel zur verfassungsgeschichtlichen Entwicklung in Italien – wie im ganzen kontinentalen Europa – fand auf Korsika statt."¹⁰ Die Inhalte der Verfassung und die Ereignisse auf Korsika werden knapp skizziert, jedoch nicht genauer analysiert. Die Einordnung der Ereignisse auf Korsika und der Verfassung von 1755 in die italienische Verfassungsgeschichte wird bei Trampus (2009) vorgenommen, der die Inhalte der Verfassung jedoch nur kurz aufgreift und diese vor allem in den Kontext des italienischen Konstitutionalismus einordnet und mit dem Verfassungsentwurf Peter Leopolds von Toskana in Bezug setzt.¹¹

    Ob die Verfassung als solche überhaupt betrachtet werden kann, wird an keiner Stelle untersucht. Ein möglicher Einfluss auf die europäische Entwicklung wird teilweise erwähnt, jedoch nicht weiter untersucht. Die Wahrnehmung Pascal Paolis, der Verfassung von 1755 und den Ereignissen auf Korsika wurde als gesamtes in der Forschung kaum betrachtet. Lediglich in einzelnen Arbeiten, vor allem in biografischen Arbeiten zu Pascal Paoli, finden sich Hinweise auf eine gewisse Berühmtheit und Beliebtheit Paolis im zeitgenössischen Europa.

    Während in der französischen und italienischen Forschung ein gewisses Interesse am Korsika der Zeit Paolis, vor allem jedoch an Paoli selbst erkennbar ist, bleibt jedoch festzuhalten, dass in der deutschsprachigen Forschung eindeutig ein Defizit bezüglich Paolis Korsika herrscht.

    1.3 Quellenlage und Vorgehensweise

    Bevor in die Problematik an sich, die Frage, inwiefern Pascal Paoli bzw. seine Verfassung von 1755 ein europäisches Leitbild war, eingestiegen wird, soll das Generalat Paolis von 1755-1769 in seinen historischen Kontext gelegt und die Hintergründe der Entstehung der Verfassung von 1755, die soziokulturelle Situation Korsikas und die Rebellion der Korsen gegen die Fremdherrschaft Genuas, dargelegt werden. Dies erfolgt durch Literaturarbeit, wobei vor allem auf Biografien und Monografien über Pascal Paoli aus der französischen Forschung zurückgegriffen wird.

    Im Anschluss erfolgt dann die Untersuchung der Frage, inwiefern die korsische Verfassung als Verfassung gelten kann, beziehungsweise, ob sie als erste moderne Verfassung gesehen werden kann. Da keine deutsche Fassung des Gesamttextes existiert, wird als erstes der Text der Verfassung in die deutsche Sprache übersetzt. Die Inhalte werden im Anschluss genauer analysiert. Dann werden zunächst aktuelle Definitionen und Kennzeichen von Verfassung dargelegt, um die theoretische Frage zu klären: Was ist eine (moderne) Verfassung? Es folgt eine genaue Analyse der korsischen Verfassung von 1755, und ein Abgleich mit den zuvor festgelegten Kriterien einer modernen Verfassung. Zudem wird es einen Vergleich der korsischen Verfassung mit der amerikanischen und der französischen, die allgemein als erste moderne Verfassungen gelten, geben. Für diesen Teil der Arbeit stehen die Texte der genannten Verfassungen als Quellen zur Verfügung, außerdem aktuelle Werke zur Verfassungsgeschichte.

    Als nächstes soll der Frage auf den Grund gegangen werden, ob und inwiefern Pascal Paoli und seine Verfassung von 1755 in anderen europäischen Staaten wahrgenommen wurde oder sogar als Leitbild gelten kann. Hierzu werden verschiedene Bereiche untersucht:

    Inwiefern wurden die korsische Verfassung, Pascal Paoli und die korsischen Unabhängigkeitsbestrebungen von politischen Personen, vor allem aufgeklärten Herrschern wie Joseph II. oder Friedrich II. wahrgenommen? Neben der Literaturarbeit beispielsweise an Biographien stehen auch Korrespondenzen zur Verfügung. Diese sollen ebenfalls hinsichtlich der Wahrnehmung und auch des Bildes Pascal Paolis, seiner Verfassung und des korsischen Phänomens analysiert werden.

    Auch aufgeklärten Philosophen blieben die Ereignisse auf Korsika nicht verborgen, so gibt es einen Verfassungsentwurf Jean-Jacques Rousseaus für Korsika und auch bei Voltaire lassen sich Bemerkungen über Korsika finden. Editionen verschiedener philosophischer Werke werden ebenfalls hinzugezogen, um die Wirkung der korsischen Verfassung und Geschehnisse näher zu beleuchten.

    Schließlich soll auch untersucht werden, inwiefern die Öffentlichkeit Kenntnis von den Ereignissen hatte und wie diese wahrgenommen werden. An dieser Stelle ist es möglich, Monografien, die sich explizit mit der Geschichte Korsikas befassen und die teilweise bereits noch während seines Generalats veröffentlicht wurden, als Quelle zu nutzen. Sie sind vor allem hinsichtlich des Inhalts, des von Korsika und Paoli transportierten Bildes und inwiefern die Verfassung thematisiert wird, interessant. Auch in der englischen Reiseliteratur der Zeit wird Paolis Korsika thematisiert, so dass diese genutzt werden kann.

    Am Ende soll es möglich sein, die beiden zentralen Fragen zu beantworten: Kann man die korsische Verfassung von 1755 als erste moderne Verfassung bezeichnen? Wie wurden die Verfassung und die korsischen Unabhängigkeitsbestrebungen von außen wahrgenommen und hatten sie vielleicht sogar eine Bedeutung für die Entwicklung in anderen europäischen Ländern? Und, schlussendlich, kann man Pascal Paoli und die Verfassung, die er 1755 auf Korsika etablierte, als europäische Vorreiter betrachten?


    1 Ein neueres Beispiel hierfür wäre Patata, Alberto: Die Geschichte Korsikas von der Antike bis zur Geburt Napoléons. Der Freiheitskampf eines Volkes. Bonobo Verlag, 2016.

    2 Eisenmenger, Daniel: Die vergessene Verfassung Korsikas. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Bd. 61, Friedrich Verlag, 2010.

    3 z.B. K.L. Klose: Leben Paskal Paolis aus dem Jahr 1853

    4 z.B. Werke von Antoine-Marie Graziani, Michel Vergé-Fransceschi, Jean-Pierre Arrighi und einigen weiteren.

    5 Carrington, Dorothy (Hg.) / Paoli, Pascal: La Constitution de Pascal Paoli 1755: texte intégral. La Marge, 1996.

    6 Fontana, Matthieu: La Constitution du Généralat de Pascal Paoli en Corse (1755 – 1769). Thèse de doctorat en droit. Imprimerie Bonvalot-Jouve, 1907.

    7 Es handelt sich bei diesem Werk um Avon-Soletti, Marie-Thérèse: La Corse et Pascal Paoli. Essai sur la constitution de

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1