Jon. Harkers Gothic Novels: Des Satans Eminenz
Von Dietmar Preuß
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Über dieses E-Book
Als Jon. Harker seine Frau Mina, seinen Sohn Quincey, Dr. Seward und lange zuvor den Professor beerdigt hatte, nahm er die Arbeit auf, die die Grundlage zahlloser Spiritisten und Metaphysiker werden sollte. Auf der Suche nach Spuren des unheiligen Geschlechts des Grafen ging er jedem Gerücht, jeder Geschichte, jedem Zeitungsartikel und später jedem Netzeintrag, der von übernatürlichen Fähigkeiten oder Ereignissen zeugte, nach.
Dass der Widersacher Priester und Prälaten verführte, hatte Jon. Harker in den Jahrzehnten seiner Wacht oft erfahren. Aber immer hatte er ein wachsames Ohr bei solchen Berichten. Denn es wäre auch für den untoten Grafen oder einem seiner geheimen Erben leicht, Macht und Reichtum zu versprechen.
Dass mit Katie und Stephanie zwei betörende Frauen zu den wenigen Überlebenden einer Feuerhölle gehörten, weckte Jon. Harkers Neugier. Denn der Untote hatte häufig schöne Frauen verschont, um sie zu seinen Gefährtinnne zu machen. Wie allerdings die von Uhrwerken angetriebenen Doppelgänger in die Geschichte passten, konnte Jon Harker sich nicht erklären.
Dietmar Preuß
Dietmar Preuß Dietmar Preuss veröffentlicht seit Jahren phantastische Geschichten. Für die Serie Das Schwarze Auge schrieb er vier Romane. Das Verschwundene Tal ist der erste Roman, der digital veröffentlicht wurde. Seine Faszination für Gothic Novels und Schwarze Romantik ließ ihn die Idee einer eigenen Serie von düsteren Novellen verwirklichen. Die nächste Story aus der Serie Jon. Harkers Gothic Novels wird im Mai 2021 erscheinen.
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Buchvorschau
Jon. Harkers Gothic Novels - Dietmar Preuß
Jon. Harkers Gothic Novels
Titelseite
Impressum
Des Satans Eminenz
Der Herbst war schon weit fortgeschritten. Daher stand Katie, obwohl es erst sechs Uhr am Abend war, im Dunklen auf der Promenade. Sie liebte den Wallring unter den alten Bäumen, der beinahe vollständig um die Altstadt herum führte. Die Baumreihen waren hoch und dicht, sodass sie den Eindruck des Mittelschiffs einer gotischen Kathedrale erweckten. Wie die Streben der Spitzbögen neigten sich die kahlen Äste einander zu. Der dunkle Straßenbelag trug noch zu dem düsteren Eindruck bei. Wären nicht die wenigen Radfahrer mit den unsteten Lampen gewesen, Katie wäre mit ihrem schwarzen, bodenlangen Mantel und den ebenso schwarzen Haare mit der Dunkelheit verschmolzen. Nur ihr blasses Gesicht hob sich von der dunklen Umgebung ab.
Gleich am Rand des erhabenen Walls stand, als Teil der ehemaligen Stadtbefestigung, der Pulverturm. Katie Marrock lief ein Schauer über den Rücken, als die Erinnerungen an die Ereignisse vor sieben Jahren lebendig wurden. Sie schloss die grünen Augen, und die Bilder von den auflodernden Flammen, den vor Entsetzen aufgerissenen Augen ihrer Freunde und dem Anblick des halb verbrannten Prälaten, wurden umso deutlicher. Katie schüttelte sich, und das im Herbstnebel feucht gewordene Haar fiel ihr unangenehm kalt in den Nacken. Dann starrte sie weiter auf den Turm, der aus hellem Sandstein bestand und wuchtig etwa zwanzig Meter in die Höhe ragte. Nachdem der Brand üble Rußspuren hinterlassen hatte, war er schnell neu gestrichen worden. Als Farbe hatte man einen dem Sandstein ähnlichen Ton gewählt. Die Anwohner sollten nicht ständig an diese Schreckensnacht erinnert werden. Und die zahlreichen Touristen sollten keinen anderen Eindruck als den einer gediegenen, katholischen Provinzhauptstadt bekommen. Sah man einmal von den Quartieren ab, in denen sich die Studenten abends tummelten.
Das Christentum war vom heiligen Ludger und den Truppen Karls des Großen vor über einem Jahrtausend gegen große Widerstände der Sachsen durchgesetzt worden. Um mit ebenso viel Blut und Eisen war der Katholizismus gegen die Wiedertäufer verteidigt worden. Später, im dreißigjährigen Krieg, hatte der Bischof von M. die katholischen Truppen höchstselbst in Harnisch und mit dem Schwert in der Hand angeführt. Noch heute war er im Dom, von im Relief gemeißelten Kanonen und Blankwaffen umgeben, als Bomben-Bernhard zu bewundern.
Trotz alledem gab es noch einige wenige Männer und Frauen, die der alten Sitten der Ahnen folgten, soweit das in diesen modernen Zeiten möglich war. Die sich an versteckten, ehemaligen Kultorten, an Wodansteinen und Hünengräbern in der Stadt und der Umgebung trafen und die alten Götter ehrten. Die diskutierten, wie die Probleme der heutigen Zeit in die Zeiten der Ahnen zu übertragen und von diesen entschieden worden wären. Genauso harmlos war die schwarzromantische Szene, die sich in den einschlägigen Clubs traf. Sie eiferten nicht um neue Anhänger, blieben unter sich, hörten ihre düstere Musik und kleideten sich ebenso dunkel wie Katie. Und ebenso wie Katie suchten sie manchmal Schönheit in der Düsternis und in den Geschichten der alten Romantiker. Versuchten, den Geist der Blauen Blume zu erahnen.
Aber es gab in dieser sich so gediegen und herablassend gebenden Stadt eine zweite Art dunkler Gestalten. Und die suchten alles andere als Schönheit. Sie fanden Macht, Erregung und Erfüllung düsterer Wünsche in der Begegnung mit dem alten Widersacher.
Katie wusste, wie harmlos manche von ihnen wirkten, denn nur die machtlosen unter ihnen zeigten ihre Gesinnung mit schwarzer Kleidung und den silbernen Symbolen ihrer Weltanschauung. Katie wusste sogar von drei geweihten Amtsträgern im Dom, von denen zwei dem Widersacher dienten, allein um ihre Knabenliebe ausleben zu können. Dem dritten war es um Macht gegangen. Die Macht, über die Dämonen zu gebieten und die anderen Anhänger des Teufels zu seinen willfährigen Sklaven zu machen. Und dieser eine hatte vor so vielen Jahren die Feuersbrunst im Pulverturm herauf beschworen und nahezu alle neu Verführten getötet. Außer ihr selbst waren gerade einmal drei andere Leute entkommen: Ihre Freundin Stephanie, bei der sie ein paar Tage verbrachte, und zwei Neulinge in der schwarzromantischen Szene, die sie seither nicht wieder gesehen hatte. Die einzige Genugtuung war, dass dieser Dritte selbst die Flammen zu spüren bekommen hatte, was sichtbare Spuren hinterlassen hatte.
Noch lange stand Katie in Dunkelheit unter den hohen Alleebäumen. Unverwandt starrte sie auf den von Brandspuren gereinigten Turm. Dabei übersah sie die vielen anerkennenden Blicke der Vorbeifahrenden, die ihrer schlanken Figur und den langen Haaren galten. Vielmehr versuchte sie, durch die kleinen, vergitterten Fenster zu sehen, mit dem inneren Auge durch die dicken Mauern zu dringen. Hatte man auch das Innere gereinigt und frisch gestrichen? Hatte man den satanischen Altar entfernt und die Blutflecken weg gewaschen?
„Katie?, hörte sie hinter sich jemand fragen. Aber sie war derart in ihren Gedanken, Erinnerungen und Zweifeln vertieft, dass sie nicht darauf reagierte. „Katie?
, erklang wieder die Stimme des Menschen, den sie niemals hier erwartet hätte. Sie drehte sich um, und das erste, was ihr auffiel, war das Fehlen des Collars am Hals des Mannes.
Fünf Minuten später saßen sie in der letzten Reihe der Michaels-Kapelle, die auf der anderen Straßenseite, versteckt hinter einer hohen Hecke, am inneren Stadtring lag. Sie hatten diesen Ort nicht allein wegen seiner Abgeschiedenheit gewählte. Es war vielmehr so, dass Katie sich an einem anderen als einem geweihten Ort niemals länger als eine Minute in der Gegenwart von Will Degenhart aufgehalten hätte. Bis heute glaubte sie, dass er auf der Seite von Bischof Heller und seinen unheiligen Priestern gestanden hatte.
Trotz dieses Verdachts und der Vorsicht, die sie schmerzhaft hatte erlernen müssen, drohte Wills Charme sie schon nach wenigen Worten zu überwältigen. Seine sanften braunen Augen, der ehrliche Ausdruck in seinem Gesicht, das trotz seiner vierzig Jahre immer noch einen jugendlichen Eindruck machte, ließen sie beinahe vergessen, was sich vor Jahren zugetragen hatte. Schon fragte sie sich, ob er sie wirklich an Bischof Heller verraten hatte, als sie versuchte, ihre Freunde von der satanischen Messe fern zu halten. Vielleicht war es ja doch eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen, die zum Tod von einem Dutzend junger Menschen geführt hatte. Deren Neugier, deren