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Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders
Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders
Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders
eBook212 Seiten2 Stunden

Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders

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Über dieses E-Book

Das Hauptwerk Wackenroders und ein wichtiges Zeugnis der Frühromantik: Mit dieser Sammlung kunsttheoretischer Aufsätze und Beobachtungen, Gedichte sowie (fiktiver) Künstlerbiographien lässt Wackenroder einen Klosterbruder zu Wort kommen, der seine religiöse Verehrung für Michelangelo, Raffael und Dürer in aller Wortgewandtheit zum Ausdruck bringt. Dabei wird der Malerei eine ebenso sakrale Bedeutung wie dem Gebet zugeschrieben.-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum5. Okt. 2020
ISBN9788726614749
Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders

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    Buchvorschau

    Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders - Wilhelm Heinrich Wackenroder

    Wilhelm Heinrich Wackenroder

    Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders

    Saga

    Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders

    Coverbild/Illustration: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sofonisba_-_portrait_of_a_monk_c._1556.jpg

    Copyright © 1797, 2020 Wilhelm Heinrich Wackenroder und SAGA Egmont

    All rights reserved

    ISBN: 9788726614749

    1. Ebook-Auflage, 2020

    Format: EPUB 3.0

    Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

    SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

    – a part of Egmont www.egmont.com

    EIN VORWORT

    Wilhelm Heinrich Wackenroder, der 1773 in Berlin geboren wurde, zählt zu den Begründern der frühromantischen Kunsttheorie. Gleichaltrig mit dem Jugendfreunde Ludwig Tieck, ein Jahr jünger als Novalis und Friedrich Schlegel, steht er doch dem Kreise der Romantiker persönlich fern. Sein kurzes Leben verlief äußerlich in den bescheidenen Bahnen des Sohnes aus gutem Hause, der sein Brotstudium vollendete, einem bürgerlichen Beruf zustrebte und ihn nicht eben gern, aber mit Ernst und Gewissenhaftigkeit auszufüllen sich anschickte. Als er, kaum fünfundzwanzigjährig, 1798 starb, lag von ihm nichts vor als die anonym erschienenen, von Tieck herausgegebenen „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Posthum veröffentlichte der Freund 1799 ein zweites Bändchen: „Phantasien über die Kunst für Freunde der Kunst, Zu beiden hat Tieck selbst Aufsätze beigesteuert. Dies und ein starker geistiger Anteil an Ludwig Tiecks Malerroman „Franz Sternbalds Wanderungen", der unvollendet 1798 erschien, ist Wackenroders Hinterlassenschaft.

    So eng dies Leben und so schmal dies Werk erscheinen mag: aus der romantischen Welt ist es nicht mehr wegzudenken. Kann man die Brüder Schlegel mit der Schärfe ihres kritischen Geistes das Hirn der Romantik nennen, so ist Wackenroder ihre Seele, von weiblich reizsamer Empfänglichkeit und untrüglichem Instinkt, von inniger Lauterkeit des Herzens und einer fast wehrlosen Weichheit der Empfindung, die ihn zum Ertasten und Erahnen des Tiefsten in der Kunst befähigte, ihn aber auch am frühesten von allen der Zerstörung preisgab.

    Wackenroder hat zum erstenmal Themen angerührt, die seither von Begriff und Wesen der deutschen Romantik nicht mehr zu trennen sind: die altdeutsche Kunst Albrecht Dürers und die altdeutsche Stadt Nürnberg, die Malerei der italienischen Renaissance, vor allem Raffaels, die religiöse Weihe aller Kunst und Kunstbetrachtung, die Verherrlichung der Musik als Sprache der Seele, die unaussprechliche Seligkeit des Schaffens und zugleich die tiefe Gefährdung des Künstlers. Er hat als erster den Blick gleichzeitig auf beide Schwesterkünste der Dichtung, Malerei und Musik, gerichtet und damit einen Grundzug aller Romantik bezeugt: das Streben zur Annäherung und Verschmelzung der Künste, hin zu dem universalen Makrokosmos eines Gesamtkunstwerks, von dem damals Novalis und der Maler Philipp Otto Runge träumten und dessen letzte Frucht Richard Wagners Musikdrama ist. In dieser neuen oder doch erneuerten Fragestellung sind Wackenroders Aufsätze eine der bedeutsamsten Programmschriften der jungen Romantik.

    Im Mittelpunkt seiner Kunstanschauung steht die Auffassung der Kunst als Religion, als einer Offenbarung des Göttlichen. Man könnte ihn, wäre das Wort weniger vieldeutig und mißverständlich, einen Mystiker der Kunstbetrachtung nennen; denn seine Einstellung zum Kunstwerk gleicht in Glut und Andacht und inniger Versenkung in vielem dem Verhältnis jener Frommen zu ihrem Gott, der ihnen im Seelengrund erschien.

    Zwei wunderbare Sprachen sind uns geschenkt: die der Natur, die uns Gottes Wunder offenbart, und die der Kunst, die zu reden wenigen Auserwählten unter den Menschen vom Himmel gegeben ist, Beide sind heilige Zeichen, „Hieroglyphenschrift" des Schöpfers und seiner Macht. Bedeutungsvoll nimmt Wackenroder den Begriff der Hieroglyphe auf, den die Geniezeit seit Johann Georg Hamann etwa gefunden und der Romantik überliefert hatte: die heilige Sprache Gottes und seiner Schöpfung, auf die es zu hören und die es zu enträtseln gilt.

    Die Kunst hat also höchsten Rang als Künderin Gottes und seiner Wunder, sie ist selbst „eine Art von Schöpfung, wie sie sterblichen Menschen hervorzubringen vergönnt war".

    So fordert denn auch die Betrachtung ihrer Werke die Weihe und Andacht religiöser Übung. Wackenroder beschreibt uns, „wie und auf welche Weise man die Werke der großen Künstler der Erde eigentlich betrachten und zum Wohl seiner Seele gebrauchen müsse; und dies Wort: „zum Wohl seiner Seele gebrauchen verleiht der Kunst ihre religiöse Würde und eine fast sakramentale Bedeutung, Es richtet sich gegen die rationale Bildkritik des vorhergehenden 18. Jahrhunderts, die sich in Wiedergabe des Bildinhalts und in Erörterung der Technik erschöpfte und darüber die Seele des Kunstwerks vergaß. „Bildersäle werden betrachtet als Jahrmärkte, wo man neue Waren im Vorübergehen beurteilt, lobt und verachtet; und es sollten Tempel sein, wo man in stiller und schweigender Demut und in herzerhebender Einsamkeit die großen Künstler als die Höchsten unter den Irdischen bewundern und mit der langen, unverwandten Betrachtung ihrer Werke in dem Sonnenglanze der entzückendsten Gedanken und Empfindungen sich erwärmen möchte."

    Ist die Kunst Geschenk, Sprache und Künderin des Göttlichen, so muß der Umgang mit ihr auch dem Gebete gleichen, das man nicht in irdischer Zerstreuung, sondern zu erhobener Stunde in Sammlung und Stille verrichtet. Nicht das kalte Prüfen und Vergleichen, sondern die Versenkung in die Gemälde ist das allein Wesentliche. „Sie sind nicht darum da, daß das Auge sie sehe; sondern darum, daß man mit entgegenkommendem Herzen in sie hineingehe und in ihnen lebe und atme." Damit ist die kritisch-räsonierende, verstandesmäßige Betrachtungsweise der Aufklärungszeit überwunden und eine rein gefühlshafte Erfassung des Kunstwerks an ihre Stelle getreten. Wackenroder geht es nicht mehr wie der früheren Zeit um die Erkenntnis vornehmlich technischer Einzelheiten, über denen das große und einheitliche Ganze verlorenging, nicht um den Aufbau des Bildes und die Zeichnung der Figuren, um Gewänder oder Baumschlag, um Licht und Farben, sondern einzig und allein um das zu religiöser Inbrunst gesteigerte Erleben der Kunst in einem demütigen und verehrenden Herzen.

    Von solcher Andacht zum Kunstwerk, von Sammlung und Meeresstille der Seele war zuerst Johann Joachim Winckelmann erfüllt gewesen, dessen Schriften seit 1755 die edle Einfalt und stille Größe und die kanonische Geltung der griechischen Werke verkündeten. Auch in seiner Haltung lebt, bis in die sprachliche Formulierung erweisbar, ein mystisches Element, so griechisch und gott-los vom Christlichen aus gesehen seine Welt- und Lebensanschauung erscheinen mag, und in dieser religiösen Inbrunst des Kunstgenusses ist er in der Tat Wackenroder verwandt. Nur in der Art ihrer Frömmigkeit scheiden sich beide. Winckelmanns erzwungenes Konvertitentum bleibt zeit seines Lebens äußerliche Zutat, welche die antikisch-heidnische Grundsubstanz seines Wesens nicht berührt. Auch er ist Mystiker, vom Neuplatonismus und vielleicht auch von der mächtigen Tradition des heimischen Pietismus befruchtet, aber ihm ist die Schönheit an sich das göttliche Geheimnis, das es zu verehren gilt, die selig in sich selbst ruhende Vollkommenheit der Leiber griechischer Menschen und Götter. Wackenroders Innigkeit fließt zum erstenmal aus christlicher Quelle, ihm ist zuerst das Kunstwerk Offenbarung der Macht und Größe des einen, persönlichen Gottes.

    Ein ähnlicher Ton der Ehrfurcht vor den Werken großer Kunst war schon einmal in der Geniezeit erklungen, Goethes Hymnus „Von deutscher Baukunst (1773), voller und brausender im Lebensgefühl der Sturm- und Drang-Zeit als die zartere Verhaltenheit des Klosterbruders, steht ihm dennoch in der Grundhaltung nahe und zählt zu den geistesgeschichtlichen Ursprüngen der „Herzensergießungen.

    Diese Auffassung der Kunst als Religion und Gottesdienst bedingt auch Wackenroders Künstlerbegriff, Dreißig Jahre zuvor hatte der Sturm und Drang das Prometheische, die vorbildlose Autonomie und das gottähnliche Schöpfertum des Künstlers entdeckt, der den Mikrokosmos seines Werks in souveräner Freiheit aus dem Nichts erschafft, so wie der größte Künstler, Gott, den Makrokosmos des Alls. Dies Wissen um das unbegreifliche Wunder des Schöpferischen im Menschen bleibt in der Romantik erhalten. Darüber hinaus ist Wackenroders Stellung von seinem Urerlebnis der Göttlichkeit aller Kunst bestimmt, trägt also abermals einen religiösen Zug. Wenn die Kunst göttliche Sprache ist, dann ist ihr Träger geheiligt, Auserwählter und Priester, so wie damals Novalis sagt, daß Dichter und Priester im Anfang eins gewesen seien, oder wie später die Künstlergestalten in Eichendorffs Erzählungen um das Priesterliche ihrer heiligen Berufung wissen.

    So sieht es Wackenroder: Ist schon der bloße Genuß des Kunstwerks Gebet und Gottesdienst, zu dem der Mensch in innerer Einkehr und Seelenstille sich rüsten muß, um wieviel mehr ist der dieser Gottessprache Mächtige und mit ihr. Begabte, der Künstler, ein priesterlich Geweihter. Auf das heilige Leben dieser Gottgesegneten kommt es an. Das in den „Herzensergießungen" so stark hervortretende biographische Element ist keine belanglose oder äußerliche Zutat und auch nicht nur durch die Anekdotenfreudigkeit der Quellen bedingt, sondern ergibt sich notwendig aus der innersten Überzeugung des Verfassers, ist Allerwesentlichstes: diese Lebensläufe sollen beweisen, daß der Künstler auch in seiner äußeren Existenz ein Gesalbter des Herrn ist.

    In diesem Sinne schreibt Wackenroder Künstlergeschichte, nicht mit der naiven Stoff- und Sachfreude der alten Chroniken, aus denen er schöpfte, sondern erfüllt von der sentimentalischen Sehnsucht nach der einfältigen Frömmigkeit einer Kunstauffassung, die er in seiner Gegenwart vergebens suchte. Er erzählt das Leben der alten Maler seinen Quellen nach, deren wichtigste die Vitensammlung des Giorgio Vasari (um 1550) ist und von deutschen Gewährsmännern die „Teutsche Akademie der edlen Bau-, Bild- und Malerei-Künste" des Joachim von Sandrart (1675). Ihnen entnimmt er seinen Stoff, oft wörtlich nacherzählend, häufiger frei bearbeitend. Ein Vergleich mit den Quellen lehrt, daß der Romantiker eben da erweitert und verändert, wo es um die psychologische Vertiefung und das neue Künstlerideal geht, das den alten Berichten notwendig fehlen mußte.

    Die mystische Stille der Seele ist die erste und unerläßliche Voraussetzung nicht nur für das Nacherleben und den Genuß des Kunstwerks, sondern auch für seine Empfängnis im Herzen des Schöpfers. Nicht im Sturmwinde, sondern im sanften Säuseln erscheint der Gott. Das ruhelos brausende Leben des Piero di Cosimo, das Wackenroder dem Vasari nacherzählt, ist nicht gottgesegnet: „seine Seele erfreut sich nie, still auf einem Gedanken oder einem Bilde zu ruhen, und niemals vermochte er, „sich in einfacher und heiterer Schönheit zu spiegeln. Er kann für Wackenroder kein „wahrhaft echter Künstlergeist sein. So wie die Unio mystica sich nur in der. Stille des einsamen Seelengrundes vollzieht, muß auch die Seele des Künstlers ein reiner Spiegel sein. „In dem tobenden und schäumenden Meere spiegelt sich der Himmel nicht; — der klare Fluß ist es, worin Bäume und Felsen und die ziehenden Wolken und alle Gestirne des Firmaments sich wohlgefällig beschauen.

    Mit diesem Ideal der in sich ruhenden, spiegelreinen Stille der Künstlerseele steht Wackenroder in einer geistesgeschichtlichen Überlieferung, die in der deutschen Romantik ihren stärksten Ausdruck fand: bei Novalis und Friedrich Schlegel, bei E. T. A. Hoffmann und Eichendorff und am schönsten vielleicht in Jean Paul Friedrich Richters „Vorschule der Aesthetik", ja weiter im 19. Jahrhundert bei Eduard Mörike, bei Adalbert Stifter und noch bei Gottfried Keller. Wackenroder gibt diesem romantischen Geniebegriff den Sonderakzent einer nazarenisch-frommen Einfalt und ursprünglichen Kindlichkeit, den er aus den reinen Tiefen der eigenen Seele schöpfte. Wenn Goethe einmal zu Riemer sagt, die Menschen seien nur so lange produktiv in Poesie und Kunst, als sie noch religiös seien, — dann würden sie bloß nachahmend und wiederholend, so spricht dies tiefe Wort Wackenrodets innerste Überzeugung aus: nur in der schlichten Frömmigkeit der alten Zeiten, als Religion, Kunst und Leben noch ungeteilt eins waren, entsteht wahre Kunst.

    So stilisieren die „Herzensergießungen Leben und Werk der alten Maler; sie geben nicht geschichtliche Wirklichkeit im wissenschaftlichen Sinne, sondern Ideal und frommes Wunschbild, eine sentimentalisch-sehnsüchtige Utopie, projiziert in die romantische Ferne vergangener Jahrhunderte. Am bezeichnendsten sind dafür die Anekdoten der „Malerchronik, die fast alle von der unbegreiflich hohen Würde der Kunst und von der demütigen Frömmigkeit ihrer Träger berichten: so wenig historische Wahrheit wie Winckelmanns Antikenbild oder Klopstocks Vorstellung von germanischer Frühe, aber wie diese eine große Fiktion, von befruchtender Wirkung auf den Geist der romantischen Kunst.

    Wackenroders Wahl seiner Gegenstände ist durch diese Haltung bestimmt. Seine Welt sind die italienischen Maler der Renaissance, vor allem der Hochrenaissance: Michelangelo, Lionardo und Raffael, ihre Zeitgenossen Piero di Cosimo, Francesco Francia, Albertinelli, spätere wie Carracci, Domenichino und sogar schon der von E. T. A. Hoffmann so geliebte Franzose Jacques Callot. Daneben werden ältere Künstler, Giotto und Fra Angelico da Fiesole, nur flüchtig erwähnt, und von altdeutschen Gestalten erscheint nur Albrecht Dürer.

    Dies ist Wackenroders enges Pantheon, verklärt von jener romantischen Sehnsucht zur Frühe, von der wir sprachen, zurück in ein erträumtes goldenes Zeitalter des ersten Anfangs und Neubeginns, einer ersten, paradiesesnahen Ursprünglichkeit und frommen Einfalt des Lebens. Vor allem ist. es der „göttliche Raffael", dessen Name mit einer religiösen Weihe und ehrfürchtigen Scheu immer wieder genannt wird, zum erstenmal mit diesem Nachdruck. Wohl hatte schon das 18. Jahrhundert den Meister anerkannt und namentlich die technische Vollendung seiner Gemälde bewundert, und tiefer schürfend preist Winckelmanns Erstlingsschrift über die Nachahmung der griechischen Werke von 1755 die selig ruhende göttliche Stille im Antlitz der eben für Dresden gewonnenen Sixtina. Aber so feierlichen Klang gewinnt Raffaels Name erst jetzt als Inbegriff des romantischen Künstlerideals. Bei Wackenroder beginnt seine Stilisierung in das Nazarenisch-Fromme und Einfältige hinein, das sich in der Spätromantik steigert und in J. D. Passavants großer Lebensbeschreibung (1839 ff.) einen späten Höhepunkt findet.

    In dieser Verherrlichung der italienischen Malerei lebt neben dem Drang zur Frühe als zweites romantisches Herzthema das Südweh des Zeitalters, die Italiensehnsucht aus nordischer Dunkelheit heraus, für die Goethes Hégire nach Rom das größte Beispiel bildet. Auch Wakkenroder hat dieses Fieber gekannt, wenngleich es ihn nicht mit der verzehrenden Stärke packte wie andere Romantiker. Er plante in der Göttinger Zeit eine Italienfahrt zu dritt mit Tieck und dessen Freund Burgsdorff, eine Flucht in den Süden wie Eichendorffs Helden und alle die romantischen Maler: er selbst wollte als Musiker, Tieck als Dichter in Rom leben. Es ist vielleicht kein bloßer Zufall, daß sich der Plan zerschlug und wohl Tieck in späteren Jahren, aber nie Wackenroder den Weg in den italienischen Hörselberg fand. Bezeichnend, daß diejenigen Beiträge in den „Herzensergießungen, die diesen Gedanken aussprechen („Sehnsucht nach Italien und „Brief eines jungen deutschen Malers in Rom an seinen Freund in Nürnberg), nicht von ihm, sondern von Tieck verfaßt sind; und Tieck ist es auch, dessen Künstlerroman „Franz Sternbalds Wanderungen das Thema des nach Rom pilgernden altdeutschen Malerjünglings dichterisch gestaltet.

    Wackenroder ist der Südverzauberung nicht erlegen wie so manche Künstler seiner Zeit. Er hat sich wie Philipp Otto Runge oder Caspar David Friedrich auch hier seine Selbständigkeit bewahrt. Ihm scheint es gut, daß sein Albrecht Dürer nicht den Weg nach Rom und zu Raffael gefunden hat: „Er würde nicht er selber geblieben sein; sein Blut war kein italienisches Blut."

    So steht in den „Herzehsergießungen" neben den Malern der italienischen Renaissance die altdeutsche Kunst, neben dem göttlichen Raffael die symbolhafte Gestalt Albrecht Dürers als Inbegriff deutschen Wesens. Auch Wackenroders Dürerverehrung nimmt ein Thema auf, das nach und neben der Verkennung durch den Rationalismus des 18. Jahrhunderts die Sturm- und Drang-Zeit ein Menschenalter vorher zuerst angeschlagen hatte. Was aber in den Briefen und Äußerungen des jungen Goethe etwa oder in einem noch vorsichtig verteidigenden Aufsatz seines Darmstädter Freundes Merck nur zögernd anklingt, das ist in den Bekenntnissen des Klosterbruders voll entwickelt: jener Ton begeisterter Verehrung, der von da an in dem Dürerbild der deutschen Romantik nicht mehr verklingt.

    Zwar ist es durchaus nicht

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