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Niemals aufgeben: Biografie
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eBook304 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

Huub Stevens ist einer der erfolgreichsten Bundesliga-Trainer. Mit dem FC Schalke 04 holte er 1997 den UEFA-Cup, zweimal den DFB-Pokal und war 2001 für vier Minuten Deutscher Meister. Auch mit dem Hamburger SV und dem 1. FC Köln feierte er große Erfolge, den VfB Stuttgart rettete er gleich zweimal vor dem Abstieg. Zu seinen weiteren Trainerstationen zählen Roda JC Kerkrade, Hertha BSC, die PSV Eindhoven, Red Bull Salzburg, PAOK Saloniki und die TSG Hoffenheim. Anfang 2016 beendete er seine Karriere aus gesundheitlichen Gründen.In seiner Autobiografie gibt Huub Stevens tiefe Einblicke in das Innenleben des Fußballbetriebs und setzt sich kritisch mit Spielerberatern, Medien und Vereinsoberen auseinander. Gleichzeitig offenbart er ganz private Seiten, wenn er über den frühen Tod seines Vaters, die schwere Krankheit seiner Frau oder seine Freundschaft mit Rudi Assauer spricht. Ein spannendes Buch, das den Menschen hinter dem angeblich "harten Hund" Huub Stevens sichtbar werden lässt.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum21. Feb. 2017
ISBN9783730703342
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    Buchvorschau

    Niemals aufgeben - Huub Stevens

    2017

    1

    DAS PLÖTZLICHE ENDE IN HOFFENHEIM

    Die ersten Herzbeschwerden traten bei mir tatsächlich während der Sommerpause 2015 auf, nach meiner Zeit als Trainer beim VfB Stuttgart. Am 9. Mai hatten wir noch drei Spiele vor uns, die wir alle gewinnen mussten, um in der Bundesliga zu bleiben. Stuttgart hatte seit zwei Jahren nicht mehr zwei Spiele hintereinander gewonnen.

    Vor dem ersten Spiel, das wir schließlich mit 2:0 gegen Mainz gewannen, fragte ein Arzt den Mannschaftsarzt, ob ich an einer Untersuchung über den Stress von Trainern während eines Bundesligaspiels mitmachen wolle. Ich machte mit.

    Am Morgen vor dem Spiel gegen Mainz wurde mir Blut abgenommen und eine Art Korsett mit einem Gerät angelegt. Danach habe ich von denen nichts mehr gehört. Die beiden anderen Spiele, gegen den Hamburger SV und Paderborn, haben wir dann auch noch gewonnen. Wir hatten es also gepackt. Ich hatte keinerlei Beschwerden und fühlte mich ausgezeichnet.

    Doch dann rief mich plötzlich der Arzt an: Sie würden noch gerne einen Fahrradtest mit mir machen. „Das hatten wir aber nicht vereinbart, erwiderte ich. Doch er ließ nicht locker. Es wurde ausgemacht, dass ich den Test im Sankt-Anna-Krankenhaus in Geldrop absolvierte. In den Niederlanden läuft der Test so ab, dass die Belastung bereits nach einer Minute gesteigert wird, doch in Deutschland macht man das erst nach drei Minuten. Wir sollten uns an die deutschen Vorgaben halten. Ich fing also an zu radeln, und nach drei Minuten fragte derjenige, der den Test abnahm, plötzlich: „Haben Sie einen unregelmäßigen Herzschlag? „Nein, nein", sagte ich – und strampelte auf dem Rad weiter. Nach einer Weile durfte ich aufhören und bin nach Hause nach Eindhoven gefahren. Dort war mein Bruder Jan mit seiner Frau zu Besuch.

    Wir saßen nett beisammen, als das Telefon klingelte. Am Apparat war der Kardiologe Hans Janssen vom Sankt-Anna-Krankenhaus. „Es sieht nicht gut aus, sagte er. „Sie haben Herzrhythmusstörungen, denen wir nachgehen müssen. Schließlich haben Sie einen echt harten Job. „Stimmt, antwortete ich, „aber jetzt habe ich erst mal Urlaub. Doch nichts zu machen, ich sollte am nächsten Tag trotzdem zu ihm kommen.

    Also fuhr ich am nächsten Tag wieder nach Geldrop. Der Kardiologe Janssen sagte mir, mein Herz habe mehrmals ausgesetzt, und das sei nicht gut. Er verschrieb mir Medikamente und wollte mit mir einen Termin für eine Kardioversion vereinbaren. Unter Narkose bekommt man dann einen Elektroschock, damit das Herz wieder im normalen Rhythmus schlägt.

    Das wurde ziemlich bald darauf auch gemacht. Ich musste noch ein paar Stunden im Krankenhaus bleiben, aber das Ergebnis war zufriedenstellend. Danach haben wir zehn Tage Urlaub auf Mallorca gemacht. Nach meiner Rückkehr habe ich mich sofort kontrollieren lassen. Es sehe gut aus, meinte der Kardiologe. Ich solle erst in einem halben Jahr wiederkommen, im Januar.

    Irgendwann meldete sich dann Hoffenheim. Ich verstand sie so, dass sie sich von ihrem Trainer trennen würden, wenn es keinen Sieg gebe. Ich ließ das einfach auf mich zukommen, aber ich dachte auch: Pass auf dich auf, denn du hast Herzprobleme. Ich bin dann wieder zum Kardiologen gegangen und habe ihn gefragt, ob es riskant für mich wäre, zu Hoffenheim zu gehen. „Kein Problem, hat er geantwortet. „Oder haben Sie Probleme? Aber ich fühlte mich gut, mein Herz schlug wieder ganz normal, also bin ich wieder nach Hause gefahren.

    Ich habe dann tatsächlich bei Hoffenheim angefangen, das war am 24. Oktober 2015. Doch wenn Doktor Janssen mir gesagt hätte, es wäre ein Risiko für mich, hätte ich die Finger davon gelassen. Wir haben nur den Kontrolltermin von Januar auf Dezember vorverlegt, weil Hoffenheim im Januar ins Trainingslager nach Südafrika fahren wollte. Bei der Kontrolluntersuchung war wieder alles in Ordnung.

    Im Dezember sind wir noch mit unseren Kindern und Enkeln zum Skifahren nach Österreich gefahren. Wir haben dort auch Silvester verbracht. Am 2. Januar sind wir zurückgekommen, und zwei Tage später habe ich bei Hoffenheim die Arbeit wieder aufgenommen. Kurz darauf sind wir nach Südafrika aufgebrochen.

    Irgendwann ging es mir nicht so gut. Das lag vielleicht an der Hitze oder dem Höhenunterschied, ich wusste es auch nicht. Jedenfalls bin ich zum Mannschaftsarzt gegangen. Nachdem er meinen Blutdruck gemessen und meinen Herzschlag kontrolliert hatte, meinte er: „Ich glaube, es ist dein Herzschlag." Ich habe ihm noch gesagt, dass er das doch wissen müsse, denn ich hatte ihm von meinen Beschwerden erzählt, auch von den Medikamenten, die ich deswegen einnahm. Aber auch er meinte, es würde vielleicht an den Umständen liegen.

    Als wir wieder in Deutschland waren, hat mich der Mannschaftsarzt zum Kardiologen geschickt, zu Doktor Ulrich Steinhauser. Der hat mich untersucht und wieder Herzrhythmusstörungen festgestellt. Er hat sich dann bei Doktor Janssen gemeldet. Doktor Steinhauser wollte eigentlich sofort eine Herzkatheteruntersuchung durchführen lassen. Dabei wird nach Verengungen in der Herzschlagader gesucht. Ich habe gefragt, ob wir nicht lieber noch einmal eine Kardioversion machen könnten. Doktor Steinhauser hat daraufhin Kontakt zur Universitätsklinik Heidelberg aufgenommen und mich zum Kardiologen Hugo Katus überwiesen. Dort habe ich dann wieder den Fahrradtest gemacht, und es wurde eine Kardioversion vorgenommen. Der Fahrradtest war viel schwieriger als der in den Niederlanden, denn sie wollten herausfinden, woher die Herzrhythmusstörungen kamen. Aber sie haben gesagt, mein Herz würde verdammt gut pumpen. Ich bin dann im Auto mit dem Mannschaftsarzt nach Hoffenheim zurückgefahren und habe ihn auf der Fahrt gefragt, wie oft man eine solche Kardioversion eigentlich machen könne. Nur ein paar Mal, dann funktioniert es nicht mehr, bekam ich zur Antwort. Abends habe ich meine Frau und meinen Sohn angerufen und sie gefragt, was sie davon halten würden, wenn ich aufhörte. Sie sind da nicht wirklich drauf eingegangen, und ich habe erst einmal eine Nacht darüber geschlafen.

    Mir war bewusst, dass ich 120 Prozent geben musste, um Hoffenheim aus der Situation, in der sie sich befanden, zu befreien. Zwei Prozent weniger würden sich gleich bemerkbar machen. Doch es gab das Risiko wegen der Herzrhythmusstörungen. Deswegen bin ich am darauffolgenden Morgen zu Alex Rosen gegangen, dem Manager von Hoffenheim, und habe ihm gesagt, dass ich aufhören würde. Er hat noch versucht mich umzustimmen, aber meine Entscheidung stand fest.

    Ich habe auch noch Dietmar Hopp, den Mehrheitseigner von Hoffenheim, angerufen und ihn informiert. Interessanterweise hatte auch er Probleme mit dem Herz gehabt. Er hatte eine neue Herzklappe bekommen und fühlte sich jetzt wieder topfit. Aber er konnte sich sehr gut in meine Situation hineinversetzen und hatte Verständnis für meine Entscheidung. Noch am 10. Februar 2016 haben wir eine Pressekonferenz zu meinem Rücktritt einberufen.

    Und dann habe ich auch die Mannschaft informiert und ihnen erklärt, wieso ich aufhören würde. Trotz allem fühlte es sich an, als würde ich sie im Stich lassen, doch sie hatten alle Verständnis. Danach haben sich alle Spieler noch persönlich von mir verabschiedet. Das ging mir dann doch ziemlich nahe.

    Der Kardiologe Katus hat noch zu mir gesagt, ich hätte einen tapferen und sehr weisen Entschluss gefasst, aber er sei der Ansicht, dass ich nicht aufhören müsste. Nach meinem Entschluss bin ich wieder zu Doktor Janssen in Geldrop gegangen. Wir wollten doch herausfinden, woher die Herzprobleme kamen. Auf den Aufnahmen der ersten Untersuchung war eine Verkalkung an der Halsschlagader festgestellt worden, doch die war nicht besonders groß. In Deutschland hatten sie schon angedeutet, dass sie vielleicht Stents einsetzen würden, kleine Spiralen, die in die Herzkranzgefäße gesetzt werden, um sie offenzuhalten.

    Doktor Janssen hat daraufhin beschlossen, dass eine Katheterisierung durchgeführt werden sollte. In bestimmten Adern rund um das Herz befinden sich zahlreiche Verzweigungen, und manche davon haben bei mir Knicke. Doktor Janssen meinte, das könnte vielleicht die Ursache für meine Probleme sein. An der Verkalkung würde es jedenfalls nicht liegen. Abgesehen von diesen Knicken war mein Herz gesund. Stents wären nicht nötig. Doktor Janssen erlaubte mir weiterzumachen, doch da hatte ich meinen Entschluss bereits gefasst.

    Meine Entscheidung fiel recht schnell. Gesundheit hatte bei mir immer an erster Stelle gestanden. Während der vergangenen Jahre hatte es bei mir immer mal wieder Zeiten gegeben, da habe ich Abstand vom Fußball genommen. Dann hielt ich mich drei oder vier Monate komplett raus. Ich war froh, dass nach meiner Entscheidung bald der Frühling kommen würde. Dass ich wieder entspannt im Garten arbeiten und nach Mallorca fahren konnte. Da habe ich mich riesig drauf gefreut. Schade, dass es so enden musste, aber ich habe auch nicht andauernd gedacht: „Mann, wie furchtbar."

    Ich war also schließlich nur dreieinhalb Monate bei Hoffenheim. Der Verein ist wirklich außergewöhnlich, innerhalb kürzester Zeit ist er von null auf hundert durchgestartet. Für mich war es eine Herausforderung, weil er für mich der erste deutsche Verein war, der erst seit wenigen Jahren in der Bundesliga spielte. Das hat mich gereizt.

    Doch Hoffenheim ist ein Verein, in dem alles perfekt organisiert ist. Zudem haben sie eines der besten Trainingszentren in ganz Deutschland. Dort gibt es einfach alles: ein Hallenbad – man kann dort Aqua-Jogging machen –, eine Saunaanlage und einen modernen Fitnessbereich. Wirklich beispiellos.

    Sie sind von der dritten Liga in die Bundesliga durchmarschiert. Das haben sie alles Dietmar Hopp zu verdanken, auch das Trainingszentrum. Hopp ist ein sehr reicher und freundlicher Mann, ein echter Fan des Vereins, den er komplett aufgebaut hat. Er stiftet zudem viel Geld für zahlreiche gute Zwecke. Hopp tut alles für den Verein und verfolgt auch alles. Nach meinem Rücktritt haben wir uns noch zweimal getroffen.

    Die Spieler waren von dem ganzen Luxus, den sie Hopp zu verdanken hatten, richtig verwöhnt und konnten deswegen schlecht mit Niederlagen umgehen. Sie wurden rundum versorgt, bekamen nur die beste Kost, morgens ein Frühstück, und immer nur das Beste vom Besten. Sie konnten im Trainingszentrum übernachten, und sie verdienten alle ziemlich gut.

    Wegen dieses ganzen Luxus gerieten sie in eine Abwärtsspirale. Markus Gisdol, meinen Vorgänger dort, kannte ich noch aus gemeinsamen Zeiten bei Schalke 04. Es funktionierte nicht richtig bei Hoffenheim, also haben sie mich gefragt. Ich hatte keinen Kontakt mit Gisdol, denn ich wollte die Sache unbefangen angehen. Ich wollte keine Vorurteile aufbauen, die auf den Ansichten eines anderen Trainers basierten.

    Sie spielten überwiegend lange Pässe, aber für diese Spielweise fehlte es ihnen an geeigneten Spielern. Zudem pressten sie sehr hoch, aber von hinten rückten sie zu langsam auf. So entstand Raum, in den der Gegner spielen konnte, so kassierten sie viele Gegentore. Wir mussten also erst wieder an der Stabilität arbeiten. Als Assistenten habe ich ganz bewusst Alfred Schreuder mitgenommen. Ich kannte Alfred noch als Fußballspieler und wusste, dass er taktisch stark war. Das hatte er damals beim FC Twente nachdrücklich bewiesen. Dann habe ich noch Armin Reutershahn hinzugeholt, mit dem ich in Stuttgart zusammengearbeitet hatte.

    Ich habe auch mit dem Konditionstrainer gesprochen, denn Hoffenheim hatte oft in der zweiten Halbzeit Gegentore hinnehmen müssen. Er hat mir seinen Arbeitsplan gezeigt. Auch daran haben wir gearbeitet, zum Beispiel mit längeren Trainingszeiten, die wir dann vor Spielen wieder reduziert haben. Fitness-tests haben außerdem gezeigt, dass die Spieler nicht alle in Top-form waren.

    Ich hatte den Vertrag nur bis Saisonende unterschrieben. Und ich wusste auch, dass in der nächsten Saison der Jugendtrainer Julian Nagelsmann aufrücken sollte. Bei meiner Einstellung in Hoffenheim habe ich mich aber doch erkundigt, ob Schreuder und Reutershahn auch mit Nagelsmann zusammenarbeiten würden. Denn schließlich war Nagelsmann erst 28 und hatte im Gegensatz zu Schreuder und Reutershahn noch sehr wenig Erfahrung.

    Nach meinem Rücktritt hat Nagelsmann so gut wie nichts verändert, außer dass er einen anderen linken Außenverteidiger einsetzte, den er noch von der Jugendabteilung kannte. Die Ergebnisse wurden dann auch besser, aber das war bereits absehbar gewesen, als ich noch bei Hoffenheim war. So hat die Mannschaft zum Beispiel viel öfter in der zweiten Halbzeit Tore geschossen. Ein Schwerpunkt beim Training lag in der Zweikampfschulung, damit sich die Spieler besser gegen den Gegner behaupten konnten. Wir betrieben intensiv Mentaltraining, damit die Spieler auch lernten, Enttäuschungen besser wegzustecken. Als Schiedsrichter im Trainingsspiel habe ich dann zum Beispiel einfach eine andere Entscheidung getroffen, als sie erwartet hatten, um sie damit zu provozieren. Sie haben sofort gespürt, dass ein anderer Wind wehte. Ich habe auch versucht, ihnen Vertrauen und Freude am Spiel zu vermitteln.

    Ich habe eine Zeichnung von einem Karren gemacht, der über einen steinigen Weg nach oben zu einem Schild fahren muss, auf dem „Ziel steht. Ich habe Fußballer gezeichnet, die entweder in diesem Karren sitzen, hinter ihm herlaufen oder schon voraus sind. Spieler, die ziehen oder anschieben. Wenn es passierte, dass ein Spieler mal nicht im Sinne der Mannschaft agierte, dann habe ich zu ihm gesagt: „Hey, du sitzt mal wieder im Karren! Oder: „Du bremst!" Wir mussten den Karren alle gemeinsam nach oben bekommen. Ihnen wurde immer deutlicher, dass sie es MUSSTEN, und ich habe ihnen klargemacht, dass sie das mit ihren Qualitäten auch konnten. Ich hätte mir im Winter ein paar neue Spieler dazugewünscht, doch es kam nur einer: Andrej Kramarić von Leicester City. Der Manager Rosen war nämlich der Ansicht, er habe einen guten Kader zusammengestellt, bevor ich kam, aber gut, was soll’s.

    Ich bin wirklich froh, dass sie in der Bundesliga geblieben sind, ein wenig ist das auch mir zu verdanken. Nagelsmann hat ein Riesenglück mit seinen erfahrenen Assistenten. Sie nehmen ihm viel Arbeit ab. Nagelsmann hat viele Qualitäten, aber er muss noch einiges lernen, zum Beispiel den Umgang mit den großen Medien. Ich bin gespannt, wie er das alles anpacken wird.

    Fünf Monate nach meinem Rücktritt bei Hoffenheim erhielt ich im Juli 2016 vollkommen unerwartet eine Mail von der Vereinsführung. Sie schrieben, dass ich die Basis für den Klassenerhalt gelegt hätte. Sie bedankten sich sehr dafür und schrieben sogar noch, sie seien stolz darauf, dass sie gemeinsam mit mir an dem Fortbestehen des Vereins gearbeitet hätten. Sie hatten mir sogar eine Prämie überwiesen. Die Mail war von Dietmar Hopp und dem Geschäftsführer Peter Görlich unterzeichnet. Sie hätten das nicht machen müssen, deswegen war ich umso überraschter.

    Ich habe mich daraufhin bei ihnen mit einer Mail bedankt, für die Prämie, vor allem aber für die herzlichen Dankesworte, die mir viel wichtiger waren. Ich schrieb, dass ich mich darüber freuen würde, wenn wir auch zukünftig freundschaftlich verbunden blieben. Später hat mich Görlich noch angerufen, und wir haben uns lange unterhalten. So kann man sich also auch von einem Verein verabschieden.

    2

    BEWEGTE JUGENDJAHRE IN SITTARD

    Meine Jugend habe ich in Sittard verbracht, in der Sint Josephstraat, im Stadtteil Stadbroek. Dort bin ich aufgewachsen, und diese Straße hat auch meine Mentalität geprägt. In dem Viertel wohnten überwiegend Grubenarbeiter. Am Ende unserer Straße befand sich ein Fußballfeld und dahinter ein Wohnwagenplatz, wo wir uns als Jungs auch manchmal herumgetrieben haben. Erst recht, als ich mit sechzehn in der Gegend Zeitungen ausgetragen habe.

    Die Sint Josephstraat war eine ordentliche Straße, jeder kannte jeden. Bei schönem Wetter hockten alle draußen, hielten ein Schwätzchen und tranken zusammen Kaffee. Unsere Haustür stand immer offen, jeder konnte einfach hineingehen, und das war auch wirklich immer so.

    Glücklicherweise befand sich direkt vor unserem Haus ein kleiner Platz, auf dem wir immer gekickt haben. Dort habe ich Fußballspielen gelernt. Auch auf dem Schulhof haben wir in jeder freien Minute Fußball gespielt, das ging so, bis ich sechzehn war. In einer Seitenstraße der Sint Josephstraat gab es eine Mauer, gegen die ich oft alleine geschossen habe, um meine Technik zu verbessern. Oder ich habe zusammen mit einem Freund gegen die Mauer gebollert.

    Die Leute, die dort wohnten, haben mir zwar manchmal den Ball weggenommen, denn es ging die ganze Zeit Bumm!, Bumm!, Bumm!, immer gegen ihre Hauswand. Aber Schläge habe ich nie bekommen. Und den Ball haben sie mir später auch immer zurückgegeben.

    Wir waren fünf Brüder, ich war der dritte. Der älteste ist Nico, er ist neun Jahre älter als ich, Jan ist drei Jahre älter, und dann gibt es noch die beiden Nachzügler. Paul ist zwölf Jahre jünger als ich und John vierzehn. Wir hatten zwei große und ein kleines Schlafzimmer. Als die beiden Jüngsten zur Welt kamen, waren die beiden Ältesten bereits aus dem Haus. Die Jüngsten schliefen gemeinsam in einem Zimmer, ich hatte das kleine Zimmer.

    Bei uns war es sehr harmonisch, die Familie hielt fest zusammen, und wir haben auch heute noch viel Kontakt. Letztens waren wir in Den Helder auf der Urnenbeisetzung der jüngsten Schwester meiner Mutter. Nico, Paul und ich waren auch dort. Jan war krank, und John war in Spanien, sonst wären sie mit dabei gewesen. Bei solchen Treffen tauschen wir uns immer richtig gut aus. Und wir haben viele Cousinen und Cousins mit ihren Kindern getroffen.

    Wir hatten damals zuhause nicht viel Geld, aber immerhin mehr als die anderen in der Straße. Unsere Eltern hatten nämlich einen Zusatzjob als Putzhilfen in einer Berufsschule. Mein Vater arbeitete nachts unter Tage. Er kam dann morgens nach Hause, schlief bis ungefähr eins oder zwei, und um vier Uhr ging er mit meiner Mutter die Schule putzen. Wir haben sie manchmal begleitet und mitgeholfen. Abends um acht ging mein Vater dann wieder zur Arbeit.

    Nico hat auch kurze Zeit in den Gruben gearbeitet, aber das gefiel unserem Vater nicht. Er wollte nicht, dass sein Sohn Grubenarbeiter wird. Denn er wusste nur allzu gut, wie ungesund und hart diese Arbeit war. Später landete Nico dann beim Straßenbau, genau wie Jan. Sie mussten Leitungen verlegen und solche Sachen. Paul hat dort später auch gearbeitet. John macht alles Mögliche. Er fährt Taxi, baut und vermietet Häuser und was weiß ich noch alles. Wir fünf haben alle unseren Weg gefunden.

    Der Zusatzjob unserer Eltern ermöglichte uns etwas Luxus. So hatte mein Vater zum Beispiel einen Opel, in den wir alle hineinpassten, und wir waren in unserer Straße die Ersten, die einen Fernseher hatten. Kam etwas Schönes im Fernsehen, war unser Haus voll. Das war sehr gemütlich.

    Wir hätten eigentlich auch noch eine Schwester gehabt. Nach Nico brachte meine Mutter ein Mädchen zur Welt, Rini. Sie starb mit vier, möglicherweise an Herzstillstand. Der Verlust war für meine Mutter sehr groß, denn Rini war ihre einzige Tochter. Ich habe Rini nicht erlebt. Nach mir hatte meine Mutter noch eine Totgeburt mit einem Jungen. Besonders schlimm war für sie aber der Verlust der Tochter, doch sie hat nie darüber gesprochen. Wie das genau passiert ist, weiß ich nicht. Damals ging man ganz anders mit kranken Kindern um. Vielleicht hatte sie eine Krankheit, die ihr Herz angegriffen hat, ich weiß das bis heute nicht. Ich weiß aber ganz sicher, dass es nichts mit den Herzrhythmusstörungen zu tun hatte, die ich später bekam.

    Es gibt auch keine Fotos mehr von meiner Schwester. Als ich bereits aus dem Haus war, hat es bei uns ein Feuer gegeben, bei dem alle Fotos verbrannt sind. Das macht alles noch tragischer. Ich selbst besitze auch kaum Fotos aus meiner Jugend. Auf Rinis Grab gab es ein Foto. Ich kann mich daran erinnern, dass sie wie wir dunkles Haar und Locken hatte. Aber auch das Grab ist inzwischen verschwunden.

    Als Kinder waren wir alle frech. Aber wir gingen nett miteinander um, auch mit unseren Eltern, insbesondere mit unserer Mutter. Denn wir wussten, wie schwer sie es hatte und dass sie dennoch alles für uns tat. Die Familie hat ihr große Freude bereitet. Paul war zum Beispiel ein richtiger Witzbold, über den sie herzhaft lachen konnte.

    Ich wäre als Kind zweimal fast ertrunken. Hinter unserem Haus verlief ein reißender Bach. Als ich ungefähr sechs war, fuhr ich zu schnell auf meinem Tretroller und raste zack in den Bach. Die Tochter der Nachbarin hat mich damals aus dem Wasser gezogen. Sie hat mir wirklich das Leben gerettet, denn die Strömung war dermaßen stark, dass ich es niemals aus eigener Kraft geschafft hätte. Später bin ich dann noch mal in einen Bach gefallen, allerdings in einen anderen, aber da kam ich von allein wieder heraus.

    Wir haben auch gerne mal heimlich Birnen und Äpfel geklaut. Wenn einen der Bauer dabei erwischte, musste man schnell abhauen. Mich konnten sie nie erwischen, Jan dann aber doch einmal. Der Bauer schleppte ihn zu unserem Vater, der Jan eine Standpauke hielt. Aber ich glaube, das war nur gespielt von ihm. Jedenfalls war es lustig. Wir haben Steine in den Baum geworfen, damit die Birnen herunterfielen. Doch wenn jemand im Baum saß und an den Ästen gerüttelt hat, durften wir natürlich nicht werfen. Einmal hat jemand nicht mitbekommen, dass ich unter einem Baum stand und Äpfel auflas, und hat einen Stein geworfen. Der landete mitten auf meinem Kopf. Ich wurde gleich ins Krankenhaus gebracht, und die Wunde wurde genäht. Ich musste sogar ein paar Tage im Krankenhaus bleiben,

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