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Die mechanischen Katzen
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eBook238 Seiten3 Stunden

Die mechanischen Katzen

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Über dieses E-Book

Privatdetektiv Mortimer Bender, ein gefallener Engel, bekommt einen höchst ungewöhnlichen Auftrag. Zwei mechanische Katzen sind verschwunden. Dekorative Spielzeuge, weiter nichts, wie der Besitzer Hellthal versichert. Aber würde er wirklich für bloßes Spielzeug einen Detektiv anheuern? Und wieso soll einer der Diebe ausgerechnet ein Mann sein, dessen Geld ausreicht, um mindestens zehn dieser Tiere zu kaufen und die Ausgabe als Taschengeld zu verbuchen?
Auch Benders Freund, der Polizist Hartmann, steht vor einem Rätsel. Eines, das nicht geringer wird, als – rein zufällig? – auch noch eine schöne Unbekannte mitmischt.
Fast zu spät wird Bender bewusst, dass dieser Auftrag mehrere Nummern größer und gefährlicher ist als gedacht.
SpracheDeutsch
HerausgeberMachandel Verlag
Erscheinungsdatum30. Nov. 2020
ISBN9783959592604
Die mechanischen Katzen

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    Buchvorschau

    Die mechanischen Katzen - Miriam Rieger

    Die mechanischen Katzen

    Miriam Rieger

    Buch 10 der Katzenreihe

    Für Marion und Tom

    In Erinnerung an Ben

    ©Miriam Rieger 2020

    Machandel Verlag Haselünne

    Charlotte Erpenbeck

    Cover-Bild: und Illustration:bluedarkart / shutterstock.com

    1. Auflage 2020

    ISBN 978-3-95959-260-4

    1. Kapitel

    Ein Schnauben ertönte, gefolgt von einem Pfeifton, einem ohrenbetäubenden Zischen und einem Stampfen. Das Glas auf dem wackeligen Tisch fing zu zittern an.

    Mortimer Bender schaute überrascht von seinen Unterlagen auf. Er kannte das Geräusch, doch war dies der letzte Ort, an dem er es vermutet hätte. Es dauerte nicht lange, und es gesellten sich weitere Laute hinzu. Trampelnde Schritte, aufgeregte Rufe, zuschlagende Türen, Gejohle. Was sich draußen abspielte, war offenbar für alle in der Nachbarschaft eine Sensation. Nun erhob sich Bender und trat ans Fenster. Wie erwartet drängten sich etliche Menschen auf den Hof, hin und her gerissen zwischen Faszination und Furcht. Verständlich, wie oft verirrte sich schon solch ein Gefährt in diese Gegend? Bender vermutete, dass dies eine Premiere war. Schwarz funkelnd mit faustdicken silbernen Nieten erhob sich das Fahrzeug vor den Schaulustigen, ein wahres Ungetüm, das unter weiterem Schnauben graue Wölkchen gen Himmel jagte. Ein Kuhfänger prangte direkt davor und musste bei jedem die Frage aufkommen lassen, ob damit andere, als zu langsam empfundene Fahrzeuge von der Straße gedrängt werden sollten. Gewundert hätte es Mortimer Bender nicht. Dies war kein normales Dampfmobil. Das Fahrzeug sah aus, als wäre bei der Konstruktion ein folgenschwerer Fehler passiert, der dafür gesorgt hatte, dass die geplante Lokomotive nicht auf den Schienen fahren durfte und stattdessen Reifen erhalten hatte.

    Was mochte jemand, der sich ein solches Gefährt leisten konnte, in dieser Gegend suchen? Bender musste sich nicht umblicken, um des Kontrastes gewahr zu werden. Das Prunkfahrzeug stand inmitten einer Gegend, deren Wohnungen nicht immer über Strom verfügten und in denen es oftmals nur bei schlechtem Wetter fließendes Wasser gab, wenn der Regen über die undichten Dächer oder Fenster in die Wohnungen tröpfelte und an den Wänden herabfloss.

    In dem Moment kletterte der Fahrer aus der Möchtegernlokomotive und bahnte sich seinen Weg durch die Menge, ohne diese eines Blickes zu würdigen. Der hochgewachsene Mann trug einen teuer aussehenden Mantel und hatte sich die schwarzen Haare streng nach hinten gekämmt. Dennoch ließ sich Bender vom ersten Eindruck nicht täuschen. Dieser Mann wirkte wohlhabend, war aber vermutlich nur der Chauffeur des tatsächlichen Fahrzeugbesitzers. Lange musste Bender darüber nicht sinnieren, denn kaum eine Minute später ertönte ein Klopfen an der Haustür. Ein energisches Klopfen, das sofortigen Einlass forderte.

    Mit einer gewissen Neugierde öffnete er die Tür und sah sich ebenjenem Herrn gegenüber, der mit seinem Auftritt für die Sensation des Tages gesorgt hatte. Bender sah sich in seiner Vermutung bestätigt: Die Schuhe waren leicht verschlissen, auch der Mantel zeigte bei genauerem Hinsehen Gebrauchsspuren.

    „Sie sind Mortimer Bender?" Es war Frage und Antwort in einem, in militärischem Ton vorgebracht, dessen Effekt allerdings durch den nur mühsam kaschierten Dialekt verpuffte. Bender kannte diese Mundart. Hier wurde sie gesprochen, in diesen Vierteln. Er war sich so gut wie sicher, dass der Kerl sie von früher kannte – als er noch ohne Straßenlokomotive unterwegs gewesen sein musste.

    „Womit kann ich behilflich sein?"

    „Kommen Sie mit. Es wird zu Ihrem Schaden nicht sein."

    „Wohin und warum?"

    Der Kerl warf Bender einen verächtlichen Blick zu. „Ihre Mama hat Ihnen wohl beigebracht, nicht zu fremden Männern ins Dampfmobil zu steigen?"

    „Meine Mutter brachte mir vor allem bei, mich von Dampfplauderern, pardon, Fahrern nicht unnötig beeindrucken zu lassen."

    Ein finsterer Blick war die erwartete Folge, doch die Faust, die der Kerl bedrohlich hatte schwingen wollen, ließ er wieder sinken. „Sie sollten Ihre Zunge zügeln."

    „Sie sollten dasselbe mit Ihrer Faust machen und auch Ihr Arbeitgeber könnte die Art seiner Kontaktaufnahme überdenken. Zudem ist Ihnen wohl entgangen, dass es sich zum guten Ton gehört, sich vor einem Gespräch dieser Art vorzustellen?"

    Der Fahrer ließ einen abschätzigen Blick durch den Raum gleiten. Bender musste ihm nicht folgen, er wusste, worauf sein Gegenüber hinaus wollte. Er war sich dessen bewusst, dass seine kleine Wohnung nur spärlich eingerichtet war. Es war klar gewesen, dass das Thema Geld eher früher als später zur Sprache kommen würde, um ihn zu überzeugen. Dennoch ließ er die Litanei über sich ergehen, dass der Besuch für ihn finanziell sicher von Vorteil sei, habe der Besitzer der Straßenlokomotive doch einen fulminanten Auftrag für ihn.

    Es war eine Lüge zu behaupten, dass Bender kein pekuniär orientiertes Interesse hatte, aber tatsächlich war die Neugierde in diesem speziellen Fall der größere Reiz. Wem gehörte dieses Monstrum und vor allem: Was wollte derjenige von ihm, Bender? Was mochte ein so dringendes Anliegen sein, dass jemand, der sicher ein von hohen Mauern umzingeltes Anwesen sein Eigen nannte und womöglich über einen Horizont verfügte, der ebenso begrenzt war, ihn aus seiner Wohnung abholen ließ?

    Bender stieg so nonchalant ein, als wäre eine Fahrt mit diesem Monstrum für ihn eine Selbstverständlichkeit. Stimmen folgten ihm wie erwartet. Aufgeregte Rufe, ausgestreckte Arme, die auf ihn zeigten. Köpfe, die zusammengesteckt wurden und bestimmt mutmaßten, was Bender in dem Gefährt sollte. Das Getuschel und die Gerüchte würden den Schaulustigen noch viele Stunden Unterhaltung geben.

    Mit einer Neugierde, die Bender kaum verhehlen konnte, blickte er sich um. Von innen wirkte das Monstrum überraschend klein. Eine edle Sitzbank bot zwei Fahrgästen Platz. Ausstrecken konnte man die Beine nur, wenn man den Meter Körpergröße nicht überschritt. Dafür war eine komplizierte Apparatur vorhanden, die Bender erst auf den vierten Blick als Getränkespender erkannte. Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. Was auch immer es war, es handelte sich um eine hochprozentige Angelegenheit, die so schmeckte, als wäre sie ursprünglich dazu gedacht gewesen, Fahrzeuge anzutreiben.

    Mit Schnauben und Stampfen erwachte das Ungetüm zum Leben. Die Sitzbank begann zu vibrieren, Lärm füllte das Innere des Wagens, und dann setzte sich das Ungetüm in Bewegung. Ein heftiger Ruck drückte Bender in den Sitz. Zuerst langsam, dann immer schneller fuhr es die Straßen entlang. Die Schlaglöcher, von denen Bender sehr genau wusste, dass es sie gab und die in Fiakern und Dampfmobilen jedermanns Hintern schmerzhaft zu spüren bekam, waren wie inexistent. Bender wünschte sich, einen Blick nach draußen erhaschen zu können, doch befand sich im Fahrgastbereich kein Fenster. So versuchte er nur, anhand der Richtungswechsel den Weg zu erahnen. Vor seinem geistigen Auge breitete er einen Stadtplan aus. Nach kurzer Zeit erklomm das Dampfmobil unter lautem Schnauben spürbar einen Hügel. Bender folgerte, dass sie die Untere Stadt verließen und Richtung Marktplatz fuhren, wo sie bestimmt alle Blicke auf sich zogen. Doch wohin ging es weiter? Gen Saline? Richtung Bahnhof? Bender rechnete eher mit dem Zweiten, aber lag er mit seiner Vermutung richtig? Tatsache war, dass er für alles gewappnet sein musste.

    2. Kapitel

    „Wir sind angekommen", ertönte eine dumpfe Stimme, kurz nachdem das Schnauben und Stampfen des Ungetüms verstummt war. Nach dem Lärm, der Bender die letzten zwanzig Minuten umhüllt hatte, war die plötzlich eintretende Stille wohltuend für seine Ohren. Längst hatte Bender sich eingestehen müssen, die Orientierung verloren zu haben. Zu wenige Anhaltspunkte hatte es gegeben, um sich ein Bild machen zu können. Die Tür wurde aufgerissen, und Bender sprang ins Freie. Wenig überrascht erblickte er eine Backsteinmauer von der Art, die für gewöhnlich ein Anwesen umgab. Ein Blick reichte um zu erkennen, dass er sich innerhalb dieser Abgrenzung befand. Das imposante Tor hinter dem Gefährt schloss sich wie von Geisterhand. Bender hatte bereits von solchen Apparaturen gehört: Ein komplizierter Mechanismus aus ineinander verflochtenen Zahnrädern sorgte dafür, dass Muskelkraft nicht mehr vonnöten war, um die Tür zu bewegen. Es war jedoch das erste Mal, dass Bender derartiges mit eigenen Augen sah, und er fragte sich, wieso man so viel Geld und Aufwand in eine Tür stecken mochte. Die Antwort gab er sich im nächsten Augenblick selbst: Für den Eigentümer würde Geld in dieser Größenordnung kaum eine Rolle spielen.

    Bender wandte sich um. Ein Park umgab ein zweistöckiges Haus, das im Inneren vermutlich Platz für zwanzig Zimmer, Ballsaal inklusive, bot. Sämtliche Bäume und Sträucher, die den Weg säumten, waren akkurat gestutzt, kein Blatt und kein Stiel waren dem Lauf der Natur überlassen worden. Die Blumen auf den Beeten waren so angeordnet, dass sie ein komplexes Muster aus Zahnrädern ergaben. Wer auch immer hier residierte, musste eine Schwäche für Technik haben und ein Pedant sein. Beides wäre kein Problem gewesen, wenn nicht der sichtliche Wunsch des Eigentümers, mit seinem Geld zu protzen, Bender abgeschreckt hätte.

    „Folgen Sie mir. Sie werden bereits erwartet."

    Ohne sich umzublicken, schritt der Fahrer auf das Haus zu. Bender folgte ihm über eine mit Statuen gesäumte Marmortreppe in das Innere des Hauses. Die Empfangshalle bestätigte den nach außen getragenen Reichtum des Gastgebers. Benders Abscheu focht einen Kampf mit seiner Neugier, der mit einem Remis sein vorläufiges Ende fand, als der Gastgeber auftauchte.

    Mortimer Bender hatte in seinem Leben, das um einiges länger war, als es sein Äußeres vermuten ließ, schon viel erlebt, so dass es schwierig war, ihn zu überraschen. Dieser Tag jedoch schien alles daran zu setzen, genau dies zu schaffen. Das Auftauchen des Ungetüms war bereits ein guter erster Schritt gewesen. Der Gastgeber toppte dies.

    „Herr Hellthal", entfuhr es Bender, doch sogleich hatte er sich wieder in der Gewalt und glättete seine Züge. Dennoch umspielte ein schmallippiges Lächeln das Gesicht Hellthals. Dass sein Gastgeber ein an Geld und Macht reicher Mann und es gewohnt war, dass die Menschen nach seiner Pfeife tanzten, war Bender schon seit dem Auftauchen der Straßenlokomotive bewusst gewesen. Doch Hellthal – das war noch eine Nummer größer als erwartet. Was die Frage, warum er ausgerechnet Bender hatte kommen lassen, noch interessanter erschienen ließ.

    „Ich sehe, Sie kennen mich. Damit rechnete ich." Es war eine Feststellung. In der gesamten Region gab es vermutlich niemanden, der noch nichts von Edgar Hellthal gehört hatte. Dabei war er vom Aussehen her eine eher unscheinbare Persönlichkeit. Von der Natur mit einer kleinen, schmalen Statur gesegnet, trug Hellthal Schuhe mit höheren Absätzen, vermutlich um die geringe Körpergröße wettzumachen. Dennoch war er immer noch kleiner als Bender, der sich selbst als nur durchschnittlich groß bezeichnete. Graumelierte, perfekt gekämmte Haare schmiegten sich um Hellthals Kopf und offenbarten Geheimratsecken. Er hatte strenge, ebenmäßige Gesichtszüge und einen Blick, der verriet, dass er, wenn schon nicht körperlich, so doch hierarchisch auf andere hinabzusehen pflegte.

    „Was wissen Sie über mein Unternehmen?" Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen taxierte Hellthal Bender.

    Was andere ebenfalls wissen, war Benders erster Gedanke, den er nicht aussprach. Eine präzisere Antwort wäre wünschenswert, hätte er sicher zu Recht zu hören bekommen.

    „Sie führen eines der wichtigsten Unternehmen in Traunstein und Umgebung", begann Bender. Es klang, als schmierte er seinem Gegenüber Honig um den Mund, doch entsprach es lediglich der Wahrheit. Es gab nur ein weiteres Unternehmen, das ähnlich erfolgreich war: das Luftschiffimperium des Freiherrn von Hohenheim, das seinen Sitz in Berchtesgaden im benachbarten Landkreis hatte. Doch hielt es Bender für klüger, den Namen des Mannes, der in Sachen Macht und Einfluss Hellthals Konkurrent war, nicht in diesem Anwesen zu nennen, wenn es nicht sein musste.

    „Sie entwickeln und verkaufen alles, was sich mit Zahnrädern machen lässt."

    „Ihre Beschreibung könnte konkreter ausfallen, aber da sie im Kern der Wahrheit entspricht, werde ich sie stehen lassen."

    Wie in Gedanken versunken schritt Hellthal durch den Empfangsraum, ließ dabei seine Absätze auf dem Marmorboden klappern und blieb vor einem offenen Kamin stehen, der so blitzte, dass er bestimmt noch nie ein Feuer gesehen hatte. Die Rauchentwicklung im Empfangsraum wäre vermutlich auch katastrophal geworden, da der Kamin dreiseitig offen ein gutes Stück in den Raum hineinragte.

    „Ich entwickle gerade eine exklusive Produktreihe", erzählte Hellthal wie beiläufig, doch Bender fiel auf, dass der Millionär aus dem Augenwinkel genau seine Reaktion beobachtete. Was auch immer er erwartete: bestimmt nicht den scheinbar desinteressierten Gesichtsausdruck, hinter dem Bender seine Neugierde versteckte. Dass die Produktreihe exklusiv war, fand er dabei weniger spannend als die Tatsache, dass Hellthal sich die Zeit nahm, ihm davon zu erzählen.

    „Es ist eine Katze."

    Einen Augenblick hatte Bender eine echte Katze vor Augen, die Hellthal eine tote Maus vor die auf Hochglanz polierten Lederschuhe legte und ein Lob erwartete. Doch dann fiel sein Blick auf den Kaminsims, und da wusste Bender, warum sein Gastgeber sich ausgerechnet diesen Ort zum vorgeblichen Sinnieren ausgesucht hatte.

    Dort saß eine bronzefarbene Katze, deren Innenleben aus Zahnrädern, Schrauben und Uhren bestand. Eine Uhr saß direkt auf der Stirn, knapp oberhalb der Augen. Die Katze hatte seitlich angedeutete Schnurrbarthaare, doch hatte der Produktentwickler Nase und Maul für überflüssig empfunden. Ein Metallrohr, das aussah, als könnte es nach Belieben verkürzt oder verlängert werden, verband Kopf und den restlichen Körper. Weitere drei Uhren zierten diesen. Eine tickte auf der Brust und eine weitere kleine prangte auf der hinteren Pfote. Bei jedem anderen hätte Bender humoristische Hintergründe dafür vermutet, dass die dritte Uhr ausgerechnet seitlich am Hintern ihren Platz gefunden hatte, doch es war davon auszugehen, dass Hellthals Sinn für Humor so ausgeprägt war wie die Bescheidenheit des Anwesens. Der Katzenschwanz bestand aus etwa zehn einzelnen Stücken, die durch Bolzen zusammengehalten wurden, und sich nach oben hin zusammenkrümmten. Von einem Zahnrad, das am Hals befestigt war, hing eine Schnur herab. Scharfe Krallen an den Pfoten rundeten das Bild ab.

    Bei dieser Katze gingen Eleganz und perfekt funktionierende Technik Pfote in Pfote, doch was wollte Hellthal mit ihr? Dieser Mann hatte noch nie etwas ohne guten Grund entwickelt.

    Der Gastgeber ließ Bender das mechanische Tier begutachten, ehe er weitersprach: „Sie haben die Ehre, den Prototypen meiner neuesten Kreation zu bewundern."

    Mochte es als undankbar gelten, doch Bender empfand es kaum als Ehre. Vielmehr beschäftigte ihn die Frage, welche Erwartungen Hellthal an ihn hatte. Er verschränkte die Arme. „Herr Hellthal, Sie haben gewiss nicht nach mir schicken lassen, weil ich bei einem Gewinnspiel, von dem nur Sie etwas wissen, einen Rundgang mit persönlicher Führung gewonnen habe. Meine Zeit ist im Vergleich zu Ihrer sicher nicht so knapp bemessen, aber ich möchte Sie dennoch bitten, zum Punkt zu kommen."

    Hellthal warf ihm einen Blick zu, bei dem die meisten Menschen den ihren gesenkt hätten. Nicht so Bender. Ohne zu blinzeln hielt er stand, bis Hellthal sich dem Kaminsims zuwandte und die mechanische Katze herunterhob.

    „Die Produktreihe umfasst momentan drei Katzen. Doch kam es zu einem unvorhergesehenen Zwischenfall." Hellthal legte eine Pause ein, doch Bender tat ihm nicht den Gefallen, nachzuhaken.

    „Eine der Katzen befindet sich in meinem Besitz. Es handelt sich um diese. Die beiden anderen wurden gestohlen."

    Es fehlte lediglich ein mit seinen Initialen besticktes Spitzentaschentuch zur Benetzung der Stirn und ein theatralischer Ohnmachtsanfall, um die Dramatik der Szenerie zu untermauern.

    „Brachten Sie den Diebstahl bereits bei der Polizei zur Anzeige?", fragte Bender nur.

    Hellthal lächelte dünn. „Ja, doch gibt es bis heute keine Resultate. Protokolle und Fotografien liegen vermutlich en masse in Ordnern, fein säuberlich beschriftet und archiviert. Aber was hilft mir das? Deswegen kommen Sie ins Spiel. Sie werden mir meine Katzen wiederbeschaffen. Für jede gefundene Katze werden Sie selbstverständlich ein Honorar erhalten. Eines, das vermutlich wesentlich höher ausfällt als das übliche Kleingeld, mit dem Sie Ihr Überleben sichern."

    Arroganter Schnösel, war Benders erster Gedanke. „Meines Wissens beschäftigen Sie Sicherheitspersonal, darunter auch einen eigenen Detektiv. Warum vertrauen Sie nicht ihm die Aufgabe an?"

    Hellthal beantwortete die Frage nicht gleich. Sein Blick glitt über die Katze, dann über Bender. Vermutlich überlegte er, wie viel er tatsächlich preisgeben durfte.

    „Sehen Sie, Herr Bender, sagte er schließlich. „Auch wenn ich Ihnen keine Details verraten werde, kann ich Ihnen dennoch sagen, dass ich für mein Privatanwesen wie für meinen Firmensitz ein umfangreiches Sicherheitssystem ausgeklügelt habe. Für den Diebstahl der Katzen wurde dieses auf raffinierte Art umgangen. Wer auch immer der Täter oder die Täterin ist, kennt sich genau aus.

    Nun wurde Bender einiges klarer. „Sie schließen nicht aus, dass jemand, den Sie damit beauftragten, für die Sicherheit in Ihrer Firma zu sorgen, dieses Wissen ausnutzte. Da Sie nicht wissen, wer es war, misstrauen Sie pauschal allen Angestellten und übergeben einem Externen den Auftrag."

    „Sie sind ein Mann, der das sagt,

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