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ALTE GEWOHNHEITEN STERBEN LANGSAM: Actionthriller
ALTE GEWOHNHEITEN STERBEN LANGSAM: Actionthriller
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eBook243 Seiten3 Stunden

ALTE GEWOHNHEITEN STERBEN LANGSAM: Actionthriller

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Über dieses E-Book

Ein letztes Mal zur falschen Zeit am falschen Ort.
Jeder kennt ihn, einen der größten Actionhelden der 80er-Jahre, der seither in schöner Regelmäßigkeit immer wieder die Pläne von Terroristen und Ganoven durchkreuzt. In dieser Novellierung eines Drehbuchentwurfes für den sechsten und wahrscheinlich letzten Film des "Stirb-Langsam"-Franchises lässt Autor Ben Trebilcook unseren Helden ein letztes Mal das tun, was er am Besten kann – den Lumpen den Tag versauen!
"Das ist die einzige Fortsetzung, die ich sehen will!" - Collider Movie Talk
Joe Brady, Police Detective im Ruhestand, erhält eine Einladung nach Tokio. Die Oshiro-Corporation, ein mittlerweile weltweit operierender Hightech-Konzern, möchte ihn für seinen dreißig Jahre zurückliegenden Heldenmut auszeichnen, als Brady spektakulär eine Gruppe von Terroristen im New Yorker Oshiro-Tower ausschaltete.
Nur zögernd, und begleitet von einem alten, meist übel gelaunten Freund, nimmt Brady die Einladung an. Allerdings scheint er ein Händchen dafür zu haben, immer wieder zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein – denn es dauert nicht lange, bis man ihm einen Mord in die Schuhe schiebt, schießwütige Yakuza die in einem noch gigantischeren Wolkenkratzer stattfindende Gedenkfeier stürmen und zudem noch ein Gegenspieler auftaucht, der auf seltsame Weise mit Bradys Vergangenheit verbunden zu sein scheint.
Ben Trebilcook, Drehbuchautor und erklärter STIRB-LANGSAM-Fan, schrieb "Alte Gewohnheiten sterben langsam" ursprünglich als mögliches Drehbuch für einen geplanten sechsten und letzten Teil der Reihe. Befreundete Filmemacher, Produzenten, einschlägige Internetportale und vor allem die Fans der Filme waren von seinem Ansatz begeistert, einige der beliebtesten Charaktere der vorangegangenen Filme für einen großen Showdown noch einmal zusammenzubringen. Immer wieder wurde sein Drehbuch wurde als mögliche Basis für eine Fortsetzung gehandelt, nach aktuellem Stand jedoch zugunsten einer anderen Story wieder verworfen.
Damit Fans der Reihe diesen alternativen Abschluss des vielleicht besten Action-Franchises der Welt doch erleben können, entschied sich Trebilcook, das Drehbuch in eine kleine Novelle umzuwandeln. Die Namen der Protagonisten mussten dazu verändert werden, aber es braucht nur wenige Sätze, bis kein Zweifel mehr besteht, wer da im blutigen Unterhemd ein letztes Mal durch ein Hochhaus stürmt.
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum31. Okt. 2019
ISBN9783958354593
ALTE GEWOHNHEITEN STERBEN LANGSAM: Actionthriller

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    Buchvorschau

    ALTE GEWOHNHEITEN STERBEN LANGSAM - Ben Trebilcook

    Autor

    Danksagung

    Über zwanzig Jahre hinweg versuchte ich, an ein bestimmtes Action-Franchise heranzukommen. Dieses Buch ist jenen gewidmet, die meine Ideen mochten und sie unterstützten.

    Meinen Eltern – meiner Mutter, dafür, dass sie all die ordinären Filme ertrug, und noch mehr meinem Paps (einem McClane im echten Leben) – sowie meinem Bruder Steven. Hätte ich mir beim BMX-Fahren nicht die komplette linke Seite gebrochen, wäre ich nicht wochenlang von der Schule beurlaubt worden, und du hättest mir nie so viele jener Filme ausgeliehen, die einen solch gigantischen Eindruck bei mir hinterließen. »Young Guns - Sie fürchten weder Tod noch Teufel« (Danke John Fusco) und »Stirb Langsam« auf Video, 1988. Außerdem eine Menge Ninja-Filme wie »Castle of Owls« von 1963, Sho Kosugis »Die 9 Leben der Ninja«, Michael Dudikoffs »American Fighter«-Reihe und die Filme von Beat Takeshi, aber auch eine ganze Reihe von Hongkong-ActionThrillern: John Woo, Tsui Hark, Ringo Lam, ich danke Euch. »A Better Tomorrow 2«, »City on Fire«, »Full Contact«, »Bullet in the Head« und »The Killer« entfachten meine Leidenschaft für asiatisches Kino, und nachdem ich das Glück hatte, 1994 John Woo persönlich zu treffen, wurde mir klar, dass ich meine Liebe zu »Stirb Langsam« irgendwie mit dem Fernen Osten zusammenbringen musste. Ich musste einen Weg finden, den Geist dieser beiden Filmwelten zu vereinen, gewürzt mit Papas eigenen aufregenden Geschichten beim Abendessen über gute und böse Jungs.

    Danke an meine Jen, dass du immer für mich da warst und den Plot von »Alte Gewohnheiten sterben langsam« umstrukturiert hast.

    Danke auch meine Freunde aus den Anfangstagen, meinen ersten Agenten Paul Levigne, Skip Brittenham, Andy Vajna und meinem verstorbenen Manager, Jeff Ross.

    Ebenso bedanke ich mich bei meinen talentierten Filmemacher- und Journalistenfreunden Phil Stoole, Tony Giglio, Reg Seeton, Sean O’Connell, Ken Napzok, Alicia Malone, Hiro Masuda, Mark Reilly, Mark Ellis, Clint Morris, Berge Garabedian, Garth Franklin, Eoin Friel von »Action Elite«, Jordan von »Manly Movie«, Sean Hood, Jeff Sneider, Amy Goldberg, Matt Hamby, Kristian Harloff dem Team von Schmoes Know, Neil Marshall, Johnny Sullivan, Stuart Heritage, Louis Leterrier, Ed Neumeier, Iain Smith, Gail und John McTiernan, Ollie Diaz, Doug Richardson der immer mit Rat und aufmunternden Worten für mich da war (Danke, Kumpel), Steven E. De Souza (Inspirationsquelle der Extraklasse), Joe Carnahan, Jonathan Hensleigh und Roderick Thorp.

    Ich danke meinen sehr guten Freunden, dem Designer Ben Hickman (dafür, dass er sich von Papas Fingerpuste hat umnieten lassen, die Filmemacherei anschob und den Ausdruck »Heute ist Moet-Nacht« prägte), Designerin Ant Edith Gardner (deine Cover sind so genial wie ein Bier mit dir zu zischen), und ebenso sehr danke ich der supertalentierten und mich immer unterstützenden Gang bestehend aus Steve Simmons, Jim Arnott und Dan Baines.

    »Alte Gewohnheiten sterben langsam« ist kein dickes Buch geworden. Es basiert auf einem Originaldrehbuch von mir, aber ich denke, man bekommt ein Gefühl dafür, was für ein Film daraus hätte werden können.

    »An dieses Franchise heranzukommen wird schwer werden«, sagte einmal ein Producer zu mir. Und fügte hinzu: »Ich würde vorschlagen, du erfindest dein Eigenes.«

    Yippie-Ya-Yeah.

    Ich bin ein Berliner

    Drahtige Hände vermischten Ruß und verbrannte Baumwurzeln in einer abgeschlagenen Schale. Die Hände gehörten einem fünfundfünfzigjährigen Japaner. Er trug eine olivgrüne Uniform und ein weißes Stirnband, das er sich fest um die Stirn gebunden hatte, und saß ruhig auf einer Tatami-Matte. Um ihn herum hockten noch einige andere Japaner, die alle etwa im selben Alter waren und die gleiche olivgrüne Kleidung trugen.

    Die Männer wirkten alles andere als gesund, aber sie waren dankbar dafür, in ihrer dunklen, stickigen, unterirdischen Gefängniszelle überhaupt noch am Leben zu sein.

    Das Schnarren schwerer, rostiger Metallscharniere ertönte. Das Geräusch sorgte für ein beunruhigendes Echo, das durch einen Korridor jenseits der eisernen Tür hallte.

    Die wuchtige Zellentür schwang auf, begleitet von einem ohrenbetäubenden Quietschen der schlecht geölten Türangeln. Die inhaftierten Männer erschraken, winselten, und einige von ihnen pressten sich die Hände an die Ohren. Das Geräusch allein war für sie wie Folter.

    Ein etwa einen Meter neunzig großer, europäisch aussehender Mann wurde von vier japanischen Wachen in die Zelle gestoßen. Auch er trug eine olivgrüne Uniform, nur dass sich diese in einem weitaus besseren Zustand als die seiner japanischen Zellengenossen befand. Der Europäer war ein muskulöser Mann, kräftig gebaut und stämmig wie eine Eiche. Er war etwa fünfzig Jahre alt.

    Der Mann mit dem weißen Stirnband blickte dem Europäer tief in die Augen und ließ sich Zeit, aufzustehen. Dann streckte er ihm eine Hand entgegen. Ohne Zweifel eine Willkommensgeste.

    Der Europäer sah auf die kleine Hand des Mannes hinunter und ergriff sie, drückte vorsichtig mit seiner großen Pranke zu und schüttelte sie. Obwohl er beinahe doppelt so groß wie die Männer um ihn herum war, fühlte er sich in ihrer Gegenwart klein, unbedeutend, verloren und schwach. Jetzt war er einer von ihnen. Ein Gefangener.

    Mister Stirnband lächelte, wobei er eine Reihe verfaulter Zähne entblößte, und nickte mehrere Male mit dem Kopf. Er winkte den Europäer zu sich heran und deutete auf die Tatami-Matratze, während sich die anderen Männer setzten oder daneben stellten. Der Japaner war nur wenig älter als der Europäer, doch die Jahre der Gefangenschaft hatten ihren Tribut gefordert. Die Zeit war nicht besonders gnädig zu ihm gewesen.

    Mit seinen tiefliegenden Augen sah sich der Europäer in der Zelle um. Er hatte Glück, dass er nicht den Kopf einziehen oder sich ducken musste. Die Zelle war gerade hoch genug, dass er aufrecht darin stehen konnte. Dann musterte er die Männer in der Zelle, die aus ihren Reisschalen aßen. Er starrte sie an, und eine schmerzhafte, noch junge Erinnerung ließ beinahe augenblicklich eine unbändige Wut in ihm aufsteigen.

    Der Europäer stand vor der Volksbühne in Ost-Berlin und hielt die Hand seines fünf Jahre alten Enkelsohnes. Er war elegant gekleidet, und das aus gutem Grund.

    Die Volksbühne war von dem ungarisch-jüdischen Architekten Oskar Kaufmann entworfen und zwischen 1913 und 1914 erbaut worden. Ihr Motto ›Die Kunst dem Volke‹ prangte lange Zeit an dem Gebäude. Es war als Theater für das einfache Volk gedacht gewesen, um der Arbeiterklasse den Zugang zu Kultur zu ermöglichen. Während des Zweiten Weltkrieges war die Volksbühne fast vollständig zerstört worden und musste in den Fünfzigerjahren neu aufgebaut werden.

    Ein aschblonder, vor Freude strahlender Junge stand neben ihm, in Kleidern, die zum eleganten Auftreten seines Großvaters passten. Ehrfurchtsvoll blickte er zu der riesigen, hünenhaften Statur des Mannes hinauf. Ich bin so stolz auf dich, dachte er bei sich. Ich liebe dich so sehr. Sein Großvater war für ihn ein Held, ein Fels in der Brandung, sein Lehrmeister und tatsächlich wie ein Vater für ihn.

    Denn als sein eigener Vater starb, hatte der Großvater ihn in seine Obhut genommen. Für den alten Mann war der Junge alles. Er lebte für diesen Jungen. Er selbst hatte seinen Sohn verloren und zog nun den Enkelsohn wie sein eigenes Kind auf.

    Damals hatte sein Großvater noch einen weiteren Sohn und auch eine Tochter gehabt, doch zu beiden hatte kaum Kontakt bestanden. Sein Großvater war kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges geboren worden und gerade sieben Jahre alt gewesen, als dieser endete. Es war ihm erspart geblieben, von den Faschisten oder irgendeiner anderen rassistischen Gruppierung hirngewaschen zu werden. Vielmehr war ihm, wie zuvor schon seinem Vater und Großvater und auch seinen Söhnen und seinem Enkelsohn, etwas in die Wiege gelegt worden, das wichtiger war als ein Symbol oder eine Ideologie.

    Ihr Geburtsrecht.

    Den Gefangenen erging es über die Zeit wie ihren olivgrünen Uniformen – sie alterten, nutzten sich ab. Ihre Kleider waren zerrissen, ausgefranst, abgewetzt und versengt. Ihre Gesichter wurden faltig und ihre Haut von Schnitten und Geschwüren gezeichnet. Sie wurden von Ratten, Flöhen, Zecken und Gott weiß von welchem anderen Ungeziefer gebissen. Einige von ihnen hatten sich sogar gegenseitig gebissen. Kratzend und juckend zogen die Jahre an ihnen vorüber.

    Die Schläge und die psychische Folter hatten nachgelassen, nachdem man den Europäer in ihre Zelle gesteckt hatte. Vielleicht, weil die Wächter zu viel Angst davor hatten, ihn zu bestrafen oder zu bedrohen. Vielleicht, weil sie sich vor seiner ungeheuren Größe und seiner austrainierten Statur fürchteten. Vielleicht hatten sich aber auch die Zeiten geändert, waren verflogen und hatten die veralteten Überzeugungen ihrer Peiniger mit sich genommen.

    Langsam ließ der Europäer die Luft aus seiner Lunge entweichen. Sein Atem bildete weißliche Wolken in der kalten, dunklen Zelle. Er kniff die Augen zusammen und beobachtete durch die Gitterstäbe hindurch einen Wächter, der gerade die Batterien einer Taschenlampe wechselte. Er umklammerte die Gitterstäbe und verfolgte mit seinen Augen die Bewegungen des Wächters.

    Plötzlich hieb einer der anderen Wächter mit seinem Schlagstock nach ihm, trieb diesen schmerzhaft in die Wange des Europäers. Dann holte der Wächter noch einmal aus und schmetterte den Schlagstock gegen seine Fingerknöchel.

    Der Europäer zuckte zusammen und taumelte zur Seite, aber dann richtete er sich wieder auf, und irgendetwas in ihm sagte ihm, dass sich seine Lage sehr bald ändern würde.

    Ein anderer Wachmann sah auf und warf unvermittelt eine Batterie nach ihm, und dann mit ungeheurer Wucht noch eine zweite hinterher, die den muskulösen Europäer am Hals traf und nach hinten warf.

    Überraschenderweise war Mister Stirnband zur Stelle und fing ihn auf.

    Der Europäer schloss für einen kurzen Moment die Augen. Dann nickte er mit zusammengekniffenen Augen seinem neuen Freund dankbar zu. Er erstaunte ihn, dass dieser kleine, drahtige Mann eine solche Kraft aufgebracht hatte.

    Jeder der Gefangenen hatte natürlich seine eigenen Gründe dafür, hier in dieser Zelle gelandet zu sein. Ihre Schmerzen aber teilten sie in gleichem Maße.

    Draußen, vor der Volksbühne, riss der fünfjährige Junge, der noch immer die Hand seines Großvaters hielt, besorgt die Augen auf.

    Das Quietschen von Autoreifen war zu hören. Ein unglaublich durchdringendes Geräusch, das über das Kopfsteinpflaster der Straße hinweg hallte.

    Der Junge erstarrte vor Angst.

    Mehrere maskierte Männer tauchten aus der drohenden Schwärze eines Fahrzeugs auf, packten den elegant gekleideten Europäer ohne jede Vorwarnung und zerrten ihn zu dem wartenden Mercedes-Lieferwagen.

    »Opa!«, schrie der Junge. »Opa!«

    Sie zogen seinem Großvater einen schwarzen Sack über Kopf. Sein Körper wand sich unter ihren Händen, er ächzte und stöhnte. Dann ballte er eine seiner Hände zur Faust und verpasste einem der maskierten Männer einen kraftvollen Hieb gegen die Kehle. Doch wenig später wurde er von ihnen überwältigt. Die Absätze und die Kappen seiner teuer wirkenden Schuhe kratzten über das Straßenpflaster, während er sich zu wehren versuchte, bekamen Schrammen, verloren ihren makellosen Glanz. Der Europäer bäumte sich ein letztes Mal auf, dann wurde er mit Gewalt in die Dunkelheit gerissen, die die Männer eben noch ausgespuckt hatte.

    In ihrer unterirdischen Zelle entrollten die Männer ein schwarzes Stoffbündel. Eine Reihe von Werkzeugen, die sie aus scharfen Tierknochen und Bambusstöcken hergestellt hatten, kamen darin zum Vorschein. Aus einigen der selbstgebauten Werkzeuge ragten metallene Nadeln.

    Der Europäer saß geduldig auf seiner Tatami-Matte und verfolgte aufmerksam die Handlungen seiner Mithäftlinge.

    Einer der Gefangenen griff sich die achtlos weggeworfenen Batterien. Zuerst befeuchtete er etwas Toilettenpapier und begann die Batterien aneinanderzubinden. Dann befestigte er einen Draht an beiden Enden und schloss auf diese Weise den Stromkreis.

    Der Europäer bemerkte, dass der Draht in der Mitte ausgefranst war und sich wie ein Feuerzeug aufzuheizen begann. Er warf einen Blick zu Mister Stirnband, der neben ihm auf einer anderen Matte saß.

    Im fahlen Licht des Mondes, welches durch eine Öffnung einige Meter über ihnen herabschien, waren deutlich die zahlreichen Tätowierungen auf seiner Haut zu erkennen. Der Japaner drehte den Kopf und sah, dass der europäische Zellengenosse seinen auf diese Weise verzierten Rücken bewunderte. Der Europäer konnte nicht sagen, ob die Tätowierungen aus der Zeit ihrer Inhaftierung stammten, doch im Laufe der Jahre sollte er von dem Mann noch vieles über die fernöstliche Lebensart lernen.

    Und so dauerte es gar nicht lange, bis der kräftige Europäer Mister Stirnband auf der mondbeschienen Matte ablöste und sich von den drahtigen alten Händen seines Freundes ebenfalls eine der traditionellen Wabori-Tätowierungen in seinen vernarbten Rücken ritzen ließ.

    Eine wunderschöne Kirschblüte.

    Später ging Mister Stirnband auch dazu über, dem Europäer das Gesicht und den Kopf zu rasieren.

    Jahre vergingen. Wie viele? Zwanzig? Fünfundzwanzig? Vielleicht sogar dreißig.

    Mister Stirnband war merklich gealtert.

    Die langen Arme des Europäers waren mittlerweile mit wundervoll gestalteten Tätowierungen geschmückt. Ein in die Lüfte steigender Drache und ein Samurai zierten seinen muskulösen Rücken. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er einen seiner Mitgefangenen dabei, wie er einen Schnürsenkel entfernte und diesen an einen kurzen Bambusstock band, dann bemerkte er auch die Rasierklingen, die der Mann an den Schnürsenkel knotete. Die Männer planten etwas. Er spürte, dass ein Aufstand in der Luft lag, und wieder fühlte er diese unbändige Wut in sich hochkochen. Die Jahre in der Zelle hatten ihn auf einen solchen Moment vorbereitet. Wann es so weit sein würde, wusste er nicht. Doch tief in seinem Inneren brodelte der Zorn, sein Aggressionspotenzial stieg über die Zeit immer mehr an. Wenn die Wut ihn zu übermannen drohte, trainierte er in seiner Zelle, stemmte Liegestütze mit einem seiner Zellengenossen auf dem Rücken.

    Mister Stirnband war nun siebzig Jahre alt, seine Uniform beinahe vollständig verschlissen und er selbst so mitgenommen wie die Kleidung, die er am Leibe trug. Aber er war unglaublich loyal. Auf gewisse Weise ähnelte er der Figur des Freitag in Daniel Defoes Geschichte von Robinson Crusoe. Er sprach nur selten, und wenn er es tat, drang oft nur ein unverständliches Murmeln über seine Lippen. Hin und wieder raunte er ein »Hai«, untermalt von seinem fast durchgehenden Kopfnicken. Vorsichtig schob er die Nadel unter die Haut des Europäers, so wie er es bereits viele Male in den vergangenen Jahrzehnten getan hatte. Nur zu gern hätte er sich dem Europäer vorgestellt, aber er hatte Schwierigkeiten, sich an seinen eigenen Namen zu erinnern. Er hatte ihn vergessen. Die Tage und Nächte der Folter hatten ihre Spuren an seinem gezeichneten Verstand hinterlassen. Mister Stirnband war in diesem Gefängnis gelandet, weil er eine wesentliche Rolle in der Planung eines Protestmarsches gegen eine US-amerikanische Nuklearwaffenbasis gespielt hatte. Genau wie den Europäer hatten sie ihn einfach von der Straße weggeholt. Als er verschwunden war, hingen seine Mutter und sein Vater über fünfundzwanzig Jahre hinweg immer wieder frische Vermissten-Plakate auf, bis zu ihrem Tod.

    Seine damalige Freundin, die ebenfalls Aktivistin gewesen war und es geschafft hatte, rechtzeitig unterzutauchen, führte daraufhin die Arbeit seiner Eltern fort. Und obwohl sie über die Zeit einen neuen Partner kennengelernt und eine Familie gegründet hatte, klebte sie sein Bild unermüdlich weiter an Schaufenster oder schob es unter die Scheibenwischer parkender Autos. Wenn ihre Kinder sie nach dem Mann fragten, den sie stets als ihren Onkel bezeichnete, erzählte sie ihnen, dass er ein gebildeter, herzlicher und treuer Mann gewesen war. Sie erzählte ihren Kindern, dass ihr Onkel immer dann geschwiegen hatte, wenn es angebracht war, gleichzeitig aber auch eine Stimme für Tausende sein konnte. Sie erklärte ihnen, dass er alle Menschen unabhängig ihres sozialen Status gleichermaßen respektiert und immer daran geglaubt hatte, dass es niemandem erlaubt sein sollte, sich über andere zu erheben. Eine Vorstellung, die sie auch an ihre Kinder weitergeben wollte.

    Mister Stirnband war in geschichtlichen Dingen sehr bewandert und gleichzeitig ein wahrer Visionär gewesen. Der Schmerz über den Verlust seiner Familie und seiner Geliebten hatte ihn tief getroffen, wie ein Messer, dass sich ihm ins Herz bohrte. Er akzeptierte sein Schicksal und doch sehnte er sich danach, wenigstens die Chance gehabt zu haben, sich von ihnen verabschieden zu können. Manchmal fragte sich Mister Stirnband, wieso er nicht aufgegeben hatte und in diesem unterirdischen Gefängnis einfach gestorben war, wie so viele andere Männer. Die einzige Antwort, die ihm einfiel, war, dass ihn die Liebe seiner Verwandten in Freiheit am Leben hielt.

    Donnergrollen. Ein Blitz zuckte

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