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Unser Problem mit Gott: Wandlungen des Religiösen
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eBook229 Seiten3 Stunden

Unser Problem mit Gott: Wandlungen des Religiösen

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Über dieses E-Book

Der Autor untersucht die Möglichkeiten, die den Menschen gegeben sind, der Wesenheit und der Wirklichkeit Gottes näher zu kommen.
Er geht den drei monotheistischen Religionen vom Altertum, über das Mittelalter bis in die Neuzeit auf den Grund und stellt dabei fest, dass Rabbis, Bischöfe, Pfarrer und Mullahs schon früh religiöse Schriften und Glaubensgrundsätze manipulierten.
Bei der Verfassung der Bibel wurden christliche Schriften, die im 2. Jahrhundert vorlagen, nicht berücksichtigt. Das Bild von Jesus, das man den Gläubigen aufdrängte, wurde von der Kirche umgestaltet. Schlussendlich geht der Autor der Frage nach, ob es für moderne Menschen möglich sei, des Göttlichen auch ohne priesterlichen Segen gewahr zu werden.
SpracheDeutsch
HerausgeberMünster Verlag
Erscheinungsdatum30. Mai 2020
ISBN9783907301142
Unser Problem mit Gott: Wandlungen des Religiösen
Autor

Andreas Steiner

Andreas Steiner wurde 1964 in Köln geboren. Er studierte Psychologie (Diplom) und Musik-, und Theater-, Film- Fernsehwissenschaft (M.A.). Schon als Student gewann er mehrere Auszeichnungen als Illustrator und Karikaturist. Nach dem Studium wurde er Psychotherapeut und betreibt eine eigene kassenzugelassene Praxis in Köln, sowie ein eigenes Lehrinstitut für Psychotherapeuten. In seinen Spezialgebieten klinische Hypnose und systemische Therapie bildet er Therapeuten professionell aus. Besondere Aufmerksamkeit widmet er der politischen Psychologie, insbesondere der Psychodynamik des Nationalsozialismus und der Genese der pathologischen Persönlichkeiten des Dritten Reiches. Andreas Steiner ist in mehreren Fernseh-Dokus als wissenschaftlicher Experte zu sehen. Bibliographie: „Die schlafende Stadt“ – Roman (Steinmeier, 2011) „Die Kunst der Familienaufstellung“ – Fachbuch (Kohlhammer 2019) „Alles Schicksal? Wie wir Familienmuster überwinden“ – Sachbuch (Herder 2020) „Das Dunkel aus der Zeit“ – Roman (BoD 2022) Filmographie: „Helden der Propanganda“ ZDF-Info-Doku (2017), 45 Min. „Geschichte Mitteldeutschlands: Emmy Göring – die First Lady der Nazis“ MDR-Doku (2015), 45 Min. „Geschichte Mitteldeutschlands: Hitlers williger Vollstrecker -Roland Freisler“ MDR-Doku (2014), 45 Min. „Angst“ – TV-Interview in NRW-TV (2012), 60 Min.

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    Buchvorschau

    Unser Problem mit Gott - Andreas Steiner

    Sufismus

    1. Einführende Bemerkungen und Fragen

    Seit meinen Jugendjahren beschäftigt mich die Frage, wie wir Gott nähertreten und seiner gewahr werden können? Damals hatte ich als Wahrheit angenommen, was die Pfarrer erzählten. Ihre Predigten stimmten mehr oder weniger mit dem überein, was in der Bibel geschrieben stand. Mit der Zeit überkamen mich jedoch Zweifel, sowohl an den Aussagen wie auch an den Persönlichkeiten der Pfarrer und nicht zuletzt an den Texten der Bibel. Es gab darunter Dinge, die mit dem, was ich mir unter Gott und seinem Wirken vorstellte, nichts gemein hatten. Um darüber nachdenken zu können, las ich mit fünfzehn Jahren das ganze Alte und das ganze Neue Testament. Allabendlich vor dem Einschlafen las ich ein Kapitel. In meinem Kopf häuften sich Fragen, für die ich damals mit meinem Wissen keine Lösung finden konnte.

    Unter anderen waren es die folgenden Probleme, die mich beschäftigten:

    –Gibt es einen Gott und wenn ja, wer ist dieser Gott, und wo befindet er sich? Muss ich mir Gott so denken, wie er im Alten Testament dargestellt wird: als ein argwöhnisches, rachsüchtiges Wesen, das befiehlt und bestraft, wer ihm nicht gehorcht?

    –Wie kamen die Gebote, denen wir gehorchen sollten, in die Bibel? Stammten sie von Gott oder stammten sie von Menschen?

    –Hat Jesus, wie er in der Bibel dargestellt wird, existiert, und ist das, was über ihn geschrieben steht, Wahrheit oder Legende?

    –Jesus war Jude. Er behauptete, er wäre Gottes Sohn¹. Er wurde verurteilt, weil seine Aussagen sich für die Rabbis und viele Juden wie Gotteslästerung anhörten. Wer war Jesus wirklich?

    Der Begriff ‹Gott› blieb für mich während langer Zeit diffus. Ich konnte mir darunter nichts vorstellen. Es hiess, ‹Gott› habe Gesetze erlassen, die bis heute gültig seien. Doch kaum jemand hält sich an die göttlichen Gesetze, auch Rabbis, Pfarrer, Priester, Popen und Mullahs nicht.

    Heute gibt es drei monotheistische Weltreligionen: Judentum, Christentum, Islam. Den Vertretern dieser Religionen stelle ich folgende Fragen:

    1.Wer ist das Wesen, das Ihr als Gott bezeichnet?

    2.Wo befindet sich Gott?

    3.Wie kommt Ihr auf die Idee, dass es nur einen Gott gebe?

    4.Warum gibt es bei Euch, den Geistlichen und Frommen der monotheistischen Religionen, keine Toleranz gegenüber den anderen monotheistischen Religionen, die auch nur an einen Gott, aber – so erlaube ich mir zu vermuten – nicht an den gleichen Gott glauben? Warum hat sich in Euren Religionen ein gehässiges Gerede gegen Menschen, die Euch, den Rabbis, Pfarrer, Priestern, Popen, Mullahs, nicht folgen wollen, entwickelt?

    Um auf diese Fragen besser antworten zu können, gehe ich in die Frühzeit zurück und forsche nach, wie und wo die monotheistischen Religionen ihren Anfang nahmen und warum sich bei ihnen Intoleranz und Rechthaberei entwickelten, so dass sich die Vertreter dieser Religionen bis heute streiten und manchmal selbst vor Totschlag oder Mord nicht zurückschrecken!

    1Mt, 26, 63-64

    2. Die Entstehung des Monotheismus

    In den Religionen des Altertums, bei den Babyloniern, Ägyptern, Griechen, Römern, wurden mehrere Götter verehrt. Jeder Gott, jede Göttin hatte ein Gebiet, für das er oder sie zuständig waren, also beispielsweise eine Göttin oder einen Gott für den häuslichen Herd, für Kunst und für Wissenschaft, für die Liebe, für den Krieg usw. Jedes Volk gab den Göttern Namen in seiner Sprache. Bei anderen Völkern gab es analoge Götter und Göttinnen, die andere Namen trugen. Beim Herumreisen konnte man die Götter, die man in einem fremden Land antraf, ohne weiteres verehren, man musste nur deren Namen ändern. Die Wirkungsbereiche der fremden Götter waren ähnlich wie bei den Göttern des Heimatlandes. Damit fungierten die polytheistischen Religionen auch als eine Art Medium für gegenseitige Kommunikation zwischen den Völkern. Kaum je kam es zu einer Ausgrenzung der eigenen Religion gegenüber den Religionen anderer Länder. Es gab keinen Wettstreit zwischen Göttern, es gab auch keine Missionierung, und es gab keine Religionskriege. «Die Gottheiten waren international, weil sie kosmisch waren. Die verschiedenen Völker verehrten unterschiedliche Götter, aber niemand bestritt die Wirklichkeit fremder Götter und die Legitimität fremder Formen ihrer Verehrung. Den antiken Polytheismen war der Begriff einer unwahren Religion vollkommen fremd.»²

    Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte erschien in Ägypten im 14. Jahrhundert v. Chr. die Eingottlehre, der Monotheismus. Amenophis IV., Pharao der 18. Dynastie, verdammte die Vielgötterei in seinem Land und propagierte Aton, den Sonnengott, als einzigen Gott, der als guter Gott die Lichtseiten des Lebens vertrat. Das Böse war in der Konzeption des Aton nicht vorgesehen.³ Seinen eigenen Namen Amenophis ‹Amun ist zufrieden› änderte der Pharao auf Akhenaton beziehungsweise Echnaton, ‹Geist des Aton›. Echnaton wechselte die ägyptische Hauptstadt von Luxor in ein nördliches Gebiet, halbwegs in Richtung Kairo, und nannte sie Achet-Aton. Es ist das heutige Tell el-Amarna.

    Echnaton verbot die Verehrung der früheren Götter. Ihre Tempel wurden geschlossen, die Namen der Götter und Göttinnen wurden gelöscht. Der Apisstier (das ‹goldene Kalb› in der Bibel) und der Widder, beide Tiere Erscheinungsformen des Amun, durften nicht mehr verehrt werden.

    Religiöse Intoleranz war bis anhin in Ägypten nicht vorgekommen. Das Verschwinden der alten Riten bedeutete für die Menschen ein Zusammenbrechen der sozialen und kosmischen Ordnung. Es war eine ‹Finsternis am Tage›, eine Metapher, die Gottesferne bedeutete.⁴ Vom Wechsel des Göttlichen blieb bei den Menschen der Eindruck eines Schocks zurück, eine Erinnerung an etwas Unreines, Gottloses, Zerstörerisches.

    Echnatons Regierungszeit dauerte von 1353 bis 1336 v. Chr. Seine Mumie wurde in Achet-Aton beigesetzt. Nach seinem Tod hörte die Verehrung Atons auf, das Land kehrte zum Polytheismus zurück, dessen Hauptgott Amun war. Der sehr junge Sohn und Nachfolger Echnatons, Tutenchaton, wechselte seinen Namen in Tutenchamun. Sein Grab und seine Mumie wurden nicht in Achet-Aton, sondern im Tal der Könige, in der Nähe von Luxor, gefunden.

    Der Pharao Echnaton war der erste Mensch, der eine Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Religion getroffen hatte. Die Religion, die in seiner Vorstellung falsch war, hatte er verboten. Doch Echnatons ‹Unterscheidung der Religionen› blieb begrenzt, mit seinem Tode war sie wieder verschwunden.

    Diesen einschneidenden und nie mehr rückgängig gemachten Vorgang zwischen richtiger und falscher Religion hatte auch Osarseph, ein ägyptischer Priester, der sich später Moses nannte, gemacht. Auch er hing, vermutlich als Folge der Amarnareligion, einer monotheistischen Gegenreligion an, die alles, was ausserhalb ihrer lag, verteufelte. Die von Moses getroffene Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Religion hatte realpolitische Konsequenzen. Sie trat beim Auszug der Leute, die Moses aus Ägypten führte, in Erscheinung. Es war ein aggressiver Vorgang, der zwischen einer neuen Religion, die sich selbst als wahr bezeichnete, und den alten Religionen, die die Leute der neuen Religion ‹Götzendienst› nannten und als falsche Religion verurteilten, auftrat.

    «Der ägyptische Priester Manetho (285–246 v. Chr.), der im 3. vorchristlichen Jahrhundert unter Ptolemäus II. eine ägyptische Geschichte schrieb, stellte Moses als einen aufständischen ägyptischen Priester dar, der sich zum Führer einer Leprakolonie aufgeworfen hatte.»⁶ Sigmund Freud betonte, Moses sei ein Ägypter gewesen, der die Religion Echnatons propagiert und ein Volk, das im Nildelta wohnte, aus Ägypten geführt habe. Bis heute weiss man nicht genau, um welches Volk es sich dabei handelte. Es wird vermutet, dass es die semitischen Hyksos, also Habiru, das heisst Hebräer, waren. In der zweiten ägyptischen Zwischenzeit waren die Hyksos aus Vorderasien in Ägypten eingefallen und hatten das Land von Unterägypten aus von 1630 bis 1522 v. Chr., also während 108 Jahren, beherrscht und Oberägypten sich tributpflichtig gemacht. Sie siedelten im östlichen Nildelta, ihre Hauptstadt hiess Avaris.

    Vermutlich waren es diese Hyksos, die Moses zum Monotheismus bekehrte und aus Ägypten führte. Die einzige historisch verifizierbare Grundlage des Exodus ist der Aufenthalt der Hyksos in Ägypten und deren Vertreibung. Ihre Geschichte hat in die Gründungssemantik Israels Eingang gefunden. Sigmund Freud schrieb, die weggeführten Hyksos hätten gegen Moses rebelliert und ihn umgebracht. An einer wasserreichen Stelle auf der Sinaihalbinsel hätten die Hyksos unter dem Einfluss der arabischen Midianiter eine neue Religion, die Verehrung eines Vulkangottes mit dem Namen Jahwe, angenommen.

    Die einzige Sakralhandlung, die das von Moses aus Ägypten herausgeführte Volk der Hyksos von der Amarnareligion behielt, war die Sitte der Beschneidung. Die Praxis der Beschneidung stammt aus Ägypten, wo sie schon vor ca. 4300 Jahren, im Grab des Ankh-ma-hor in Sakkara, auf einem Relief dargestellt ist. Bei anderen Völkern im fruchtbaren Halbmond war damals, im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr., die Beschneidung nicht bekannt.

    In der Bibel wird die Geschichte des Exodus anders dargestellt. Dort ist sie eine in vielen Aspekten abenteuerliche Erzählung. Im eigentlichen Sinn ist es eine Sage beziehungsweise eine Legende, wie es Legenden aus der Vergangenheit aller Völker gibt. Bei der Erzählung von Sagen und Legenden hat sich der Inhalt nie so ereignet, wie er berichtet wird, manchmal ist er sogar erfunden. Viele Menschen lieben es, an das zu glauben, was das Volk, dem sie angehören, in der Vergangenheit Grossartiges geleistet hat. Seit Jahrhunderten werden Heldentaten aus der Vergangenheit als wahre Ereignisse weitererzählt.

    Hier geht es aber nicht um eine Legende, sondern darum, zu erfahren, wie wir an die Eigentlichkeit des Gottes, von dem gesprochen wird, herankommen können. Seit Jahrhunderten können uns Geschichten, Sagen, Legenden falsch informieren und uns vom Wege abbringen, der eigentlich zur Erkenntnis Gottes führen sollte.

    Der Monotheismus, der Glaube an einen einzigen Gott, geht, wie berichtet, auf die Regierungsjahre des ägyptischen Pharaos Echnaton zurück, der von 1353 bis 1336 v. Chr. regierte. Durch die Vermittlung eines Ägypters mit dem Namen Osarseph/Moses wurde der Eingottglaube von den im östlichen Nildelta angesiedelten semitischen Hyksos übernommen. Unter Moses› Führung brachen die Hyksos auf und siedelten sich nach langem Umherirren in der Gegend Kanaan, dem heutigen Palästina, an.

    Diese Auswanderer wurden mehrmals fremden Einflüssen ausgesetzt. Während des babylonischen Exils beispielsweise, das von 597 bis 539 v. Chr. dauerte, kamen die Menschen aus Israel mit dem Zoroastrismus, der Religion der Perser, in Berührung. Von dieser Religion brachten sie mehrere religiöse Eigenheiten in ihr Land zurück. Das wird auch im Alten Testament erwähnt. Im Buch des Propheten Jesajah «… sagt der Herr, der heilige Gott und Schöpfer Israels: … Ich bin es auch, der Kyros berufen hat, damit er meinen Auftrag ausführt. Alles lasse ich ihm gelingen. Er wird meine Stadt Jerusalem wiederaufbauen und mein verbanntes Volk heimkehren lassen …»⁸ Nach ihrer Rückkehr aus dem babylonischen Exil bauten die Juden in Jerusalem einen zweiten Tempel und führten einen bildlosen monotheistischen Kult ein. Erst jetzt wurde «… der Mythos der Sinai-Offenbarung geschaffen. Dieser soll(te) der neu eingeführten Kult- und Religionsordnung Gewicht und Autorität verschaffen – was zweifellos gelungen ist.»⁹ Die Verehrung des Vulkangottes Jahwe, der als Schöpfer von Himmel und Erde galt, wurde nach der Rückkehr aus dem Exil verstärkt. Nach dem Vorbild der schriftlichen Kultur, mit der die Juden in Babylon Bekanntschaft gemacht hatten, wurden die bereits vorhandenen jüdischen Texte ergänzt und erweitert. Die Schriften wurden gesammelt und als das, was das ‹Alte Testament› ist, zusammengestellt.¹⁰ Die Verehrung des Gottes Jahwe festigte die jüdische Identität; sie hat bis heute Bestand.

    Mit dem Christentum verbreitete sich später der Glaube an einen einzigen Gott über die Welt. Im 7. nachchristlichen Jahrhundert kam der Islam dazu. Entsprechend den Entwicklungen im Altertum und im frühen Mittelalter gibt es heute drei grosse monotheistische Religionssysteme: Judentum, Christentum, Islam. Von diesen Religionen behauptet jede, den einzig richtigen Glauben an den einen Gott zu vertreten.

    2Assmann (2000) S. 19

    3Brunner-Traut, S. 29 f.

    4Assmann (2000) S. 52 f.

    5Habicht S. 228 ff.

    6Assmann (2000) S. 21

    7Freud S. 71 f.

    8Jesaiah Kapitel 45: Der hier genannte Kyros ist der persische König Kyros II., der Grosse, der von ca. 600 bis 530 v. Chr. lebte und von 559 bis 530 v. Chr. regierte

    9Bernhard Lang in Assmann, Brumlik, Schieder et al. S. 61

    10Schlomo S. 104 f.

    3. Das Christentum und die Gnosis

    Als Anfang des Christentums wird gemeinhin die Geburt Jesu in Bethlehem genannt. Über diese Geburt befindet sich im Evangelium von Lukas eine Geschichte, die bei uns an Weihnachten vorgelesen wird und mich jedes Mal rührt. Allerdings gibt es diese Geschichte nur im Evangelium des Lukas. Bei Matthäus wird vor allem das Dilemma Josephs wegen der Schwangerschaft seiner jungfräulichen Verlobten geschildert. Joseph wird im Traum von einem Engel besucht, der verkündet, Marias Schwangerschaft sei durch den Heiligen Geist herbeigeführt worden. Markus und Johannes gehen auf die Geburt Jesu nicht ein.

    Über Datum und Verlauf der Geburt von Jesus Christus verfügen wir über keine genauere Auskunft, denn was Lukas erzählt, ist eine Legende, die in den Jahren nach 70 n. Chr. schriftlich festgehalten wurde. Von strenggläubigen Christen wird diese Legende als wahres Vorkommnis der Geburt des Gottessohns angesehen. Heute feiern wir dessen Geburt an Weihnachten, wenige Tage nach der Wintersonnenwende, dem Tag, an dem die Sonne auf der Nordhalbkugel wieder anfängt, länger zu scheinen. Im antiken Rom war der 25. Dezember der Tag des ‹Sol Invictus›, des unbesiegbaren Sonnengottes, der an diesem Tag wieder aufersteht. Auf diesen Tag, den die Römer mit Lichtern feierten, wurde im 4. Jahrhundert – auf Befehl Kaiser Konstantins – die Feier für die Geburt Jesu festgelegt. Die orthodoxen Kirchen feiern Weihnachten am 6. und 7. Januar. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass Jesus im Juni zur Welt gekommen ist, wie australische Astronomen berechnet haben. Doch es werden auch andere Daten genannt. Mit der Verlagerung von Christi Geburtstag auf den 25. Dezember wurde im römischen Imperium ein bereits bestehendes heidnisches Fest durch das Fest der neuen, christlichen Religion abgelöst. Damit wurde für die Menschen ein sanfter Übergang von einer Religion zur anderen geschaffen.

    Das Christentum hatte anfangs grosse Mühe, sich gegen die Staatsreligion der Römer durchzusetzen. Viele, die zum Christentum übergetreten waren, und an ihrem Glauben festhielten, wurden zu Märtyrern und starben eines qualvollen Todes. Anderseits war bereits im 2. Jahrhundert eine gewisse Form des Christentums dominant. Dessen Bischöfe schlossen damals alle Formen, Meinungen und Theorien der christlichen Religion, mit denen sie nicht einverstanden waren, als häretisch aus.

    Bereits vor Beginn unserer Zeitrechnung, vermehrt aber in den zwei Jahrhunderten nach Christi Geburt, zeigten sich bei vielen Menschen in Europa und im Nahen Osten Zeichen des religiösen und geistigen Aufruhrs. Die angestammten Religionen genügten ihnen nicht mehr. Es traten unterschiedliche Prediger auf, die Menschen um sich scharten, um sie von neuen Heilslehren zu überzeugen und zu bekehren. Was sie predigten, waren religiöse Synkretismen, deren Inhalt sie aus der griechischen Philosophie, aus dem persischen Zoroastrismus, aus der babylonischen Magie und Astrologie und aus dem hellenistischen Judentum oder aus der eigenen Phantasie hervorholten und kombinierten. Die Gesamtheit der komplizierten und teilweise schwer zu verstehenden Systeme wurden unter dem Namen ‹Gnosis›, ‹γνῶσις›, zusammengefasst. Gnosis, ein griechisches Wort, bedeutete ‹Wissen›. Bei diesen Systemen handelte es sich um spekulatives Wissen über die Welt, über Gott und über unendliche Dinge. Gnostische Systeme waren Gedankengebäude, die über das rational Denkbare hinausreichten. Es waren Phantasmen, für die damals in der Bevölkerung des römischen Reiches ein Bedürfnis vorhanden war.

    3.1. Markion

    Eines der gnostischen Systeme wurde von Simon in Samaria vertreten, der in der Apostelgeschichte (8, 9-13) als Simon, der Zauberer, dargestellt wird. Nachdem er die Predigten des Philippus gehört hatte, sei er gläubig geworden und habe sich taufen lassen, heisst es in der Bibel. Es wird vermutet, dass Simon der gleiche Mann wie Markion ist.

    Markion oder auch Marcion wurde 85 n. Chr. in Sinope am Schwarzen Meer geboren. Er war Judenchrist, im Jahre 140 verlegte er seinen Wohnsitz nach Rom. Wenige Jahre später distanzierte er sich von der katholischen Kirche und verkündete seine eigene Lehre über Gott, Christus und das Leben der Menschen. Er predigte von einem guten Gott, den Jesus Christus offenbart habe,

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