Gott queer gedacht
Von Andreas Krebs
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Über dieses E-Book
Das Buch führt in queer-theologische Diskurse ein, die sich bislang vor allem im angelsächsischen Sprachraum entwickelt haben. Darüber hinaus zeigt es, dass "queer" mehr ist als ein Modeausdruck. Als Leitbegriff eines kritischen Empowerments kann er zugleich dabei helfen, zu neuen Dimensionen der Gottesrede vorzustoßen.
→ Queer sein gehört zur Kirche dazu
Andreas Krebs
Andreas Krebs, geb. 1976, Dr. phil., Inhaber des Lehrstuhls für Alt-Katholische und Ökumenische Theologie sowie Direktor des Alt-Katholischen Seminars der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
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Buchvorschau
Gott queer gedacht - Andreas Krebs
1Queere G*ttesrede
1.1Was ist »queer«?
»Ich komme aus einer Welt […], die mir nicht von mir erzählt hat«,¹ sagt der queere Schauspieler Tucké Royale. In diesem Satz dürften sich viele queere Personen wiederfinden. Was das Christentum betrifft, so erzählt es von Menschen, die G*tt als Mann und Frau erschuf. Fruchtbar sollen sie sein und sich mehren. Sexualität darf einzig dem Kinderkriegen dienen. Eine gegengeschlechtliche Bindung, lebenslang gültig und ausgerichtet auf das Ziel der Fortpflanzung — dieses heteronormative Ideal setzt das Christentum dem Willen des Schöpferg*ttes gleich. Alles andere, so heißt es, sei »gegen die Natur«.
Sex mit sich selbst haben und zufrieden damit sein? Einen anderen Menschen des eigenen Geschlechts begehren? Mehr als einen Menschen begehren? Einen Menschen unabhängig vom Geschlecht begehren? Sich selbst weder als Frau erfahren noch als Mann? Mit einem Körper geboren sein, der »weibliche« Merkmale mit »männlichen« vereint? Einen Körper haben, der zum eigenen Geschlechtserleben nicht passt? Alles das ist nicht »normal«. In der heteronormativen Welt kommt es nicht zur Sprache. Diskret übergeht man es in den Geschichten, die man aus Ereignissen des Lebens webt. Wo es doch ins Wort kommt, stehen abschätzige Ausdrücke bereit: »Wichser«, »Mannsweib«, »Schwuchtel«, »Schlampe«, »Transe«, »Zwitter« …; und wo doch daraus Geschichten werden, fallen diese dunkel und bedrohlich aus. »[W]enn ich sozusagen von der Möglichkeit, ich zu sein, gehört habe«, fährt Tucké Royale fort, »dann nur unter zwielichtigen Umständen oder in Verbindung mit Kriminalität, Gewalt oder Tod.« Solche Diffamierungen sind selbst – verbale – Gewalt. Bei dieser allein muss es allerdings nicht bleiben. Die Möglichkeit queerer Menschen, zu sein, wer sie sind, wird nicht nur beschwiegen oder abgewertet. Sie wird auch physisch unterdrückt und ausgelöscht. Übergriffe gegen queere Personen gibt es auf der ganzen Welt. Mancherorts sind auch Staaten Akteure der Unterdrückung und Gewalt. So werden zur Zeit in 69 Ländern homosexuelle Handlungen unter Männern als Straftaten verfolgt, in 11 Ländern droht sogar die Hinrichtung.² Auch christliche Kirchen befeuern bis heute aktiv die Diskriminierung queerer Menschen: die römisch-katholische Kirche in Polen beispielsweise, die orthodoxe Kirche in Russland, evangelikale Kirchen in den USA, Pfingstkirchen in Südamerika, fast alle christliche Kirchen in Afrika; in Deutschland ist unter anderem ein evangelischer Bremer Pastor für Queer-Feindlichkeit bekannt.
Auch das englische »queer« war zunächst ein Schimpfwort, gemünzt von einer christlichen Kultur, um zu kennzeichnen, was ihrem heteronormativen Muster widerspricht: »Queer« ist mit dem deutschen »quer« verwandt und heißt »unpassend«, »seltsam«, »bizarr«. In dieser Bedeutung wurde das Wort auch auf Menschen angewandt, deren geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung für »abweichend« gehalten wurde. Als Teil der Emanzipationsbewegungen seit Mitte des 20. Jahrhunderts haben sich queere Menschen den Begriff zu eigen gemacht. Dabei haben sie ihn trotzig ins Positive gewendet: Ja, wir passen nicht in eure heteronormative Welt — und das ist gut so! Menschliches Sein und Begehren ist bunter, als ihr glauben wollt! Wir leben diese Vielfalt, und wir feiern sie!
1.2Was ist queere »Theologie«?
Ist in queerer Vielfalt auch ein theologisches Anliegen aufzufinden? Diese Frage ist der Ausgangspunkt queerer Theologie. Dass es queere Theologie überhaupt geben kann, wird freilich bestritten – aus verschiedenen Gründen: Einige konservative Christ*innen werden schon bei Titel und Cover des vorliegenden Buches denken: Theologie ist das sicher nicht! Aber auch queere Personen sehen mit gemischten Gefühlen, dass der emanzipatorisch gewendete Queer-Begriff – der für Freiheiten steht, die man gerade auch gegen Religionen erkämpft hat – nun in religiösen Zusammenhängen aufgegriffen wird. Da erscheinen queere Bibelkommentare – der »Queer Bible Commentary« etwa aus der christlichen³ oder die »Thora Queeries« aus der jüdischen Tradition.⁴ Wird hier nicht übergangen, dass biblische Texte in einer patriarchalen Welt entstanden sind und diese widerspiegeln und bestätigen? Da treten Theolog*innen auf, die behaupten, das Christentum sei im Kern schon immer queer gewesen – etwa der römisch-katholische Theologe Gerard Loughlin.⁵ Wird hier nicht verschleiert, wie tief die christliche Überlieferung von Frauenfeindlichkeit, Abwehr des Sexuellen und zwanghafter Disziplinierung des Körpers durchdrungen ist? Andere Theolog*innen entdecken queere Gehalte christlicher Liturgien – etwa die anglikanische Theologin Elizabeth Stuart.⁶ Wird hier nicht verdrängt, wie stark christliche Riten vom antiken Herrscherkult und Inszenierungen der Macht geprägt sind?
Queere Theologie wird diesen Anfragen nur gerecht, wenn sie an konkrete Erfahrungen queerer Menschen rückgebunden bleibt. Ohne sich wirklich für diese zu interessieren, kann man queere Theologie auch bloß deshalb betreiben, weil man auf der Höhe der Zeit sein will oder um hergebrachten Denkfiguren ein Aufmerksamkeit heischendes Mäntelchen umzulegen. Dann findet tatsächlich eine problematische Aneignung des Queer-Begriffes statt, weil man die Interessen derer, die sich hinter ihm versammeln, für andere Zwecke nutzt. Zu queerer Theologie gehört – da vom Christentum nach wie vor Diskriminierung und Gewalt gegen queere Menschen ausgehen – auch eine konsequente Theologie-Kritik.⁷ Ja, die biblischen Texte sind weithin patriarchal, und sie wurden über Jahrhunderte herangezogen, um das Patriarchat wieder und wieder zu rechtfertigen. Die Behauptung, die christliche Tradition sei stets queer gewesen, kann in der Tat auf eine Missachtung der zahllosen Opfer christlicher Diskriminierung und Verfolgung hinauslaufen. Es kommt auch vor, dass man christliche Kultur und Liturgie auf einen spirituellen Ästhetizismus reduziert, um diesen queer-theoretisch anzureichern. Auch dabei kann man sich mit Dynamiken der Repression gemeinmachen. Denn wo diese abgespalten und verdrängt werden, kehren sie im Gewand von »Herrlichkeit« und Schönheit umso kraftvoller zurück. Christliche Theologie muss sich den dunklen Schatten stellen, die sie geworfen hat und wirft. Erst in solch einer kritisch-selbstkritischen Haltung kann queere Theologie auch einen konstruktiven Beitrag leisten. Dann ist sie in der Lage – in Auslegung von Schrift und Tradition, Deutung religiöser Erfahrung und theologischer Reflexion –, jenseits heteronormativer Muster neue Räume zu eröffnen.
Das Bild auf dem Buchumschlag kann man im Sinne dieses Programms verstehen. Die Fotografie der schwedischen Künstlerin Elisabeth Ohlson trägt den Titel »Nattvarden«, »Abendmahl«.⁸ Personen, die sich der eindeutigen Lesbarkeit ihres Geschlechts verweigern, werden in ein christlich-religiös besetztes Arrangement gestellt – kompromisslos und ohne vor der damit verbundenen Provokation zurückzuschrecken. Aber warum eigentlich wirkt die Figurenkonstellation so provokant? Weil wir noch immer von Tabus beeinflusst sind, mit denen das Christentum belegt hat, was heteronormative Wertungen durchkreuzt. Geben sich die Dargestellten nicht unpassend und merkwürdig, wirkt das Ganze nicht unnatürlich und bizarr? Die Szene ist zweifellos »queer« – und unversehens sind die damit verbundenen Abwertungen im Spiel. Doch das »Schrille« des Bildes liegt keineswegs in diesem selbst; es liegt in den Augen der Betrachtenden. Wer sich so, trotz guten Willens, bei queer-feindlichen Wahrnehmungsweisen ertappt hat, betrachtet nun vielleicht das Bild mit neuem Blick. Könnte es einen wichtigen Aspekt der Menschlichkeit Jesu – und seiner Göttlichkeit – zum Ausdruck bringen? Queerer Theologie geht es darum, solche Potenziale aufzuzeigen und sie zu durchdenken. Was, wenn auch Ohlsons Verbildlichung des Abendmahls – ebenso wie ihr tausendfach reproduziertes Vorbild, Leonardo da Vincis berühmtes Wandgemälde – als geläufiger Gegenstand frommer Andacht möglich wäre?
Zugegeben, das klingt nach einer Wunschvorstellung, für andere vielleicht auch nach einer seltsamen Idee. Zum Charakter des Bildes passt das jedoch durchaus. Wie das Gemälde