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Das Charisma des Grabes: Stereotyp und Vorurteile in Bezug auf jugendliche Subkulturen am Beispiel der Schwarzen Szene
Das Charisma des Grabes: Stereotyp und Vorurteile in Bezug auf jugendliche Subkulturen am Beispiel der Schwarzen Szene
Das Charisma des Grabes: Stereotyp und Vorurteile in Bezug auf jugendliche Subkulturen am Beispiel der Schwarzen Szene
eBook267 Seiten2 Stunden

Das Charisma des Grabes: Stereotyp und Vorurteile in Bezug auf jugendliche Subkulturen am Beispiel der Schwarzen Szene

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Über dieses E-Book

Diese Publikation stellt eine wissenschaftliche Betrachtung der sogenannten Schwarzen Szene dar, d.h. der Gothics bzw. Grufties.
Es wird am Beispiel dieser Szene eine interdisziplinäre Verbindung zwischen dem Gebiet der Jugendsubkulturforschung sowie der sozialpsychologischen Forschung bezüglich Stereotypen und Vorurteilen geschaffen. Da aktuelle wissenschaftliche Literatur zu dieser Szene spärlich gesät ist, leistet die Veröffentlichung in einem gewissen Sinne Pionierarbeit.
Das Buch bietet wissenschaftliche Hintergrundinformationen zu Theorien der Subkultur, weiterhin portraitiert es ausführlich die Gothicszene von der Entstehung bis Heute, analysiert deren Stil und dessen Ursächlichkeit. Erstmalig werden sieben Hauptelemente der Szene definiert. Nach dem Eingehen auf den allgemeinen Charakter von Stereotyp und Vorurteilen sowie der Analyse der wichtigsten, dieser Jugendszene gegenüber oft medial erhobenen Vorurteilen, werden mittels einer empirischen Erhebung unter Szenemitgliedern Inhalte, Äußerungen, Auswirkungen sowie Ursachenzuschreibungen der erhobenen Vorurteile dargelegt.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum9. Nov. 2013
ISBN9783848260911
Das Charisma des Grabes: Stereotyp und Vorurteile in Bezug auf jugendliche Subkulturen am Beispiel der Schwarzen Szene
Autor

Roman Rutkowski

Roman Rutkowski studierte Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie an der Helmut-Schmidt-Universität sowie der Landesuniversität Hamburg.

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    Buchvorschau

    Das Charisma des Grabes - Roman Rutkowski

    166f

    1. Einleitung

    Diese Arbeit vereinigt in sich mehrere Forschungsgebiete, von denen zwei - das Gebiet der Jugend(sub)kulturforschung sowie das der soziologischen sowie sozialpsychologischen Forschung bezüglich Stereotype und Vorurteile - als traditionell und weiträumig abgedeckt zu bezeichnen sind.

    Der Verfasser möchte eine interdisziplinäre Verbindung zwischen diesen beiden Gebieten schaffen, die Entstehung und Auswirkungen von Vorurteilen auf Jugendliche in Subkulturen untersuchen - und zwar am Beispiel der „kultigen stolzen, pechschwarz gekleideten Gothics."²¹

    Die wissenschaftliche Literatur zur Thematik „Schwarze Szene bzw. „Gothic-Szene ist spärlich gesät. Es existieren nur vier eigenständige Veröffentlichungen. Von diesen wiederum befassen sich zwei, namentlich Schmidt/Janalik 2000 und 2001 mit dieser Jugendkultur unter dem sehr speziellen Gesichtspunkt der Mode - und Textilwissenschaft, die Veröffentlichung 2001 ist als „Didaktische Bausteine für den Textilunterricht konzipiert. Übrig bleiben das englischsprachige Werk „Goth - Identity, Style and Subculture von Hodkinson, welches natürlich eher die britische Szene beleuchtet und damit nicht direkt übertragbar ist, sowie das Gemeinschaftsprojekt von Farin und Wallraff „Die Gothics". Dieses erfüllt zwar nicht die formalen wissenschaftlichen Kriterien und ist damit als populärwissenschaftlich einzustufen, basiert aber auf entsprechenden Arbeiten.

    Dem gegenüber stehen gut ein Dutzend Kurzbetrachtungen unterschiedlicher Längen in diversen Publikationen des Themenkreises „Jugendkultur, welche aufgrund ihrer Kompaktheit die Szene in ihrer Vielfalt kaum im Ansatz beleuchten können und, mitunter, auch vom Inhalt nicht überzeugen. Die Betrachtungen von Helsper unter besonderer Berücksichtigung des Phänomens „Okkultismus sind dabei zwar am umfangreichsten, doch stark polarisiert und mittlerweile revisionsbedürftig. Damit leistet diese Veröffentlichung in gewissem Sinne Pionierarbeit, verdient diese Szene doch nähere Betrachtung: „Die Grufties sind eine der hervorstechensten Subkulturen, weil sie mit ihren leichenblassen Gesichtern in einer Zeit, in der Sonnenstudiobräune den Inbegriff von Gesundheit darstellt, gegen die Verdrängung von Alter und Tod arbeiten. Sie werden zum Schrecken einer totlosen Produkt- und Konsumkultur, die Sterben und körperlichen Verfall ghettoisiert, um das Leitbild der ewigen Jugend proklamieren zu können. Den Tod in den Mittelpunkt ihres Stils und ihres Lebens zu stellen, wird zur Provokation, die eine Gesellschaft einer subkulturellen Gruppe von Jugendlichen nicht verzeihen kann."²²

    Ein „nicht Verzeihen" mit direkten Folgen für die Jugendlichen - denn durch ihre, wie Richard richtig schreibt, hervorstechende und für die Mehrzahl der Außenstehenden über Provokation hinaus gehende Erscheinung werden sie zum Gegenstand klischeeüberladener Betrachtung. Können Punks mittlerweile fast als akzeptiert aufgefasst werden, prägen massenmedial kalkuliert geschürte Klischees den Umgang mit den Schwarzen, prallen ihnen auf breiter Front Anfeindungen oder Furcht entgegen. Aufklärung tut hier dringend Not, insbesondere auch beim pädagogischen Personal, welches, wie bereits angedeutet, kaum auf sachgerechte Literatur zurückgreifen kann. „Sektenbeauftragte postulieren oft ihre eigene Weltanschauung als ultimative Wahrheit und gießen damit Öl ins Feuer des Informationsmangels. Es gibt nur eine Lösung für dieses Dilemma: Aufklärung. Ein Paradoxon, denn genau dies ist ein Punkt, dem viele Gothics kritisch gegenüber stehen. Nicht die Notwendigkeit von Information über sich selbst betreffend - die Unzufriedenheit mit dem Unwissen und Unverständnis schallt oft sehr laut - eher gegenüber jener Folge, die Aufklärung im Allgemeinen nach sich zieht: „Das Programm der Aufklärung war die Entzauberung der Welt. Sie wollten die Mythen auflösen und Einbildung durch Wissen stürzen.²³

    Könnten Sie sich ohne weiteres vorstellen, dass ihr Kind sich in der Schule mit dem Tod befasst? Sich, nach Anleitung des Lehrers, „Gruftieklamotten" schneidert, sich schwarz und traurig schminkt, Schmuckornamente mit Symbolen wie Totenköpfen, umgedrehten Kreuzen oder der Zahl 666 bastelt? Ja? Dann sind Sie eine Ausnahme. Der Verfasser beglückwünscht Schmidt/Janalik zu ihrer Anleitung für den Textilunterricht (2001), der einen Schritt auf dem Weg zu Toleranz und Verständnis darstellen kann. Es würde sich lohnen, zukünftig, wenn genug Zeit für die Umsetzung dieses Projektes verstrichen ist, eine Bestandsaufnahme über die Akzeptanz, insbesondere die elterliche, durchzuführen. Man darf gespannt sein.

    Woher kommt in unserer „modernen und aufgeklärten Welt, in der mittlerweile so vieles möglich geworden ist, akzeptiert oder zumindest hingenommen wird, diese Furcht vor einer Szene, die eine der friedlichsten Jugendkulturen überhaupt darstellt?: „Und das, obwohl Gothics selbst in großen Gruppen in der Regel eher stille, introvertierte Wesen sind, die sich weder prügeln noch öffentlich lautstarke Gesänge oder Parolen anstimmen, die weder für auffällige Drogenexzesse noch militante Neonazi-Kulte anfällig sind und die im Gegensatz zur medialen Stigmatisierung auch weder Friedhofsschänder noch Sektenangehörige sind.²⁴

    Befragt man Schwarze Szenegänger, hört man oft, wie sehr sie die Gewaltlosigkeit ihrer Szene schätzen, oft können sie einen direkten Vergleich aus eigenem Erleben zu anderen Subkulturen ziehen. Bei kaum einer schwarzen Veranstaltung, seien es Konzerte oder der alltägliche Diskobesuch, kommt es zu Gewalttätigkeiten. Das 9. Wave-Gotik-Treffen 2000 fiel durch finanzielle Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters buchstäblich ins Wasser, Tausende Schwarze standen mit ihren teuer erworbenen Eintrittskarten vor Konzertbühnen, die zum großen Teil leer blieben - und was geschah? Nichts. Jedenfalls nichts Gewalttätiges, man stelle sich aber mal diese Situation bei Besuchern von Massenveranstaltungen verschiedener anderer Szenen vor...

    Die Gothic-Szene. Gothic - was ist das überhaupt? Selbst der Begriff ist schwierig zu fassen: „’Gothic’ is one of those curious terms we all think we understand - something to do with bats and graveyards. Placed under the microscope, however, it writhes and squirms, proving difficult to pin down."²⁵

    Diese Arbeit möchte zweierlei erreichen: zum einen aufzeigen, mit welchen Vorurteilen viele dieser Jugendlichen zu kämpfen haben, wie sie damit umgehen und klären, worauf diese zurückzuführen sind. Dabei sollen auch hauptsächlich sie selbst zu Wort kommen. Wissenschaft muss sich hier auf ihren Wortstamm besinnen - und dieses Wissen kann nur von den Betroffenen selbst erhalten werden, in der Feldforschung.

    Zum anderen soll diese Publikation eine realistische (Kurz-)Darstellung der Szene bieten. „Kurz" deshalb, weil eine Szene mit solch einer Vielzahl von Facetten, Schattierungen und Untergruppen kaum in einer Arbeit dieses Umfanges portraitiert werden kann - sofern ein solches Projekt überhaupt gelingt. Auch kann man die Frage stellen, ob hierzu die Notwendigkeit besteht. Pädagogische Praxis soll verstehen, dazu wird es genügen, sich auf die wesentlichsten Elemente einer Subkultur zu konzentrieren. Dies ist aber letztendlich die alte, aber in einer informationsüberfluteten Welt stets aktuelle Frage nach dem Zweck von Wissenschaft und ihren Grenzen.

    Zwei letzte, einleitende Punkte - zur Benennung der Schwarzen Szene und den Pseudonymen der Szenegänger. Der Verfasser - und viele ihrer Anhänger - bevorzugen diese Bezeichnung, da dadurch ein Oberbegriff für viele ihrer Subszenen gestellt wird. Da die Gothicszene davon am bedeutendsten ist - rückführend auf die ursprüngliche Bewegung und das damit verbundene Gedankengut - wird diese Bezeichnung von vielen gleichbedeutend verstanden, aber eben nicht von allen. Eine synonyme Verwendung ist jedoch statthaft. Die Bezeichnung „Grufties hingegen wird von vielen Schwarzen eher als Stigmata verstanden und oft abgelehnt. Dass es sich bei „Grufties und „Gothics um separat zu betrachtende Subszenen handelt, wie man aus dem bei Baacke 1999 zitierten Interview entnehmen könnte, kann der Verfasser hingegen nicht bestätigen. Vielmehr handelt es sich um Individuen der gleichen Szene, welche szenetypischen Aktivitäten lediglich in unterschiedlich ausgeprägter Intensität nachgehen: „Die Grufties renn vielleicht mehr uff n Friedhof als die Gothics. Die jehn mehr in alte Kirchen. Ick würde sagen, det is der einzige Unterschied.²⁶

    Vermutlich forciert durch die Nutzung des Internets als Kommunikationsmedium, verwenden viele Szenegänger anstelle ihres „bürgerlichen" Namens ein Pseudonym²⁷, welches oft auch die virtuellen Grenzen der elektronischen Medien verlässt und auch innerhalb des alltäglichen, „realen Lebens Anwendung findet. Gelegentlich ist die Identifikation mit dem „Szenenamen so stark, dass er in Gesprächen bevorzugt verwendet wird - innerhalb der lokalen Szene ist das Pseudonym zumeist ein Unikat und erlaubt daher eine Identifikation der Person. Auch innerhalb dieser Arbeit werden Zitate häufig auf Wunsch der Befragten mit deren Pseudonym gekennzeichnet.


    ²¹ Ferchhoff, S. 124

    ²² Richard, S. 139

    ²³ Horkheimer/Adorno, S. 9

    ²⁴ Farin 2002, S. 164

    ²⁵ Baddeley, S. 9

    ²⁶ Stock/Mühlberg S. 87, zitiert nach Baacke 1999, S. 87

    ²⁷ auch kurz als Nick bezeichnet, vom englischen Nickname

    2. Jugendkultur und Subkultur

    Jugendkulturen sind der Verortungsraum von Jugendlichen unserer Zeit. Ihre Anzahl ist, besonders angesichts der zahlreichen Strömungen oder Abspaltungen, kaum mehr überschaubar. Thiele/Taylor sprechen 1998 von über 400 verschiedenen Jugendkulturen.²⁸ Ein Zerfallsprozess, der auch als Tribalisierung bekannt ist und sich „in derzeit nicht absehbaren Grenzen²⁹ vollzieht. Eng damit verbunden ist der Trend von immer mehr Jugendlichen, die (Frei-)zeit in Gleichaltrigengruppen zu verbringen, sog. Peer-Groups, welche sie „als entscheidende Impulsgeber für ihre Lebensgestaltung begreifen, wo sie menschliche Nähe, Geborgenheit und die Möglichkeit zur Kommunikation erfahren. [...] In diesen Gruppen können sie nicht nur sie selbst sein, sondern können durch ihre eigenen kulturellen Ausdrucksmittel auf ihre Probleme mit der Erwachsenwelt aufmerksam machen.³⁰ Es ist fraglich, ob letzteres die Intention der Jugendlichen ist - aufmerksam zu machen - zum Ausdruck bringen sie diese jedoch durchaus. „Lasst mich in Ruhe mit eurer lauten Welt"³¹, so der Titel über der kurzen Autobiographie einer 24-jährigen Gothic-Szenegängerin bei Farin.

    Als „Jugend in diesem Sinne werden sowohl die adoleszenten und postadoleszenten Individuen betrachtet, als auch die jungen Erwachsenen, die bei Schäfers „ihrem sozialen Status und ihrem Verhalten nach zum großen Teil noch als Jugendliche anzusehen sind.³² Während Schäfers die Postadoleszenz bei 21 Jahren enden lässt und später von den genannten jungen Erwachsenen spricht, dehnen neuere Publikationen die Phase der Postadoleszenz - und damit der „Jugend" - durchaus bis 29 Jahre aus.³³

    Die Jugendphase, so Ferchhoff, „besitzt in der Regel keinen einheitlichen Abschluss [...] und dehnt sich nach Ansicht der meisten

    Jugendsoziologen immer weiter aus." ³⁴ Er sieht zwar Postadoleszenz als Phase zwischen „Jugendzeit und Erwachsenheit³⁵ an, in der sich „eine wachsende Verselbstständigung junger Menschen vollzieht und Korrelate des Erwachsenenstatus erworben werden³⁶, berichtet andererseits aber auch von einer immer häufigeren „meistens nicht gewollten und belastenden künstlichen Verlängerung der Jugendzeit³⁷ durch gesellschaftsbegründete Blockaden, etwa Arbeitslosigkeit. Diese führen „gerade nicht nur positive postadoleszente Aspekte³⁸ mit sich. Insgesamt gesehen hat sich die Jugendphase von einer „Übergangs-, Existenz- und Familiengründerphase zu einem „offenen Lebensbereich³⁹ gewandelt, die „Anfänge und insbesondere die Endpunkte von Jugend werden immer „uneindeutiger und unklarer.⁴⁰ Auf den Punkt gebracht: „Jugend als eigenständige und zugleich abgeschlossene Lebensphase scheint nicht bzw. nicht mehr zu existieren.⁴¹ Damit obliegt es wohl einem jeden selbst, sich oder andere als Jugendlich zu definieren, von individuell kreierten Kriterien ausgehend.

    Da in der Literatur die Begriffe „Jugendkultur, „Jugendsubkultur und „Subkultur teils synonym, teils distinkt verwendet werden, ist eine Begriffsbetrachtung angebracht. Dies geschieht unter dem Aspekt, dass der Begriff „Jugendkulturen den der „Subkultur heute häufig ersetzt und bereits die Frage nach der Relevanz und Verwendungzulässigkeit des Terminus „Subkultur gestellt wird.⁴² Dieser wird insgesamt gesehen als „stigmatisierend bzw. etikettierend verwandt und suggeriert immer etwas von der Gesellschaft Unerwünschtes, fast Abstößiges.⁴³ Begründet liegt dies in der Entstehungshistorie von „Subkultur als Objekt wissenschaftlicher Betrachtung. „Heute [...] besteht das Problem kaum mehr darin, darüber zu informieren, dass es so etwas wie ,Subkulturen’ gibt. Heute ist es notwendig, den Begriff gegen missverständliche Deutungen, willkürliche Einengungen, schimpfworthafte Verwendungen zu verteidigen.⁴⁴, schreibt Schwendter bereits 1970. „In der Praxis der letzten Jahre [...] wurde der Begriff, Subkultur’ zum Schimpfwort degradiert.⁴⁵

    2.1 Traditionelle Subkultur-Theorien

    2.1.1 Chicago School

    Die Anfange der traditionellen Subkulturtheorie gehen als „Chicago School bis in die 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück und gründen sich auf Gangstudien, also delinquentem jugendlichen Verhalten. Zu nennende Namen sind hier F. M. Trasher (20er Jahre), William S. Whyte (1943) und Albert K. Cohen (1955). Dieses traditionelle Konzept beschreibt Subkulturen als Gruppen von „Abweichlern, deren Angehörige im Kollektiv Probleme des gesellschaftlichen Status durch das Hervorbringen neuer Werte lösen, welche gerade durch die gemeinsam geteilten Werte statuswürdig bleiben.⁴⁶ Die Basisannahme dieses Ansatzes ist, dass die hervorgebrachten neuen Werte bzw. Verhaltensstandards des Subsystems von der Gesellschaft nicht anerkannt werden, das abweichende Verhalten ist lediglich konform zu den Verhaltensstandards des Subsystems⁴⁷, während „innerhalb der Subkulturen diese Abweichung jedoch mehr oder weniger zwingend erwartet und dementsprechend nicht als solche definiert⁴⁸ wird. „Allgemein herrscht Verwirrung darüber, was als abweichendes Verhalten von Jugendlichen zu bezeichnen sei, wo Verhaltensstörungen und psychosozial verursachtes Fehlverhalten vorliegen.⁴⁹ Natürlich, denn was genau nun also „abweichend ist, liegt im Ermessen des Betrachters. Mag Konsens darüber herrschen, dass kriminelle Handlungen abweichend sind, so kann und darf unübliches (und damit nicht allgemein akzeptiertes) Verhalten, welches weder das betreffende Individuum noch seine Umwelt schädigt, nicht als „abweichend im Sinne einer negativen Etikettierung bezeichnet werden.

    Das generelle Verständnis von Subkultur-Mitgliedern als „Abweichler ist damit in der pädagogischen Forschung fehl am Platze, doch noch immer zu finden. Böhm führt im „Wörterbuch der Pädagogik zum Stichwort „Subkultur aus: „Unter -, Sonder - oder auch Teilkultur einer eigenständigen gesellschaftlichen Gruppierung, meist sozialer Minderheiten, die sich mit eigenen Wertorientierungen und Zielvorstellungen, Symbol - und Sprachvarianten, Verhaltensnormen und alternativen Formen des Zusammenlebens usw. von den vorherrschenden ,normalen’ gesellschaftlichen Erscheinungsweisen des offiziellen Kulturzusammenhanges bewusst abhebt oder provozierend zu ihnen in Widerspruch tritt [...].⁵⁰ Soweit ist an dieser Definition nichts auszusetzen - über den Passus „meist sozialer Minderheiten könnte man diskutieren, jedoch führt er wie folgt fort: „[...] und sich (pädagogischen) Integrations - und (Re-)Sozialisationsanstrengungen widersetzt.⁵¹ Mag diese Ausführung zutreffend sein für die Subkulturen der klassischen Theorie, bei welchen abweichendes (im Sinne von kriminellem) Verhalten Bestandteil ihrer Selbstdefinition ist - amerikanische Streetgangs mit ihrer „Cafeteria-Style-Kriminalität" etwa - ist sie doch für eine Vielzahl von deutschen Jugendszenen, welche ansonsten durchaus die beschriebenen Merkmale der Subkulturen aufweisen, verfehlt. Und mehr noch als verfehlt - denn

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