Der Kater der Magierin

Von Tanja Rast

Mella steht ganz unten in der magischen Hackordnung. So ist sie froh, dass sie sich hin und wieder ihren Lebenunterhalt mit ein wenig Spionage und Diebstahl aufbessern kann. Dabei bedient sie sich gerne der zuverlässigen Hilfe ihres Katers Neyvo.
Aber Mella wäre nicht im Traum darauf gekommen, dass einer ihrer werten Kollegen sie mit ihrem neusten Auftrag hereinlegen will. Und noch weniger hätte sie damit gerechnet, dass ausgerechnet ihr verspielter, verfressener Kater der einzige Kämpfer an ihrer Seite sein würde.

• Sprache: Deutsch
• Herausgeber: Machandel Verlag
• Erscheinungsdatum: 22. Juni 2020
• ISBN: 9783959592819

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978-3-95959-281-9

1. Der Auftrag

Mella erwachte, weil der Kater ihr sanft seine kalte Nase zwischen die Augen stupste. Mehrfach. Sie murrte, machte ein Auge auf. Sofort schnurrte er. Seine Barthaare zitterten, und seine Pfoten kneteten ihr Kopfkissen.

„Weißt du, wie früh das ist?", murmelte sie schlaftrunken und mühte eine Hand unter der Decke hervor, um den breiten Kopf zu streicheln.

Er schnurrte nur noch lauter, drückte sich fest unter die liebkosenden Finger und warf sich mit vollem Gewicht gegen Mellas Gesicht. Sie atmete Pelz ein und war versucht, das Tier unter die Bettdecke zu stopfen. Aber der Kater hatte ja recht, sie so früh zu wecken. Sie hatte einen Auftrag erhalten, und je schneller sie diesen bewältigte, desto besser.

Sie krabbelte unter der Decke hervor, wobei der Kater beständig im Weg war, sodass sie fast vor das Bett fiel. Aber was erwartete sie? Er war es gewohnt, dicht mit ihr zusammenzuleben, und vielleicht war ihm tatsächlich irgendwie bewusst, dass sie ihm das Leben gerettet hatte.

Klein, zitternd und mehr als nur halb verhungert hatte sie ihn aus der Gosse aufgeklaubt und aus Mitleid und ohne große Erwartungen für das Überleben des Kleinen nach Hause getragen. Sie hatte ihn mit gewärmter Milch und später mit Schabefleisch großgezogen. Die erste Woche hatte sie ihn sogar beständig im Ausschnitt ihrer Robe mit sich herumgetragen, wo er es warm und weich hatte. Dass aus einem mickrigen Katzenkind ein so gewaltiger Kater werden würde, damit hatte Mella nicht rechnen können. Aus Sicht einer Magierin besaß er obendrein eine falsche Farbe, denn sein Fell leuchtete wie Herbstlaub, und die weißen Pfötchen passten auch gar nicht. Jemand wie Mella sollte einen kohlrabenschwarzen oder nebelgrauen Kater besitzen. Möglichst mit grünen Augen und viel Würde. Oh, und graziöser Körperbeherrschung.

Neyvo – nach einem lange toten König benannt – hielt sich nicht an solche Vorgaben. Er war ein Trampel, laut und fordernd, liebevoll und aufdringlich. Außerdem fing er Mäuse und Käfer, wozu sich zuvor wohl noch nie der Kater einer Magierin herabgelassen hatte. Saß er auf dem Schreibtisch, starrte er keinesfalls wie das personifizierte Unheil Besucher an, sondern spielte mit den