Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Future Food Inc.
Future Food Inc.
Future Food Inc.
eBook391 Seiten5 Stunden

Future Food Inc.

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Bernhard Freund hat einen Traum: reich und berühmt werden. Jedoch stehen ihm dabei Schulden und ein unregelmäßiges Einkommen im Weg. Da taucht der Geschäftsmann Joe Santer auf und macht ihm ein lukratives Angebot. Schon bald stellt sich heraus, dass Bernhard auf falsche Versprechungen hereingefallen ist. Doch da steckt er schon in einem tiefen Labyrinth aus Lügen, Betrug und Mord. Für eine Umkehr ist es zu spät. Eine lebensgefährliche Jagd beginnt.

SpracheDeutsch
HerausgeberMalte Hartwieg
Erscheinungsdatum22. Mai 2020
ISBN9781393464037
Future Food Inc.

Mehr von Malte Hartwieg lesen

Ähnlich wie Future Food Inc.

Ähnliche E-Books

Spannung für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Future Food Inc.

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Future Food Inc. - Malte Hartwieg

    Das könnte Ihnen auch gefallen:
    Nur für kurze Zeit - Kostenloser Download!

    Wer glaubt, sein Leben und seine Beziehung seien kompliziert, kennt noch nicht die Geschichte von Lauren de la Mata. Im Jahr 1995 stößt er vor einem Nobelrestaurant in Beverly Hills mit einer mysteriösen Zigeunerin zusammen. Die behauptet, sie könne ihm helfen, die Liebe seines Lebens zu finden. Doch dann nimmt das Leben eine unheilvolle Wendung.

    Kostenloser Download Kurzroman „Der Rote Faden" bit.ly/der-rote-faden

    Future Food Inc.

    Malte Hartwieg

    Copyright © Jeder Tag zählt e.V.

    Covergestaltung: VercoDesign, Unna

    Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verlages und des Autors untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten.

    Table of Contents

    Future Food Inc.

    Prolog

    Teil I

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Teil II

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Teil III

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Teil IV

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Kapitel 28

    Kapitel 29

    Teil V

    Kapitel 30

    Kapitel 31

    Kapitel 32

    Kapitel 33

    Kapitel 34

    Kapitel 35

    Teil VI

    Kapitel 36

    Kapitel 37

    Nachwort des Autors

    Prolog

    design35

    Im Angesicht des Todes erinnerte sich Bernhard Freund an den Mann, den es gar nicht gab. Sein Leben war eine Lüge – so sehr, dass es schon wieder an Wahrheit grenzte. Er mischte die Wahrheit mit der Illusion wie die Farben in einem Wassermalkasten, sodass er beides bald selbst nicht mehr voneinander unterscheiden konnte.

    Dunkelheit. Alles, was er vernahm, war ein Ticken, wie das eines alten Weckers. Bernhard war benommen, als würde er aus einer Vollnarkose erwachen. Er nahm all seine Kraft zusammen, um seine verklebten Augenlider zu öffnen. Es gelang ihm nur mühsam und er blinzelte in Zeitlupe. Immer noch Dunkelheit. Sein Körper war schwer und steif. Er lag auf einem harten Untergrund. Kalt, glatt, feucht. Ein fauliger Geruch umgab ihn, süßlich und bitter zugleich, wie eine Mischung aus Erbrochenem und Urin und irgendwie metallisch.

    Plötzlich hörte Bernhard ein Krachen, als ob in einer großen Halle zwei Stahlträger aufeinanderfallen und der Klang wiederholt von den Wänden abprallt. Jetzt wieder, nur näher. Eine schwere Eisentür wurde aufgeschlossen und mit großer Wucht aufgestoßen, sodass sie gegen die Wand prallte. So hörte es sich zumindest an. Im gleichen Moment ein Klicken, nicht wie von einem normalen Lichtschalter, sondern gedämpft, wie von einem wassergeschützten Außenlichtschalter mit einem Gummiüberzug. Neonröhren flackerten scheinbar minutenlang auf und erfüllten den Raum erst mit scharfen Blitzen, dann mit einer grellen Dauerblendung.

    Bernhard blinzelte wieder und sah seine Umgebung durch ein vignettenhaftes Gitter, als würde er durch das Gewebe eines Kartoffelsackes schauen. Und so war es auch. Er hatte einen Jutesack über dem Kopf, der bis zu seiner Taille reichte, dort mit einem Hanfseil um den Körper gebunden war und auch seine Arme umschloss. Durch dessen Falten und Wellen sah er den Raum nur ausschnittsweise, wie durch einen Schleier. Trotzdem war das Licht so blendend, dass er die Augen zusammenkneifen musste. Boden und Wände des Raumes, in dem er sich befand, waren weiß gefliest. Zumindest waren es wohl ursprünglich weiße Fliesen gewesen. Sie waren vergilbt, abgenutzt, Ecken waren herausgebrochen, die Fugen verschimmelt. Und tatsächlich stand eine schwere Eisentür offen, hinter der ein schwarzer Schlund scheinbar alles verschlang, was darin verschwand, oder aber Dinge hervorbringen würde, denen man in seinen schlimmsten Albträumen nicht begegnen möchte. Oberhalb der Tür befand sich ein unförmiges Fenster aus Glasbausteinen, daneben waren Öffnungen, die mit krummen Gitterstäben versehen waren. Links neben der Tür stand ein verrosteter Waschtrog mit einem langen, von der Wand abstehenden, tropfenden Wasserhahn. Daneben eine Schale mit einem Stück Seife, das von schmutzigem, rotbraunem Schaum überzogen war. Über dem Trog hing eine Wanduhr, deren Zeiger man aber nicht ausmachen konnte, da sie von rostfarbenen, getrockneten Spritzern überzogen war, als hätte jemand vor vielen Jahren eine Weinflasche an die Wand über der Uhr geworfen und die Spuren trocknen lassen. Etwas weiter links neben dem Waschtrog war ein dicker, orangefarbener Wasserschlauch, der zusammengerollt am Boden lag.

    Die stumme Brutalität, die von dieser Stätte ausging, versetzte Bernhard in höchste Alarmbereitschaft.

    Ihm war, als umfasse eine Eisenhand sein Herz. Neben ihm lag ein weiterer Sack. An der Hose und den Schuhen, die am unteren Ende des Sackes heraushingen, erkannte er, dass es der Chef der Drückerkolonne war. Als er den Kopf wieder nach oben bewegte – er lag auf der linken Seite – sah er schemenhaft einen grobschlächtigen Mann mit pockigem Gesicht, fleischigen, hervorstehenden Lippen und dicker Nase aus dem Dunkel hinter der Tür auftauchen. Er trug Gummistiefel, die einmal weiß gewesen sein mussten, und eine verschmierte Schürze, ebenso besudelte Latexhandschuhe und eine Kopfhaube, wie sie von Ärzten bei einer Operation getragen wird, unter der buschige, schwarze Koteletten hervorquollen, an denen fettiger Schweiß herabtropfte. In der rechten Hand hielt er eine Bohrmaschine – nein, Moment, es war keine Bohrmaschine, es war eine Art Bolzenschussgerät. Der Mann kam schlurfenden Schrittes in den Raum und verschwand eine fröhliche Melodie pfeifend hinter Bernhard und somit aus seinem Blickfeld, denn weiter konnte er seinen Kopf nicht nach oben strecken. Bernhard hörte, wie etwas Schweres über den Boden geschleift wurde, und sah dann wieder den Mann, wie er einen Sack hinter sich herzog, der von der gleichen Beschaffenheit war, wie der, in dem Bernhard selbst steckte. Der Mann griff zu einem stumpf schimmernden Schlachtermesser, das mit einem Kabelbinder an einem Haken an der Wand hing und zerschnitt damit den unteren Teil des Sackes, dort wo er zusammengebunden war, zerrte und schüttelte ihn, bis ein schlaffer Körper herausglitt. Bernhard erkannte die Wirtschaftsreporterin. Verdammt, hätte er sich nicht auf Joe Santer eingelassen, wäre er jetzt nicht hier, durchfuhr es Bernhard, der seinen Kopf wieder sinken ließ, wobei sein Blick jäh auf die Quelle des Tickens fiel, dass er die ganze Zeit gehört hatte. Das Ticken war in Wirklichkeit das Tröpfeln einer Flüssigkeit am Boden, die in den Gully zu Bernhards Knien floss. Und die Flüssigkeit war Blut.

    Teil I

    Kapitel 1 – Zwölf Monate vorher

    design35

    Bernhard verdrängte den Streit mit Melanie, die Strafanzeige wegen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz, seine Depressionen und Halluzinationen und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Zumindest hatte er sich das fest vorgenommen. Da schreckte ihn eine Stimme aus seinen Gedanken auf: „Auch so erfolglos?" Neben seinem Schreibtisch im Großraumbüro stand Rolf Lugner, ein gebückter junger Mann, wie der Glöckner von Notre Dame, dürr, leichenblass, mit pubertärem Flaum im bepickelten Gesicht. Bernhard Freund warf ihm einen verachtenden Blick zu.

    „Ich arbeite jetzt seit drei Monaten hier und habe noch keine einzige Einheit verkauft, klagte Rolf Lugner. Seine Stimme überschlug sich, als sei er im Stimmbruch. „Ist das normal in dieser Firma?

    Bernhard wandte sich wieder seiner Liste zu und machte ein paar Notizen, ohne noch einmal aufzusehen. Er hatte gehört, dass Lugner in seiner Freizeit Kampfsport betrieb, wahrscheinlich um seine Minderwertigkeitskomplexe zu überwinden. Ansehen konnte man ihm seinen Sport jedenfalls nicht.

    „Ich denke, die nutzen uns hier nur aus, um kostenlose Aufpasser für ihre Baustellen zu haben", fuhr Rolf Lugner fort, der nicht zu merken schien, dass Bernhard nichts außer Desinteresse für ihn übrighatte.

    Nein, Bernhard war nicht erfolglos. Zumindest wollte er das nicht sein. Und wäre er es, würde er es nicht zugeben und schon gar nicht andere damit belästigen, sondern eine Lösung suchen. Nachdem sein Leben bisher eher in schiefen als in geraden Bahnen verlaufen war, hatte er auf Anraten eines Bekannten auf eine Anzeige in einem kostenlosen Wochenblatt reagiert. Eigentlich hatte der Bekannte ihm von einer Stellenanzeige erzählt, in der das Aldi-Lager im Gewerbegebiet einen Hilfsarbeiter zum Verladen der Paletten suche. Die hatte er nicht gefunden, aber stattdessen eine Annonce eines Immobilienbüros, das Verkäufer suchte, auch ohne Vorkenntnisse. Wichtig sei lediglich ein souveränes Auftreten, die Fähigkeit, Menschen positiv beeinflussen zu können, und der Wunsch, viel Geld zu verdienen. Besonders im Hinblick auf die fehlenden Vorkenntnisse meinte Bernhard, dass diese Stelle ihm wie auf den Leib geschnitten sei. Er wählte die Nummer in der Anzeige und eine Frauenstimme meldete sich.

    „Ursula von Westphal, Von Westphal Immobilien, was kann ich für Sie tun?"

    Ziemlich viele Vons und Wests fiel es Bernhard auf, aber er unterdrückte den Impuls, dies auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen, und war verwundert, sofort die Chefin selbst am Hörer zu haben. Das kam ihm für eine Firma dieser Größenordnung recht ungewöhnlich vor. Irgendwo hatte er den Namen auch schon einmal gehört oder gelesen, er konnte sich nur nicht erinnern wo und wann. Sie vereinbarten ein persönliches Bewerbungsgespräch in ihrem Büro im Westen der Stadt.

    Ursula von Westphal war eine Patriarchin, der man ansah, dass sie keinen Widerspruch duldete. Eine Unternehmerin, welche die Fünfzig überschritten, aber die Sechzig noch nicht erreicht hatte, ihre Haare so streng zu einem Dutt zusammengesteckt, dass Botox nicht nötig war, um die Falten ihres Gesichts zu glätten. Sie erklärte Bernhard, dass es seine Aufgabe sei, Kunden des Unternehmens auf Baustellen oder in fertiggestellten Luxuswohnanlagen zu empfangen, die Vorteile anzupreisen – unabhängig davon, ob es sie gäbe oder nicht – und letztendlich die Kunden zu einem Abschluss zu bewegen. Ein Festgehalt gäbe es nicht, nur eine Provision, wenn er erfolgreich sein sollte. Auf Bernhards gewagte Frage, ob er vielleicht einen Vorschuss haben könne, reagierte sie mit einem eisenharten Blick, der dann in ein süffisantes Lächeln überging.

    „Gerne können Sie einen Vorschuss haben. Wohin hätten Sie ihn denn gerne, ins Knie oder direkt in die Stirn?" Bernhard rang sich ein gequältes Lächeln ab und nickte. Man werde ja wohl noch fragen dürfen. Fragen seien gut, meinte Ursula von Westphal. Die Fragen solle er den Kunden stellen. Denn Fragenstellen sei Verkaufen, Antwortengeben nur etwas für Versager. Obwohl Ursula von Westphal ihn wie einen Lehrling behandelte, empfand er so etwas wie Ehrfurcht und Bewunderung für die Dame. Sie hatte es offensichtlich geschafft. Sie besaß eine Immobilienfirma mit zwanzig Mitarbeitern, mehrere Hundert Wohnungen verteilt über das Stadtgebiet im Exklusivverkauf und war ihrem Auftreten nach zu urteilen auch reich. Sie blickte auf ihre Rolex, um deutlich zu machen, dass das Gespräch dem Ende zuging. Wann er anfangen könne, fragte sie, als ob sie ihm die Entscheidung, ob er den Job annehmen will, bereits abgenommen hätte. Bernhard stammelte etwas von anderen Angeboten, zwischen denen er auswählen müsse, und ein paar Tagen Bedenkzeit.

    „Wollen Sie heute anfangen, richtig Geld zu verdienen oder irgendwann? Wenn man nichts zu verlieren hat und alles zu gewinnen, wie entscheidet man sich dann?"

    Er wusste nicht, was er auf diese rhetorische Frage antworten sollte. Sie hatte ihn durchschaut. Natürlich hatte er keine anderen Angebote, schon gar keine vergleichbaren. Er sagte das mit dem Überlegen nur, um sich wichtig zu machen. So fing er also an, für Von Westphal Immobilien Wohnungen zu verkaufen. Etwa zur gleichen Zeit wie der Glöckner von Notre Dame, der jetzt an seinem Schreibtisch stand und ihm seine Erfolglosigkeit vorjammerte. Doch Bernhard ging es anders. Er kam früher ins Büro und ging später nach Hause als alle anderen. Er machte mehr Kundentelefonate und er zeigte mehr Interesse für die Kunden als die Kunden für die Wohnungen. Und so kam es, dass er einmal bis zweimal im Monat zum Vertragsabschluss zum Notariat in der Innenstadt fuhr und danach einen Provisionsscheck über mehrere Tausend Euro zur Bank tragen konnte. Im Gegensatz zum Glöckner. Bernhards Telefon klingelte und sein Aufwärtsnicken gab dem Glöckner zu verstehen, dass das Gespräch zwischen ihnen beendet war, bevor es begonnen hatte. Bernhard griff zum Hörer und noch bevor er sich melden konnte, hörte er die ihm bekannte Stimme sagen:

    „Von Westphal, kommen Sie in mein Büro. Jetzt sofort." Zugegeben, in den letzten Tagen hatte er lange Privatgespräche über das Diensttelefon geführt. Melanie hatte ihn in einem Hotel in der Stadt mit einer eleganten Dame gesehen, um die Vierzig, wie er sie in den Aufzug begleitete, die Hand an ihrem Rücken. Sie hatte ihm eine Szene gemacht und ihm ohne Umschweife vorgeworfen, dass er sie betrogen habe. Voller Traurigkeit und Wut habe sie ihren Exfreund aufgesucht und mit ihm eine tolle Nacht verbracht, nur um ihm, Bernhard, eins auszuwischen. Er könne seine Sachen packen und gehen, hatte sie ihn angeschrien. Er, enttäuscht, traurig und ebenfalls wütend, hatte zwei Sporttaschen und einen Koffer gepackt, die Kabel des Fernsehers entwirrt, denn das war seiner, kurz überlegt, ob er Melanie mit dem Kabel erwürgen sollte, hatte dann aber alles in die Tiefgarage zu seinem Auto getragen, das eigentlich Melanies Auto war. Als alles eingepackt war, hatte er sich ans Steuer gesetzt, während seine Tränen sich ihren Weg über seine Wangen gebahnt und auf seine Hose getropft hatten, wo sie dunkle Flecken hinterließen. Da er zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung hatte, wo er eigentlich hinwollte, und zwischenzeitlich Melanie neben dem Auto stand und ihn anflehte, nicht zu gehen, hatte er alles wieder ausgepackt und ächzend wieder nach oben in die Wohnung getragen. Die Stimmung blieb dennoch angespannt und es brauchte Tage und stundenlange Telefongespräche, bis Bernhard glaubhaft darlegen konnte, dass es sich um ein geschäftliches Meeting im Hotel und nicht um ein Rendezvous gehandelt hatte. Dabei stellte sich auch heraus, dass Melanie die Geschichte mit ihrem Exfreund nur erfunden hatte, um Bernhard eins auszuwischen. Den kommenden Sonntag wolle er ganz Melanie widmen, versprach er und hatte sich vorgenommen, sie mit einem Besuch im Zoo zu überraschen, da sie doch Tiere so liebte. Bernhard fürchtete nun, Ursula von Westphal würde ihn zurechtweisen oder noch schlimmer, rauswerfen, da er wichtige Arbeitszeit mit Privatangelegenheiten verbracht hatte. Das holzvertäfelte Büro der Chefin machte jedem Besucher unmissverständlich klar, wer in diesem Laden das Sagen hatte. Geweihe an der Wand, ein Tigerfell als Teppich und in einem goldenen Rahmen ein Foto von Ursula von Westphal mit einem Gewehr in der einen Hand, während sie die andere Hand lässig auf ihr Bein gestützt hatte, welches angewinkelt auf einer ziemlich tot wirkenden Giraffe stand. Im enganliegenden dunkelgrünen Lederkostüm saß die Grande Dame an ihrem massiven Mahagonischreibtisch, der so groß war und wahrscheinlich auch so schwer wie ein Billardtisch. Sie schaute über den oberen Rand ihrer glitzernden Halbbrille, die, wenn sie nicht auf ihrer Nasenspitze saß, an einer Kette um ihren Hals hing, und bedeutete ihm mit einer nahezu unmerklichen Handbewegung, im dicken Besuchersessel Platz zu nehmen. Bernhard ließ sich prustend fallen, nachdem er sich mit breiten Schritten und umständlichen Bewegungen seinen Weg gebahnt hatte. Er bildete sich ein, die Chefin würde auf die Narbe an seinem Hals starren – ein Relikt aus seiner Jugend – obwohl die vom Kent-Windsor-Kragen seines weißen Baumwollhemdes verdeckt sein sollte, das neben dem gelb-braun karierten Sakko, der braunen Stoffhose, den hellbraunen Kalbslederschuhen mit offener Schnürung und perforierten Aufsätzen und der dunkelgrüne Krawatte mit Paisley-Muster Teil seiner Verkleidung als Immobilienverkäufer war. Bernhard war klar, dass eine Maskerade allein nicht reichte, um den Eindruck eines seriösen Immobilienagenten zu vermitteln. Schon gar nicht, wenn er sich als ehemaliger Bodybuilder immer noch so bewegte wie ein Affe, der sich im Diskuswerfen übt, aber die äußere Hülle war zumindest ein Anfang. Den Sport hatte er aufgeben müssen, nachdem er durch den übermäßigen Missbrauch leistungssteigernder Substanzen beinahe bei einer Notoperation an Organversagen gestorben wäre. Neugeboren versprach er also seiner Freundin, sein Leben neu zu ordnen. Reich wolle er werden, angesehen und dann ein guter Ehemann und ein noch besserer Familienvater. In dieser Reihenfolge.

    „Das müssen Sie noch lernen", krächzte Ursula von Westphal.

    Bernhard war nicht klar, was sie meinte, und erwiderte daher unsicher: „Sie meinen die Anrufe?"

    „Ich meine, dass Sie sich nicht wie ein nasser Sack in den Sessel werfen sollten, wenn Sie den Eindruck eines professionellen Beraters erwecken wollen. Wir beide wissen, dass Sie das nicht sind, aber bemühen sollten Sie sich zumindest."

    Ihre herablassende Art gefiel Bernhard nicht, aber er schwieg. Denn trotz ihres herrischen Getues glaubte Bernhard, etwas wie Respekt in ihrer Stimme mitschwingen zu hören, was er auf seine Erfolge im Verkauf zurückführte. Schon in der Vergangenheit hatte sie ihm vielversprechende Kunden zugeteilt, wodurch sich seine Abschlussquote im Vergleich zu seinen Mitstreitern noch weiter erhöhte.

    „Gibt es etwas, was Sie mir sagen wollen?", fragte Ursula von Westphal.

    Bernhard wurde es heiß und er bildete sich ein, dass auch die Chefin mitbekam, dass sein Gesicht glühte. Er tat so, als ob er angestrengt nachdenken würde, dann zuckte er mit den Schultern. Ursula von Westphal schwieg und fixierte Bernhard mit starrem Blick.

    Nach einigen Sekunden, die Bernhard wie eine Ewigkeit vorkamen, konnte er die Stille nicht mehr ertragen, holte Luft und sagte: „Wenn es um die Anrufe geht... Doch bevor er den Satz beenden konnte, fiel ihm Ursula von Westphal ins Wort: „Ich habe heute Morgen den Anruf eines Mannes erhalten, der sich von einer Liegenschaft trennen möchte. Nehmen Sie Kontakt mit ihm auf und veranlassen Sie alles Weitere. Ich dachte mir, dass Sie der Richtige für diesen Job sind. Sie wollen doch hoch hinaus, oder?

    Mit diesen Worten gab sie ihm einen Zettel, auf den sie mit ihrem dicken Füller eine Adresse gekritzelt hatte. Bernhard atmete auf. Darum ging es also. Sonntagmittag solle er zu der Adresse fahren und sich mit dem Eigentümer treffen. Er stimmte ihr zu und versicherte, sich darum zu kümmern. Sonntagmittag, ganz wunderbar, gerade an dem Tag, den er Melanie versprochen hatte. Aber er brauchte das Geld, das würde sie doch einsehen, oder nicht?

    „Ich möchte Sie außerdem darum bitten, sagte Ursula von Westphal in dem Moment, als Bernhard sich gerade aus dem tiefen Sessel erhob, „Ihre Privatangelegenheiten in Ihrer Freizeit zu klären. Sie wissen, was ich meine.

    Er wusste es, nickte, ging rückwärts Richtung Ausgang und verabschiedete sich wie ein Mönch mit einer würdevollen Verneigung, bevor er die Tür vorsichtig hinter sich zuzog.

    Kapitel 2

    design35

    Bernhard stieg in den Polo, steckte den Schlüssel ins Schloss und startete den Motor. Erleichtert und zugleich betrübt fuhr er die Rampe der Tiefgarage hoch, blinkte erst links, überlegte, ohne dass ihm einfiel, wo er eigentlich hinwollte und bog dann rechts in die Straße ein. Ein paar Hundert Meter weiter fuhr er auf den Seitenstreifen. Wo war nochmal der Zettel mit der Adresse? Er durchwühlte seine Hosentasche, seine Manteltasche, dann fand er ihn in der Innentasche des Sakkos. Die Straße sagte ihm nichts. Er zückte sein Smartphone und gab die Adresse ein. Das war ja am anderen Ende der Stadt, noch dazu scheinbar in einem Gewerbegebiet. Bernhard fädelte sich wieder in den Verkehr ein, der für einen Sonntagvormittag recht lebhaft war. Was sollte das? Er wollte Luxuswohnungen verkaufen, das gefiel ihm. Was sollte dieses Treffen in einem Gewerbegebiet mit einem Mann, dessen Namen er noch nicht einmal kannte? Ohne sich aber zu sehr in diesen Gedanken zu vertiefen, kam ihm der Streit mit Melanie wieder in den Sinn. Sie war beleidigt, weil er sein Versprechen, an ihrem freien Tag ganz für sie da zu sein, nicht gehalten hatte. All seine Erklärungen prallten an ihr ab, als ob sie sich in einer anderen Dimension befände. Aber so lief es immer. Wenn er ihr recht gab, bei allem, was sie sagte, herrschte Frieden. Sobald er jedoch eine nur leicht abweichende Meinung zu einem Thema hatte, fing sie an zu zanken. Oder es kam nicht einmal dazu, weil Melanie schon vorher aufsprang, das Zimmer verließ und etwas murmelte von wegen, man könne mit ihm einfach kein vernünftiges Gespräch führen. War das bei anderen Paaren auch so? Und dann hatte er sie auch noch um die Autoschlüssel anbetteln müssen. Sie hatte den gebrauchten Polo vor einigen Jahren von ihren Eltern zum Geburtstag geschenkt bekommen. Bernhard hatte kein Auto. Nicht mehr. Es hatte ganz harmlos angefangen, als er von einem Russen eine Packung Methandrostenolon-Tabletten erwarb, um seinem Muskeltraining ein bisschen nachzuhelfen. Nach und nach hatte er den Steroidkonsum nach oben geschraubt, sowohl was die Dosierung als auch die Vielzahl der Medikamente betraf. Und da er eine günstige Einkaufsquelle gefunden hatte, fing er an, auch andere Athleten mit Stoff zu versorgen. Um seinen bis dahin größten Deal abzuwickeln und die notwendige Liquidität dafür aufbringen zu können, hatte er seinen tiefergelegten Opel verkauft, den roten mit dem auffälligen Heckflügel, und zusätzlich noch einen Kredit bei der örtlichen Sparkasse aufgenommen. Irgendjemand musste ihn verraten haben, denn genau einen Tag nach der Lieferung, und nachdem Bernhard das Geld ausgegeben hatte, wurde seine Wohnung von der Kriminalpolizei durchsucht und die im Flur gestapelten Kartons mitsamt der Ware beschlagnahmt. Jedenfalls hatte er seitdem kein Auto mehr und nutzte einen Großteil seines Einkommens, um den Kredit zurückzuzahlen. Ob die Ermittlungen noch andauerten oder bereits eingestellt worden waren, hatte ihm keiner gesagt, jedenfalls hatte er seit der Durchsuchung nichts mehr von der Polizei gehört.

    Bernhard fuhr in das Gewerbegebiet. Es war ausgestorben und in Nebelschwaden gehüllt, wie nach einem Atomkrieg. Er verlangsamte das Tempo und schaute sich suchend um. Auf der gegenüberliegenden Seite zeichnete sich eine Gestalt ab, vor einer Werbetafel, die irgendein Supermarkt-Hammelfleisch im Sonderangebot anpries. Als er sich der Gestalt näherte, sah Bernhard, dass es ein dunkelhäutiger Mann mit großer Nase, dicken Lippen, tiefen Augenhöhlen und vernarbtem Gesicht war, der grimmig dreinblickte. Bernhard kurbelte das Fenster auf der Fahrerseite herunter und rief dem Mann freundlich die Adresse zu und ob er wisse, wo das ist. „Das wird das stillgelegte Versuchsgelände sein", meinte der Mann unter lautem Husten, das in Bernhards Ohren schmerzte und sich anhörte, als ob er sich gleich übergeben würde. Gleichzeitig fuchtelte er mit den Armen, um die Richtung anzuzeigen, ging dann aber schon wieder weiter, bevor Bernhard ihn fragen konnte, was er mit Versuchsgelände meinte und wo das nun genau sei. Am Ende einer Sackgasse fand Bernhard es schließlich. Ein aus den Angeln gehobenes verrostetes Eisentor, eingerahmt von zwei verwitterten Waschbetonsäulen, gab den vermoosten, mit Laub bedeckten Weg frei. Der führte auf einen großen Platz, von drei alten Hallen mit eingeschlagenen Fensterscheiben umstellt. Der Boden war mit Glasscherben und Müll übersät. Also fuhr Bernhard nicht weiter, sondern stellte Melanies Polo in der Nähe der Einfahrt ab, nahm seine billige Aktentasche aus Kunstleder, stieg aus, schlug die Tür zu und ging auf das mittlere der verfallenen Gebäude zu.

    „Hallo, ist da jemand?", rief Bernhard.

    Keine Antwort. An der Stirnseite des Gebäudes führte eine kleine Treppe zu einer angelehnten Eisentür. Bernhard zog an ihr, erst leicht, dann kräftiger, schließlich öffnete er die widerspenstige Tür mit knarzenden Scharnieren einen Spaltbreit und zwängte sich durch. Der Boden war feucht, auch hier lagen überall Glasscherben und blaue Plastikfässer. Vermoderte Bauhölzer waren kreuz und quer verstreut. Was hier wohl früher gearbeitet oder produziert worden war, fragte sich Bernhard. Im hinteren Bereich führte eine verrostete Treppe zu einer Empore mit einem Baucontainer, wahrscheinlich das Büro. Die Treppe schien jeden Moment unter seinem Gewicht zusammenbrechen zu können. Ja, er wusste schon, der Arzt hatte ihm geraten, etwas Ausdauersport zu betreiben und abzunehmen, er konnte sich aber nicht dazu aufraffen. Das Geländer fasste er lieber nicht an. Nicht nur weil es instabil wirkte, sondern auch, weil es ölverschmiert war. Auf der Galerie war es genauso wüst wie unten. In die Ecke hinter den Baucontainer fiel kein Licht, sodass Bernhard erst beim Näherkommen der Käfige gewahr wurde. Es waren etwa fünf Käfige, die in einer Reihe standen und auf denen noch einmal fünf Käfige gestapelt waren. Die Gittertüren standen offen. War nicht etwas darin? Bernhard schnaufte wie ein Walross, verursacht durchs Treppensteigen und durch ein mulmiges Gefühl, das sich langsam in seiner Magengrube ausdehnte. Er setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Plötzlich raschelte es vor ihm und im nächsten Moment fiel ein Metallkübel um. Das Scheppern echote in der Halle und brachte Bernhards Herz für einen Moment zum Stillstand. Dann sah er es: In dem Käfig lag das Gerippe eines kleinen Menschen oder eines Kindes. Eine Hand griff nach Bernhards Schulter, er fuhr herum und sah in die leuchtenden Augen eines weißhaarigen Magiers. Zumindest war das die erste Beschreibung, die ihm einfiel, als er die langen weißen Haare, den ebenso weißen Bart und den knielangen Mantel erblickte. Während der erste Eindruck scheinbar sowohl den Moment als auch Bernhards Blut gefrieren ließ, so taute das sanfte Lächeln des Mannes beides wieder auf.

    „Bernhard Freund?"

    „Da- ... da- ... das bin ich", stieß Bernhard zitternd hervor.

    „Ich freue mich, dass Sie gekommen sind. Man hört nur Gutes von Ihnen und ich möchte gerne herausfinden, ob Sie dem Ruf, der Ihnen vorauseilt, gerecht werden. Was denken Sie?"

    „Schwer zu sagen", erwiderte Bernhard und wunderte sich über sein recht unsouveränes Auftreten in Gegenwart dieses Herrn mit der magischen Ausstrahlung. Obwohl, es gab solche Tage und solche. Damals, als er sich mit Testosteron und anderen Hormonen vollpumpte, war sein Selbstbewusstsein in jeder Lebenssituation dominant. Im Straßenverkehr, im Nachtclub oder im Bett. Bernhard war der Boss. Es gab Phasen, in denen sich dieses Selbstbewusstsein zu Aggressionen steigerte. Zerbrochene Teller in der Küche, schallende Ohrfeigen im Gesicht seiner Freundin oder Blut auf seiner Hand waren dann keine Seltenheit. Wobei, das mit dem Blut war nur einmal passiert, als er im Wutrausch mit der bloßen Hand auf eine Autoscheibe eingeschlagen hatte. Die Scheibe war zerbrochen und der Fahrer des Wagens, der Bernhard kurz zuvor ungeschickterweise angehupt hatte, hatte sich zu Tode geängstigt. Bernhard war mit der vorher erwähnten blutenden Hand wieder in sein Auto eingestiegen, das er zuvor in der Mitte der Auffahrt zur Umgehungsstraße mit offener Tür stehengelassen hatte, um dem hinter ihm fahrenden Drängler deutlich zu machen, dass er bei ihm mit seinem Verhalten an der falschen Adresse sei. Als er dann mit dem Sport und den Medikamenten aufhörte, schrumpften seine Muskeln in der Folge ein bisschen und sein Selbstbewusstsein sehr viel. Seitdem plagten ihn Depressionen ohne erkennbare Ursache. Nicht selten legte er seinen Kopf in Melanies Schoss und fing an zu heulen. Melanie ließ sich zwar nichts anmerken, aber so hatte sie sich das wahrscheinlich auch nicht vorgestellt. Abgerundet wurde Bernhards desolater Zustand noch von Halluzinationen, die sich nicht nur darauf beschränkten, hier und da einen Gnom am Straßenrand winken zu sehen. Nein, manchmal ergaben sich sogar vollständige eingebildete Episoden über Liebschaften, Geschäftsabschlüsse oder andere Abenteuer, was Melanie schon fast in den Wahnsinn getrieben hatte.

    „Man hat mir gesagt, Sie wollen Karriere machen. Was erwarten Sie sich vom Leben?", fragte der bärtige Mann.

    „Nun", gab Bernhard zur Antwort, „viele sagen, Geld sei nur ein Mittel zum Zweck und ohnehin nicht von großer Bedeutung im Leben. Das sehe ich anders. Geld ist Macht. Und Macht ist grundsätzlich neutral. Schlechte Menschen missbrauchen ihre Macht und können in ihrem

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1