Im Netz der Menschenfischer: Ein Alptraum unter südlicher Sonne
Von Coletta Coi
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Über dieses E-Book
Der Traum vom Lebensabend in der südlichen Sonne lässt aus agilen, lebensfrohen, selbstbewussten Senioren im Laufe des Geschehens psychisch und physisch hilflose Wracks werden, die sich mangels eigenen Antriebs nicht mehr aus den Fängen der "Altersfleckenmafia" befreien können. Dabei hatten sie nur den Wunsch, in Würde und selbstbestimmt zu altern. Die Angst vor dem drohenden Pflegenotstand in Deutschland diente dabei als Hauptmotivation.
Mafiöse Strukturen, der Inbegriff des organisierten Verbrechens, verschonen auch alte Menschen nicht. In Griechenland, dem Ort der Handlung, umfasst ihr Einfluss eine ganze Stadt. Ausländische Senioren, die dem klassischen Pflegenotstand in Deutschland entfliehen wollen, werden durch vollmundige Versprechungen nach Griechenland gelockt und hier ihrer persönlichen Freiheit systematisch beraubt. Sie sind nicht ganz unschuldig an dem, was ihnen widerfährt, streben sie doch wie die meisten Menschen nach der Optimierung ihrer Lebensverhältnisse, ohne dabei die nötige Vorsicht walten zu lassen. Sie kommen freiwillig und werden ihr Traumziel nicht mehr lebend verlassen.
Mitleid existiert in der Welt des Verbrechens nicht. Was zählt, sind Geld und Einfluss. Im Hintergrund zieht der "Padrone" als Schattengestalt die Fäden. Er agiert in einem mörderischen Milieu, das weder Recht noch Gesetz akzeptiert. Ein Menschenleben zählt hier nicht. Die vorherrschenden wirtschaftlichen Verhältnisse spielen ihm dabei in die Hände. Eine unerwartet auflebende familiäre Bindung könnte sich fast zu spät als Rettung erweisen, doch zu welchem Preis?
Coletta Coi
Beruf im pädagogisch-psychologischen Bereich, wohnhaft in Bayern, Alter 50 +
Ähnlich wie Im Netz der Menschenfischer
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Buchvorschau
Im Netz der Menschenfischer - Coletta Coi
Inhalt
Titel
Falsche Träume
Schein oder Sein
Das Inserat
Zu spät
Altersflecken
Mia
Wohin mit dem Geld?
Kosta
Der Padrone
In Griechenland
Die Idee
Das Treffen
Besondere Pflege
Zurück in Deutschland
Das blühende Geschäft
In der Hölle
Endstation
Die Ahnung
Der Plan
Maylin und Regina
Verschollen
Eva Koschnik
Das große Schweigen
Die Sargmafia
Eiskalter Mord
Endlich
Hilfe
Die Flucht
Das Ende der Tragödie
Impressum
Im Netz der Menschenfischer
Ein Alptraum unter südlicher Sonne
Coletta Coi
Miller E-Books
Falsche Träume
In dieser Woche waren schon zwei Menschen tot aus diesem trostlosen Gebäude hinausgetragen worden. Man konnte es sehen, riechen und fühlen. Hier wohnten Menschen, die das Leben schon aufgegeben hatte. Es war ein Ort, der resigniert hatte, ein Platz, der weder Menschen noch Tiere anzog, es war die Endstation.
Eigentlich war es eine schöne Umgebung, wie wir bei unserer Anreise begeistert festgestellt hatten. Es war der richtige Ort, um alt zu werden, nicht um alt zu sein. Der Duft von Jasmin lag selbstgefällig und schwer in der Luft; es herrschte ein angenehmes Klima, es war Frühling. Die Sonne strahlte mit südländischer Selbstverständlichkeit auf unsere nicht mehr ganz taufrischen Körper, die die Wärme aufsogen mit allen Fasern, wie ein Stück Erde, das sehnlichst auf ein paar Tropfen Feuchtigkeit gewartet hat.
Anscheinend hatten wir alles richtig gemacht.
Die Residenz, in der wir uns jeder ein Apartment gekauft hatten, war genauso, wie wir sie uns in unseren Träumen vorgestellt hatten. Inmitten eines Pinienhains stand ein weißes, herrschaftlich anmutendes Haus, das von außen einem Vier-Sternehotel glich. Blumenrabatten standen in üppiger Blüte einladend vor dem Eingang. In bescheidener Schrift war in deutschen Buchstaben: „Seniorenresidenz Jungbrunnen" zu lesen.
Ja, jetzt konnte der letzte Teil unseres Lebens beginnen. Wie sehr wir ihn alle herbei gesehnt hatten!
Es gibt eine Zeitspanne, so um das 50. Lebensjahr, in der die Menschen sich Gedanken machen, was wohl das Leben für einen noch zu bieten hat. Wird man gesund bleiben? Wird man so viel zum Leben haben, dass es für einen angenehmen Lebensabend reicht? Wird die Familie einen, sobald man krank und pflegebedürftig wird, in ein Heim abschieben? Wird das Gesparte ausreichen, auch wenn man zum Pflegefall wird? Wird man noch geliebt werden, wenn der Körper schlaff und verblüht, der Geist aber wach und jung ist?
Nach einem Leben, gefüllt mit jahrelanger Arbeit und Mühe in Deutschland, wird es doch wohl erlaubt sein, fern dem Alltag ein wenig zu träumen? Ehrgeiz, Existenzängste, familiäre Verpflichtungen werden in Zukunft keine wesentliche Rolle mehr spielen. Jetzt sollte man noch mal etwas wagen, wann sonst?
Was bedeutete schon ein Leben im Alter für die Deutschen? Entweder war man reich, oder man hatte sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. So einfach war das für die Politiker. Was zählte, waren Arbeitskraft, Gesundheit, das Heranziehen einer neuen Steuer -und Abgabepopulation, kurz gesagt, ein Funktionieren für die Gesellschaft.
Familiengründung als Erfüllung des Generationenvertrags. Nicht mehr und nicht weniger. Familie wird reduziert auf das Wesentliche. Ich finanziere dich so lange, bis du auf eigenen Füßen stehst, dann musst du deinen Teil zum Vertrag beisteuern. All das Herzblut, vergossen auf dem langen Weg des Miteinander, Füreinander, Nebeneinander. War es umsonst versickert?
Doch der Vertrag war einseitig. Wer garantierte uns, den so genannten „Best Agern", dass wir in Frieden und weitgehend ohne Sorgen alt werden durften? Niemand. Weder die zahlreichen Versicherungen mit ihrer schreienden, verlogenen Werbung in den Medien, noch die Geldinstitute, noch der Staat, der uns ein Maximum an Leben mit einem Minimum an Personal, Ausstattung und finanziellen Ressourcen zu versprechen suchte. Nur wir selbst waren für uns verantwortlich.
Gerne hätten wir diese Verantwortung mit jemandem geteilt, aber niemand wollte dies. Schon lange hatte man uns darauf hingewiesen, selbst für das Alter vorzusorgen. Natürlich nur zu unserem Besten! Hier noch ein Riester, da noch eine Lebensversicherung, ein paar Aktien oder Gold. Das alles sollte uns ein sorgenfreies Alter garantieren. Unser Staat tat genug für seine Bürger, sie sollten im Alter selbst sehen, wo sie blieben. Selber schuld, wenn man wenig, nie, oder nur Teilzeit gearbeitet hatte. Was zählte, waren Versicherungsjahre, nicht Mütter-, Eltern-, Pflegejahre für die eigenen Eltern oder Schwiegereltern. Wir selbst sollten uns ein sorgenfreies Alter garantieren.
Doch was wir um uns herum wahrnahmen, gab wenig Anlass, entspannt in die Zukunft zu blicken. Ganz abgesehen davon, dass das, was wir verdienten, gerade so für ein zufriedenstellendes Leben reichte. Von wegen, genug auf die Seite zu legen, um im Alter entspannt leben zu können. Volle Seniorenheime, die eigentlich Pflegeheime heißen müssten, ein schlechter Pflegeschlüssel, überteuerte Residenzen, die ein „betreutes Wohnen" für alle Fälle garantieren sollten, natürlich nur für die zahlungskräftige Klientel, versteht sich, bereiteten uns zunehmend schlaflose Nächte.
Wie sollte man denn alles richtig machen, die eigenen Kinder möglichst wenig belasten und das Gesparte am liebsten für sich selbst ausgeben?
Unsere Zeit war gekommen. Worauf sollten wir noch warten? Bis wir zum Pflegefall wurden, eine Last für uns und alle anderen?
Nein – Träume sehen anders aus. Nicht das Schicksal sollte uns erwischen, wir wollten ihm zuvor kommen. Aktiv auf unser Leben Einfluss zu nehmen, das war es doch, was uns die Demokratie seit Jahrzehnten lehrte. Wir hatten noch Träume, wir gehörten nicht zu dieser Gesellschaft, die in Endzeitstimmung alles mit sich geschehen ließ.
Unsere Wünsche wurden mit zunehmenden Lebensjahren kleiner: Sonne, keine Sorgen, nette Freunde, eine schöne Umgebung, wenig oder keine Arbeit. Mehr wollten wir nicht. Unsere Wohnungen oder Häuser in Deutschland konnten wir vermieten, verkaufen oder an unsere Kinder vererben. Keine Altlasten, das war die Option, mit der wir uns auf das griechische Abenteuer einließen. Davon hatten wir geträumt, das hatten wir uns so sehr gewünscht.
Wir sahen genau das, was wir sehen wollten. Der äußere Schein reichte uns vollkommen. Negative Gedanken hatten wir zu Hause in Deutschland gelassen.
Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.
Demokrit 460-370
Schein oder Sein
Doch der Schein entsprach leider nicht der Realität. Da saßen wir nun, eingesperrt in einem heruntergekommenen Loft, das wahrscheinlich eine ehemalige Fabrikhalle gewesen war, die man nun als „Seniorenheim" nutzte. Es gab keine Wände, alles war offen, nicht die kleinste Möglichkeit zur Wahrung der Intimsphäre des Einzelnen. Wir befanden uns in einem Raum, in dem die Decke fünf Mal höher steht als in einer gewöhnlichen Unterkunft. Die Fenster waren so hoch oben, dass wir nicht einmal hinaus blicken konnten.
Irgendwie hatte ich gerade jetzt einen Déjà-vu-Effekt. Es war, als hätte ich all das schon einmal gesehen, im Fernsehen. Wurden nicht alte Menschen in Asien, die niemand mehr haben wollte, einfach abgeschoben? In Heime, die dem, in dem wir uns jetzt befanden, sehr ähnlich waren?
Aber wir waren in Europa, in Griechenland, dem Ursprungsland der Demokratie! Man konnte uns doch nicht