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Bendy and the Ink Machine: Träume werden wahr
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Bendy and the Ink Machine: Träume werden wahr
eBook305 Seiten4 Stunden

Bendy and the Ink Machine: Träume werden wahr

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Über dieses E-Book

Der erste offizielle Roman aus der verdrehten Welt des erfolgreichen Horror- Videospiels Bendy and the Ink Machine. Der 17-jährige Buddy beginnt für Mister Drew zu arbeiten und zu denken, dass es vielleicht wirklich so einfach ist, wie Mister Drew sagt: Träume werden wahr. Aber nicht alles im Studio ist so perfekt, wie es scheint. In den Joey Drew Studios geht nachts etwas schief, gewaltig schief …
SpracheDeutsch
HerausgeberPanini
Erscheinungsdatum27. März 2020
ISBN9783736799073
Bendy and the Ink Machine: Träume werden wahr

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    Buchvorschau

    Bendy and the Ink Machine - Adrienne Kress

    www.paninibooks.de

    Roman

    von

    Adrienne Kress

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

    http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Amerikanische Originalausgabe: „Bendy and the Ink Machine: Dreams come to Life" by Adrienne Kress published in the US by Scholastic Inc., New York, 2019.

    © 2020 Joey Drew Studios Inc. Bendy, Bendy and the Ink Machine, The Bendy characters, images and logos are trademarks of Joey Drew Studios Inc. All Rights Reserved.

    Deutsche Ausgabe: Panini Verlags GmbH, Schlossstraße 76, 70176 Stuttgart.

    Geschäftsführer: Hermann Paul

    Head of Editorial: Jo Löffler

    Head of Marketing: Holger Wiest (email: marketing@panini.de)

    Presse & PR: Steffen Volkmer

    Übersetzung: Robert Mountainbeau

    Lektorat: Uwe Raum-Deinzer

    Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart

    Buch und Cover Design von Betsy Peterschmidt

    Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln

    YDBENDY001E

    ISBN 978-3-7367-9907-3

    Gdruckte Ausgabe: ISBN 978-3-8332-3894-9

    1. Auflage, Februar 2020

    Findet uns im Netz:

    www.paninicomics.de

    PaniniComicsDE

    Ich sehe das Lächeln überall. Plötzlich leuchtet es mir aus der Dunkelheit entgegen. Erwartet mich hinter einer Ecke. In meinen Träumen. Dieses breite Grinsen. Der Mund voller Zähne, die flach und gleichmäßig wirken. Du hast keine Ahnung, wie scharf sie sind, bis man in diesem Schlund verschwindet.

    Was für ein kleiner Teufel!

    Ich kann ihm nicht entkommen.

    Was ich zu erzählen habe, wird unglaublich klingen.

    Ich bin kein Idiot. Die Leute werden das hier lesen und denken: „Ich habe keine Ahnung, wer dieser Buddy-Typ zu sein glaubt, aber mir kann er nichts weismachen." Trotzdem muss ich es aufschreiben. Ich muss diese Geschichte erzählen. Selbst wenn mir niemand glaubt. Ich muss es einfach tun, solange noch Zeit dazu ist. Bevor …

    Bei jedem Geräusch, jedem Knarren rechne ich mit dem Lächeln. Natürlich sagt jeder, ich würde langsam durchdrehen, aber ich kenne die Wahrheit. Ich weiß, was ich gesehen habe. Ich weiß, was passiert ist.

    Ihr müsst das alles hier aufmerksam lesen. Mit Worten war ich noch nie besonders gut. Aber ich muss sie benutzen, denn Zeichnungen kann man nicht vertrauen.

    Man kann Zeichnungen einfach nicht vertrauen.

    In die ganze Sache sind auch noch andere Leute verwickelt. Viel zu viele. Aber wenn ich nur einen einzigen Menschen retten kann, nur einen vor dem bewahren, was aus ihnen geworden ist …

    Was aus uns allen geworden ist …

    Wenn ihr das hier findet. Wenn ihr uns findet …

    Wahrscheinlich beginne ich am besten am Anfang.

    Und erzähle alles der Reihe nach.

    Bis zum Schluss.

    1

    Träume werden wahr, Buddy, das hat er immer zu mir gesagt. Und Mr Drew war kein Lügner. Das Problem ist, Träume werden tatsächlich wahr. Albträume aber auch. Man kriegt das Ganze nur im Paket.

    Um ehrlich zu sein, habe ich das alles lange nicht verstanden. Träume werden wahr? Für wen? Für die reichen Leute, klar. Aber für meine Familie? Träume waren nur kurze Unterbrechungen der harten täglichen Knochenarbeit, bei der man sich krumm schuftete.

    Ich wünschte, ich könnte die Lower East Side einfangen, wie sie im Sommer 1946 war. Ich wünschte, ich könnte ein Bild davon anfertigen. Wie die Bürgersteige mit dem Asphalt der Straße verschmolzen und langsam in die Kanalisation tropften. Dampfwolken, die zu einem weißen Himmel aufstiegen. Schweiß, der den Leuten von der Stirn troff. Vermutlich lag überall das Wort „Gluthitze" in der Luft.

    Aber ich kann es nicht zeichnen. Ich muss es aufschreiben.

    Ich versuche, mich daran zu erinnern, was ich von dir gelernt habe, Dot.

    Wie man eine gute Geschichte verfasst.

    Ich muss mich daran erinnern, was du immer gesagt hast. Dass man alle fünf Sinne nutzen soll, nicht nur seine Augen.

    Schreiben ist nicht Zeichnen.

    Die fünf Sinne. Welches waren noch die anderen vier?

    Genau.

    Hören: Kinder lachen und rufen einander etwas zu. Erwachsene brüllen. Glas splittert. Und dann treffen Fäuste auf Fleisch. Wenn es so heiß war, hat es immer Streit gegeben. Es gab ja nichts zu tun, man konnte nirgends hin, und das Hirn funktioniert nicht mehr richtig – es wird zu einem grauen Brei im Schädel, der dort herumwabert und einem jederzeit aus den Ohren fließen kann.

    Berührung: Die Haut war ganz glatt vom Schweiß, und alles, was man anfasste, fühlte sich feucht an, weil die Finger feucht waren. Es gab gar keine Möglichkeit, sich nicht verschwitzt zu fühlen.

    Geruch: Die Luft roch immer abgestanden. Sie war tot und nicht in der Lage, die Mietskaserne zu verlassen. Sie roch hauptsächlich nach Pisse. Man hätte kotzen können. Manchmal hat man auch gekotzt. Oh, genau! Da ist noch ein anderer Geruch. Der Geruch von Kotze.

    Geschmack:

    Tut mir leid, ich kann mich im Moment nicht an den Geschmack erinnern. Das ist zu schwer. Der Geschmack in meinem Mund ist einfach nur bitter. Ich schmecke Tinte, bittere Tinte.

    Okay, das sind also die Eckpunkte. Es war heiß, und das darf man nie aus dem Auge verlieren, denn ich hätte wirklich alles getan, um dieser Hitze zu entkommen, ja dieser ganzen Umgebung. Ich war damals schon ein paar Jahre von einem Ausbeuter zum nächsten gewandert. Seit Pa gestorben war. Ma hatte es übernommen, die zugeschnittenen Stoffstücke zusammenzunähen, und ich hatte die Schule geschmissen und den Job meines Cousins Lenny übernommen, dessen Aufgabe es war, die fertigen Anzüge und Jacken an den Boss zu liefern: Mr Schwartz. Und die neuen Stoffstücke zu Ma zu bringen, damit sie wieder von vorn anfangen konnte. Wir brauchten das Geld. Und es war die einzige Möglichkeit, Ma zum Lächeln zu bringen. Ich vermisse das.

    Mas Lächeln. Sanft. Ruhig. Warm. Ein Lächeln, das bis zu ihren Augen reichte.

    Nicht wie dieses Grinsen. Überhaupt nicht wie dieses Grinsen.

    Jedenfalls wurde ich bezahlt, und das war wichtig.

    Inzwischen war ich fast siebzehn, während die meisten der anderen Jungs gerade zwölf wurden. Es war ein blödes Gefühl, diesen Job zu machen, obwohl ich schon so alt war, und als Mr Schwartz mir vorschlug, für ihn die Auslieferung der fertigen Kleidung zu übernehmen, und mir erklärte, dass ich dafür durch die ganze Stadt fahren müsse, sagte ich Ja. In anderen Teilen der Stadt war es grün. Dort gab es Bäume und Gras. Und die besseren Wohngegenden rochen nicht nach Pisse. Und wenn ich einen fertigen Anzug in die Upper East Side brachte, konnte ich einen Spaziergang durch den Park machen und meine Füße in den Teich stecken.

    Noch viel wichtiger war, dass ich den Künstlern zusehen konnte, die am Einkaufszentrum die Touristen zeichneten. Als Karikaturen. Ich konnte sie aus nächster Nähe beobachten.

    Und genau damit fing das Problem an.

    Zum einen sind Künstler sehr temperamentvoll.

    „Hey Kleiner, was denkst du, tust du da?"

    „Ich sehe nur zu, Sir." Vielleicht war ich diesmal ein bisschen näher an die Staffelei herangetreten als sonst.

    „Sei nicht so neugierig und zieh Leine!"

    Für mich war es wie auf der Kunstschule, abgesehen davon, dass die Lehrer dich dort wahrscheinlich nicht wegjagen und dir vorwerfen, die Kunden zu vergraulen, weil du dort herumstehst.

    Aber das war nicht das größte Problem. Eine Sache habe ich nämlich noch nicht erwähnt, weil Sie es bestimmt schon längst geahnt haben: Ich bin Künstler. Heute zumindest. Damals war ich es noch nicht. Aber ich wollte es immer sein. Keine Ahnung warum. Vielleicht hatte es etwas mit meinem Großvater zu tun, den ich nie kennengelernt habe. Der immer noch in Polen lebte. Ich denke, er hat die Kunst geliebt. Denn das Einzige, was er aufgehoben hat und Ma aus der „alten Heimat", wie sie es immer nannte, mitgegeben hat, waren diese verdammten Gemälde. Die Leute waren immer völlig überrascht, diese riesigen Ölgemälde in einer kleinen Mietwohnung vorzufinden. Sie hätte sie verkaufen können. Für viel Geld. Aber sie hat es nicht getan. Und das habe ich nie vergessen.

    Angefangen habe ich mit Skizzen, die ich in der Nacht zeichnete. Deshalb habe ich verschlafen und bin zu spät in die Schule gekommen. Ich musste oft vor dem Rektor erscheinen, weil ich im Unterricht herumgekritzelt hatte. Und ich liebte Cartoons. Ich bin durch mein Viertel gelaufen und habe alte Zeitungen eingesammelt, weil ich gerne die neuesten Strips von Popeye oder Dick Tracy lesen wollte. Ich habe sogar angefangen, selbst Comics zu zeichnen, und habe mir Abenteuer mit Olivia Öl, Blaupflaume oder Tess Trueheart ausgedacht. Es dauerte nicht lange, bis ich meine eigenen Figuren entworfen habe. Sie waren nicht witzig, und ich habe sie niemandem gezeigt.

    Doch dann entdeckte ich den Künstler im Central Park. Der hat mich, sagen wir mal, ziemlich abgelenkt.

    „Du hast den Anzug verloren?" Für einen Mann, der nur einen Meter fünfzig groß war, konnte Mr Schwartz ziemlich furchteinflößend sein.

    „Es tut mir leid, Sir! Ich schwöre Ihnen, es kommt nie wieder vor!" Ich hatte den Anzug nur für einen Moment aus der Hand gelegt, um mir die Zeichnung genauer anzusehen, doch das war ausreichend gewesen. Jemand hatte sich an mich herangemacht und ihn mir geklaut.

    „Und letztes Mal, als du drei Stunden zu spät kamst? Beinah wäre mein Kunde nicht mehr rechtzeitig zu seinem Termin gekommen."

    „Es tut mir leid, Sir."

    „Du willst mein Assistent sein? Du möchtest mit ehrlicher Arbeit gutes Geld verdienen?"

    Das wollte ich, das wollte ich wirklich. Ich brauchte das Geld. Wir, meine Ma und ich, brauchten das Geld. Und niemand sonst würde einen Jugendlichen aus dem Armenviertel einstellen, der nicht einmal eine vernünftige Erziehung genossen hatte. Die rechte Hand von Mr Schwartz zu sein, war mehr, als ich mir je hätte erträumen können. Mann, kam ich mir dämlich vor. Und ich habe mich geschämt.

    „Du hast nur noch eine Chance, Buddy, nur eine einzige. Sonst war’s das für dich."

    Nur noch eine Chance.

    Meine allerletzte Chance.

    Und dann lernte ich ihn kennen.

    Als ich das erste Mal mit dem Kleidersack über der rechten Schulter in sein Studio kam, um ihm einen Anzug zu bringen, war es wegen der Hitze zu einem Stromausfall gekommen. Nicht nur in dem großen Studiogebäude aus Backstein, sondern in der ganzen Gegend. Die blinkende Laufschrift am Theater war erloschen, und als ich an der jetzt dunklen Anzeige vorbeikam, standen zwei Bühnenarbeiter davor und blickten zu ihr empor. Sie hatten die Hände in die Hüften gestützt und kauten auf Zahnstochern herum.

    „Und was jetzt, Steve?"

    „Die Show muss weitergehen."

    „So sagt man, das stimmt."

    Dass es einen Stromausfall gegeben hatte, begriff ich erst so richtig, als ich ein paar Blocks westlich an einem anderen Theater vorbeikam und schließlich das Studio betrat, das direkt danebenlag. Ich hatte mich sehr darauf konzentriert, den Weg zu finden, trotzdem war ich bereits zu spät dran. Diesmal allerdings war es nicht meine Schuld. Ich schwöre, es hatte an der U-Bahn gelegen. Doch Mr Schwartz wäre das sowieso egal gewesen. Ich musste die Zeit wieder einholen, deswegen ging ich schnell und achtete nicht besonders auf die Welt um mich herum. Als ich dann aber das dunkle Studio betrat, war ich schlagartig wieder in der Gegenwart. Abrupt blieb ich stehen und rührte mich nicht von der Stelle. Es war so dunkel, dass man buchstäblich die Hand vor Augen nicht sehen konnte.

    Dann wurde es plötzlich gleißend hell, als würde mich jemand direkt anleuchten. Geblendet hob ich die Hand, und der Lichtkegel flog von meinem Gesicht. Ich konnte sehen, wie er durch den Raum glitt, bis er eine ältere grauhaarige Frau erfasste, die hinter einem riesigen Schreibtisch saß. Als sie plötzlich einfach so aus der Dunkelheit auftauchte, zuckte ich erschrocken zusammen.

    „Gottverdammt, Norman", sagte sie und kniff hinter ihrer riesigen Brille die Augen zusammen.

    „Der Projektor ist ausgefallen", erwiderte Norman schroff.

    „Vielleicht hast du es noch nicht bemerkt, aber der Strom ist überall weg. Jetzt nimm das Licht aus meinem Gesicht!" Es entstand eine kurze Pause. Dann, mit einem leisen Klicken, wurde alles wieder dunkel.

    Noch dunkler, sollte ich eigentlich sagen. Nach dem gleißenden Licht kam es mir vor, als wäre nicht nur die Taschenlampe ausgeschaltet worden, sondern meine Augen gleich mit. Mir lief ein Schauer über den Rücken.

    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Längst hätte ich den Anzug abliefern müssen. Ich glaubte, noch zu wissen, wo der Schreibtisch stand. Vielleicht konnte ich mich einfach bis dorthin vortasten.

    „Wer ist der Junge?", fragte Norman von irgendwoher.

    „Ich weiß es nicht, Norman." Ein Streichholz wurde angerissen, eine Flamme entzündet.

    Das Gesicht der alten Frau wurde von dem Schattenwurf einer Laterne, die sie in der Hand hielt, grotesk verzerrt.

    Das Licht flackerte und tanzte über die Wände. Dort hingen eingerahmte Poster. Sie sahen aus wie Filmplakate. Von Zeichentrickfilmen. Und meistens zeigten sie eine bestimmte Figur. Die immer grinste. Ich wollte mir das näher ansehen. Wo war ich? Warum kam mir diese Figur so bekannt vor?

    „Okay, Junge, jetzt kann ich dich sehen. Was willst du?", fragte die Frau und hockte sich so tief hinter den Schreibtisch, dass nur noch ihre Brille und der obere Teil ihres Kopfes zu sehen waren.

    „Ich … äh …" Die Sache war nicht besonders kompliziert, aber ich hatte vergessen, an wen ich den Anzug ausliefern sollte, deswegen drehte ich die Anzughülle hin und her und versuchte, den Namen zu finden.

    „Komm näher, ich verstehe kein Wort von dem, was du sagst", meinte die Frau. Ihre Hand erschien über der Schreibtischkante, und sie bedeutete mir mit einer knappen Handbewegung, herüberzukommen.

    Ich tat es, während ich weiterhin nach dem Namensschild suchte.

    „Ich habe einen Anzug", erwiderte ich und versuchte, Zeit zu schinden.

    „Mhmm", meinte die Frau.

    Schließlich fand ich das Namensschild.

    Es war das erste Mal, dass sein Name irgendeinen Eindruck bei mir hinterließ. Das erste Mal, dass er mir irgendetwas bedeutete. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur vorgehabt, den Anzug rechtzeitig zum Studio zu bringen. Um nicht gefeuert zu werden. Das war das Wichtigste. Ich wusste die Adresse, ich wusste, dass es am Broadway war, aber den Namen des Mannes hatte ich überhaupt nicht im Kopf.

    „Jetzt komm schon, Junge, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit."

    „Joey Drew, sagte ich. „Ich suche nach einem Mr Joey Drew.

    „Wer sucht nach ihm?", fragte Norman, seine Stimme war voller Misstrauen.

    „Mr Schwartz", stieß ich hervor. Es war nicht die schlauste Antwort, aber die Dunkelheit und das Auftreten dieses Kerls machten mich aus irgendeinem Grund nervös. Und das flackernde Licht auf der lächelnden Zeichentrickfigur half auch nicht gerade.

    „Wer ist das?", wollte die Frau wissen.

    „Der Schneider, der diesen Anzug genäht hat. Ich habe Mr Drews Anzug. Ich bin der Bote. Der seinen Anzug bringt."

    „Er ist tot", erklärte Norman.

    Ich drehte mich zu dem Mann um. Er stand so weit entfernt von dem Licht der Laterne, dass nur seine Silhouette zu erkennen war. „Er … ist …?" Mein Herz hämmerte. Das ergab überhaupt keinen Sinn und jagte mir zudem Angst ein, auf eine ganz seltsame Weise, die ich nicht richtig begriff.

    „Nee, erwiderte Norman und lachte. „Nee, ist er nicht.

    „Ich … verstehe nicht", erwiderte ich und wandte mich wieder der Frau zu.

    Sie zuckte nur die Achseln und sagte: „Normans Witze versteht nicht jeder."

    „Das war ein Witz? Ich blickte wieder zurück zu der Silhouette des Mannes. Norman lachte immer noch, aber es klang nicht wie ein glückliches Lachen und sorgte ganz sicher nicht dafür, dass ich mich in irgendeiner Weise besser fühlte. „Komm mit, sagte er. „Seine Assistentin ist heute Nachmittag nicht da. Du kannst ihm den Anzug selbst übergeben."

    Ich warf der Frau einen Blick zu, und sie nickte. Ich nahm an, dass sie mir damit die Erlaubnis gab, dem Kerl zu folgen. Obwohl ich das überhaupt nicht wollte, um ehrlich zu sein. Ich hatte nämlich für mich entschieden, dass Norman und ich wohl nie besonders gut miteinander auskommen würden.

    Der Mann schaltete seine Taschenlampe ein und ging durch einen schmalen Flur voraus. Sein Lichtstrahl war klarer als das Flackern der Laterne, aber ich konnte nur seine Umrisse erkennen und in einiger Entfernung das Ende des Flurs, wo sich ein Aufzugsgitter befand. Doch hin und wieder erhaschte ich einen Blick auf ein Poster mit weiteren Zeichentrickfiguren. Selbst in der Dunkelheit wirkten sie alle so glücklich, trotzdem verliehen sie mir das gleiche Gefühl wie die grinsende Figur im Eingangsbereich. Ich fühlte mich sehr seltsam.

    „Den Aufzug können wir nicht benutzen, erklärte Norman. Sein Gesicht lag immer noch im Schatten, und ich nickte. Es gab ja keinen Strom … Er ging durch die Tür neben dem Fahrstuhl. Im Licht der Taschenlampe blitzte noch das Schild mit der Aufschrift „Treppenhaus auf, aber das hätte ich mir auch so denken können.

    Gemeinsam stiegen wir die Stufen hinauf. Normans Licht leuchtete uns den Weg. Immer mal wieder warf ich einen Blick in die Schwärze hinter mir. Es kam mir vor, als wäre dort alles ausradiert worden und als müsste ich mich beeilen, um nicht ebenfalls ausradiert zu werden.

    Wie ich schon sagte, war es draußen wirklich extrem heiß, und mein Hirn gaukelte mir allerlei Blödsinn vor.

    Es heißt, das Leben sei verrückter als jede Fiktion. Aber ich hätte niemals gedacht, dass irgendetwas meine ausgefallenen Kopfgeburten übertreffen könnte.

    Ich hatte mich geirrt.

    Norman hielt inne, als wir das zweite Stockwerk erreichten. Ich schwitzte, das kann ich euch versichern. Mein Hemd und mein Unterhemd waren klatschnass, das Haar klebte mir am Kopf, Schweißtropfen rannen mir in den Kragen.

    „Hier, Junge", sagte Norman und gab mir die Taschenlampe.

    „Was soll ich damit?"

    „Ich kenne den Weg zurück, du nicht. Geh nur weiter. Viel Glück!"

    Ich nahm die Taschenlampe, und während Norman in der Dunkelheit verschwand, rief ich: „Aber wohin?"

    „Nach oben, Junge, bis ganz nach oben." Er lachte in der Schwärze. Oh Mann, dieses Lachen gefiel mir überhaupt nicht.

    Da stand ich nun, Mr Drews Anzug in einer Hand, eine Taschenlampe in der anderen, und ein Rinnsal Schweiß lief langsam an meiner Wirbelsäule entlang in tiefere Gefilde hinab. Während ich noch wer weiß wie viele Stufen vor mir hatte. Ich leuchtete nach oben, um das abzuschätzen, aber die alten hölzernen Stufen wirkten, als würden sie niemals aufhören. Bis sie den Himmel erreichten. Ich richtete die Taschenlampe nach unten und blickte auf die Stufen unter mir. Sie verschwanden in der Dunkelheit. Wohin auch immer …

    Also lief ich, so schnell ich konnte, die Treppe hinauf. Es war heiß, und ich war erschöpft. Ich hatte keinen blassen Schimmer, ob ich es schaffen würde, und vielleicht lag es ja an diesen Stufen, dass all dies geschah. Denn ich sage euch, als ich oben ankam und durch die Tür trat, war die Luft noch stickiger, es war immer noch heißer geworden, und da brach ich zusammen. Ich stürzte zu Boden. Ich verlor nicht das Bewusstsein, sondern fiel nur hin, sodass ich mit einem lauten Krachen hart aufschlug. Ich schätze mal, Mr Drew hatte es gehört, denn er kam gleich aus seinem Büro gerannt.

    „Hey, was soll denn der Lärm?" Selbst in meinem benebelten Zustand beeindruckte mich seine Stimme. Sie klang so selbstsicher. Und freundlich. Ich kann nicht sagen, wodurch genau eine Stimme freundlich klingt, aber ich glaube nicht, dass ich der Einzige bin, der das so beschreiben würde. Ich glaube, dass die Leute ihn deswegen mögen.

    Ihm vertrauen.

    „Entschuldigen Sie, sagte ich vom Boden aus. „Ich habe eine Lieferung für Mr Joey Drew.

    „Ich bin Mr Joey Drew, erwiderte er, und vor mir erschien eine Hand. Ich sollte danach greifen. Also tat ich es. Er half mir auf. „Bist du okay?

    Ich nickte.

    „Gut. Er ließ meine Hand nicht sofort los, sondern betrachtete sie, als würde er sie untersuchen. Ich war mir nicht sicher, was er da tat, aber es wirkte ein wenig seltsam. Schließlich ließ er sie los und sagte: „Komm in mein Büro, Junge.

    Dort oben gab es Fenster, deswegen konnte ich auch ohne die Taschenlampe etwas sehen.

    „Setz dich und trink das. Mr Drew reichte mir eine Tasse mit warmem Wasser, während ich ihm und seinem großen Holzschreibtisch gegenübersaß. Ich trank das Wasser, und es schmeckte, als käme es aus einer frischen Bergquelle. „Also, fragte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, „wer bist du, und was tust du hier?"

    Ich nahm einen weiteren großen Schluck Wasser und beantwortete seine Fragen. „Ich arbeite als Bote für Mr Schwartz, und habe Ihnen Ihren Anzug gebracht."

    „Ah!, antwortete Mr Drew und schlug so hart mit der Hand auf seinen Schreibtisch, dass ich zusammenzuckte. Damals wusste ich noch nicht, wie oft er das tat, trotzdem habe ich mich nie daran gewöhnt, um ehrlich zu sein. „Das ist der Anzug! Fantastisch! Gib ihn her!

    Ich tat es, und Mr Drew öffnete die Hülle und nickte. Er hatte diese Art an sich, diese übertriebene Art, als stünde er auf der Bühne, damit alle einfach jede noch so winzige Regung an ihm wahrnehmen konnten. Wenn ihm etwas gefiel, wie jetzt der Anzug, war es das beste Gefühl, das es gab auf der Welt. „Das ist großartig, das ist einfach großartig. Man sehe sich das an, das war ein wahrer Handwerker."

    Vielleicht weil ich müde war und schwitzte, ich weiß es nicht, sagte ich: „Tatsächlich hat meine Ma ihn genäht."

    Mr Drew sah mich an, und ich spürte, wie mir alles Blut aus dem Gesicht wich. Warum hatte ich das nur gesagt?, fluchte ich innerlich.

    „Okay. Sie kann was." Er legte den Anzug auf den

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