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Ellen Ammann: Frauenbewegte Katholikin
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Ellen Ammann: Frauenbewegte Katholikin
eBook255 Seiten2 Stunden

Ellen Ammann: Frauenbewegte Katholikin

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Über dieses E-Book

Als "frauenbewegte Schwedin" oder "Pionierin der katholischen Frauenbewegung" wird Ellen Ammann oft bezeichnet. 1870 in Stockholm geboren, heiratete Ellen Sundström 1890 nach München und engagierte sich bald in karitativer Ehrenarbeit. So initiierte sie verschiedene Einrichtungen für Katholikinnen. Die Bahnhofsmission, der Münchner Zweigverein des Katholischen Frauenbundes sowie der bayerische Gesamtverband, die sozial-karitative Frauenschule und ein Säkularinstitut basieren allesamt auf ihrem Tatendrang. Ab 1919 und bis zu ihrem Tod 1932 war Ammann zudem eine der ersten weiblichen Landtagsabgeordneten im jungen Freistaat. Sie vertrat dort die Tätigkeitsbereiche Jugendfürsorge, Gesundheitswesen, öffentliche Fürsorge und Wohlfahrtspflege.
Dieses Buch stellt Leben und Wirken einer außergewöhnlichen Frau in einer schwierigen Zeit vor.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum16. März 2020
ISBN9783791761695
Ellen Ammann: Frauenbewegte Katholikin

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    Buchvorschau

    Ellen Ammann - Adelheid Schmidt-Thomé

    Schmidt-Thomé

    1Kindheit und Jugend 1870–1890

    »Von ihrem ersten Tage ist sie ein Freudenkind gewesen. Niemals hat sie uns den geringsten Kummer, eine Sorge oder Unruhe bereitet.

    Glück war sie uns von ihrer ersten bis zu ihrer letzten Stunde.«

    (Lilly Sundström über Ellen)

    Junge Schwedinnen hatten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts andere Möglichkeiten als die deutschen Frauen. Als Letztere begannen, eine höhere Schulbildung zu erkämpfen, waren in Schweden Frauenarbeit und -studium bereits Alltag. Entsprechend kann Ellen Ammann später in vielen Dingen freier denken und handeln als die meisten deutschen Frauen.

    DIE JUNGE ELLEN

    Ellen Ammann wird als Ellen Aurora Sundström am 1. Juli 1870 in Stockholm geboren. In der Västra Trädgårdsgatan Nr. 7 befinden sich die Wohnung der Familie und die Redaktion des »Stockholms Dagblad«, einer renommierten Tageszeitung. In diesem Haus kommt zweieinhalb Jahre später auch Ellens Schwester Harriet Sundström zur Welt. Die Eltern, Carl und Lilly Sundström, sind seit 1868 verheiratet; sie gehören dem sogenannten ›Bildungsbürgertum‹ an.

    Stockholm ist mit seiner Schärenküste ein Naturparadies. Carl Sundström und seine Töchter lieben die sommerlichen Segel- und Angeltörns in dieser faszinierenden Landschaft. Sport – Segeln, Schwimmen, Skifahren – ist eine für Mädchen damals ungewöhnliche Leidenschaft Ellens, die sie auch in München, wo dies noch ungewöhnlicher ist, mit ihrer Familie beibehalten wird. »Es gehört mit zum Köstlichsten«, erinnert sich ihre spätere Mitarbeiterin Maria Hopmann, »wenn sie von ihrem Elternhaus, von der Schule bei den katholischen Schwestern in Stockholm, von den Ferien im Skärgarden und auf der Segeljacht ihres Vaters erzählt. In ihrer ganzen Erziehung gab es keine Zimperlichkeit und Weichlichkeit, wurde für die Stählung von Körper und Geist gleichmäßig gesorgt und Selbständigkeit und Selbstverantwortung von früh auf verlangt.«

    Ein Kinderbild Ellen Ammanns von 1873

    Ähnlich asketisch werden in der Familie anscheinend auch Gefühle behandelt. »Noch kurz vor ihrem Tode hat Ellen Ammann mir einmal erzählt«, schildert die ›Erstbiografin‹ Godin, »wie sie sich zwar noch gut erinnere, daß ihre jungen Eltern mit ihr und Schwester Harriet, selbst noch halbe Kinder, durchs Haus tollten, und daß sich der Vater für die Arbeit seiner kleinen Mädelchen jederzeit zum Gefährten hergab. Zärtlichkeitsbezeugungen seien bei den Sundströms hingegen durchaus nicht an der Tagesordnung gewesen; daß sie so richtig geherzt worden sei als Kind, darauf könne sie sich kaum besinnen.« Das scheint Ellen zu der »nordischen« Persönlichkeit gemacht zu haben, die man ihr gerne nachsagt.

    Die Familie Sundström

    Die Mutter von Ellen und Harriet, Carolina Sofia (Lilly) Häggström, ist eine emanzipierte Frau, Journalistin und Mitglied im Fredrika-Bremer-Bund, der Keimzelle der schwedischen Frauenbewegung. Der Vater der Mädchen, Dr. Carl Rudolf Sundström, ist Lehrer im höheren Schuldienst und Leiter des Ressorts Außenpolitik beim »Stockholms Dagblad«. Er ist ein renommierter Naturwissenschaftler sowie Verfasser und Übersetzer wissenschaftlicher Arbeiten.

    Ellens jüngere Schwester Harriet/Henrike Sundström ist eine in Schweden recht bekannte bildende Künstlerin. Sie studiert in München, Stockholm, Frankreich und gehört zwischen 1891 und 1894 der sogenannten Künstlerkolonie in Dachau an.

    POLITIK UND RELIGION – ELEMENTE IHRES LEBENS

    Die Sundström-Mädchen werden entsprechend dem hohen intellektuellen und gesellschaftlichen Niveau der Eltern erzogen: Bildung ist wichtig, der Vater bringt ihnen Politik und Naturwissenschaften nahe, Ellen begeistert sich darüber hinaus für Geschichte. Die Mutter arbeitet in der Redaktion der Zeitung mit und übernimmt nach dem Tod ihres Mannes teilweise dessen Aufgaben. So lebt sie ihren Töchtern eine gewisse emanzipierte Selbstständigkeit vor.

    Dr. Carl Rudolf Sundström (1841–1889)

    Carolina Sofia Sundström (1849–1943)

    Für Ellens Entwicklung noch maßgeblicher ist die tiefe Verwurzelung ihrer Mutter im katholischen Glauben. Obwohl Schweden ein strikt protestantisches Land ist, konvertiert Lilly Sundström 1881 heimlich und erzieht ihre (protestantisch getauften) Töchter als Katholikinnen. Trotz der strengen Glaubensvorschriften können die beiden eine private Mädchenschule, die katholische École française (Franska skolan), besuchen. Sie wurde vor allem für Diplomatenkinder eingerichtet und wird von einer französischen Kongregation, den Josefsschwestern, geführt, die seit 1862 mit einer Sondererlaubnis unterrichten dürfen.

    In den Biografien heißt es, Ellen Sundstöm habe 1884 die Erstkommunion empfangen. So steht das auch in der Heiratsurkunde. Ellen hätte aber, wie die ›Zweitbiografin‹ Neboisa später herausgefunden hat, als Katholikin damals ihre staatsbürgerlichen Rechte verloren und kein Abitur machen können. Es ist daher wohl eher so gewesen, dass sie die Heilige Kommunion als »Tochter einer Neukonvertitin«, wie es im Kirchenbuch der katholischen Gemeinde St. Eugenia heißt, empfangen hat.

    Protestantisches Schweden

    In Schweden ist der Protestantismus von 1527 bis 1999 Staatsreligion, die Ausübung anderer Religionen ist bis 1871 verboten und wird mit Restriktionen belegt. 1783 wird das erste apostolische Vikariat für Schweden eingerichtet. Noch um 1890 machen die katholischen Bürger eine verschwindende Minderheit aus. Die katholische Gemeinde St. Eugenia in Stockholm, die Heimatgemeinde von Lilly und Ellen Sundström, 1837 gegründet, ist die älteste katholische Gemeinde Schwedens.

    UNVERGESSEN: DIE LEHRERIN SŒUR AGNÈS

    Bis 1888 besucht Ellen die Franska skolan. Hier werden den Schülerinnen eine anspruchsvolle Bildung, die vom Vater hochgeschätzte französische Kultur und der katholische Glauben der Mutter vermittelt. Die deutsche Lehrerin Walburga (Wally) Stockhausen ist mit der Mutter befreundet und wird eine wichtige Vertrauensperson für die ganze Familie. Besonders verehrt Ellen ihre gerade einmal fünf Jahre ältere Lehrerin Marie Thérèse Tardy (Sr. Agnès des Anges), die ab 1885 unterrichtet. Sie wird zum großen Vorbild des Teenagers. 1891 schreibt Ellen in ihr Tagebuch: »Gott hat uns geführt, die eine zur anderen. Er ist Urheber unserer Freundschaft. […] Deo gratias Schwester meiner Seele! […] Als Sie mich das erstemal so nannten, haben Sie mir den Mut zurückgegeben, der mir an jenem Tag absolut mangelte.« An jedem 10. eines Monats feiert Ellen diesen Tag und die Lehrerin mit großer Liebe: »Heute, du Gott meiner Seele, vor vielen Jahren gabst du mir jene geistige Schwester, die soviel Einfluß auf meine Kindheit hatte […] Sie legte den Keim zu jenem Streben oder vielmehr Wunsch, dir zu gefallen, der mich stets trieb oder verfolgte, je nach meiner Treue.«

    Der religiöse Einfluss von Sœur Agnès wirkt lebenslang. Ellen eifert ihr nach, möchte ebenfalls Klosterschwester und Lehrerin werden. Für die Erwachsene ist die Sœur Leitstern im Glauben. Die Verbindung zwischen den beiden ist nach Ellens Weggang aus Schweden hauptsächlich spirituell, über Gedanken, Texte im Gebetbüchlein, das die Lehrerin Ellen zur Hochzeit schenkt, Meditation, Gebete – von Ellen ins Universum zu Sr. Agnès gesandt. Persönliche Treffen sind höchst selten möglich, das beeinträchtigt aber die tiefe emotionale Bindung nicht.

    DIE LEBENSFREUNDIN LYDIA WAHLSTRÖM

    Das Lernen macht Ellen Freude. Die Abiturprüfungen legt sie im Mai 1888 extern in der Wallinska skolan ab, mit sehr guten Noten. Während der Vorbereitungen freundet sie sich mit der Protestantin Lydia Wahlström an. »Sie machte einen solchen Eindruck von innerer Ruhe und Stille und ich fand heraus, dass diese ihre Wurzeln in einer tiefen Religiosität hatten«, schreibt diese Jahrzehnte später im Nachruf auf ihre Freundin. 1921 erinnert sie sich an die junge Ellen: »Ein kleines, dunkles Mädchen mit hängendem Zopf und schüchternen, melancholischen Augen, welche zuweilen aufleuchten konnten, wenn ein unbeschreiblich schönes Lächeln wie ein Kräuseln über ein sonst spiegelblankes, ruhiges Äußeres fuhr. Dieses Lächeln, so entdeckte ich später, kam beinahe gegen ihren Willen; sie war als ein ideeller und zielstrebiger junger Mensch im allgemeinen schrecklich ernst.« Und über die kurze gemeinsame Zeit in Schweden schreibt sie: »Während der nächsten sonnigen Werktage nach dem Examen verkehrten wir fleißig miteinander auf Wanderungen in der Umgebung und obgleich wir die weiße [Studenten]Mütze nicht auf dem Kopf tragen durften, war sie doch umso mehr gegenwärtig in unseren Gedanken.«

    Die Abiturientinnen planen ihre Zukunft. Neboisa las aus den Briefen der jungen Ellen an Lydia folgende Ideale heraus: »Ein reines, edles Leben mit möglichst viel Einfluß auf andere Menschen, um sie für ihre Vorstellungen vom besten Sinn des Daseins zu gewinnen, stand vor ihrem Geiste. Ellen offenbarte dabei ihr Katholischsein und ihr heimliches Vorbild Sœur Agnès, verriet aber auch etwas von den Schwierigkeiten daheim, noch ohne zu ahnen, daß sie bald ihre Träume durchkreuzen werden.«

    Stolz trägt Ellen eine weiße Studentenmütze, die ihr als Abiturientin eigentlich nicht zusteht.

    Nach der Hochzeit Ellens haben sie und Lydia anscheinend 17 Jahre lang keinen Kontakt, aber danach besteht eine intensive Freundschaft zwischen den beiden, trotz der verschiedenen Konfessionen und der unterschiedlichen Lebenswege. Lydia Wahlström wird Lehrerin und Schriftstellerin. Sie ist in Schweden eine überzeugte Frauenrechtlerin und Anhängerin der Frauenstimmrechtsbewegung – was manchmal zu kontroversen Briefwechseln mit ihrer Freundin Ellen führt.

    STREIT UM DIE ZUKUNFT

    Schon in Ellens letztem Schuljahr beginnen Diskussionen zwischen Vater und Tochter über ihre Zukunft. Sie möchte immer noch Lehrerin werden, am liebsten an ihrer Schule und am liebsten im Kloster. Vater Carl ist damit nicht einverstanden. Was ihm daran missfällt, ist nicht bekannt. Ist es der Eintritt in eine Kongregation, die mit dem Beruf verbundene Ehelosigkeit? Oder reicht nur das Geld nicht für ein auswärtiges Studium? Jedenfalls wünscht er, dass Ellen schwedische Heilgymnastik lernt, eine frühe Form der Krankengymnastik. Das kann sie in Stockholm tun, und die Ausbildung dauert nicht lange. »Er sagte, daß ich durch meine Weigerung meine Zukunft zerstöre usw.«, schreibt Ellen nach dem Abitur an die Freundin Lydia. »Daß ich mir dessen ungeachtet den Weg ins Leben bahnen kann, da ich ja um der Wahrheit willen so handle, das weiß ich ja. Doch es ist immer schwer, so etwas von seinem Vater zu hören.«

    Die Auseinandersetzungen werden immer unerfreulicher. Vielleicht, um Entspannung in die Situation zu bringen, lädt Wally Stockhausen ihre Freundin Lilly Sundström mit den Töchtern im Sommer 1888 zu einer Reise durchs Rheinland ein.

    DEUTSCHLANDREISE

    Unterwegs besuchen die Reisenden auch die Familie des Freiherrn Maximilian Heereman von Zuydtwyck auf Schloss Surenburg in Nordrhein-Westfalen. Die Heeremans haben vier Töchter und fünf Söhne, von denen die drei jüngeren Töchter noch zu Hause leben; die anderen Kinder besuchen Internate.

    Franziska Freifrau von Heereman findet Gefallen an Ellen. Sie lädt die 18-Jährige ein, ein Jahr als Haustochter in der Familie zu verbringen. Natürlich fragt sie bei Vater Sundström schriftlich an. Der willigt ein und schreibt, wie stolz er auf seine Tochter, »ihr gutes und vortreffliches Herz« sowie auf seine Gattin sei, die die Töchter so gut erzogen habe. Bei Ellen lösen diese Pläne keine große Begeisterung aus; sie schätzt das Deutsche nicht besonders, ist dem Französischen viel mehr zugeneigt. »Ich, welche so schwärmt für das schöne Frankreich (nicht als Republik), ich muß unter einem Volk leben, das es jeden Tag höhnt und ich kann gar nichts sagen für die Franzosen und nichts gegen die Deutschen, die ich hasse als Nation. Ich möchte vernichten diesen so wohl regierten Staat. […] Und weißt du, meine Lydia, meine Liebe zum Vaterland erwacht in meiner Brust. Ich sehe dieses Deutschland, welches ich bewundern muß in seiner Größe und erkenne mit Bitterkeit, daß ihm Schweden unterlegen ist.« Aber »Fiat voluntas tua – dein Wille geschehe«, das sagt sie jetzt – und das wird sie in ihrem Leben noch häufig sagen oder

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