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Die radioaktive Marmelade meiner Großmutter
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Die radioaktive Marmelade meiner Großmutter
eBook187 Seiten1 Stunde

Die radioaktive Marmelade meiner Großmutter

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Über dieses E-Book

Romy wächst nach dem Tod ihrer Mutter bei ihren vom Holocaust traumatisierten jüdischen Großeltern auf. Gefangen in diesem Käfig aus Erinnerungen, die nicht ihre eigenen sind, sucht sie nach einem Ausweg.
Sie schnüffelt an den Lacken im Keller, probiert die Tabletten der Großmutter und schließlich auch den Stoff, der bereits ihrer Mutter den Tod brachte: Heroin.
Romy landet schließlich auf der Straße. Sie lässt sich treiben, verdingt sich eine Weile in Istanbul, bevor sie sich verliebt und das Leben nicht mehr gelb, sondern golden strahlt. Aber auch das goldene Strahlen der Liebe kann die Schatten über Romys Leben nicht vertreiben ...

Ramona Ambs gelang das eindringliche Portrait eines jungen Mädchens – humorvoll, tragisch und einfach wunderschön zu lesen.
SpracheDeutsch
HerausgeberUBOOKS
Erscheinungsdatum1. Juni 2013
ISBN9783939239574
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    Buchvorschau

    Die radioaktive Marmelade meiner Großmutter - Ramona Ambs

    – Anti-Pop –

    1. Auflage März 2013

    Titelbild: debibishop | istockphoto.com

    ©opyright 2013 by U-Line und Ramona Ambs

    Lektorat: Franziska Köhler

    E-Book-Konvertierung: nimatypografik

    ISBN: 978-3-939239-57-4

    Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder

    eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher

    Genehmigung des Verlags gestattet.

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    U-Line UG (haftungsbeschränkt)

    Neudorf 6 | 64756 Mossautal

    www.u-line-verlag.de

    Ramona Ambs wurde 1974 in Freiburg geboren. Ihre Schullaufbahn, mit Stationen in Freiburg und Heidelberg, beendete sie 1995 mit Abitur und Scheffelpreis.

    Danach studierte sie Germanistik und Pädagogik an der Universität Heidelberg. Bereits während des Studiums publizierte sie Gedichte und Essays in verschiedenen Anthologien.

    Seit 2003, arbeitet sie als freie Journalistin und Autorin.

    Die radioaktive Marmelade meiner Großmutter ist ihr erster Roman.

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    Vorbemerkung

    Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können, hat Jean Paul gesagt. Kein Wunder hat der Mann so einen Stuss geredet, der ist ja schon 1825 gestorben. War wohl die Gnade des frühen Todes. Nach dem Holocaust ist doch wohl klar, dass die Erinnerung das Einzige ist, was uns aus dem Paradies der Gegenwart vertreibt.

    Das Buch beginnt mit Kapitel 135. Es hätte auch mit Kapitel 96 oder 5427 beginnen können. Klar ist nur, dass auch vorher schon Sachen passiert sind. Das ist ja immer so. Und deshalb sollten Bücher nie mit dem ersten Kapitel beginnen. Erste Kapitel sind quasi eine Lüge. Es gibt immer schon ein Vorher. Und je nachdem, wie schwer dieses Vorher auf dir lastet, drängt es die Kapitelzahl nach oben. Eigentlich ist das ganz logisch. Es wird nur viel zu selten bedacht.

    Ich erzähle euch hier mein Leben. Keine Angst. Das dauert nicht lange. Ich bin eine schnell sterbende literarische Figur. Ja, natürlich bin ich jüdisch. Ich hab doch gerade gesagt, ich bin schnell sterbend.

    Romy hat man mich genannt. Soll wahrscheinlich schön klingen. Ich finde, es klingt blöd.

    Was soll ich noch sagen? Am besten nix mehr. Schließlich sind Vorbemerkungen eh Mist. Deshalb war’s das hier mit der Vorbemerkung. Wer will, kann’s ja lesen. Ach ja - manchmal gehen Risse durch den Text. Wie soll’s aber auch anders sein. Durchs Leben gehen ja auch Risse. Und so ein Buch ist auch nur ein Stück Leben. Nicht mehr und nicht weniger.

    135

    Manche Leute werden schon als Junkies geboren. Sie sind von klein auf süchtig. Süchtig nach Leben und Liebe. Süchtig nach Heimat oder wenigstens einem sicheren Ort. Vielleicht süchtig nach einem rosa Kaninchen … einem rosa Kaninchen, das sich wie Leben anfühlt … oder wenigstens so ähnlich.

    Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, gab es mich noch nicht. Und ich persönlich hatte auch gar kein rosa Kaninchen. Ich hatte mal ein grünes Nilpferd. Um genau zu sein, habe ich es immer noch. Es ist mir nie abhanden gekommen. Und es ist ein sehr schönes Nilpferd.

    Dennoch habe ich das Gefühl, um ein rosa Kaninchen betrogen worden zu sein. Und nicht nur um ein rosa Kaninchen. Sondern um ein ganzes großes Zimmer voller Spielsachen.

    Ein Zimmer voll mit Holzeisenbahnen, Büchern, einem bunten Teppich und einem Schaukelpferd. Es wäre ein Zimmer gewesen, in dem viel gelacht worden wäre, weil man so viele Spielsachen gehabt hätte und weil es so einfach gewesen wäre, sich lieb zu haben in so einem Zimmer.

    Aber das Zimmer hat es nie gegeben, weil man bei der Flucht vor Hitler eben keine Kinderzimmer in die Koffer packen konnte. Und wo es keine Kinderzimmer gab, da gibt es später auch keine Erinnerungen an sie. Und wo keine Erinnerungen sind, aus denen man schöpfen kann, muss man alles neu erfinden.

    Deshalb verbringt meine Oma sehr viel Zeit in meinem Kinderzimmer. Sie steht vor den Spielsachen und streichelt sie wie einen neu gewonnenen Schatz. Ich darf nie ausgelassen mit meinen Sachen spielen.

    «Das geht doch sonst kaputt!» sagt sie immer vorwurfsvoll und mit so traurigen Augen, dass man sich den ganzen Tag wie ein großer, gefühlloser Trampel vorkommt.

    Ich bin mir sicher, hätte sie ein Kinderzimmer gehabt mit Spielsachen und hätte sie einfach Kind sein dürfen in diesem Kinderzimmer, hätte ich mit meinem Spielzeug auch einfach spielen dürfen. Aber so hat Hitlers Diebstahl eben auch meine Kindheit versaut. Immerhin hat mich meine Oma geliebt, obwohl ich ein gefühlloser Trampel bin.

    136

    Bei meinem Freund Adrian hat der Hitler nicht geklaut. Bei dem gibt es zuhause sogar noch Spielsachen von seinem Opa. Mit denen darf er zwar auch nicht spielen, weil die ja alt und wertvoll sind, aber dafür darf er mit seinen eigenen Spielsachen spielen, und zwar so viel und so grob wie er will.

    Immer wenn ich bei ihm bin, spielen wir Autounfall. Ich knalle sein rotes Matchboxauto auf sein blaues Playmobilauto. Dann kommt der Legokrankenwagen und verarztet die Verletzten. Die Verletzten, das sind Plastikmännchen, die es seit einiger Zeit in den Kaba-Packungen gibt. Ich habe mehr davon als Adrian, weil bei mir zuhause alle Kaba trinken und wir deshalb häufiger neuen Kaba kaufen müssen. Aber meine Männchen zuhause dürfen nie in einen Unfall verwickelt werden. Darauf passt die Oma immer gut auf.

    Sonntags gehe ich immer in den Kinderclub in der Synagoge. Wir lernen hebräische Lieder und Wörter und bereiten die Feiertage vor. Manchmal erzählt auch jemand was über Israel. Das ist das Land, wo wir eigentlich leben sollten. Da gibt es viele Orangen. Aber Oma und Opa wollen nicht ins Land der Orangen ziehen. Sie wollen auch nie an den Feiertagen mitkommen in die Synagoge.

    Und irgendwann beschließe ich, dass ich dann auch nicht mehr dahin will. Es ist doof, wenn man dauernd gesagt bekommt, dass es ein Land mit Orangen nur für uns Juden gibt, aber keiner mit einem dorthin will. Die Oma sagt, Orangen können wir auch hier kaufen. Deshalb spiele ich dann sonntags auch wieder mehr mit Adrian, statt mit den Kindern im Gemeindezentrum.

    137

    Adrian und ich kommen in die Schule. Schule ist nicht gut für Freundschaften. Deshalb hören wir auf Freunde zu sein. Am Anfang haben wir noch ein bisschen miteinander gespielt, aber dann immer weniger. Außerdem ist was passiert.

    Wir wollten in der Pause Verstecken spielen und Adrian hat andere Kinder gefragt, ob sie mitspielen wollten. Eine hat erst ja gesagt, dann aber hat sie mich angeguckt und gesagt: «Nee, doch nicht. Mit Kanaken spiel ich nicht!»

    Da hat der Adrian gesagt: «Die ist doch kein Türke, sondern Jude!», und das Mädchen hat gesagt, dass das noch schlimmer ist, und ist weggegangen. Und der Adrian hat nix mehr gesagt und ich auch nicht, weil ich so verblüfft war, dass ich schlimmer war als die Türken. Das die schlimm sind, hatte ich aber schon mal gehört. Egal.

    Das war der Anfang vom Ende, weil der Adrian dann anfing, mit dem anderen Mädchen zu spielen. Nur wenn die keine Zeit hatte, konnte ich mit Adrian spielen wie früher. Aber das war immer seltener. In der zweiten Klasse hat der Adrian dann aber auch nicht mehr mit dem Mädchen gespielt, weil in der zweiten Klasse Jungen und Mädchen gar nicht mehr miteinander spielen. Das war uns allen klar. Trotzdem habe ich mich gefreut, dass sie ihn dann auch nicht mehr hatte.

    Ansonsten hat es mir in der Schule ganz gut gefallen. Ich habe begeistert die Zahlen gelernt. Zahlen sind prima. Jede Zahl hat einen Menschen, der zu ihr passt. Mindestens einen. Die Oma zum Beispiel ist eine typische Vier. Alles ist so rund und weich und zwei mal zwei gibt vier gibt Oma. Die Vier ist ein Kreis, ist ein Kuchen und duftet nach Erdbeerpudding. Außerdem hat die Vier vier Buchstaben, genau wie die Fünf fünf Buchstaben hat, und das ist immer ein gutes Zeichen.

    Jedenfalls ist es schön in der Schule. Es gibt immer was zu lernen und Hitler sitzt auch nicht mit im Klassenzimmer, weil er schon tot ist und ihn auch keiner sonst kennt. Hier sitzen nur Kinder. Und den Zahlen und den Buchstaben ist es egal, ob man Deutscher, Kanake oder Jude ist. Sie funktionieren einfach.

    Ich hab die Zahlen und die Buchstaben lieb.

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