Männergeschichten 3: noch mehr Kurzgeschichten mit und ohne Testosteron
Von Torsten Ideus
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Über dieses E-Book
Das Umbrella-Spektrum öffnet eine Tür zu einer neuen Welt!
Cis-Männer, Trans-Männer, Von non-binary bis maverique!
Gibt es für Männer noch Grenzen? Und wo hört Sexualität auf und fängt Geschlechtsidentität an?
30 neue Geschichten, die noch tiefer in die "Materie Mann" gehen!
Torsten Ideus
Torsten Ideus, 43 Jahre alt, hat bereits einige berufliche Richtungen ausprobiert. Er hat die Große Schule des Schreibens besucht. Als gelernter Koch arbeitet er mittlerweile lieber im Service und lebt an der Nordseeküste, wo andere Urlaub machen. Sein Blog Toshis World läuft seit März 2015. Hier gibt der Autor Tipps zum Kreativen Schreiben, bespricht Musikkritiken und schreibt über seinen Alltag als offen queer lebender Schriftsteller, seit 2020 gibt es auch einen dazugehörigen Podcast bei Anchor und Spotify.
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Buchvorschau
Männergeschichten 3 - Torsten Ideus
Das Regenbogen-Spektrum
kennt keine Grenzen.
In uns Menschen finden wir
alle Facetten der Welt.
Für Jason.
Ein Mysterium für sich.
&
Für Alex B.
Dein Buch hat mein Herz berührt.
Auch wenn diese Anthologie größtenteils in einer
realen Kulisse angesiedelt ist, sind die Handlung
und die Personen frei erfunden. Ähnlichkeiten
mit lebenden Personen und Organisationen wären
rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Vorwort
Dieses Buch ist ganz anders geworden, als es ursprünglich konzipiert war. Doch letztendlich ist es so noch viel komplexer und detailreicher gezeichnet, denn auch trotz zwei vorangegangenen Büchern gibt es noch so viel zu entdecken.
Seit meiner Blog-Rubrik „Embrace the Umbrella" hat sich meine Sicht darauf, was einen Mann ausmacht, noch viel weiter geöffnet.
XY-Chromosom und ein „Gehänge" zwischen den Beinen ist noch keine fertige Definition eines Mannes. Im Gegenteil. Auch ohne diese Eigenschaften kannst du durchaus maskulin sein, wie ein Mann handeln und vor allem auch wie einer denken und fühlen.
Die noch binäre Generation wird allmählich von einer neuen Geschlechter-Ordnung abgelöst, in der es immer weniger wichtig ist, Mann und Frau voneinander zu trennen. Yin und Yang können endlich miteinander verschmelzen und sich zu etwas Stärkerem transformieren.
An dieser Stelle warne ich direkt vor! Dich erwarten dreißig neue Texte – mit krasserem Inhalt als bisher, mehr Details, mehr Intimität. Du wirst auf Begriffe stoßen, die Dir noch nie begegnet sind. Ich zeige Situationen, die Du Dir vielleicht niemals vorstellen wolltest oder konntest.
Wenn Du dieses Buch lesen möchtest, musst du deine Comfort-Zone verlassen und deine bisherigen Grenzen übertreten. Aber wenn du es wagst, wirst du belohnt: mit einer toleranteren Sicht auf die Welt, mehr Verständnis für deine Mitmenschen und einem sensibleren Verhalten im Alltag.
Mit der ersten Geschichte entführe ich Dich direkt nach New York City, doch das ist nur ein Halt auf der Reise durch die Männerwelt. ;-)
Torsten Ideus
Inhaltsverzeichnis
Schattendiamant
Der andere Zwilling
Das geteilte Bett
Das regenbogenfarbene Krokodil
Das SIMS-Experiment
Der Plan fürs Wochenende
Lieber früh – als spät
Mr. Perfect incognito
Zelle 404
Die Wette
Detransition
Der letzte Song für Warren
Retake Part 2
Das etwas andere Plus One
Ein Wikinger braucht seinen Schlaf
Der Schlüssel
Disphoria
Für Jason
Wenn der Knochen zum Hund kommt
Sharkweek
Fort Nite in der Sims4 Memes Theme
24 Stunden
Vielleicht beim nächsten Mal...
Drei Tage
Das Problem
Eine Zeremonie wider Willen
Maverique
Apolo hoch drei
FTM
Das Beste kommt zum Schluss
Schattendiamant
Kim stand in der Bleeker Street und versuchte ein Taxi zu bekommen, während die Gewitterwolken immer dunkler wurden. Die Luft schien zum Schneiden dick und obwohl genug gelbe Fahrzeuge unterwegs zu sein schienen, blieb keins davon freiwillig stehen.
Immer wieder blickte Kim auf die Uhr, dessen Sekundenzeiger drastisch demonstrierte, dass die Zeit viel zu schnell verging und der nächste Termin immer näher rückte. Das französische Restaurant „Ladurée" am West Broadway befand sich zwar nur drei Blocks entfernt, doch falls das Unwetter gleich explodieren sollte, würde der Regen nicht nur die neuen Schuhe ruinieren, sondern auch den neuen Hairstyle.
Erst heute morgen hatte sich Kim im „Wicked Ways Barbershop" einen neuen Look zugelegt. Das vorher dunkle Deckhaar schimmerte jetzt in einem hellen Fliederton, während die rasierten Seiten so kurz daherkamen, dass es unnötig gewesen wäre, sie zu färben. Auch wenn eine gefühlte Tonne Haarspray die neue Frisur aufrecht hielt – einen Monsunartigen Schauer würde es nicht überleben. Ein paar Meter weiter fiel Kim eine hübsche Frau mit blonden Haar auf, die einfach ihr schwarzes Kleid von Versace ein Stück hochhob und kokett ihre langen Beine her zeigte. Innerhalb von Sekunden hielt ein Taxi direkt vor ihren Füßen. Kim blickte genervt auf die rote Sohle der Louboutins, während die Dame in das Auto einstieg ohne zu zögern oder sich umzusehen, ob noch jemand Bedarf dafür hätte.
„Fuck this shit!", fluchte Kim vor sich hin und rannte los. Vielleicht gab es noch eine reelle Chance, pünktlich zu erscheinen. In Manhatten füllten sich die Gehwege zur Mittagszeit so rasant, dass es unmöglich schien, sich schneller als eine Schildkröte fortzubewegen. Trotzdem hatten es die New Yorker immer so furchtbar eilig, dass Kim erstaunlich schnell voran kam. Die 6th Avenue meidend führte der Weg durch einen Teil der McDougal Street, schräg rüber zur Sullivan Street, doch bereits auf der Thompson trafen Kim die ersten Tropfen.
Zu einem solch wichtigen Treffen neue Schuhe anzuziehen, war eine ganz blöde Idee gewesen. Durch das Scheuern an der Achilles-Ferse bildete sich bereits eine kleine Blase. Den Schmerz ignorierend, lief Kim weiter, bis das Straßenschild zum West Broadway in Sichtweite kam. Während ein leichtes Seitenstechen das Vorankommen erschwerte, schienen sich hier die Menschenmassen noch einmal zu verdoppeln. Es ging zäher voran und Kim kehrte zum Fluchen zurück. „This is lifechanging, you bloody motherfuckers!"
Die Großstädter hatten bereits alles gesehen, gehört und erlebt. Niemand scherte sich um einen nichtbinären Menschen auf dem Weg zu einem Meeting, der über seine berufliche Zukunft entscheiden konnte. Die letzten paar Monate hatten seine Karriere in ein schwarzes Loch verwandelt. Sein Chef warb ihn direkt vom College ab, weil seine Gabe, Slogans zu entwickeln, bereits von den Dächern der vielen Hochhäusern geschrien wurden.
Doch reines Talent half einem in dieser Metropole gar nichts, wenn gän nicht den Ehrgeiz besaß, über Leichen zu gehen und seine Ziele nie aus den Augen verlor. Die Konkurrenz war brutal – Moral und Menschlichkeit waren hier nicht gefragt, wenn gän seine Produkte verkaufen wollte. Und für das große Geld und Macht und Ruhm musste so manches Mal die Seele geopfert werden.
Jahre lang hatte Kim dieses Spiel mitgespielt, befolgte die Regeln ganz genau und nutzte geschickt jede noch so kleine Lücke, um seine Gegner auszuschalten.
Doch dann änderte ein Schicksalsschlag die ganze Situation. Kurz aufeinander folgend nahmen sich zwei von Kims engsten Vertrauten das Leben, weil sie mit dem harten Business nicht mehr klar kamen. Beziehungen zerbrachen, keine Zeit fürs eigene Wohl, der ewige Zwang, der Zeit immer ein Stück voraus sein zu müssen.
Und auf einmal stellte sich die Frage: Ist es das wirklich wert? Muss das so sein? Besteht der Sinn der Lebens darin, sich verheizen zu lassen? Der Mensch als Energie der Wirtschaft, nicht viel mehr Wert als eine billige Batterie. Austauschbar; aufladen nötig. Doch damit begann Kims Ärger erst. Auf einmal, nach einer gefühlten Ewigkeit, begann ein Prozess der Selbstwahrnehmung.
Den eigenen Körper zu fühlen, wurde plötzlich zum schmerzlichen Erlebnis. Etwas stimmte ganz und gar nicht – nicht nur im Kleiderschrank, sondern im Herzen. Die vielen hübschen Kleider, das ganze Make up – es besaß keine Bedeutung für Kim. Es gehörte zum Business einer Frau dazu. Aber war sie das wirklich? Sie hatte das nie wirklich infrage gestellt, auch sonst niemand.
Dieser neue Auftrag konnte nun die Weichen stellen für ein ganz neues Schicksal. Eine neue Bestimmung, die so viel mehr Sinn ergab. Wochenlang hatte er mit seinem Team an diesem Konzept gearbeitet und weder Regen noch weglaufende Zeit würden Kim davon abhalten, seinen Traum von einer differenzierteren, besseren Welt umzusetzen.
Der Regen verstärkte sich auf den letzten Metern zum Restaurant. Wie ein flüssiger Samt-Stoff legte sich eine durchnässende Schicht auf Kims frisch designte Frisur und nur wenige Minuten entschieden darüber, ob es lange genug halten würde, um das Meeting unbeschadet zu überstehen. Um sein Material machte Kim sich keine Sorgen. Das lag gut verpackt in der Umhängetasche, die schon Schlimmeres durchgemacht hatte.
Jahrelang hatte sich sein Körper als nicht viel mehr angefühlt, als eine leere lederne Hülle, dessen Inhalt so tief vergraben lag, dass ein einfacher Spaten als Werkzeug nicht mehr ausreichte. Mit dem Freilegen der einzelnen Schichten eröffnete sich Kim ein emotionales Spektrum, welches zu verarbeiten unmöglich schien. Mit jedem neuen Tag wurde klarer, dass es ohne Hilfe einfach nicht ging.
In New York einen guten Therapeuten zu finden, ist um einiges schwerer, als eine Nadel im Heuhaufen. Es gab Wartelisten für die Wartelisten und so wählte Kim einen anderen Weg. Youtube. Er drehte Videos von sich selbst, schnitt sie zusammen und lud sie hoch. Gleichzeitig schaute er sich die Werke viele anderer Vlogger an und nutzte das Wissen der unzähligen Influencer.
Kontakte bauten sich auf, eine ganz neue Welt öffnete sich – das umbrella spectrum. Es gab nicht nur Männer und Frauen. Cis und Trans. Lesben und Schwule – dazwischen gab es noch so viele Facetten und Variationen, die es zu entdecken gab und Kim erkannte, dass für diese ganzen Menschen keine Werbung gemacht wurde.
Den ganzen Müll, den er bisher produziert hatte, wurde der Gesellschaft überhaupt nicht gerecht. Es wurden Millionen von Dollars ausgegeben für eine Zielgruppe, die gar nicht existierte. Wozu Spots in Super-HD drehen, wenn der Inhalt trotzdem schwarz-weiß war? Wozu über Diversity reden, wenn gän doch nur Homogenität förderte. Mit diesem Begreifen änderte sich für Kim alles. Er wollte keinen binären Müll mehr unterstützen, vor allem, weil seine Identität mit dieser beschränkten Sicht der Dinge nichts mehr anfangen konnte.
Am Empfang wurde Kim mitgeteilt, dass der Kunde bereits wartete. Nun kam es darauf an, ob dieser ebenfalls offen für neuen Ideen war oder nicht. Mit Leo als Model für diese Kampagne hatte Kim einen Schattendiamanten entdeckt, der perfekt die Rolle einer neuen Ordnung ausfüllte. Als ehemalige GNTM-Teilnehmerin posierte nun ein femininer Mann mit knallroten Haaren, Dreitagebart und einem lässigen Hip-Hop-Style. Dieses Image wollte Kim nutzen, um diese Bekleidungsmarke einer neuen Generation zugänglich zu machen.
Schon bei der Begrüßung wurde deutlich, dass Kims neues Styling nicht den Support bekam, der gerechtfertigt gewesen wäre. Beim ersten Vorgespräch hieß es zwar, ein zeitgemäßeres Image würde dem Unternehmen guttun. Aber anscheinend waren die anwesenden Männer, denn sie hatten zum Meeting tatsächlich nur Kerle geschickt, noch nicht bereit, für einen echten Wandel.
Daher öffnete Kim nur zögerlich die Mappe mit den neuen Plakaten heraus und platzierte das Tablet auf der Mitte des Tisches. Kommentarlos startete er das Video. Ein auf Dubstep basierender Track begann, der Hintergrund blieb dunkel. Nach und nach tanzten Menschen durchs Bild, formierten sich zu einer Choreographie und dann rannte jeder einzeln nacheinander auf die Kamera zu, blieb stehen und sagte einen Satz wie beispielsweise „Ich bin non-binary. „Ich bin genderfluid.
„Ich