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Teufelsziel: Meierhofers siebter Fall. Österreich Krimi
Teufelsziel: Meierhofers siebter Fall. Österreich Krimi
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eBook240 Seiten3 Stunden

Teufelsziel: Meierhofers siebter Fall. Österreich Krimi

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Über dieses E-Book

Eine unerträgliche Hitzewelle hält die sommerliche Wachau fest in ihrem Griff, als Meierhofer und sein Team zum Tatort eines schrecklichen Verbrechens gerufen werden. Auf einer märchenhaften Waldlichtung finden Picknicker die Leiche einer jungen Frau, aus deren Brust ein schwarzer Jagdpfeil ragt. Nicht nur die Tatsache, dass die Tote einem modernen Dornröschen gleicht, sorgt bei Meierhofer für Kopfzerbrechen. Auch die Befürchtung, dass der teuflische Bogenschütze erneut zuschlagen könnte, verursacht dem routinierten Chefinspektor schlaflose Nächte. Genau wie dieser eine, weitere, ungewöhnliche Fund, der Meierhofers gesamtes Privatleben auf den Kopf stellt.

SpracheDeutsch
HerausgeberFederfrei Verlag
Erscheinungsdatum20. Dez. 2017
ISBN9783990740125
Teufelsziel: Meierhofers siebter Fall. Österreich Krimi
Autor

Lisa Gallauner

Lisa Gallauner wurde 1978 in St. Pölten geboren. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn. Ende der 90er Jahre ließ sie sich an der PÄDAK Krems zur Diplompädagogin für Englisch, Musik und evangelische Religion ausbilden. Später sollte auch noch die Diplomausbildung für Informatik folgen. 2008 erschien ihr erstes Kinderbuch, seit damals schreibt sie, neben ihrer Arbeit als Lehrerin an einer Neuen Mittelschule, unaufhörlich. Teufelsziel ist der siebte Band der Krimireihe mit Chefinspektor Meierhofer.

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    Buchvorschau

    Teufelsziel - Lisa Gallauner

    2

    Kapitel 1

    Das Ziel, da ist es. Lachend, feiernd, lebensfroh. Ein Ziel, das es auszulöschen gilt. Viel ist dafür nicht zu tun. Ruhig bleiben, den Bogen spannen, das sich jetzt mit ausgestreckten Armen wie ein Kreisel drehende Objekt der teuflischen Begierde genau anvisieren und dann, nach einem weiteren Durchatmen, im richtigen Moment loslassen. Danach den himmlischen Schauer genießen, der einem über den Rücken läuft, das Kribbeln der Spannung, das diesen Moment zu etwas ganz Besonderem macht. Folgt der erwartete Treffer ins Schwarze, oder hat man einen Fehler gemacht, einen Fehler, der das jahrelang mühsam geplante Projekt doch noch zum Scheitern bringt? Rasender Herzschlag gesellt sich zu der nicht enden wollenden Gänsehaut, die wenigen Sekunden bis zum entscheidenden Moment scheinen sich in Stunden zu verwandeln. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig da, endlich ist es so weit! Der menschliche Kreisel wird in Sekundenschnelle gestoppt das Leben entfährt ihm mit einem Schlag, er bricht in sich zusammen. Das Hochgefühl, das dieses Ereignis begleitet, ist noch intensiver als erwartet. Endlich ist es geschafft. Das Spiel hat begonnen, ein Spiel, das aufregender wird als alles, was diese Gegend hier bis jetzt erlebt hat. Ein Spiel, das viele in Angst und Schrecken versetzen wird. Ein Spiel, das über zahllose Runden gehen wird, bis zu seinem fulminanten Ende. Bis das teuflische Ziel erreicht ist.

    *

    »Aus, Einstein! Aus! Nicht so laut, denk an die Hasen, Rehe und Füchse!« Meierhofer versuchte, seinen kleinen weißen Malteser streng anzuschauen, was ihm wie immer nur unzureichend gelang. Auch dieser hielt an den Traditionen ihrer Herrl-Hund-Beziehung fest und ignorierte die mahnenden Worte des Chefinspektors geflissentlich.

    Weiter aufgeregt bellend sprang er an dem grünen metallenen Papierkorb hoch, der neben einer der Parkbänke angebracht war, die den Wanderweg durch den Dunkelsteinerwald, den der Achtundfünfzigjährige so liebte, in regelmäßigen Abständen säumten. Wieder einmal wunderte Meierhofer sich über die scheinbar unerschöpfliche Energie des jungen Rüden. Wie war es nur möglich, dass er trotz der momentan unerträglichen sommerlichen Hitze einem Gummiball auf vier Pfoten glich?

    Der Kriminalbeamte, der ein erklärter Wintermensch war, musste sich derzeit zu jedem Spaziergang aufraffen, obwohl er die gemeinsamen Unternehmungen mit seinem tierischen Gefährten wirklich genoss. Aber dieses Wetter, das nahm ihm die Lust an allem, außer dem Schwimmen, dem literweisen Trinken eisgekühlter alkoholfreier Getränke und dem Dösen in abgedunkelten Räumen. Sogar aufs Essen hatte der Genussmensch Meierhofer keine Lust! Kein Wunder, immerhin wurde die Wachau, wie auch der Rest des Landes, seit einigen Wochen von einer für Mitteleuropa eher ungewöhnlichen Hitzewelle überrollt. Anhaltende Temperaturen weit über dreißig Grad, dazu eine permanente Trockenheit, die nicht nur die Landwirte und Fans klassischer englischer Rasenflächen aufstöhnen ließ. Der Klimawandel ließ grüßen. Das letzte Mal, dass es annähernd so schlimm gewesen war, musste Jahre her sein. Ja, genau, damals, als er und Stefano ihren ersten gemeinsamen Fall, diese ominösen Stimmenmorde, gelöst hatten, da hatte der Chefinspektor ebenfalls unter der brütenden Hitze gelitten. Ganz im Gegensatz zu seinem jungen Kollegen, der auch aufgrund seiner halbitalienischen Wurzeln mediterrane Klimaverhältnisse grundsätzlich freudig begrüßte.

    Das immer frenetischer werdende Gebell seines Hundes riss Meierhofer aus seinen Gedanken. Der stand nun auf den Hinterpfoten, die Vorderpfoten gegen den Mülleimer gepresst, seine schwarz glänzende Hundenase unablässig über das Metall gleitend. Dabei gab er ein hektisches Schnaufen von sich, das den Kriminalbeamten nun doch neugierig werden ließ.

    »Ja, sag einmal, Einstein, was ist denn los?!«, rief er, als er auf den Papierkorb zuging, um einen prüfenden Blick hineinzuwerfen.

    Überrascht zog er die Augenbrauen hoch. Von einem braunen Jutesack, den jemand mit einem Stück naturfarbenen Spagat zusammengebunden hatte, abgesehen, war der Mülleimer leer. Der Jutesack jedoch machte den Chefinspektor stutzig. Sofort war sein kriminalistisches Gespür geweckt. Wer entsorgte einen fest zugeschnürten Jutesack in einem Papierkorb am Rande eines Wanderweges? Nach dem klassischen Müll, den Wanderer erzeugten, sah das beim besten Willen nicht aus.

    Meierhofers Gedanken rasten. Was, wenn sich in dem Sack etwas befand, das von kriminalistischer Bedeutung war? Diebesgut, eine Tatwaffe, eventuell sogar Leichenteile? Verzweifelt kramte er in den Taschen seiner kurzen Jogginghose nach einem Taschentuch, das er als Gummihandschuh-Ersatz verwenden konnte. Falls sich tatsächlich etwas Verdächtiges in dem Jutesack befand, wollte er auf keinen Fall wichtige Spuren zerstören, wenn er ihn ohne Handschuhe aus dem Papierkorb zog. Als der Kriminalbeamte nicht fündig wurde, wandte er sich nach einem kurzen Moment des Überlegens dem kleinen schwarzen Täschchen zu, das an Einsteins Hundeleine befestigt war. Darin befanden sich Hundekotbeutel, von Meierhofer und seiner Frau Irene liebevoll Gackisackerl genannt, in knalligem Orange. Der Chefinspektor zog unter dem strengen Blick seines Maltesers zwei der Beutel aus dem Täschchen und stülpte sie sich über beide Hände. Dann griff er vorsichtig nach dem Jutesack, der schwerer war, als er gedacht hatte, und außerdem im Moment des Anhebens ungewöhnliche Geräusche von sich gab, was Einstein zu einer weiteren Belltirade animierte.

    Meierhofer schwante Böses, als er den Sack vorsichtig auf dem Waldboden ablegte, die Hundekotbeutel, die er nun nicht mehr brauchte, in den Mistkübel warf und sich dann rasch daranmachte, den viel zu festen Knoten im Spagat zu lösen. Als der Jutesack sich dabei auch noch zu bewegen begann und das verzweifelt klingende Geräusch immer lauter wurde, ahnte er, dass Einstein, der sein Herrchen gebannt beobachtete, mit dieser Aktion zum Lebensretter geworden war.

    Und tatsächlich – das Herz ging dem Chefinspektor auf, als er sah, was die Aufmerksamkeit des Maltesers geweckt hatte. Zwei kleine rotgetigerte Köpfe streckten sich Meierhofer entgegen, als er den Sack vorsichtig öffnete.

    »Ich glaube, du hast gerade neue Freunde gewonnen, Einstein«, murmelte er, während er die kleinen, erschöpft wirkenden Kätzchen, die erst wenige Wochen alt sein konnten, sanft anhob. »Komm, lass uns nach Hause gehen und schauen, was das Frauerl dazu sagt!«

    *

    »Du kriegst mich nicht!«

    Kreischend lief das junge Mädchen mit den langen schwarzen Haaren und den erhitzt geröteten Wangen seinem neuen Schwarm davon. Freudig grinsend ließ der durchtrainierte Blonde sich auf das altbekannte Spiel ein.

    »Na warte, gleich hab ich dich!«, rief er, bevor er begann, dem feschen Mädel hinterherzujagen. Immer tiefer in den Wald hinein. Die anderen beiden Pärchen, ein kleines Fass Bier, eine moderne Kühltasche und eine überdimensionale Picknickdecke in den Händen, sahen den beiden Frischverliebten schmunzelnd hinterher. Diese Beziehungsphase hatten die vier schon längst hinter sich.

    »Da drüben, das wär doch ein schönes Platzerl für unser Picknick.« Die kurvige Studentin mit dem flippigen kupferroten Kurzhaarschnitt deutete auf eine moosbedeckte sonnendurchflutete Lichtung, umgeben von hohen Bäumen, die tatsächlich besonders einladend wirkte. Folgsam griff ihr Freund, ein langhaariger Hippie-Nerd-Typ, nach der großen bunten Decke und marschierte auf die Lichtung zu. Sein Bruder stellte indessen die Kühltasche ab und schnappte sich, inspiriert vom neckischen Fangenspiel der beiden Frischverliebten, seine brünette Verlobte, um ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen zu drücken.

    »Igitt, nehmt euch doch ein Hotelzimmer!«, lachte die kurzhaarige Studentin gespielt schockiert. Sie wollte ihrem Hippie-Nerd-Freund gerade folgen, als plötzlich ein markerschütternder Schrei durch den an sich so friedlichen Wald hallte. Wenig später taumelte die Schwarzhaarige, jetzt leichenblass im Gesicht, aus dem Dickicht, in dem sie zuvor verschwunden war.

    »Was ist passiert?! Wo ist der Peter?!«, entfuhr es der Studentin entsetzt.

    »D…da… i…ist eine Frau… u…und… ei…ein Pf…Pfeil …«, stammelte die Schwarzhaarige, bevor sie sich übergab. Wenige Augenblicke darauf erschien auch der durchtrainierte Blonde wieder. Auch er war grünlich im Gesicht, Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Sie ist tot. Tot. Einfach tot«, murmelte er, mit leerem Blick ins Nichts starrend.

    Resolut griff die kurvige Studentin in eine der unzähligen Taschen ihrer Cargo-Shorts, um ein Smartphone daraus hervorzuzaubern. »Ich ruf die Polizei, das Picknick verschieben wir wohl besser auf morgen«, meinte sie trocken, während sie die 133 wählte.

    *

    »Irene! Einstein und ich haben dir was mitgebracht!« Meierhofer schlüpfte aus seinen ausgetretenen Schlapfen, die er im Sommer immer zum Spazierengehen mit Einstein anzog, und genoss das Gefühl der kühlen Fliesen unter seinen nackten Füßen. Als hätte er sein Herrchen verstanden, bellte der kleine Malteser aufgeregt.

    »Etwas mitgebracht? Du hast mir doch nicht etwa einen Blumenstrauß gepflückt, du alter Charmeur«, scherzte die bessere Hälfte des Chefinspektors, die anscheinend in der Küche beschäftigt war, lachend.

    Meierhofer atmete tief durch und antwortete möglichst gelassen: »Na ja, ein Blumenstrauß ist es nicht gerade.« Dann betrat er, die beiden kleinen Kätzchen in den Händen, die Küche, aus der ihm ein himmlischer Duft entgegenströmte.

    Irene, einen frisch gebackenen Kirschkuchen in den Händen, drehte sich nach ihrem Gatten um und fror mitten in der Bewegung ein. Ihr Blick verhieß nichts Gutes.

    »D…das sind Katzen. Zwei Katzen.« Der Kriminalbeamte wusste nicht so recht, wie er die Reaktion seiner Frau deuten sollte. Stumm nickte er nur. Er hatte sich auf den ersten Blick in die beiden Kätzchen verliebt und wusste, dass er nun clever agieren musste, wenn er es schaffen wollte, Irene davon zu überzeugen, dass es eine ausgezeichnete Idee war, sich zusätzlich zu einem hyperaktiven Malteser auch noch zwei Samtpfoten im Babyalter ins Haus zu holen.

    »A…aber woher hast du die?«, setzte Irene ungläubig nach, den Kirschkuchen immer noch in den Händen.

    Das war Meierhofers Chance. Er wusste, dass seine Gattin ein weiches Herz hatte, außerdem auch einen übermäßigen Hang zur Hilfsbereitschaft. Sie musste Mitleid mit den beiden kleinen Wesen bekommen, dann hatte er gewonnen. Seufzend erwiderte er also: »Einstein hat sie gefunden. In einem Mistkübel neben einer Parkbank. Stell dir vor, jemand hat sie in einem fest verschnürten Jutesackerl entsorgt. Bei dieser schrecklichen Hitze. Ein Wunder, dass die Kleinen nicht erstickt oder an einem Hitzschlag gestorben sind.«

    Wie auf sein Kommando wurden die dramatischen Worte des Chefinspektors von herzzerreißendem Maunzen der beiden Katzerln und kläglichem Gejaule Einsteins begleitet. Anscheinend hatten auch die Tiere verstanden, dass es nun ums Ganze ging.

    Das geballte Elend zeigte Wirkung. Irenes kurzfristig steinerne Miene zerschmolz zu einem mitleidigen Lächeln. Sie stellte den Kirschkuchen auf dem Herd ab und machte ein paar Schritte auf ihren Ehemann zu.

    »Entsorgt? Diese beiden herzigen Kerlchen? Wie kann man denn nur so was machen? Und Einstein hat sie tatsächlich gerettet? Braver Einstein, guter Junge!«, lobte Irene den freudig wedelnden Malteser, bevor sie nach einem der beiden rot getigerten Kätzchen griff, das sein Köpfchen augenblicklich an ihrem Arm rieb und auch gleich leise zu schnurren begann.

    Dass sie gewonnen hatten, wusste Meierhofer schon, bevor Irene »Ich glaube, es mag mich« flüsterte. Sie strahlte übers ganze Gesicht.

    Der Chefinspektor wollte gerade zu einem »Dich muss man ja einfach mögen« oder Ähnlichem ansetzen, als sein Handy klingelte. Vorsichtig setzte er das zweite Katzerl auf dem Küchenboden ab, das sofort zielstrebig auf Einsteins Futternapf zusteuerte, was der kleine Rüde mit gemischten Gefühlen beobachtete, und griff nach seinem Handy.

    »Tut mir leid, Schatz, ich hab Bereitschaft«, murmelte der Kriminalbeamte, bevor er ein resolutes »Meierhofer« ins Telefon bellte. Eigentlich hatte er gerade überhaupt keine Lust auf einen Wochenendeinsatz.

    Als er Gruppeninspektor Stefano Staudingers Stimme lauschte, wusste Meierhofer allerdings innerhalb einiger weniger Momente, dass ihm ein solcher mit Sicherheit nicht erspart bleiben würde.

    Kapitel 2

    Meierhofer fluchte innerlich, als er den Waldweg entlangging. Er wusste nicht mehr, wo genau er sich befand – irgendwo rund um den Jauerling. Eigentlich hatte Stefano ihm versprochen, ihn beim Einstieg des Wanderweges abzupassen, um ihn zum Tatort zu bringen, aber weder Stefano noch der Tatort waren hier auch nur annähernd in Sicht.

    Doch nicht nur aufgrund seines ungewollten Hänsel-und-Gretel-Erlebnisses – es fehlten nur noch die Brotkrumen, die er hinter sich verstreute, und natürlich eine sympathische Gretel – war der Chefinspektor grantig. Die Tatsache, dass er Irene mit den kleinen Kätzchen allein lassen hatte müssen, verärgerte ihn ebenfalls. Sie war zu ihrem neuen tierischen Nachwuchs gekommen wie die berühmte Jungfrau zum Kind, er hoffte nur, dass die zwei kleinen Flohbeutel – das waren sie, wie er vorhin zu seinem Leidwesen festgestellt hatte, im wahrsten Sinne des Wortes – sich gut benahmen und Irene das Leben nicht allzu schwer machten.

    »Hallo, Chef, du auch hier?!«, durchbrach eine etwas zu laute weibliche Stimme die friedliche Stille des Waldes. Meierhofer schmunzelte. Da war sie, seine Gretel.

    »Grüß dich, Eva. Weißt du, wo wir hinmüssen?«

    Die junge Revierinspektorin Eva Brombspeidel zuckte mit den Schultern.

    »Nö, mein Handy hat mich im Stich gelassen. Eigentlich hätte ich es mit GPS versucht, aber besonders erfolgreich war ich nicht.« Ein weiteres Schulterzucken folgte. »Wird schon nicht so schwer sein, hier im Wald einen Tatort zu finden. Und falls doch, bin ich jetzt wenigstens nicht mehr alleine. Wir beide, hier im Wald, das ist ein bisserl wie Hänsel und Gretel oder, besser gesagt, Hänsel und Eva. Nur, dass ich vom Alter her nicht deine Schwester, sondern eher deine Tochter sein könnte, Chef.«

    Hans Meierhofer musste lächeln. Eva Brombspeidel, die junge Inspektorin aus dem tiefsten Waldviertel, war ein stets gut gelaunter Quell der Freude. Er war froh, sie in seinem Team zu haben.

    »He, schau, Chef, da vorne, ist das nicht Stefano?! Oder ein Märchenprinz, der sich in den Wald verirrt hat.« Brombspeidel deutete auf einen stattlichen jungen Mann, der zwischen den Bäumen auftauchte. Meierhofer musste ihr recht geben. Der äußerst gut aussehende Gruppeninspektor glich wirklich einem Märchenprinzen, einem Märchenprinzen in modernem Designeroutfit wohlgemerkt, heute in sanften Grüntönen – eventuell dem Tatort angepasst.

    »Da kommen sie endlich. Hänsel und Gretel. Hat ja eine Weile gedauert. Ganz schön heiß heute, nicht wahr? Genauso, wie ich es liebe«, meinte er grinsend, als er in das abgekämpfte Gesicht des Chefinspektors blickte.

    Meierhofer wischte sich den Schweiß von der Stirn. Obwohl es hier im Wald eigentlich recht schattig war, empfand er die dauerhaft drückende Hitze als unerträglich.

    Deshalb entgegnete er auch: »Ach, lass mich doch in Ruhe mit deinem Der Sommer ist so toll-Getue, Stefano! Ich erinnere dich dann im Winter, sobald du dir deinen hübschen kleinen Hintern abfrierst, daran, wie es ist, wenn man mit Temperaturen klarkommen muss, die so gar nicht dem eigenen Naturell entsprechen. Aber jetzt lass uns zu Wichtigerem kommen als den momentanen klimatischen Verhältnissen. Was weißt du über den Leichenfund?«

    Staudinger räusperte sich kurz, dann begann er zu erklären: »Die Leiche wurde vor etwa einer Stunde von ein paar jungen Leuten gefunden, die hier im Wald ein Picknick machen wollten. Sie sind mehr oder weniger darüber gestolpert und dementsprechend geschockt. Die Tote liegt da hinten, seltsam aufgebahrt, das werdet ihr aber ohnehin gleich selbst sehen.«

    »Todesursache?«, schoss Meierhofer nach.

    »Du wirst es nicht glauben, Hans«, Staudinger legte eine kleine Kunstpause ein, »sie wurde von einem Pfeil durchbohrt.«

    »Einem Pfeil?!«, entfuhr es dem Chefinspektor und seiner jungen Kollegin zeitgleich, was den Gruppeninspektor zu einem langsamen Nicken veranlasste.

    »Allerdings, einem Pfeil. Aber schaut euch das alles am besten selbst an!«

    *

    Geschafft. Es ist tatsächlich geschafft. Auch wenn es am Ende ganz schön knapp geworden ist. Nun gilt es, sich ruhig zu verhalten. Alles aus sicherer Distanz zu beobachten. Wenn die wüssten, dass das erst der Anfang war. Wenn die wüssten, dass das Spiel erst begonnen hat. Aber zum Glück wissen sie nichts, gar nichts. Und das wird auch so bleiben.

    *

    »Ist das eine Prinzessinnenkrone?«, war das Erste, was Brombspeidel beim Anblick der Leiche durch den Kopf schoss – eine Frage, die sie auch sofort aussprach.

    Gregor, der Spurensicherer, der bereits in seinem, vom gesamten Team liebevoll als Ganzkörperkondom bezeichneten, Arbeitsoutfit um die Leiche herumwuselte, übernahm das Antworten: »Allerdings, Eva, das ist es. Überhaupt wirkt es so, als wäre dieser Tatort zum Ort einer großen Inszenierung erwählt worden. Die Frau ist mit ziemlicher Sicherheit hier gestorben und wurde nach ihrem Tod in diese seltsame Dornröschen-Position gebracht. Sie sieht aus wie eine schlafende Prinzessin, mit dem kleinen Polster unter ihrem Kopf und der Krone, die sie trägt. Auch die Rose, die man ihr in die gefalteten Hände gelegt hat, wirkt wie eine Hommage an das alte Märchen …

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