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Verliebe dich, in wen DU willst
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eBook284 Seiten6 Stunden

Verliebe dich, in wen DU willst

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Über dieses E-Book

Den richtigen Liebespartner zu finden – davon träumen viele Menschen. Aber wie geht das? Ist es nicht einfach Schicksal? Mandy Len Catron wagt einen Selbstversuch: Sie trifft sich mit einem Bekannten und geht mit ihm einen Fragebogen durch, den Psychologen entwickelt haben, um Menschen dazu zu bringen, sich ineinander zu verlieben. Und es funktioniert tatsächlich! Beide verlieben sich und leben bis heute in einer glücklichen Partnerschaft.

Über ihre Erfahrung schrieb sie erst einen Zeitungsartikel und jetzt dieses Buch – das mehr ist, als ein Memoire: Die Autorin zeigt, welche Fallstricke beim Verlieben auf jeden von uns warten und welche Fehler vermieden werden können. Anhand ihrer eigenen (Familien-) Geschichte spannt sie den Bogen von Psychologie, Biologie, Geschichte bis hin zur Literatur und zum Film. Dabei entsteht ein kurzweiliges und intelligentes Buch, das mit einigen Mythen endgültig aufräumt – und so den Weg freimacht, sich endlich in den oder die Richtige zu verlieben!

Mandy Len Catrons eigene Liebesgeschichte machte Schlagzeilen und schlug hohe Wellen als ihr Artikel in der New York Times erschien. Darin berichtet sie über die Entdeckung einer zwanzig Jahre alten psychologischen Untersuchung, die behauptet, ein einfacher Fragebogen könne zwei wildfremde Menschen dazu bringen, sich ineinander zu verlieben. Sie beschreibt, wie sie diese 36 Fragen eines Sommerabends mit einem Bekannten durchspielt und dieser später ihr Lebenspartner wird. Die Reaktionen übertrafen alle Erwartungen: Wenige Stunden nachdem die Redaktion den Artikel ins Netz gestellt hatte, verbreitete er sich viral. Innerhalb weniger Wochen wurde er viele Millionen Mal angeklickt. Offenkundig verhieß er etwas, das viele Menschen interessierte: eine Formel, mit der sich zwei x-beliebige Menschen ineinander verlieben können. Dass sich der Artikel so rasch verbreitete, bestätigte etwas, das Catron seit Jahren vermutet hatte: In Sachen Liebe bevorzugen wir die Kurzfassung der Geschichte.

Also beschloss Mandy Len Catron, so viel über die Liebe in Erfahrung zu bringen, wie sie nur konnte. Sie las Artikel über die Neurochemie der Liebe, die Psychologie von Beziehungen und die Wirtschaftsgeschichte der Ehe und soziologische Theorien über das Geschichtenerzählen. Sie sah Filme, hörte Popsongs und las Sonette. Sie befragte ihre Großeltern und Eltern, sprach mit Freunden und lieh sich Ehe- und Beziehungsratgeber aus der Bücherei aus.

Ihre Einsichten und Überlegungen hat sie nun in diesem liebevollen Memoire zusammengetragen. Eine Pflichtlektüre für alle, die sich entweder in einer Beziehung befinden oder sich dafür interessieren, was die Herausforderungen heutiger Paarbeziehungen sind. Und für diejenigen, die noch auf der Suche nach der wahren Liebe sind, enthält dieses Buch den Fragebogen, mit dem Sie sich verlieben können, in wen SIE wollen.
SpracheDeutsch
HerausgeberVerlag Herder
Erscheinungsdatum14. Mai 2018
ISBN9783451812835
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    Buchvorschau

    Verliebe dich, in wen DU willst - Mandy Len Catron

    Titel der Originalausgabe: Verliebe dich, in wen DU willst

    © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2018

    Alle Rechte vorbehalten

    www.herder.de

    Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel How to fall in love with anyone bei Simon & Schuster, Inc., New York.

    © 2017 Mandy Len Catron

    E-Book-Konvertierung: post scriptum, Vogtsburg-Burkheim

    ISBN (E-Book): 978-3-451-81283-5

    ISBN (Buch): 978-3-451-60061-6

    Inhalt

    Einleitung

    Der ausgebrannte Stern

    Der Mythos vom richtigen Partner

    Der Football-Trainer und

    die Cheerleaderin

    Was ist eine gute Liebesgeschichte?

    Die Tochter des

    Grubenarbeiters

    Liebe im Kontext

    Girl meets boy

    Das Drehbuch der Liebe

    Das Aschenputtel-Dilemma

    Warum wir

    so besessen davon sind

    Die Blackbox der Liebe

    Gedanken über die

    verschwiegenen Geschichten

    Ich werde nicht verraten, wie wir uns

    wirklich kennengelernt haben

    Die Tyrannei des Onlinedatings

    Ja, Schatz

    Schlechte Ratschläge

    von guten Menschen

    Wenn ich mich in jeden verlieben kann –

    wie entscheide ich mich?

    Die Freuden der

    gewöhnlichen Hingabe

    Die 36 Fragen

    Anmerkungen

    Zur Autorin

    Einleitung

    Seit fünf Jahren hatte ich über Liebesgeschichten und ihre Fallstricke geschrieben, als plötzlich meine eigene Liebesgeschichte Schlagzeilen machte. Im Januar 2015 verfasste ich für die Rubrik »Modern Love« der New York Times einen Artikel über eine zwanzig Jahre alte psychologische Untersuchung, die behauptete, ein einfacher Fragebogen könne zwei wildfremde Menschen dazu bringen, sich ineinander zu verlieben. Ich beschrieb, wie ich diese 36 Fragen eines Sommerabends mit einem Bekannten durchspielte und dieser später mein Freund wurde. Die Herausgeber gaben dem Artikel eine etwas reißerische Überschrift: »To Fall In Love with Anyone, Do This«.

    In der Woche vor der Veröffentlichung war ich nervös. Immerhin würden jetzt ein paar Tausend Menschen Einzelheiten aus meiner drei Monate alten Beziehung erfahren. Doch die Reaktionen übertrafen alle Erwartungen: Wenige Stunden nachdem die Redaktion den Artikel ins Netz gestellt hatte, verbreitete er sich viral. Innerhalb weniger Wochen wurde er viele Millionen Mal angeklickt. Offenkundig verhieß er etwas, das viele Menschen interessierte: eine Formel, mit der sich zwei x-beliebige Menschen ineinander verlieben können.

    Eigentlich hatte ich mir kaum Gedanken über Liebesgeschichten gemacht, bis sich vor neun Jahren aus heiterem Himmel meine Eltern trennten. Damals war ich sechsundzwanzig. Ich war immer der Ansicht gewesen, dass sie glücklich verheiratet waren. Aber offensichtlich hatte ich mich getäuscht. Ich fragte mich, was ich übersehen hatte.

    Bei meinem Versuch, die Trennung meiner Eltern zu verstehen, kam ich immer wieder darauf zurück, wie die beiden sich kennengelernt hatten. Ich liebte diese Geschichte. Meine Mutter kam aus einem kleinen Bergwerksdorf in Virginia. Sie war Cheerleaderin in ihrer Schule und sollte für die Schülerzeitung den neuen Trainer der Football-Mannschaft interviewen. Das war mein Vater. Die beiden freundeten sich rasch an und trafen sich heimlich. Vier Jahre später traten sie in der Baptistengemeinde vor den Altar, zu einer Doppelhochzeit mit der Schwester meiner Mutter und dem besten Freund meines Vaters. Für mich war das die schönste Liebesgeschichte, die ich je gehört hatte, und schon als Kind erzählte ich sie allen, die sie hören wollten.

    Die Scheidung war das falsche Ende für diese Geschichte – eines, das ich nie auch nur für möglich gehalten hätte. Für mich war die Liebe immer eine Tugend gewesen, ein Sieg der Moral und ein Lohn für Menschen, die im Leben die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Doch die Scheidung meiner Eltern machte mir klar, dass es in der Liebe keine Garantien gibt, nicht einmal für die Besten und Treusten, und nicht einmal für Menschen mit einer perfekten Liebesgeschichte.

    Geschichten hatten meine Vorstellungen von der Liebe geprägt, doch nun musste ich einsehen, dass sie mich im Stich ließen. Also beschloss ich, so viel über die Liebe in Erfahrung zu bringen, wie ich nur konnte. Ich las Artikel über die Neurochemie der Liebe, die Psychologie von Beziehungen und die Wirtschaftsgeschichte der Ehe, nicht zu vergessen soziologische Theorien über das Geschichtenerzählen. Ich sah mir noch einmal all die Filme an, die ich als Kind und Jugendliche so geliebt hatte, Streifen wie Notting Hill oder Dirty Dancing. Ich hörte Popsongs und las Sonette. Ich befragte meine Großeltern und meine Eltern, sprach mit Freunden und lieh mir Ehe- und Beziehungsratgeber aus der Bücherei aus.

    Die meiste Zeit meines Lebens hatte ich geglaubt, dass die Liebe etwas sei, das einem passierte. Diese Vorstellung wird nicht nur von den Geschichten genährt, die wir uns über die Liebe erzählen, sondern auch von unserer Sprache selbst: Die Liebe trifft uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wir entbrennen in Leidenschaft. Die Liebe macht uns blind und krank. Unser Herz schmerzt und bricht.

    Ich fragte mich, ob die Liebe tatsächlich so funktioniert, oder ob ich auch etwas mitzureden hatte. Die Wissenschaft ließ mich das jedenfalls vermuten.

    Dass sich mein Artikel so rasch verbreitete, bestätigte etwas, das ich seit Jahren vermutet hatte: In Sachen Liebe bevorzugen wir die Kurzfassung der Geschichte. Meine »Modern Live«-Kolumne war ein einfach gestricktes romantisches Märchen, das den Eindruck vermittelte, als gäbe es eine ideale Form des Verliebens. Es vermittelte den Eindruck, als sei die Liebe berechenbar, und als könnten wir beim Verlieben einfach einem Drehbuch folgen.

    Deshalb wundert es mich auch nicht, dass mich viele Leute fragen, ob ich immer noch mit dem Mann aus dem Artikel zusammen bin, und ob wir heiraten und Kinder bekommen wollen. Das ist nachvollziehbar, denn sie wollen einen Beweis dafür, dass das Drehbuch im wirklichen Leben funktioniert.

    Ich liebe Liebesgeschichten noch immer, aber ich muss auch einsehen, dass sie nur ein sehr eingeschränktes Bild dessen vermitteln, was in der Liebe möglich ist. Die Liebe ist nicht so einfach, wie uns die Geschichten glauben machen. Doch gerade diese Komplexität macht sie so faszinierend. In der Arbeit an diesem Buch habe ich eine Möglichkeit gefunden, mein eigenes Drehbuch zu schreiben und etwas in den Griff zu bekommen, das mich so lange im Griff hatte.

    Der ausgebrannte Stern

    Der Mythos

    vom richtigen Partner

    Anfang 2010 heiratete ich den Mann, den ich eigentlich verlassen wollte.

    »Es ist amtlich«, sagte Kevin, als er von der Arbeit nach Hause kam und eine Mappe auf das Kaffeetischchen neben mir warf. »In den Augen der kanadischen Regierung sind wir jetzt Mann und Frau.«

    In der Mappe befand sich ein Dokument zum Eintrag unserer Lebensgemeinschaft, eines von vielen Papieren, das wir für den Antrag auf einen festen Wohnsitz in Kanada benötigten.

    »Okay«, antwortete ich ohne aufzublicken. »Vielleicht sollten wir das feiern.«

    Aber mir war nicht nach Feiern zumute.

    Wortlos ging Kevin in die Küche.

    Es war Mitte Februar, ich unterrichtete vier Kurse an der Uni, das heißt ich musste vier Unterrichtseinheiten vorbereiten – und vier Stapel Aufsätze korrigieren. Ich las die Aufsätze schon morgens am Kaffeetisch und abends schlief ich über ihnen ein.

    Ich war so dankbar gewesen, dass Kevin den Papierkram für unsere dauerhafte Aufenthaltserlaubnis übernommen und all die Formulare mit ihren winzigen Kästchen ausgefüllt hatte. Eigentlich hätte ich ihm auch jetzt dankbar sein sollen, und eigentlich wollte ich das auch – aber ich starrte nur mit leerem Blick auf unsere beiden Unterschriften auf dem Schriftstück neben mir. Mit dem Finger strich ich über den Prägestempel. Nun konnten wir eine gemeinsame Steuererklärung abgeben, und wenn einer von uns beiden im Koma lag, konnte der andere das Beatmungsgerät abschalten lassen. Nach neun gemeinsamen Jahren war es doch fast logisch, das zu dürfen. Aber die Ironie des Zeitpunkts entging uns beiden nicht: Wir überlegten seit Wochen, ob wir uns trennen sollten.

    Mein Vater hatte Recht gehabt: Es sind die kleinen Dinge, die ein Paar zusammenhalten. Wir waren weiterhin zusammen, um nicht noch mehr Anträge ausfüllen zu müssen und nicht zwei weitere Jahre auf unsere Einbürgerung zu warten.

    Wenn mich jemand gefragt hätte, dann hätte ich gar nicht so genau sagen können, was mit unserer Beziehung nicht in Ordnung war. Wir hatten uns schon immer mal gestritten. Doch diesmal war es anders. Es herrschte eine anhaltende Sprachlosigkeit zwischen uns, so als ob unsere Beziehung krank geworden wäre. Und diese Krankheit schien ansteckend zu sein.

    Als ich mitten in der Nacht hustend aufwachte, musste ich an meine Ärztin denken. Sie hatte mir mal gesagt, dass die Lunge und die Atemwege immer die ersten Organe seien, die vom Dauerstress in Mitleidenschaft gezogen wurden. Ich hatte ihr das nicht geglaubt, aber vielleicht hatte sie ja Recht.

    Kevin rollte sich zu mir herüber, während das Bett unter meinen Hustenanfällen bebte. Er schob sich an mich heran, legte ein Bein über meine Oberschenkel und einen Arm über meinen Brustkorb. »Besser?«, murmelte er. Im Halbschlaf wollte er offenbar mit seinem Körpergewicht den Husten in meinem Körper zurückhalten. Meine Atmung wurde ruhiger und mein Zwerchfell entspannte sich. Ja, besser!

    Selbst nach einem Tag nervigen Anschweigens war Kevin in der Lage, die Symptome meiner Erkältung zu lindern. Eine Woche zuvor hatte ich auf dem Boden eines Buchladens gesessen und in Die sieben Geheimnisse einer glücklichen Ehe des Psychologen John Gottman geblättert; dort hatte ich gelesen, dass sich die Partner in Langzeitbeziehungen wechselseitig körperlich beeinflussen und sogar das Immunsystem und die Pulsfrequenz des anderen in positiver Weise regulieren können. Aber ich hatte auch gelesen, dass Menschen in Beziehungen, in denen ihre Bedürfnisse nicht befriedigt werden, unter körperlichem und emotionalem Dauerstress litten, der das Immunsystem schwächt.¹ War es das, was uns gerade passierte?

    Ich überlegte, wie lange es her war, dass ich zum letzten Mal seinen Körper neben meinem gespürt hatte. Mindestens vier oder fünf Tage. Vor Jahren hatte ich auch schon Husten gehabt – den schlimmsten meines Lebens. Eine Woche lang war ich durch die Hustenanfälle mitten in der Nacht aufgewacht, ein unerträgliches Brennen tief in den Lungen. Anfangs war Kevin auch hellwach, besorgt wegen der krampfartigen Zuckungen meines Körpers. Nachdem er sich daran gewöhnt hatte, drehte er sich einfach zu mir um und rieb mir im Halbschlaf den Rücken. »Du musst zum Arzt«, murmelte er zwischen meinen Hustenanfällen.

    Damals hatten wir getrennte Wohnungen, aber wir verbrachten jede Nacht zusammen. Auch wenn ich krank war, und auch wenn wir einfach nur nebeneinander schliefen. Ich kam nachts gegen halb zwölf Uhr von meinem Abendkurs nach Hause, warf meine Tasche auf mein Bett und radelte den Hügel hinunter zu ihm. Leise schloss ich die Tür auf, schlich auf Zehenspitzen in sein Schlafzimmer und schlüpfte neben ihm unter die Decke. Morgens wachte ich meistens vor Sonnenaufgang auf, zog mich an und radelte zu dem kleinen Café am Capitol Hill, in dem ich arbeitete. Dafür, dass ich ein paar Stunden im Dunkeln seinen Körper neben meinem spüren konnte, nahm ich diese kleinen Umwege gern auf mich.

    Schon damals habe ich mich oft gefragt, ob es noch etwas anderes gab, das ich so sehr liebte wie ich seine Haut liebte, die Art und Weise, wie sie seine Muskeln und Knochen umschloss, die weiche Stelle zwischen seinen Schulterblättern, auf die ich jede Nacht beim Einschlafen meine Lippen drückte. So hatte ich mich in der Universität in ihn verliebt, als wir Bauch an Rücken schliefen, mein Gesicht an seinen Nacken geschmiegt, als der Tag nur eine Leerstelle war zwischen zwei Nächten.

    Doch inzwischen war ich 29 und dachte daran, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Und ich wusste nicht, ob ich all das mit diesem Mann wollte, in den ich mich in der Universität verliebt hatte.

    Ich hatte keine Ahnung, woher ich die Antwort auf diese Frage nehmen sollte.

    Natürlich kann man sich mit zwanzig in einen Menschen verlieben, ohne gleich ein ganzes Leben mit ihm verbringen zu wollen. Anders als Kevin und ich hatten die meisten unserer Freunde ihre Beziehungen aus Studientagen längst hinter sich gelassen. Mit zwanzig war ich davon ausgegangen, dass auch wir nicht zusammenbleiben würden. Und nachdem sich ein paar Jahre zuvor meine Eltern getrennt hatten, wusste ich inzwischen, dass man durchaus ein halbes Leben mit einem Menschen verbringen kann – und einem die Liebe trotzdem einfach abhanden kommt.

    Allerdings hatte ich nie gedacht, jemanden auf eine so seltsame Art lieben zu können, wie ich Kevin liebte – jeden Abend neben ihm einschlafen und jeden Morgen neben ihm aufwachen zu wollen, und trotzdem nicht zu wissen, ob ich den Rest des Lebens mit ihm verbringen möchte oder nicht.

    Kevin wollte keine Kinder. Er hatte auch keine Lust zu heiraten, obwohl er nichts gegen eine feste Beziehung hatte. Wenn der Konflikt so einfach gewesen wäre – ich will Trauschein und Familie, er nicht –, dann hätten wir vielleicht eine Lösung gefunden. Vielleicht war mir das mit den Kindern ja sowieso nicht so wichtig, dachte ich manchmal. Vielleicht wollte ich lediglich die Möglichkeit haben. In jedem Fall wollte ich mit ihm eine Unterhaltung darüber führen können, die nicht sicher im Streit endete. Ich hatte das Gefühl, dass wir nur unsere anderen Probleme in den Griff bekommen mussten, um dann auch vernünftig über Heirat und Kinder sprechen zu können. Aber was waren unsere anderen Probleme genau?

    Weil ich eine Knieverletzung hatte, blieb ich in diesem Winter oft zu Hause, während Kevin mit Freunden zum Skitourengehen in die Berge fuhr. Ich verbrachte die Wochenenden damit, den offenen Kamin unserer zugigen Wohnung in Vancouver mit Eierkartons zu füttern, den Hund Gassi zu führen und Aufsätze zu korrigieren.

    Während meine Welt immer kleiner wurde, wurde seine Welt in den Bergen von British Columbia immer weiter. Am Abend vor einem Skiausflug in den Pulverschnee war er aufgedreht und konnte kaum schlafen. Noch nie hat mich die Begeisterung eines anderen Menschen so einsam gemacht. Es kam mir zu egoistisch vor, darauf zu hoffen, dass er meinetwegen zuhause bleiben würde, also sagte ich erst gar nichts. Stattdessen buchte ich mit Freunden eine Woche Urlaub in Costa Rica. Während ich weg war, rief ich ihn kein einziges Mal an, und ich schrieb auch keine Mails. Er sollte sich so fühlen, wie ich mich gefühlt hatte: Er sollte wissen, dass ich Spaß hatte, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, wie ich meine Tage verbrachte.

    Unsere Liebe hatte als Fernbeziehung begonnen, und damals hatte ich keinen sehnlicheren Wunsch, als meine Tage mit ihm zu verbringen. Jetzt führten wir dieses Leben – und mir kam es vor, als ob ich einen Vertrag mit der Liebe unterschrieben hatte, aus dem ich nicht mehr herauskam. Trotz aller Entfremdung fühlte ich mich noch immer durch diese Sehnsucht an Kevin gebunden – die Liebe. Noch immer wünschte ich mir seine Gesellschaft, seine Aufmerksamkeit, seine Haut. Es wäre einfacher gewesen, wenn einer von uns beiden einfach aufgehört hätte, den anderen zu lieben.

    »Wenn du ältere Paare siehst, denkst du dann an dich und Kevin?«, fragte meine Freundin Liz eines Tages. Es war ein Sonntagnachmittag, wir waren auf der Suche nach ihrem Brautkleid, und gerade war ein älteres Ehepaar Hand in Hand an uns vorübergegangen.

    »Nein«, erwiderte ich aufrichtig. »Ich denke nicht an uns, wenn ich händchenhaltende Achtzigjährige sehe.« Ganz abgesehen davon glaubte ich, dass diese Paare mindestens in zweiter oder dritter Ehe verheiratet waren. Doch dann ruderte ich zurück. »Ich denke nicht, dass Kevin für mich der einzige Mann auf der Welt ist. Aber ich habe das Gefühl, dass er zu mir gehört. Ich kann mir nicht vorstellen, das Leben mit irgendjemand anderem zu verbringen. Verstehst du, was ich meine?«

    Liz lächelte, doch ihre Augen schauten mich fragend an. Sie verstand mich nicht. Wie auch? Sie plante gerade ihre Hochzeit mit einem Mann, mit dem sie sich nie wirklich gestritten hatte. Und an dem sie noch keine Sekunde gezweifelt hatte. Die Selbstsicherheit von Menschen wie Liz ärgerte mich. Leute, die wussten, dass sie ein Leben lang mit einem anderen Menschen zusammenbleiben würden, waren für mich wie Leute, die sich sicher waren, dass sie in den Himmel kommen würden. Das kam mir so dreist vor, so irrational.

    Aber Liz war alles andere als ein irrationaler Mensch. Sie war eine sehr angesehene und erfolgreiche Sozialpsychologin. Das ließ darauf schließen, dass das Problem woanders lag: bei mir. Was, wenn ich die Irrationale war, die sich an eine Beziehung ohne Zukunft klammerte? Vielleicht war ich die Einzige, die das nicht sah.

    Aber spielte es denn eine Rolle, dass ich nicht an Kevin dachte, wenn ich ein glückliches älteres Ehepaar sah? Spielte es eine Rolle, wie oft wir uns stritten? Solange er jeden Morgen vor der Arbeit ins Schlafzimmer kam, sich auf mich legte, mich in der Decke vergrub, »Aufwachen, mein Frühstücks-Burrito!« rief und meine Stirn mit Küssen bedeckte, wie sollte ich mir da ernsthaft das Leben mit einem anderen Mann vorstellen können? Auch wenn ich uns nicht als Paar in den Achtzigern sah – der Gedanke, morgens früh allein aufzuwachen, war andererseits unerträglich.

    Im Sommer zuvor hatten wir Urlaub auf einer kleinen griechischen Insel gemacht. Morgens gingen wir zum Klettern und nachmittags schwammen wir in der Ägäis. »Mann, was tun mir alle anderen leid!«, sagte Kevin eines Abends, während wir den Weg vom Strand zu unserer kleinen Ferienwohnung hinaufgingen. Wir nahmen den Umweg über die mit Oleander gesäumten Serpentinen. Wir waren uns einig, dass wir uns sogar selbst leid taten. Wir dachten an unser hektisches Leben vor unserem Urlaub, und wir verglichen es mit dem Augenblick an diesem langen Juni-Abend, als wir auf die Kalkklippen zeigten und sagten: »Lass uns morgen da hochklettern!«

    Die Erinnerungen an diesen Urlaub ließen mir ein Leben ohne ihn unvorstellbar erscheinen. Das schaffte sogar der Geruch von frischem Thymian. Oder die Abendbrise, wenn ich nach Hause radelte. Ich erinnerte mich, wie wir auf unseren Motorroller gestiegen waren und über die Insel zu unserem Lieblingsrestaurant fuhren. Als ich nach unserem Abendessen aus Makrelen und Salat auf dem Roller hinter ihm saß und die Arme um ihn schlang, war das wie eine Essenz des Glücklichseins.

    Oft ertappte ich mich dabei, wie ich mich im Internet durch die Hochzeitsalben wildfremder Menschen klickte. Ich suchte etwas Bestimmtes: einen Blick, ein wehrloses und etwas dummes Grinsen, ein vor Freude halb lachendes, halb weinendes Gesicht. Das war dieser Blick, den ich aus dem Kino kannte, so grinst Hugh Grant in der letzten Szene von Notting Hill, wenn er Julia Roberts ansieht. Ich wollte herausfinden, ob es das wirklich gibt, dieses über jeden Zweifel erhabene Glück, oder ob das ein Märchen war.

    Hier und da entdeckte ich einen Anflug davon, einen Gesichtsausdruck, der sagte: »Das war die beste Entscheidung meines Lebens«, im Flickr-Album eines Unbekannten oder im Hochzeitsalbum der Freundin einer Freundin. Es war ein Ausdruck von tiefster Zufriedenheit, ein Bräutigam, der die Hand der Braut ergreift, eine Braut, die nach den Augen der Mutter sucht. Dieser Blick der absoluten Dankbarkeit angesichts einer lebenslangen Bindung. Wie sicher sich diese Menschen zu sein schienen!

    Ich las Blogs von dreißigjährigen Hippsterpärchen, die die Kurve gekriegt zu haben schienen. Die Freundin einer Freundin hatte anlässlich ihres Hochzeitstags eine kurze Notiz gepostet. Sie und ihr Mann, ein Autor und Filmemacher, hatten jung geheiratet und drei selbstverständlich coole Kinder bekommen. Die Anmerkung zu ihrer Hochzeit fand ich sehr aufrichtig: »War das der glücklichste Tag meines Lebens? Vermutlich nicht«, schrieb sie. »War es die beste Entscheidung meines Lebens? Ja.«

    Ja, schrieb ich daraufhin in mein Tagebuch. Dieses »Ja« ist mir unter die Haut gegangen. So will ich mich auch fühlen.

    Vermutlich hatte ich damals keine Vorstellung von dem, was ich suchte. Aber heute weiß ich es. Es hatte etwas damit zu tun, »den Richtigen fürs Leben« zu finden: Gab es das überhaupt oder war das alles nur ein Märchen?

    Nach der Scheidung meiner Eltern musste ich einsehen, dass sogar die Ehe von zwei so gut zueinander passenden Menschen in die Brüche gehen konnte. Diese Möglichkeit machte jede Hoffnung zunichte, dass ich jemals den Richtigen finden würde.

    In diesem Frühling fielen mir einige Fotos von der Hochzeitsfeier einer Freundin wieder in die Hände. Dort stand ich im Sonnenuntergang mit Kevin im Bug eines Segelboots. Auf einem der Bilder hebt er mich hoch, die Arme fest um mich geschlungen, und meine Haare wehen im Wind. Auf einem anderen werfe ich den Kopf in den Nacken und lache, während er mich mit einem breiten Lächeln anstrahlt. Wir strahlten um die Wette, und im Hintergrund glitzerte das Meer. Hier waren die Beweise – mein fettes Grinsen und die tiefen Lachfalten um seine Augen: Wir waren glücklich gewesen, wir liebten einander. War das der Gesichtsausdruck, den ich gesucht hatte?

    Beim Surfen durchs Internet machte ich irgendwann den Fehler, Lori Gottliebs etwas hinterhältigen Atlantic-Artikel »Marry Him!« zu lesen.² In ihrem Text formulierte Gottlieb zwei widersprüchliche Gedanken. Dem ersten wollte ich zustimmen:

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