Hinter der Maske: Der Mystik-Krimi aus dem Bergischen
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Über dieses E-Book
Als das Gerangel zwischen widerspenstigen Sekten, exaltierten Wissenschaftlern und konkurrierenden Geheimdiensten bedrohlich wird, fassen Reporter Fabian Jaspers und Asta-Referentin Nadine Nehle einen wagemutigen Plan …
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Buchvorschau
Hinter der Maske - Michael Harscheidt
Elisenturm
Kapitel 1
Im Banne der Dämonen
Unheimlich war das schon: Flüsternde Menschen hier und fremdartige Masken dort überall in den Vitrinen …
Und dann – Punkt 16.00 Uhr – begann auch schon die Eröffnung der neuen Ausstellung auf dem Heiligen Berg². Aus der Gruppe der Anwesenden erhob sich eine sonore Männerstimme:
„Hantu baik, Ayo!³ – Mit diesen Worten schützten sich einst die Bewohner von Borneo und Sumatra vor unliebsamen Dämonen, und dazu dienten zauberstarke Masken, die heute überall hier auf Sie schauen!"
Ein freundlicher Herr im hellen Anzug, eigentlich zu hell für die noch kühlen Tage im Februar, stand mitten unter uns Besuchern und setzte seine Begrüßung fort:
„Sehr geehrte Gäste, im Namen der Museumsleitung heiße ich Sie herzlich willkommen zu einem gemeinsamen Rundgang hier im geschichtsträchtigen Museum auf dem Heiligen Berg! Ebenso herzlich begrüße ich Herrn Fabian Jaspers von der hiesigen Presse."
Professor Zimberli, Gastdozent für das Thema „Mensch–Maske–Mythos", tupfte sich mit einem großen Taschentuch lästige Schweißperlen von der Stirn. Inmitten der Gäste wirkte er warmherzig und war sichtlich erfreut, dass trotz des bevorstehenden Wochenendes freitags so viele Besucher den Weg in die neue Ausstellung gefunden hatten.
Auch einige Studierende, vermutlich Erstsemestrige, waren erschienen, obwohl die hiesige Hochschule noch in den Semesterferien schlummerte.
Rasch machte ich mir ein paar Notizen, denn mein Bericht sollte schon am nächsten Morgen im Lokalteil der Westdeutschen Zeitung WZ erscheinen.
Erneut ergriff der Professor das Wort:
„Verehrte Anwesende, dieses um 1830 gegründete Museum enthält Exponate, die damals von den Missionaren aus Asien und Afrika mitgebracht wurden, um die fremden Kulturen hier sorgfältig zu studieren."
Wieder betupfte er mit dem Taschentuch seine Stirn und fuhr fort:
„Zuallererst möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf diesen kleinen Knaben lenken: Hier erleben wir die tiefe Bedeutung des Ahnenkults!"
Er zeigte auf eine etwa einen Meter große Holzfigur, die in einer Vitrine stand und einen Arm zum Himmel erhoben hatte.
Den Umstehenden war ihre Ratlosigkeit anzusehen, deshalb fuhr der Professor rasch fort:
„Diese Geschichte ist wirklich rührend: Sie erzählt von kinderlosen Verstorbenen, die ohne trauernde Nachkommen nicht in die Ahnenwelt aufsteigen durften. Deshalb organisierte die einstige Dorfgemeinschaft mit dieser künstlichen Figur eine Trauerzeremonie."
„Wo machte man denn so was?", wollte entsetzt eine ältere Dame wissen.
„Das stammt aus den tropischen Regenwäldern von Sumatra. Das können Sie aber auch den Beschriftungen bei den jeweiligen Exponaten entnehmen."
„Warum ist denn bei dieser Puppe das Haupt oben offen?, fragte zögernd ein Student, „der Kopf ist ja ganz hohl!
„Puppe? Keine Spielpuppe, junger Freund, das ist für die damaligen Menschen ein sehr ernst zu nehmender Ersatzsohn gewesen, wenn die Menschen kinderlos verstarben! Und nun zu Ihrer Frage: Die Dorfbewohner legten zu Beginn der Zeremonie in den Hohlraum des Kopfes einen feuchten Schwamm, sodass aus den Augenhöhlen dieser kleinen Figur wirkliche Tränen fließen konnten. Auf diese Weise wurden die unsichtbaren Ahnen Zeugen einer vermeintlichen Trauerzeremonie, die somit den bereits verstorbenen Eltern posthum den Weg zu den Urahnen im Jenseits ebnen konnte."
Man war beeindruckt. Die Besucher wanderten nun durch die einzelnen Abteilungen, studierten die Aufschriften an den Vitrinen und erhielten sachkundige Erläuterungen von dem Professor.
Merkwürdig! Längst hatte mich ein fremdartiges Gefühl beschlichen, sodass ich mich vorsichtig umblickte: Schweigsam sahen mich die exotischen Masken an, mal aus bräunlich-gelblichem Holz, mal mit roten Wangen und stechendem Blick, dazwischen behaarte Modelle mit vergilbten Ohren. Welches Leid hatten sie in alten Zeiten erfahren? Und überhaupt – hätte man sie aus ihrer ureigenen Welt entführen dürfen?
Und? … Und? … Und jetzt spürte ich es ganz deutlich: Ich stand hier im magischen Bann von zauberstarken Masken, die – leidvoll ihrer angestammten Heimat beraubt – selbst zu Dämonen geworden waren und vielleicht schweigend auf Erlösung warteten …
Einige Gäste zückten ihre Minikamera, doch der Professor sprang dazwischen und untersagte den Gebrauch von Blitzlicht:
„Bitte nicht blitzen! Im Fotoblitz werden Energien frei, die das Potenzial der alten Objekte aktivieren könnten!"
„Wieso das denn?", entrüsteten sich betagte Gäste, einige schüttelten den Kopf, andere lächelten ungläubig. Gewiss wollten manche gern eine Erinnerung mitnehmen.
Doch offensichtlich wusste der Professor genau, wovon er sprach:
„Die meisten Masken hier dienten ihren Trägern einst für eine erfolgreiche Kriegsführung – das wollen wir heute nicht mehr. Oder sie halfen den Stammeshäuptlingen bei ihrer Jagd – aber auch diese Jagden sind nun vorbei. Oder sie fungierten als Regenmacher – das aber können wir jetzt am Wochenende schon gar nicht gebrauchen!"
Er lächelte, und die Umstehenden begannen erleichtert zu lachen. Ja, witzig war er auch, dieser mit einem Schweißtüchlein hantierende Professor Zimberli.
„Was heißt bitte Topeng dawi Gunung?", wollten zwei Studentinnen wissen und wischten mit ihrem Ärmel über das Glas einer Vitrine.
„‚Gunung‘ heißt ‚Berg‘", sinnierte Zimberli, dann blätterte er beflissen in einem ziemlich abgegriffenen Katalog, und bald hatte er eine Antwort gefunden, die er langsam vorlas:
„Topeng dawi Gunung – Maske vom Berg, Fundort am Kinabalu, dem höchsten Berg von Malaysia auf Borneo."
Beeindruckt blickte auch er auf die rote Maske mit ihren gelben Zähnen und übergroßen Segelohren und fügte beschwichtigend hinzu:
„Vermutlich eine Imitation. Originale wurden öfters kopiert."
. Das letzte Zeichen stand wohl für Luftfeuchtigkeit.
Der Professor gab indessen weitere Erklärungen ab und ging dann wieder auf die Unart der Nachahmungen ein: „Gelegentlich werden auch heute Masken oder Devotionalien nachgebaut. Besonders in Malaysia gibt es einen großen Markt dafür: viel Plastik für gute Dollars, aber ohne Geist, ohne die alte religiöse Kultur."
„Was heißt schon ‚ohne Geist‘!, erregte sich lautstark ein älterer Herr, „ob mit oder ohne Geist – solche Masken lenken uns vom wahren Glauben ab! Als Hirte erlebe ich das jeden Tag!
„Hirte?, warf ich fragend ein, „was bedeutet das?
Dankbar sah er mich an und erwiderte erregt:
„Hirte und Diakon der Wahren Pilger vom Tal. Wir entsagen allen Versuchungen dieser irdischen Welt. Und solche Masken hier und dort und da – alles Fratzen des Falschen Messias. Sagte schon der Evangelist Matthäus in Kapitel 24!"
Während der Professor noch nach Worten suchte, hatte sich der Diakon unwirsch abgewandt. Gerne hätte ich ein paar Worte mit ihm gewechselt, doch er machte eine wegwerfende Handbewegung, warf auch mir einen verächtlichen Blick zu und war mir dann im Gedränge der Besucher aus den Augen gekommen.
Irgendwie tat mir der Professor leid. Natürlich konnte er nicht allen Gästen gerecht werden. Und wer rechnet schon mit engagierten Vertretern aus der bunten Welt der örtlichen Sekten?
Da sich die einzelnen Grüppchen im Saal verliefen, trat ein Herr mittleren Alters auf ihn zu und stellte sich ganz artig vor:
„Entschuldigung, ich bin vom Bergischen Geschichtsverein, darf ich Ihnen mal eine diskrete Frage stellen?" Diskret? Da spitzte ich doch gleich die Ohren und näherte mich erwartungsvoll den beiden Herren.
„Dürfte ich Ihre Rote Maske einmal ausleihen? Für einige Tage? Zum Zweck der wissenschaftlichen Forschung!?"
Der Professor suchte sichtlich nach Worten und hob erstaunt seine Augenbrauen:
„Das ist nicht meine Maske! Und das sind auch keine Leihgaben, sondern Exponate im Eigentum des Museums. Wozu denn Ihre Anfrage?!"
„Wie gesagt – ich arbeite wissenschaftlich auf dem Gebiet der Bergischen Geschichte … genauer gesagt auf dem Feld der Märchenforschung … zurzeit sitze ich an der Frage, ob die 1844 zum Bau der Eisenbahn am Wupperufer bei der Kluse verschwundenen Zwerge