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Rotglut Tod
Rotglut Tod
Rotglut Tod
eBook419 Seiten5 Stunden

Rotglut Tod

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Über dieses E-Book

Dorina ist auf der Suche nach dem Glück.

Sie macht sich auf den Weg nach Österreich.

Ein grauenvolles Déjà-vu droht sie zu vernichten.

Ein skrupelloser Gangster versklavt gnadenlos junge Menschen im Dunstkreis von Schmuggel, Prostitution und Menschenhandel für seine zwielichtigen Machenschaften.
Eine alte Fabrikshalle am Fuße des Wilden Kaisers inmitten herrlicher Tiroler Bergwelt wird zum zentralen Ort des Verbrechens.
Dorina, die junge Rumänin, gerät aus Liebe in einen gefährlichen Strudel umMacht, Geld und Tod.
Völlig unerwartet erlangen längst vergessene Erlebnisse grauenvolle Realität.
Von den Bergen Tirols über das mondäne Monaco bis an Spaniens Costa Brava führt der Weg der verbrecherischen Handlungen.
Spannende Wendungen - große Gefühle - Gänsehaut pur.
Eine von martin cereza meisterlich erzählte Geschichte, die es in sich hat.
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum13. Juni 2018
ISBN9783740795085
Rotglut Tod
Autor

martin cereza

martín cereza wurde 1951 in Wörschach/Steiermark geboren. Er lebt mit seiner Familie in Kössen/Tirol. Seine bisher erschienen Werke Blaueis Tod Rotglut Tod Rachsucht Tod Moorland Tod Packende Thriller aus der Feder eines Insiders, der weiß, wovon er schreibt.

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    Buchvorschau

    Rotglut Tod - martin cereza

    Autors

    1

    Die nassen Fichtenzweige peitschten ihre geröteten Wangen. Tausende Nadeln, scharf wie Rasierklingen, ritzten ihre Haut, verursachten schmerzhafte Striemen im hübschen Gesicht des Mädchens.

    Im dichten Jungwald kam sie nur mühsam voran, zu eng waren die jungen Bäume gepflanzt. Mit ausgestreckten Armen versuchte sie das dichte Astwerk abzuwehren. Es gelang nur teilweise. Sie stolperte über einen Wurzelstock, fiel der Länge nach hin und blieb einen Augenblick völlig erschöpft liegen. In ihren Ohren rauschte es einem tobenden Wasserfall gleich. Ihr Herz raste, als wolle es im nächsten Augenblick zerspringen, dem jungen Leben ein jähes Ende setzen.

    Die Verfolger hatten den Jungwald erreicht.

    Sie konnte die Stimmen ihrer Peiniger hören.

    Ich muss aufstehen, ich muss weiter!

    Im Handumdrehen war sie wieder auf den Beinen. Sie änderte panikartig die Richtung, erreichte offenes Gelände. Eine kleine Wiese mit einzelnen Büschen lag vor ihr. Zögernd verhielt sie am Waldrand, unschlüssig das offene Feld zu überqueren. Da war sie wieder, die Stimme des Anführers. Er gab seinem Partner Anweisungen.

    Das Mädchen zitterte am ganzen Körper. Ein Schauer der Angst, verbunden mit der morgendlichen Kälte, rieselte über ihren Rücken.

    Das dünne T-Shirt war durchgeschwitzt, hing zerfetzt von ihren Schultern. Sie trug nur einen Schuh, der andere lag irgendwo im dunklen Jungwald.

    Panisch wischte sie sich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht.

    Ich muss über die Wiese. Ich muss, es schaffen!

    Sie begann zu laufen. Die Hälfte des offenen Feldes lag hinter ihr, da sah sie ihn plötzlich am rechten Waldrand stehen. Zuerst nur aus den Augenwinkeln.

    Er hat mir den Weg abgeschnitten!

    In seinem hässlichen Gesicht lag ein zynisches Lächeln. Langsam hob er die Waffe mit dem bedrohlichen Schalldämpfer.

    Das Schwein schießt auf mich!

    Reflexartig drehte sie sich zur Seite, machte drei Sprünge in Richtung eines Strauches.

    Die erste Kugel traf sie in den Oberschenkel.

    Durch die Wucht des Einschlages knickte sie ein und fiel auf die Knie. Ein grauenhafter, lähmender Schmerz schoss durch ihren Körper, einen Moment war sie außerstande sich zu bewegen. Sie spürte, dass sich der Schütze näherte, hörte seinen keuchenden Atem. Er konnte nur noch wenige Meter entfernt sein. Mit dem unbändigen Lebenswillen des jungen Menschen rappelte sie sich auf und taumelte auf das rettende Gebüsch zu.

    Der Mann, dessen Gesicht eine hässliche Narbe auf der linken Wange verunstaltete, war stehen geblieben. Die schallgedämpfte Waffe hielt er in der Rechten. Wieder hob er sie langsam an, legte sie auf die ausgestreckte linke Hand, zielte bedächtig, als hätte er alle Zeit der Welt. Überzeugt, dass sein angeschossenes Opfer nicht mehr fliehen konnte.

    Ich muss mich fallen lassen!

    Die zweite Kugel traf sie knapp neben dem rechten Ohr und drang am Kieferknochen in den oberen Schädelbereich. Ein glühender roter Blitz in einem unendlich grellen Lichtermeer, ein Gefühl von absoluter Schwerelosigkeit.

    Ihre letzten Wahrnehmungen verblassten in einer unendlichen Weite. Leblos glitt der junge Körper in ein Meer glitzernder Tautropfen der feuchten Wiese.

    Den harten Aufprall fühlte sie nicht mehr.

    Aus den nahen Büschen war ein Schwarm kleiner Singvögel verschreckt aufgeflogen und in den durchscheinenden Nebelfetzen entschwunden. Als würden sie die Seele des unglücklichen Mädchens in den endlosen Himmel tragen, hinein in ein traumhaftes Morgenrot.

    Der Schütze trat auf sein Opfer zu. Lange betrachtete er das dunkelhäutige Gesicht der jungen Frau im feuchten Tau des frühen Morgens. Ihre blauschwarzen Haare lagen nass und strähnig auf Hals und Brustansatz. Aus der kleinen Wunde neben dem Ohr flossen einige Blutstropfen, fast behutsam suchten sie einen Weg über die eingefallene Wange und verloren sich im Mundwinkel des reglosen Antlitzes.

    Die einst so fröhlichen schwarzen Augen waren geschlossen. Ihr dunkler Teint wirkte glanzlos und fahl, als habe man ihrem Gesicht Asche aufgetragen.

    Langsam fiel der Mann auf ein Knie, beugte sich über sein Opfer und fühlte am Hals nach dem Pulsschlag.

    »Ist sie tot? Was ist los, antworte mir, verdammter Idiot. Warum hast du sie erschossen?«

    Der zweite Verfolger stand keuchend neben dem gebückten Mann. Sein Atem rasselte, er wischte sich über die schweißnasse Stirn und stöhnte. Langsam erhob sich der Mörder.

    »Aus. Da ist nichts mehr zu machen. Leider.«

    »Verdammter Mist! War das nötig? Wir hätten sie auch so erwischt. Jetzt haben wir den Salat. Was machen wir mit ihr? Wir können sie hier nicht einfach liegen lassen.«

    Nervös zündete sich der korpulente Mann eine Zigarette an. Mit einem Taschentuch wischte er sich über die schweißnasse Stirnglatze, während seine kalten Augen den Begleiter anstarrten.

    »Wir verscharren sie dort drüben bei den Bäumen. Eine schöne letzte Ruhestätte, finde ich. Hol den Spaten aus dem Wagen, ich bring sie rüber.«

    Der Mann, den sein Kumpan treffend Idiot genannt hatte, lächelte einfältig, wodurch sich sein Narbengesicht zu einer grässlichen Maske verzog.

    Lange blickte er auf die vor ihm liegende Gestalt.

    »Arme, dumme Jessica, warum bist du nur weggelaufen, nun ist es vorbei mit dir. Schlaf gut.«

    Sein Partner kam keuchend angerannt, warf den Spaten fluchend neben die Leiche und griff nach seiner Zigarettenschachtel.

    Gemeinsam legten sie das Mädchen in die flache Grube, die sie mithilfe des Spatens und eines abgebrochenen Astes ausgehoben hatten, scharrten den spärlichen Aushub darüber und bedeckten das einsame Grab mit Fichtenästen, die sie mit Steinen beschwerten.

    »Komm jetzt! Lass uns hier verschwinden, bevor auf der Straße drüben noch irgend ein Bauer auftaucht und unseren Wagen sieht. Los, mach schon!«

    Die Männer hasteten durch den Wald zurück zur einsamen Landstraße, dort sprangen sie in ihren Wagen und flüchteten mit quietschenden Reifen vom Ort des Grauens.

    Bernd Hagerer war schon um fünf Uhr aufgestanden. Dieser schöne Herbsttag war gerade richtig für einen Ausflug ins Revier. Heute sollte der kapitale Sechzehnender endlich erlegt werden. Seit drei Jahren war er Herbst für Herbst hinter dem gewaltigen Hirsch her. Jedes Mal, wenn er gehofft hatte, es wäre so weit, war er enttäuscht worden.

    Letzte Woche noch, er war am frühen Abend auf das Tier angesessen, hatte er bereits angelegt gehabt. Den Hirsch genau im Fadenkreuz, war er behutsam auf Druckpunkt gegangen.

    Da kam eine Gruppe Bergradler den Forstweg herunter, weg war die Beute. Es nützte alles nichts, der Hirsch hatte sich verabschiedet. Bernd hatte bei seinen stundenlangen Beobachtungen festgestellt, dass das Tier frühmorgens durch den Jungwald neben der Landstraße stampfte, um die saftigen Zweige der Jungfichten zu genießen.

    Genau dort wollte er ihm heute auflauern.

    Sein Jagdhund, Baschtl, eine reinrassige Tiroler Bracke, wartete schon voller Ungeduld an der Tür. Er wusste, dass es ins Revier ging, und war daher entsprechend aufgeregt.

    »Gleich ist es soweit Baschtl. Ja, braver Hund, gleich geht es los. Ja, freust dich schon.«

    Bernd strich seinem treuen Begleiter über das glatte Fell. Rucksack und warme Kleidung hatte er im Wagen verstaut. Er trank seinen Kaffee aus, löschte das Licht und schlich leise aus dem Bauernhaus auf den Vorplatz, wo sein Jagdwagen stand. Gemächlich lenkte er das schwere Fahrzeug über die in der morgendlichen Dämmerung liegende Straße. Er hatte sein Ziel fast erreicht, als er einem Sportwagen ausweichen musste, der mit weit überhöhter Geschwindigkeit an ihm vorbeischoss. Er fluchte und hatte alle Mühe sein Auto unter Kontrolle zu bringen.

    Kurz darauf erreichte er die Reviergrenze. Baschtl sprang freudig aus dem Wagen, begann sofort die unmittelbare Umgebung mit seiner Spürnase abzusuchen. Das strenge: Sitz! seines Herrn befolgte er sofort.

    Er legte sich neben Bernd, nicht ohne ihn mit seinen treuen Augen fragend anzusehen. Nachdem der die Ausrüstung ausgeladen hatte, schulterte er sein Gewehr, nahm den Hund an die Leine und marschierte gemächlich in Richtung Wald.

    Den dichten Jungwald umrundeten Herr und Hund, um die Beute nur ja nicht zu verscheuchen. Nach einer weiteren halben Stunde erreichte der Jäger die Lichtung, an deren Rand sein Hochstand auf einer alten Fichte eingerichtet war. Es war inzwischen fast völlig hell geworden. Leichte Nebelfetzen zogen über Wald und Wiesen, verschmolzen mit der Morgenröte zu einem mystischen Bild von unfassbarer Schönheit. Bernd leinte Baschtl ab und ging die paar Schritte bis zur Leiter, die auf die Plattform des Hochstandes führte. Sein Hund, in solchen Situationen sonst stets ruhig und konzentriert, wedelte aufgeregt mit dem Schwanz und gab ihm zu verstehen, dass er etwas gewittert hatte.

    »Hast du unseren Freund schon in der Nase? Was ist los mit dir. Setz dich Baschtl. Sitz!«

    Bernd hatte geflüstert. Das erste Mal in seinem Leben als ausgebildeter Jagdhund verweigerte Baschtl den Befehl seines Herrn und entfernte sich, die Nase dicht über dem Boden. Am Rand des Jungwaldes schien er sein Ziel erreicht zu haben. Völlig unüblich, für einen Jagdhund geradezu ein Frevel, begann er zu bellen. Zornig, die Leine in der Hand mit der Absicht den Hund zu züchtigen, eilte Bernd über die Lichtung. Baschtl war gerade dabei, einige Äste von einem flachen Erdhügel zu zerren. Stutzig geworden, blieb Bernd stehen. Aufmerksam beobachtete er seinen sonst so folgsamen Begleiter. Wie wild zerrte der Hund an den Ästen und begann nebenbei mit den Vorderbeinen zu scharren.

    Sein Herr war über dem Hügel und entfernte alle Äste. Hier war vor Kurzem das Erdreich umgegraben worden, das war eindeutig zu sehen. Baschtl grub nunmehr noch wilder, als sei der beste Knochen der Welt in diesem lockeren Erdreich verborgen.

    Plötzlich hielt der Hund inne und sah zu seinem Herrn auf. Ein kalter Schauer jagte über Bernds Rücken, beim Anblick des flachen Hügels am nassen Waldboden. Aus dem losen Erdreich hatte sein Hund eine menschliche Hand freigelegt. Eine schmale Mädchenhand. Der Nagellack war teilweise abgekratzt, die Haut blass, fast grau.

    Bernd war so erschrocken, dass er nicht fähig war zu reagieren. Baschtl schien den Schock schneller überwunden zu haben. Er begann die kleine Hand abzulecken.

    »Sitz jetzt! Sofort. Geh Platz. Hier setzt du dich hin. Brav Baschtl. Da komm her.«

    Bernd hatte sich wieder gefangen und brachte den Hund weg vom Hügel. Während er, unschlüssig was zu tun sei, die kleine Hand betrachtete, traf ihn völlig unerwartet der nächste Schock.

    Die Hand hatte sich bewegt, besser gesagt, die Finger hatten sich leicht ausgestreckt. Bernd zitterte am ganzen Körper. Trotz der morgendlichen Frische war ihm plötzlich siedend heiß. Ich habe mich nur getäuscht, beruhigte er sich ängstlich, eine Täuschung der Sinne, ja das muss es gewesen sein. Da war es wieder, die Finger bewegten sich ganz leicht, fast unmerklich. Nun gab es für den Jäger kein Halten mehr. Mit bloßen Händen scharrte er Erde und Steine zur Seite. Das ging überraschenderweise einfach, zumal der Boden sehr locker war.

    Nach einigen Minuten hatte er fast den gesamten Körper freigelegt. Vor ihm lag ein junges Mädchen in der flachen Mulde. Es trug einen Minirock und ein zerfetztes T-Shirt. Ihr Gesicht glich einer Totenmaske, grau und unwirklich. Mit leichtem Ekel beugte sich Bernd über den jungen Körper. Behutsam machte er sich daran am Hals den Puls zu fühlen. Knapp über ihrem Gesicht hielt er abrupt inne. Er hatte sich nicht getäuscht, die bläulichen Lippen hatten sich bewegt. Diesmal konnte er es deutlich sehen. Die Lippen des Mädchens bewegten sich. Wie in Zeitlupe schoben sich Ober-und Unterlippe zitternd vor und zurück.

    »Mein Gott, die lebt. Baschtl, die lebt! Wir müssen Hilfe holen. Schnell!«

    In seiner Aufregung hatte er laut mit dem Hund gesprochen, der brav und still auf seinem Platz im Reisig des Waldbodens saß.

    Mit zittrigen Händen suchte Bernd sein Mobiltelefon in den Taschen der graugrünen Jägerjacke.

    Wo muss ich jetzt zuerst anrufen? Verdammt, jetzt reiß dich endlich zusammen!

    Sofort ärgerte er sich über sein schwach ausgeprägtes Nervenkostüm und wählte die internationale Notrufnummer.

    »Rettungsleitstelle Tirol, was können wir für Sie tun?«

    »Eine Tote, ein Mädchen in einem Grab...«

    »Bitte beruhigen Sie sich. Wer spricht dort? Sagen Sie mir Ihren Namen.«

    »Hagerer. Bernd Hagerer. Ich bin auf der Pirsch und habe ein Mädchen gefunden…, mein Hund hat sie gefunden, sie lebt.«

    »Gut, Herr Hagerer. Atmen Sie tief durch und dann erzählen Sie mir, wo Sie gerade sind, okay?«

    Bernd Hagerer befolgte den Rat und fühlte sich etwas leichter.

    Ich muss mich konzentrieren, verdammt!

    »Ja, jetzt bin ich wieder da. Also, ich war auf der Jagd, da hat mein Hund ein junges Mädchen ausgegraben. Zuerst habe ich gedacht eine Leiche. Aber das Mädchen lebt, die Lippen haben sich bewegt. Ich habe es genau gesehen!«

    Er war nahe daran wieder in Panik zu verfallen, seine Stimme klang gehetzt und aufgeregt.

    »Gut, Herr Hagerer. Sie machen das sehr gut. Sagen Sie mir jetzt, wo genau Sie sich befinden.«

    »Ja also…,ich bin hier beim Jungwald in meinem Jagdrevier, am Tiefenbacher Graben. Das ist ein Weiler unseres Ortes, gleich neben der Landstraße 214 die in Richtung Autobahn führt. Gut dreihundert Meter durch den Jungwald, auf einer großen Lichtung.

    Moment! Jetzt fällt mir etwas ein. Ich habe einen Kompass dabei. Nützt es, wenn ich die Koordinaten durchsage?«

    »Das ist eine gute Idee Herr Hagerer. So habe ich gleich ihren Standort auf meinem Bildschirm.«

    Nervös diktierte Bernd die Daten in sein Telefon.

    »Okay, das hätten wir. Ich melde mich gleich wieder, Herr Hagerer. Sie brauchen nicht mehr anrufen, ich rufe zurück.«

    Bernd blies stoßartig die angepresste Luft aus seinen Lungen. Langsam beruhigte er sich. Er beugte sich wieder über das Mädchen, um sie von den letzten Erdresten zu befreien. Sein Telefon schrillte, in der Ruhe des Waldes klang es überlaut.

    »Hallo Herr Hagerer, das haben Sie gut gemacht. Gleich wird der Hubschrauber mit dem Notarzt bei Ihnen sein. Bleiben Sie ganz ruhig und machen Sie genau was ich Ihnen sage.«

    Der Mann in der Notrufzentrale stellte ihm einige Fragen zum Zustand des Mädchens. Bernd fühlte neuerlich den Puls, hielt einen Grashalm vor Mund und Nase, um festzustellen, ob sie atmete. Nach einigen Versuchen konnte er einen schwachen, unregelmäßigen Pulsschlag fühlen. Der Grashalm bewegte sich nur zögerlich, es reichte aus, um zu erkennen, dass das Mädchen sehr schwach atmete. Zu seiner Erleichterung dauerte es nur wenige Minuten, bis er das Knattern des anfliegenden Hubschraubers wahrnahm.

    Baschtl, sonst ein verwegener Kerl, verkroch sich unter einem Wurzelstock, als das gelbrote Fluggerät auf der Lichtung aufsetzte. Die Rettungscrew übernahm die Betreuung der Unglücklichen. Bernd setzte sich erschöpft, aber erleichtert, auf einen Baumstumpf neben der Leiter zum Hochstand.

    Notarzt und Flugretter waren mit der Erstversorgung des immer noch bewusstlosen Mädchens beschäftigt, bevor sie diese auf einer Bahre in den rettenden Helikopter schoben.

    Der war gerade über den wippenden Baumwipfeln verschwunden, als der Polizeihubschrauber zur Landung ansetzte. Zwei uniformierte Beamte und ein Mann in Zivil sprangen aus dem Fluggerät. Sie eilten gebückt auf den Jäger zu.

    »Haben Sie das Mädchen gefunden? Sind Sie Bernd Hagerer?«

    Der Mann in Zivil sah ihn scharf an, als hätte Bernd ein gröberes Verbrechen begangen und nicht gerade einem jungen Menschen das Leben gerettet.

    »Darf ich fragen, wer Sie sind? Sich vorzustellen ist das Mindeste, oder etwa nicht?«

    Bernd Hagerer hatte sich wieder vollkommen gefangen und stellte sich zornig vor den Zivilisten.

    »Mein Name ist Polterer, Major Achim Polterer. Kripo. Wir wurden von der Einsatzzentrale verständigt. Also noch einmal. Sind Sie Bernd Hagerer?«

    Der Kripobeamte sah sein Gegenüber abwartend an. In seinem noch jungen Gesicht lag ein Ausdruck leichter Überheblichkeit, so als erwarte er bei Nennung seiner Stellung eine Art Demut. Da war er aber bei Bernd Hagerer an den Falschen geraten.

    »Ja, ich bin Bernd Hagerer. Und ich habe gerade die schlimmste Stunde meines Lebens hinter mir. Also schnauzen Sie mich nicht an. Was wollen Sie von mir? Ich habe gerade ein junges Mädchen aus seinem Grab befreit. Wie es aussieht, habe ich dem Kind das Leben gerettet.«

    »Das mag schon sein«, sagte der Kripobeamte hintergründig lächelnd.

    »Wer sagt uns, dass nicht Sie das Grab angelegt haben? Das Mädchen soll zumindest eine Schussverletzung aufweisen. Wie ich sehe, tragen Sie ein Gewehr. Weit und breit ist sonst niemand. Sie verstehen, was ich meine?«

    Er machte einen Schritt auf den Jäger zu, der vor ihm zurückwich.

    »Sie haben wohl nicht alle Sinne beisammen. Warum sollte ich dem Mädchen das angetan haben? Ich kenne sie überhaupt nicht. So was habe ich noch nicht erlebt.«

    Bernd Hagerer war bleich geworden. Unbändiger Zorn hatte von ihm Besitz ergriffen.

    Instinktiv wich er noch einen Schritt zurück. Er stieß mit dem Rücken an die Leiter des Hochstandes, wo sein Gewehr baumelte.

    »Keine Bewegung. Hände über den Kopf und ruhig stehen bleiben.«

    Der Kripobeamte hatte plötzlich seine Dienstwaffe in der rechten Hand. Sie war auf den verdutzten Jäger gerichtet. Die zwei uniformierten Beamten, sie waren mit der Absperrung der Umgebung rund um den Fundort beschäftig gewesen, eilten mit gezogenen Waffen herbei. Keiner der Anwesenden hatte mit Baschtl gerechnet. Der fasste die ganze Situation als Bedrohung seines Herrn auf und war aufgesprungen. Mit drei, vier langen Sätzen war er neben Major Polterer.

    Ehe der Mann reagieren konnte, hatte der treue Hund schon zugebissen. Mit seinem kräftigen Gebiss hatte er den Schussarm in Umklammerung.

    Polterer brüllte laut vor Schmerz und Schreck. Aus der Waffe löste sich ein Schuss, ehe der Beamte sie fallen ließ. Das Projektil pfiff gefährlich nahe am Gesicht von Bernd Hagerer vorbei, riss einige Holzspäne aus der Leiter und schlug zehn Meter weiter in einer Fichte ein.

    »Pfeifen Sie den Hund zurück oder ich muss ihn erschießen«, brüllte einer der Uniformierten.

    »Aus, Baschtl! Komm her mein Guter. Ja so ist er brav. Sitz. Ja, brav ist er.«

    Zitternd vor Aufregung legte sich der Jagdhund neben seinem Herrn ins nasse Gras.

    Der Kripobeamte hielt sich stöhnend den schmerzenden Arm. Sein zorniger Blick war auf Bernd Hagerer gerichtet.

    »Verdammtes Mistvieh, verdammtes. Das wird Sie teuer zu stehen kommen. Tätlicher Angriff auf einen Polizeibeamten im Dienst nennt man das.«

    »Leinen Sie den Hund an der Leiter an. Dann die Hände in die Höhe und langsam zu mir kommen.«

    Der uniformierte Polizist wedelte mit der Pistole. Hagerer tat wie ihm befohlen. Als er vor dem Beamten stand, trat sein Kollege von hinten an ihn heran, drehte zuerst einen, dann den zweiten Arm auf den Rücken und schloss die Handschellen.

    Baschtl zerrte laut bellend an der Leine.

    Mittlerweile war ein Geländewagen, gefolgt von einem Kleinbus, mit blinkendem Blaulicht auf der schmalen Forststraße am hinteren Ende der Lichtung aufgetaucht. Es waren die Polizisten aus Bernds Heimatdorf.

    Sie schoben den Jäger in den Kleinbus, der wie ein fahrendes Büro eingerichtet war. Der Kripobeamte, dessen rechter Unterarm sich im Bereich des Bisses langsam einfärbte, nahm ihm gegenüber Platz. Ein weiterer Beamter hatte ein Notebook aufgeklappt. Major Achim Polterer sah den Jäger lange an, bevor er, an den jungen Polizisten gewandt, zu diktieren begann.

    »01. Oktober 2000, 07:30, Erstvernehmung Bernd Hagerer, geboren am 27. November 1975, ledig, wohnhaft in.......

    2

    »Dorina, Liebling, du kannst nicht mitkommen, es geht nicht. Wie oft habe ich dir das schon erklärt? Sei bitte vernünftig und mache es mir nicht so schwer.«

    Ion Cippcu stopfte die letzten Kleidungsstücke in die alte Reisetasche und hob den Blick. Seine Verlobte saß auf der hölzernen Bank neben dem gemauerten Herd, der den kleinen Raum wärmte. Sie hatte sich die ruppige Pferdedecke um die Schultern gelegt und diese vor ihrer Brust mit beiden Händen bis zum Hals geschlossen. Ihr langes, tiefschwarzes Haar fiel lockig über die Schultern. Die dunklen Augen im hübschen Gesicht waren gerötet. Wieder lief eine Träne über die blasse Wange, tropfte auf die nach Pferd riechende Decke.

    »Du kannst mich nicht allein zurücklassen, nicht schon wieder. Ich sterbe hier vor Einsamkeit. Ich kann deine Ziehmutter nicht mehr sehen. Sie mag mich nicht, sie hasst mich, das weißt du. Ich bleibe nicht hier, Ion. Wenn du mich jetzt nicht mitnimmst, wirst du mich nicht wiederfinden. Ich gehe weg von hier, egal wohin.«

    Dorina hatte aufgehört zu schluchzen. Selbstbewusst richtete sie sich auf. Die Decke rutschte über ihre Schultern, gab einen bereits stark gewölbten Bauch frei. Ion setzte sich zu ihr, liebevoll strich er über die kleine Wölbung.

    Seine Augen waren feucht, als er Dorina ansah.

    »Was tust du mir an, Liebes? Du trägst unser Kind unter deinem Herzen. Noch ein Monat und du wirst Mutter sein. Du kannst nicht mitkommen. Die Reise ist für mich schon eine Plage. 1500 Kilometer in einem alten Kastenwagen mit fünf Männern, wie stellst du dir das vor, Dorina? Sei bitte vernünftig. In drei Wochen bin ich zurück. Ich werde gutes Geld verdient haben in Österreich, danach ziehen wir in eine kleine Wohnung, das verspreche ich dir.«

    Dorina wandte sich ab. Ihr trauriger Blick fiel durch das milchige Fenster. Sie konnte die trostlose Gegend nicht mehr ertragen. Aus der Kreisstadt Vaslui war sie aus Liebe zu Ion hierher gezogen. In dieses Drecknest im äußersten Nordosten Rumäniens, nicht weit der Grenze zu Moldawien. Sie hatte den Job als Näherin in einer Fabrik aufgegeben, in der Hoffnung mit Ion einen neuen Anfang zu machen. Mit ihren dreißig Jahren sehnte sie sich nach einer eigenen Familie. Zuviel Leid hatte ihr das Leben bisher zugefügt. Ions Versprechungen hatten sich nicht erfüllt. Nun saß sie hier. Hochschwanger, ohne Zukunftsperspektive. Nicht für sie, nicht für ihr ungeborenes Kind.

    Dorina sehnte sich nach der gemütlichen Wohnung ihrer Eltern. Nach ihrem winzigen Zimmer, nach ihrem Bruder Vlad. Wieder kollerte eine heiße Träne auf die stinkende Decke. Vor der primitiven Bauernhütte war Ions Ziehmutter mit dem Aufzäumen des Pferdes beschäftigt. Dorina hatte nie zuvor einen derart mageren Klepper gesehen. Das Tier tat ihr immer wieder leid, wenn es vor den Wagen gespannt wurde, um das klapprige Gefährt, mit den uralten Autoreifen als Untersatz, auf das einzige Feld der Familie zu ziehen.

    Vor der Alten hatte Dorina Angst. Die war verhärmt und gewalttätig. Erst kürzlich hatte sie ihr einen löchrigen Eimer nachgeworfen, weil sie mit der Säuberung des Stalles nicht zufrieden gewesen war. Seit sie schwanger war, hatte sich der Hass der alten Frau noch verstärkt. Dorina vermutete, dass die alte Spinne einfach nur eifersüchtig war und Angst hatte, dass Ion mit dem verdammten Flittchen aus der Stadt, so nannte sie Dorina ungeniert, einmal wegziehen würde und sie allein zurückblieb.

    Ich bleibe auf keinen Fall hier, dachte Dorina, und wenn ich zu Fuß nach Vaslui laufen muss. Es war einfach nicht auszuhalten hier. Sie hasste die schwarzen Raben auf den blattlosen Bäumen, die Nebelschwaden, die Tag für Tag über die Felder zogen, die einsilbigen Leute, stur und verbittert schlichen sie durch die einzige Dorfstraße, die streunenden Hunde und den ewigen Ostwind. Dies alles war ihr ein Gräuel, machte sie depressiv und nahm ihr jegliche Lebensfreude. Nein, es war vorbei, sie wollte weg, komme es, wie es wolle. Hier war die Zeit stehen geblieben, nichts deutete darauf hin, dass man das Jahr 2013 schrieb, eher fühlte man sich in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg versetzt.

    »Was hast du mir nicht schon alles versprochen, Ion? Das große Geld wirst du machen, mit dem Zigarettenschmuggel aus Moldawien. Und was war?

    Drei Monate hast du im Gefängnis verbracht. Wie du die riesige Geldstrafe zahlen willst? Kein Mensch weiß es. Nein, Ion. Du nimmst mich mit nach Österreich. Danach sehen wir weiter. Vielleicht können wir dort Fuß fassen. Du suchst dir eine ordentliche Arbeit und wir ziehen unser Kind groß. Hier gibt es für uns keine Zukunft. Schau hinaus, was siehst du?

    Ein uraltes Pferd, eine noch ältere Frau, die mich ständig drangsaliert und eine Bude, die noch diesen Winter einstürzen wird. Mein letztes Wort! Hier bleibe ich nicht. Aus, Schluss, Amen!«

    Sie war aufgestanden und stampfte mit dem Fuß wie ein ungezogenes Kind.

    »Was ist schon dabei, wenn ich mit dir im Auto sitze? Die anderen vier Typen sollen es sich im Laderaum gemütlich machen. Du bist schließlich der Boss. Oder etwa nicht?«

    Dorina sah Ion herausfordernd an. In ihren Augen blitzte das Temperament der Vorfahren. Ihr Großvater war noch als fahrender Roma durch Europa gezogen. Er war ein großartiger Clown gewesen, der absolute Star, in den bekanntesten Zirkusvorstellungen dieser Welt.

    Ion saß nachdenklich da. In seinem Inneren tobte ein Kampf. Er liebte Dorina. Keinesfalls wollte er sie verlieren. Andererseits erschien es ihm unmöglich, sie auf die bevorstehende Reise nach Österreich mitzunehmen. Seine vier Mitreisenden waren nicht das Problem. Er war der Boss der Truppe. Auch für diese Fahrt nach Österreich hatte er wieder vier junge Kerle ausgesucht, die froh waren, einige Euros verdienen zu können. Die bevorstehende Arbeit war anstrengend, wurde aber für rumänische Verhältnisse gut bezahlt.

    »Ich kann für euch den Haushalt führen, euch betreuen, euch zur Hand gehen. Bitte nimm mich mit. Lass mich hier nicht allein zurück.«

    Ihre Worte rissen ihn aus seiner Gedankenwelt.

    »Was soll ich meinem Auftraggeber sagen, Liebling? Ich habe dir erzählt, was wir dort machen, obwohl ich das gar nicht hätte tun dürfen. Ich musste unterschreiben zu keinem Menschen ein Wort über unseren Job zu verlieren. Es würde mich den gesamten Lohn kosten, womöglich mein Leben dazu. Meinem Auftraggeber traue ich auch einen Mord zu. Ein Menschenleben zählt für diese Leute nicht. Es geht um zu viel Kohle. Darum muss die Angelegenheit so geheim als irgend möglich ablaufen. Das verstehst du doch, nicht wahr?«

    »Deinem Boss wird es nicht auffallen, dass ich da bin. Ich kann mich verstecken. Außerdem hast du mir erzählt, dass ihr in der alten Lagerhalle alleine arbeitet. Tag und Nacht, rund um die Uhr. Ich könnte dir eine große Hilfe sein.«

    Sie strich ihm liebevoll über die Wange und hauchte einen Kuss auf sein Ohrläppchen.

    »Hast du überhaupt einen gültigen Reisepass?«

    Dorinas Miene hellte sich augenblicklich auf. Hoffnung keimte in ihren Augen. Sie nahm Ions Kopf in beide Hände und küsste ihn. Lange und innig.

    3

    Eine glutrote Sonne versank hinter den westlichen Spitzen des herrlichen Bergmassives.

    Am Wilden Kaiser war bereits der erste Schnee gefallen. Die breite Halde hinauf zum Ellmauer Tor wirkte wie ein riesiger Gletscher. Weiße Gipfel leuchteten im Abendrot und erzeugten eine mystische Stimmung, wie sie nur im weichen Licht des Spätherbstes zu erleben war.

    Im Tal war es für diese Jahreszeit ungewöhnlich warm. Altweibersommer nannten die Menschen der Gegend diesen herrlichen Abschnitt im Jahreskreis. Der bei der Damenwelt unbeliebte Ausdruck leitete sich vom warmen Licht des Spätherbstes ab, in dem unzählige lange weiße Spinnfäden tanzten, wie in Ehrfurcht ergrautes Frauenhaar.

    Heute ist Samstag, 23. November 2013, es ist Sechzehn Uhr, die Weltnachrichten....

    Benno Peréz lag in der breiten Hängematte auf der Terrasse seines Hauses. Aus den Lautsprecherboxen der modernen Musikanlage erklang die sonore Stimme des Nachrichtensprechers.

    Haus, war nicht der richtige Ausdruck, Villa, kam der Sache schon näher. Das imposante Anwesen, im Stil eines alten Tiroler Bauernhauses mit modernen Elementen, lag in wunderbarer Hanglage mit einem unglaublichen Ausblick auf die umliegende Bergwelt und den breiten Talboden mit den lieblichen Ortschaften.

    Ausgestattet mit Innenpool, Schwimmteich im parkähnlichen Garten und jedem sonst noch erdenklichen Luxus, zählte das Refugium zu den exquisitesten Immobilien in der Gegend. Es gab Leute, die gerne gewusst hätten wie Peréz zu diesem Luxus gekommen war. Niemand konnte genau sagen, womit der Mann sein Geld verdiente. Einige glaubten zu wissen, dass er im Investment-Banking tätig sei. Andere wieder tippten auf eine Erbschaft oder gar einen Lottotreffer.

    Natürlich gab es auch Gerüchte, dass Peréz von dunklen Geschäften lebe. Genau wusste nicht einmal das Finanzamt über Ursprung und Umfang des Reichtums Bescheid, zumal er es mithilfe seiner Berater verstand, die unglaublichsten Firmengeflechte, Stiftungen und Veranlagungen zu konstruieren. Seinen Hauptwohnsitz begründete er in Monaco. Hier in den Tiroler Bergen besaß er ein Feriendomizil, einen Zweitwohnsitz, wie in viele reiche Leute in dieser Gegend ihr Eigen nannten.

    Benno war 1970 als Benedikt Hummpelsperger in einem kleinen Dorf, nahe der österreichisch-ungarischen Grenze zur Welt gekommen. Seinen Vater, ein bulgarischer Gelegenheitsarbeiter, hatte er nie kennengelernt. Die Mutter konnte sich und den Jungen mit allerlei Jobs gerade so durch das Leben bringen. Sie hatte es sehr schwer gehabt. So wuchs Benno in nicht gerade geregelten Verhältnissen auf, kam schon in sehr jungen Jahren mit dem Gesetz in Konflikt und saß mehrere Jugendstrafen ab.

    Kaum volljährig geworden, war er endgültig zum Berufsverbrecher aufgestiegen. Zuhälterei, Mädchenhandel und Drogengeschäfte waren nun sein Betätigungsfeld. Es gab kaum eine strafrechtliche Facette, die er nicht ausprobiert hätte und so galt er bald als der große Boss am Wiener Gürtel, wo er ein Etablissement der käuflichen Liebe führte. Ein weiteres Freudenhaus im Salzburger Land, nicht weit von Bayern und Tirol entfernt, stand damals auch unter seiner Kontrolle. Zusammen mit einem ukrainischen Kompagnon überfiel er mehrere Banken. Bei einem dieser Raubzüge erschoss er einen Wachmann, was ihm schließlich fast zum Verhängnis geworden wäre. Die Polizei knapp auf den Fersen, musste Humpel, wie er in der Szene genannt wurde, das Land schleunigst verlassen. Kurz vor dem Jahrtausendwechsel flüchtete er nach Südamerika, nicht ohne vorher seinen ukrainischen Kumpel als Statthalter seiner Geschäfte in Österreich eingesetzt zu haben.

    In Ecuador lernte

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