Das Dämonendorf
Von Skadi Auriel
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Buchvorschau
Das Dämonendorf - Skadi Auriel
Impressum
© 2023 Skadi Auriel
Erstauflage
Autor: Skadi Auriel
Umschlaggestaltung: Skadi Auriel
Lektorat, Korrektorat: Patrick Brehmer, Corinna Berz
Verlag & Druck: Bookmundo, Delftestraat 33, 3013AE Rotterdam
ISBN: 9789403717739
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Widmungen
Ich widme dieses Buch meinem Partner, der immer wie ein starker Fels an meiner Seite ist.
Prolog
Ein unbekannter Ort, 2022
Martins Handgelenke schmerzten und das Hämatom an seinem rechten Auge pochte wie wild. Blut rann aus seiner aufgeplatzten Lippe. Er schwitzte und sein Herz raste. Das raue Seil schnitt bei jeder Bewegung in seine Haut ein. Ein Scheinwerfer beschien seine Position. Die Nacht hatte das Kommando am Himmel übernommen und dementsprechend wenig Licht fiel ins alte Gebäude. Die Säulen der Kirche lagen im Dunkeln. Auf dem blutigen Altar stand statt des Kreuzes ein seltsames in Eisen umgesetztes Symbol. Dabei handelte es sich um ein W mit einem Halbkreis hindurch. Daneben lag ein Messer. Es war so still, dass er die draußen fallenden Regentropfen hören konnte. Seine Häscher hatten ihn kurz alleine gelassen. Verzweifelt bewegte er den alten Holzstuhl hin und her. Seine Hände wand er in den Fesseln. Verdammt, er war erst 28 Jahre alt und wollte noch nicht sterben. Er schloss die Augen und entfloh der grausigen Realität.
Seine geliebte Frau lag im Krankenbett und lächelte ihn an. Ihre schwarze Mähne war wirr und verschwitzt. Ein kleines schreiendes Bündel lag in ihren Armen. Obwohl sie Erschöpfung ausstrahlte, wirkte sie selig und zufrieden.
„Dein Sohn", hauchte sie und übergab Martin das Neugeborene.
Mit zitternden Händen nahm er den in ein Handtuch eingeschlagenen Säugling an, wobei er darauf achtete, immer einen Arm unter seinem Kopf zu haben. Er konnte kaum glauben, dass dieses kleine Würmchen sein Sohn war. Er hatte zusammen mit seiner Frau ein Lebewesen erschaffen.
„Na, Simon. Mit dem Zeigefinger streichelte er ihm über den noch unbehaarten Kopf. „Kleiner Mann, ich werde, solange ich kann, auf dich aufpassen. Ich bin so stolz auf dich
, er küsste seine Frau auf den Mund, „und deine wundervolle Mama."
Simon schrie und ließ sich durch sanftes hin und her Wiegen wieder besänftigen. Neugierig schaute er sich in der für ihn neuen Welt um.
Ein Knacken an der rechten Armlehne verriet Martin, dass er mit seinen Bemühungen Erfolg hatte. Er öffnet die Augen und erkannte erleichtert, dass er immer noch alleine war. Schon für seine Familie wollte er überleben. Er wackelte weiter und auch das Stuhlbein knackte. Er stürzte samt Sitzgelegenheit zu Boden. Endlich hatte er seine rechte Hand gelöst und machte sich daran, seinen anderen Gliedmaßen zur Freiheit zu verhelfen.
Auf einmal nahm er ein staksendes Geräusch im Dunkeln wahr. Im Schatten huschte etwas hin und her. Es stieß sich ab und landete zwei Meter höher an der Säule, wo es sich festhielt. Es schnarrte und gluckste gierig. Todesangst durchströmte den noch gefesselten Martin, der seine Bemühungen verstärkte. Die verschwitzten Hände machten es ihm nicht unbedingt leichter. Endlich hatte er sich befreit. Seine Gedanken überschlugen sich, was wohl im Dunkeln auf ihn wartete und wie er sich wehren konnte. Verdammt, was war, wenn er jetzt starb? Er wollte doch seinen Sohn aufwachsen sehen. Mit wenigen Schritten war er beim Altar und ergriff das blutige Jagdmesser. Da der Haupteingang vielleicht bewacht war, entschied er sich dazu, durch die Sakristei abzuhauen. Ständig die Umgebung mit seinen Augen absuchend, zog er sich dorthin zurück. Der dunkle Schatten sprang zur nächsten Säule und landete irgendwo in der Schwärze. Erneut erklangen staksige Geräusche, die sich ihm näherten.
Er durchquerte die Sakristei, zwei Räume, die im Dunkeln lagen, und öffnete vorsichtig die Tür nach draußen. Vor ihm eröffneten sich verwinkelte Gassen und baufällige Häuser. Mit Beinen wie aus Gummi verließ er die Kirche und entschied sich für die mittlere Straße. Sie war mit Schlaglöchern durchsetzt. Von der anderen Seite her ertönten Stimmen, die in einer für ihn unbekannten Sprache redeten. Sie näherten sich und er hatte keinen Fluchtweg.
„Scheiße", fluchte er leise.
Neben ihm ging eine Tür auf und ein mittelgroßer Mann, der ein Holzfällerhemd trug, winkte ihn zu sich. Das Messer in der Hand haltend kam Martin dem nach. Sofort, nachdem er eingetreten war, schloss der Helfer in der Not die Tür. Ohne einen Ton zu sagen warteten die beiden Männer ab, bis die Gruppe vorbeigegangen war. Sein Retter sagte etwas in der ihm unbekannten Sprache, woraufhin er mit dem Kopf schüttelte.
„Don’t speak your language, teilte Martin mit. „Ich spreche deine Sprache nicht.
Sein Gegenüber überreichte ihm einen grauen Hoodie. Mit einer Geste deutete er an, die Kapuze über den Kopf zu ziehen. Martin zog das muffig riechende Kleidungsstück an und nickte dankend. Die mitfühlende Art erinnerte ihn an seine drei Freunde, mit denen er eine großartige Reise angetreten hatte. Die war anders verlaufen, als sie es sich gewünscht hatten. Alle Drei hatten in diesem verdammten Dorf ihr Leben verloren. Unbändige Wut auf diese Wahnsinnigen und dieses seltsame Etwas in der Kirche stieg in ihm hoch.
Er deutete auf sich. „Martin."
„Lucian", antwortete sein Gegenüber und deutete ihm an, dass er folgen sollte.
Zusammen verließen sie das Haus und Lucian führte seinen Schützling durch mehrere Gassen. Auf Distanz begegneten sie weiteren Dorfbewohnern, die keinen Verdacht schöpften.
Sie erreichten den Außenbezirk des Dorfes und fünf Männer und Frauen kamen auf sie zu. Hektisch schauten Lucian und Martin sich um, ohne einen Ausweg zu entdecken. Als die kleine Gruppe nahe genug war, erkannten sie den Flüchtigen. Vor Wut verzerrten sich ihre Antlitze. Lucian schlug einem Mann in den Magen und einer Frau ins Gesicht. Er schrie seinem Schützling etwas zu, was dieser nicht verstand und zeigte in den Wald. Martin trat einem Gegner gegen das Knie. Ihre drei Kontrahenten schrien in der nicht bekannten Sprache und aus dem Hintergrund ertönten mehrere Stimmen, die sich näherten.
,Verdammt, er will sie ablenken’, begriff Martin. ,Wir können nicht alle besiegen.‘
Schweren Herzens rannte er los. Lucian kämpfte tapfer, wenn auch auf verlorenem Posten, gegen seine eigenen Leute.
Martin hetzte in den Wald. Äste peitschten in sein Gesicht. Er rannte um sein Leben und seine Lunge brannte wie Feuer. Seine schwarzen kurzen und wirren Haare trieften vor Schweiß. Hechelnd blieb er stehen und blickte sich in alle Richtungen um. Durfte er sich erlauben, durchzuatmen? Hatte er seine Verfolger abgeschüttelt?
Er drückte sich hinter einen Baum, auf dem Vögel ein- und ausflogen, als sei alles in Ordnung. Die Wolken am Himmel verwehrten dem Mond einen Zuschauerplatz für die Geschehnisse auf der Welt. Martin fiel es schwer, etwas zu erkennen. Viele alte Waldbewohner standen dicht an dicht. Ihr Wurzelwerk zog sich an einigen Stellen über den Boden. Der Brand in seiner Lunge verwandelte sich in ein kleines Feuer. Er fühlte sich wieder in der Lage, weiterzulaufen. Aber wie lange noch?
„Verdammte Scheiße", fluchte er leise und hoffte, dass es keiner gehört hatte.
Der Schreck über seine Unvorsichtigkeit ließ ihn wie bei einem Stromschlag zusammenzucken. Ein unmenschliches schrilles Kreischen erschallte im Wald und näherte sich. Dazu gesellten sich menschliche Schreie.
Ein Verfolger rief etwas in der unbekannten Sprache. Hass triefte aus der männlichen Stimme.
,Mist, die geben nicht auf. Lucian, was sie wohl mit ihm tun?‘ Salzig schmeckender Schweiß rann Martins Gesicht herunter.
Sofort rannte er weiter und stolperte. Er kullerte einen Hang hinunter. Auf seinem Weg schlugen ihm Äste und Blätter ins Gesicht. Er prallte gegen einen Baumstamm und unterdrückte einen Schmerzensschrei. Stechende Pein erfüllte seinen linken Fuß, als er ihn belastete.
,Scheiße, scheiße, scheiße. Der ist wohl verstaucht‘, fluchte er im Geiste.
Er erspähte in zehn Metern Entfernung eine Hütte. Die Geräuschkulisse im Hintergrund nahm weiter zu. Erneut erklang das unmenschliche Gekreische. Er sprintete, so gut es seine Verletzung zuließ, in die Behausung.
Ein für ihn nicht verständlicher Ruf auf Rumänisch folgte. Martin bemerkte, dass die Angreifer Kurs auf seinen Zufluchtsort nahmen. Mit pochendem Herzen und schweißnassen Händen sah er sich um. Sein Blick glitt über das schmutzige Bett, marode Wandschränke, Tische und eine kleine Küchenzeile. Er duckte sich und rollte sich unter die Schlafgelegenheit.
Er flehte das Schicksal um Hilfe an: ,Bitte, schaut nicht hier nach.‘
Von seiner Position aus sah er Füße und Licht von Taschenlampen. Seine Verfolger riefen sich Worte zu, die er nicht verstand.
Klackende Schritte, die sich nicht menschlich anhörten, kamen die Treppe hoch. Schwarze klauenartige Füße mit scharfen Krallen liefen vor seinem Versteck auf und ab. Etwas schnarrte und gluckste gierig, dann ertönte ein unmenschlich klingender Schrei. Der sendete einen kalten Schauer über Martins Rücken und er bebte am ganzen Leib. Er dachte an das Wesen in der Kirche. Es kostete ihn all seine Selbstbeherrschung, nicht laut aufzuschreien. Er schloss die Augen und ließ das Bild von seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn in sich hochsteigen. Diese Vorstellung verlieh ihm die Kraft, durchzuhalten.
Eine gefühlte Ewigkeit später verließen alle, auch das seltsame Wesen, die Hütte. Mehrere Minuten lang verharrte der am ganzen Körper zitternde Martin. Der Schmerz hatte sich in seinem Knöchel häuslich eingerichtet. Sein Herz pochte. Er wollte nicht sterben.
Vorsichtig kroch er unter dem Bett hervor und kniete sich hin, um unterhalb des Fensters zu bleiben. Der Blick hinaus verriet, dass niemand in seiner Nähe war. Soweit er das bei der Dunkelheit überhaupt feststellen konnte. Weiter weg erkannte er zwei Taschenlampen. Die Gunst der Stunde nutzend verließ er humpelnd die Hütte.
Nur wenige Meter entfernt entdeckte er einen Drahtzaun, der das Gelände abriegelte.
Martin erlaubte einem Funken Hoffnung, zu erglimmen. ,Wenn ich es darüber schaffe.‘
Kurz darauf schrie er vor Schmerz auf, als er seinen verstauchten Knöchel belastete. Einen Sekundenbruchteil später kreischte etwas schrill auf und Schritte näherten sich.
„Scheiße!", stieß Martin zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
Endlich erreichte er den Zaun und griff danach, um ihn zu erklimmen. Ihm war noch nicht mal die Zeit vergönnt, um zu schreien. Es ertönte ein Zischen, ein Knall. Mehrere tausend Volt jagten durch seinen gequälten Körper. Rauch stieg von ihm auf. Sein toter Leib schlug auf dem Boden auf.
1. Kapitel
Mönchengladbach, August 2022