Pensioniert- und jetzt?: Alltagsgestaltung für Menschen mit einer geistigen Behinderung nach ihrer Pensionierung
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Über dieses E-Book
Bernadette Widmer
Die Autorin Bernadette Widmer arbeitet seit über 10 Jahren im Altersbereich und hat dort mehrere Aktivierungsbereiche professionell aufgebaut und geleitet. Die personenorientierte Alltagsgestaltung liegt ihr sehr am Herzen, bringt jedoch auch viele Herausforderungen mit sich, welche immer wieder neuer Anpassungen bedürfen. Aufgrund der steigenden Anzahl von Menschen mit Demenz und immer älter werdenden Menschen mit geistiger Behinderung, hat Sie das Gerontologiestudium mit Schwerpunkt Demenz und Lebensgestaltung abgeschlossen.
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Buchvorschau
Pensioniert- und jetzt? - Bernadette Widmer
Pensioniert- und jetzt?
Pensioniert - und jetzt?
Abstract
1. Einleitung
1.2. Ziel
2. Wissenschaftliche Fundierung: Recherchebericht zum Forschungsstand
2.2. Menschen mit geistiger Behinderung
2.3. Pensionierung
2.4. Tagesstruktur
2.5. Aktivierung
2.5.1. Gerontologische Modelle
2.6. Wünsche und Bedürfnisse
3. Fragestellung
3.2. Forschungsbedarf
3.3. Fragestellung
3.4. Anliegen und Abgrenzung
4. Methodisches Vorgehen
4.2. Erhebungs- und Auswertungsmethode
5. Ergebnisse
5.1.2. Aktuelle Umfrage
5.2. Querverbindungen zu den theoretischen Grundlagen
5.2.1. Alter
5.2.2. Menschen mit geistiger Behinderung
5.2.3. Pensionierung
5.2.4. Tagesstruktur
5.2.5. Aktivierung
5.2.5.1. Gerontologische Modelle
5.2.6. Wünsche und Bedürfnisse
5.3. Bezug zur Fragestellung
6. Diskussion
6.2. Kritische Auseinandersetzung zum methodischen Vorgehen
6.3. Weiterführende Gedanken, Ideen und Fragen
6.4. Resümee
Literaturverzeichnis
Dank
Selbständigkeitserklärung
Impressum
Pensioniert - und jetzt?
Aktivierung als Tagesstrukturgestaltung für Menschen mit geistiger Behinderung nach ihrer Pensionierung
Masterarbeit
eingereicht im Rahmen des Studienganges MAS Gerontologie -
Altern: Lebensgestaltung 50+
2013-2017
vorgelegt von Bernadette Widmer
Datum des Einreichens 21. April 2017
Referent Prof. Stefan Ribler
Abstract
Mit der steigenden Anzahl an Pensionären im Behindertenbereich, wird der Bedarf an geeigneten Tagesstrukturkonzepten immer dringender. Da diese Thematik im deutschsprachigen Raum noch relativ unerforscht ist, greift die Autorin ein aktuelles und bisher wenig untersuchtes Thema auf. Laut Fachliteratur erhöht ein vielfältiges Angebot das Wohlbefinden im Alter, fördert die Gesundheit und schützt vor negativen Symptomen wie Depression oder Vereinsamung. Das Johanneum – Lebensraum für Menschen mit geistiger Behinderung – reagierte aufgrund dessen vor drei Jahren mit der Bildung eines Aktivierungsbereiches auf diese Entwicklung. Dessen Angebote basieren auf dem Wissen aus der allgemeinen Altersarbeit und reichen von körperlichen, über geistige, bis hin zu musischen und kreativen Aktivitäten.
Diese Arbeit klärt die Frage, wie das Aktivierungsangebot beschaffen sein muss, damit es den Wünschen und Bedürfnissen der Pensionäre mit geistiger Behinderung, die im Johanneum leben, entspricht. Dabei war es der Autorin wichtig, die Betroffenen direkt zu befragen, was laut Literaturanalyse selten gemacht wird. Hierfür setzte sie einen Fragebogen, basierend auf „Leichter Sprache und „Unterstützter Kommunikation
ein.
Die übereinstimmenden Aussagen der Fachleute aus der allgemeinen Gerontologie, der Aktivierung und der Behindertenarbeit wiesen darauf hin, dass sich das Aktivierungsangebot zur Tagesstrukturgestaltung für Menschen mit geistiger Behinderung eignet. Die Umfrageergebnisse untermauern bestehende Studien und zeigen auf, dass die Freizeitbedürfnisse von Menschen mit geistiger Behinderung und nichtbehinderten Menschen übereinstimmen, erstere jedoch mehr Begleitung und Unterstützung in deren Umsetzung benötigen. Zudem berücksichtigt die Aktivierung die, in der Fachliteratur stark gewichtete, selbstbestimmte und individuell angepasste Alltagsgestaltung der Pensionäre. Dabei geht es nicht nur darum, den Alltag zu strukturieren, sondern gleichzeitig sinnerfüllte und sinnstiftende Handlungen zu ermöglichen. Auch ein Gespräch oder in einem bequemen Stuhl sitzend aus dem Fenster zu schauen, kann sinnstiftend sein. Die Umfrage ergab zudem, dass die meisten Pensionäre den Ruhestand geniessen, jedoch für einige von ihnen Freiwilligenarbeit ein Thema ist.
Fazit: Das bestehende Aktivierungsangebot deckt die Bedürfnisse der Klientel ab. Zusätzlich formulierte Wünsche werden als Anstoss zur Weiterentwicklung aufgenommen.
1. Einleitung
1.1. Themenwahl und Forschungsidee
Die Lebenserwartung von Menschen mit geistiger Behinderung war noch nie so hoch wie heute. Das bedeutet, dass eine immer grössere Gruppe von Menschen mit Behinderung das Rentenalter erreicht. Durch den Wegfall der Arbeit bei der Pensionierung entsteht eine neuartige Lücke, die durch die bisher bestehenden Bereiche Wohnen, Arbeit und Freizeit nicht geschlossen werden kann. Viele Institutionen sind jedoch (noch) nicht darauf ausgerichtet, der älteren Klientel eine adäquate ganztägige Begleitung zu bieten oder anderweitige Alternativen zu eröffnen. Der Arbeitgeber der Autorin, das Johanneum, ist eine Institution, die 220 Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung, Entwicklungsstörungen oder Lernbehinderung, Lebensraum bietet. Nebst verschiedenen Wohnmöglichkeiten, können die Klienten Sonderschulen besuchen, eine Ausbildung machen oder in den geschützten Werkstätten arbeiten. Auch hier zeichnete sich bereits vor einigen Jahren eine steigende Zahl an älteren Menschen ab, was Umstrukturierungen und Anpassungen zur Folge hatte. So wurde unter anderem das Betriebskonzept des Erwachsenenbereichs überarbeitet und Anpassungen für die ältere und ressourcenschwächere Klientel im Bereich Wohnen und Arbeiten vorgenommen. Neu geschaffen wurde der Aktivierungsbereich. Dieser sollte das Tagesstrukturangebot der Wohngruppen für die Pensionäre ergänzen. In den vergangenen drei Jahren konnte die Autorin erste Aufbauarbeiten in der Aktivierung vornehmen. Heute steht für die Pensionäre ein breites Angebot zur Auswahl, welches die Autorin aus ihrer vorhergehenden Arbeit in der klassischen Aktivierung in Alters- und Pflegeheimen kannte. Obwohl die Angebote sehr beliebt sind, stellt sich die Frage, ob diese tatsächlich den Bedürfnissen der Teilnehmenden entsprechen und ob sie auch mit den Empfehlungen aus der Fachliteratur übereinstimmen. Für die Autorin ist unklar, ob Menschen mit geistiger Behinderung andere Angebote bevorzugen oder andere Strukturen benötigen würden. Um die Bedürfnisse und Wünsche der Pensionäre besser kennenzulernen und entsprechende Massnahmen und Verbesserungen einleiten zu können, wurde bei den Aktivierungsteilnehmenden im vergangenen Herbst eine erste kleine Umfrage durchgeführt. Nun soll diese erweitert und vertieft werden. Das Angebot soll nicht die Nachfrage bestimmen, sondern die Nachfrage das Angebot. Somit würde auch dem übergeordneten Ziel der Institution, die Befähigung der Klientel zu grösstmöglicher Autonomie und Partizipation in der individuellen Lebensgestaltung, Rechnung getragen (Johanneum, 2011).
1.2. Ziel
Die Durchführung der Umfrage über die Wünsche und Bedürfnisse der Pensionäre dient dazu, eine auf die Klientel abgestimmte Tagesgestaltung nach der Pensionierung im Rahmen der Aktivierung anbieten zu können. Mit der Studie soll zudem der Klientel ein grösserer Stellenwert zukommen, da sie bis heute erst wenig in institutionelle Veränderungen miteinbezogen worden sind. Sie sollen soweit wie möglich selber bestimmen.
Da die Altersthematik im Behindertenbereich relativ neu ist und noch kaum Konzepte für die Alltagsgestaltung von Pensionären vorhanden sind, kann es auch für andere Institutionen interessant sein, von einem auf die Klientel abgestimmten und sich bewährten Angebot zu erfahren. Zudem bestehen im deutschsprachigen Raum noch kaum Studien zur Thematik der Tagesstrukturgestaltung von Menschen mit geistiger Behinderung nach der Pensionierung. Deshalb kann diese Arbeit einerseits zu breiterem Wissen über die Bedürfnisse von Menschen mit geistiger Behinderung beitragen, andererseits kann die Durchführung der Befragung andere Bereiche im Johanneum oder gar andere Institutionen ermutigen, selber Befragungen durchzuführen und so die Klientel miteinzubeziehen.
Ebenso könnte es für Ausbildungsinstitutionen von Aktivierungsfachpersonen einen wichtigen Hinweis zur Festlegung von Schwerpunkten in der Schulung geben.
2. Wissenschaftliche Fundierung: Recherchebericht zum Forschungsstand
2.1. Alter
Nach Schäper und Graumann (2012) hat die Gerontologie die Menschen mit geistiger Behinderung erst in den letzten Jahren als Adressatengruppe wahrgenommen. Zwar wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten vielfältige Angebote zur Lebensgestaltung für Menschen mit geistiger Behinderung geschaffen, so Komp (1995), die Frage, wie die Betroffenen altern oder im Alter leben sollen, ist jedoch bis heute noch weitestgehend ungeklärt. Obwohl bereits 1987 von Bernath (zit. n. Fässler-Weibel & Jeltsch-Schudel, 2008) darauf hingewiesen wurde, dass entsprechende Angebote für die Begleitung älterer Menschen mit geistiger Behinderung geplant werden müssen, fehlen laut Jeltsch-Schudel (2009a) und Komp (1995) noch immer Konzepte für diese Gruppe. Schäper und Graumann (2012) führen dies auf die dieser Personengruppe überwiegend negativen Zuschreibungen, alt und behindert, zu. In gesellschaftlichen Diskursen werden Menschen mit geistiger Behinderung, die alt werden, nicht thematisiert und auch in der Reform der Pflegeversicherung oder der Entwicklung von Angebotsstrukturen nicht mitbedacht (s. Höpflinger & Hugentobler, 2005; Wacker, 2001) – Schäper und Graumann (2012) sprechen dabei vom „unsichtbar" machen. Da es noch nicht viele alte Menschen mit lebenslanger Behinderung gibt, empfehlen Haveman und Stöppler (2010) deshalb Lösungen, Konzepte und Methoden aus der allgemeinen Gerontologie einzuholen.
Das Thema Alter ist heute und für die kommenden Jahre als grosse Herausforderung zu werten (s. Schäper & Graumann, 2012; Sutter, Kägi & Gasser, 2009). Denn dank des Fortschritts im medizinischen Bereich und in der sozialen Versorgung, gleicht sich die Altersentwicklung in der Gruppe der Menschen mit geistiger Behinderung, laut Schäper und Graumann (2012) sowie Berghaus, Knapic & Sievert (1995), immer mehr an die der Allgemeinbevölkerung an. In den kommenden Jahren wird erstmals eine Vielzahl an Menschen mit geistiger Behinderung das Rentenalter erreichen. Laut Jeltsch-Schudel (2009b) und Roters-Möller (2009) ist es jedoch schwierig, Aussagen über die aktuelle Anzahl und somit auch über die Entwicklung von älteren Menschen mit geistiger Behinderung zu treffen, da in der Schweiz weder eine Erfassung noch eine spezielle Behindertenstatistik existiert. Eine Umfrage von Wicki (2015) in Schweizer Behinderteninstitutionen ergab, dass im Jahr 2015 ungefähr 10% der Bewohner pensioniert waren. Das Durchschnittsalter lag dabei bei 44,9 Jahren, 40% waren bereits über 50 Jahre alt. Dies deckt sich mit den Berechnungen von Dieckmann