Kompetenzen älterer Menschen: Lehrbuch zur praktischen Umsetzung des umfassenden Pflegebedürftigkeitsbegriffs, Band 1
Von Susette Schumann
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Kompetenzen älterer Menschen - Susette Schumann
Stichwortverzeichnis
1 Darstellung einer methodischen Vorgehensweise: den Einzelfall verstehen
Den Einzelfall verstehen: es stellt sich zu Beginn die Frage, was im Zusammenhang mit den Ressourcen und Kompetenzen des älteren Menschen als »Einzel« und was als »Fall« bezeichnet werden kann?
»Einzel« kann für ein singuläres Ereignis, eine individuelle Situation, einen persönlichen Wunsch, ein persönliches Ziel, für eine Person und Persönlichkeit aber auch für eine am einzelnen Menschen ausgerichtete professionelle Aufgabe, Anforderung und deren Ergebnis stehen. Dem folgt eine an der einzelnen Person orientierte Problemlösung zur Bewahrung oder der Erweiterung ihrer persönlichen Kompetenzen¹.
Als »Fall« kann etwas bezeichnet werden, womit eine Person rechnen muss, z. B. eine bestimmte Angelegenheit klären zu müssen oder das Auftreten oder Vorhandensein einer Erkrankung oder Einschränkung, die der professionellen Unterstützung bedarf².
Das »Verstehen« des Einzelfalls als person-orientierter Ansatz bezieht sich auf die Wahrnehmung und die Deutung von verbal kommunizierten Worten, beobachteter Handlungen oder Situationen als Ausdruck nonverbaler Kommunikation. Dazu zählt, etwas sowohl kognitiv als auch intuitiv zu erfassen oder zu durchdringen, etwas deutlich wahrnehmen zu können, eine gute, vom gegenseitigen Verständnis getragene Beziehung haben oder etwas gut und sicher können³.
Abb. 1).
Abb. 1: Chronologie und inhaltliche Bedeutung des Verstehens des Einzelfalls
Der erste Schritt ist das Kennenlernen und die Wahrnehmung einer Person oder einer Situation durch die Kommunikation miteinander. Sie kann verbal, nonverbal oder eine Mischung aus beidem sein. Im Laufe der Kommunikation sollen die persönlichen Wünsche und auch die Ziele des älteren Menschen deutlich werden, denn in der Regel wird er sehr ausführlich das aktuelle Problem bei der Alltagsgestaltung schildern, dies bietet die Möglichkeit die persönliche Situation aber auch den Leidensdruck zu schildern. Die Pflegende, nimmt diese Schilderungen auf und deutet sie aus ihrer und aus der Perspektive des älteren Menschen sowie aus ihrer pflegefachlichen Perspektive und bietet die gemeinsame Erarbeitung einer persönlichen Problemlösung an.
Der zweite Schritt ist die gemeinsame Suche nach der Lösung des identifizieren Problems. Die gemeinsam erarbeitete und ausgehandelte Problemlösung und deren Umsetzung begründet eine Beziehung oder ein Arbeitsbündnis auf Zeit, das die Stärkung der individuellen Kompetenzen zum Ziel hat.
Die beiden ersten Schritte sind begleitet von einem kontinuierlichen Verstehensprozess, der nie abgeschlossen sein wird, denn jede neue Information, Situation oder Ziel kann den Problemlösungsprozess und die individuelle Förderung verändern und seine Evaluation nach sich ziehen. Konsequenterweise ändern sich dann auch die pflegerischen Interventionen.
Der Verstehensprozess ist sehr vielschichtig und kann unter drei sich beeinflussenden Aspekten gesehen werden: in der Kommunikation findet die Deutung von Worten und Handlungen beider Gesprächspartner statt. Jeder der Beteiligten hat allerdings seine eigene Sicht auf die Situation oder auf die Person gegenüber. Um diese unterschiedlichen Perspektiven abzugleichen und sich über das richtige Verständnis zu vergewissern, ist die Deutung der Kommunikation und der Handlungen wesentlich. Damit wird es möglich, die individuelle Wahrnehmung des älteren Menschen und die professionelle der Pflegenden in Übereinstimmung zu bringen oder Diskrepanzen zu benennen. Hier setzt dann der oben benannte Aushandlungsprozess