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Mein Jahr als biblische Frau: Eine moderne Frau lebt nach biblischen Traditionen und entdeckt überraschend Zeitloses.
Mein Jahr als biblische Frau: Eine moderne Frau lebt nach biblischen Traditionen und entdeckt überraschend Zeitloses.
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eBook314 Seiten5 Stunden

Mein Jahr als biblische Frau: Eine moderne Frau lebt nach biblischen Traditionen und entdeckt überraschend Zeitloses.

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Über dieses E-Book

Rachel steht mitten im Leben, ist verheiratet und macht beruflich Karriere. Die überzeugte Christin glaubt an Gott und liest regelmäßig in der Bibel. Trotzdem stand sie bisher eher auf Kriegsfuß mit der "Superfrau" aus dem biblischen Buch der Sprichwörter. Als einige ihrer Freundinnen erklären, sie wollen "biblischer leben", ihrer Karriere den Rücken kehren und häuslich werden, stimmt sie das nachdenklich.

Ist das wirklich der richtige Weg, als Frau nach der Bibel zu leben? Rachel will es wissen und versucht ein Jahr lang, so biblisch wie möglich zu leben. Dabei nimmt sie so manche Passage wörtlich. Einige ihrer Maßnahmen scheinen absurd, andere genial. Auf ihrer Reise in die Vergangenheit dringt Rachel tief zum Kern biblischer Aussagen vor und entdeckt überraschend Zeitloses.
SpracheDeutsch
HerausgeberGerth Medien
Erscheinungsdatum24. Feb. 2014
ISBN9783961220458
Mein Jahr als biblische Frau: Eine moderne Frau lebt nach biblischen Traditionen und entdeckt überraschend Zeitloses.

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    Buchvorschau

    Mein Jahr als biblische Frau - Rachel Held Evans

    Vorwort

    Seht die Lilien an – ist das einzige Gebot,

    das ich jemals befolgt habe.

    Emily Dickinson

    Ich saß im Friseursalon und schaute mich im Frisierspiegel an: Was um Himmels willen war mit der Frau passiert, die vor genau einem Jahr auf demselben Stuhl gesessen hatte?

    Nach 368 Tagen waren meine Haare fast doppelt so lang. Ich hatte sechs Kilo zugenommen, eine leichte Sucht nach ungesäuertem Brot entwickelt und war dreißig geworden. Außerdem hatte ich mich an einen Kleidungsstil aus übergroßen T-Shirts und Folkloreröcken gewöhnt.

    Eine hübsche blonde Friseurin fuhr mit ihren Fingern durch mein Monsterhaar. Dabei verfingen sich ihre Nägel ein paar Mal in meinen straßenköterbraunen Zotteln. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie in einem zuckersüßen Ton.

    »Also mein letzter Haarschnitt liegt jetzt ungefähr ein Jahr zurück«, sagte ich. »Und wie Sie merken, ist mein Haar zu dick, um es einfach so wachsen zu lassen, ohne … na ja, dass es Folgen hat. Ich möchte also, dass Sie es wieder in Ordnung bringen.«

    »Aber warum haben Sie denn ein Jahr lang Ihr Haar nicht schneiden lassen?«, fragte sie.

    Warum? Das haben die Leute auch jedes Mal gefragt, wenn ich beim Beten den Kopf bedeckte oder meinen Mann mit »Meister« ansprach. Als ich einen Nachmittag auf dem Dach unseres Hauses verbrachte, ein computergesteuertes Baby adoptierte und während meiner Periode in einem Zelt in unserem Vorgarten kampierte. Genau diese Frage hörte ich auch, als ich eine Meerschweinchenfarm in Bolivien und ein Benediktinerkloster besuchte. Eigentlich bin ich eine ganz und gar moderne Frau, die in Sachen Haushalt nicht unbedingt versiert ist. Vor einem Jahr konnte ich noch nicht einmal einen Knopf annähen! Was bringt jemanden wie mich urpötzlich zum Backen, Stricken und Nähen?

    Ahnungslos schaute mich meine Friseurin an. Sollte ich ihr erklären, dass ich meine Haare nicht schneiden lassen habe, weil vor zweitausend Jahren ein jüdischer Zeltmacher einen Brief an seine Freunde in der Stadt Korinth geschrieben hat, in dem er unter anderem erwähnt, dass »lange Haare eine Ehre für die Frau« sind (1. Korinther 11,15)? Nein! Ich entschied mich, ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Schließlich konnte ich schlecht wegrennen, nachdem sie mir einen Plastikumhang umgelegt und ungefähr ein Dutzend Schmetterlingsklipps ins Haar geklemmt hatte. Während um uns herum Haartrockner laut brummten und meine »Ehre« büschelweise zu Boden fiel, erzählte ich ihr alles von meinem Jahr, in dem ich »biblisches Frausein« ganz praktisch gelebt hatte:

    wie ich versucht hatte, sämtliche Bibelstellen über Frauen zu durchforschen und praktisch in meinem Alltag umzusetzen – vom Alten bis zum Neuen Testament. Wie ich biblische Tugenden leben wollte – von Sanftmut und Sex über Häuslichkeit und Unterordnung bis hin zu Mut und Gerechtigkeit. Und wie ich verschiedene biblische Übertragungen für Frauen praktiziert habe – von Jüdinnen über Nonnen und Amisch bis hin zu konservativen Evangelikalen.

    Am Ende dieses Jahres – so dachte ich anfangs – wüsste ich besser, wie »echtes biblisches Frausein« aussieht. Aber wahrscheinlich hätte ich genug von der Bibel und würde gern mal was anderes lesen. Doch ich war überrascht: Je länger ich mit den Texten der Bibel kämpfte, desto mehr lernte ich die Bibel wieder lieben. Und zwar für das, was sie ist, und nicht für das, wie ich sie gerne hätte.

    Die Bibel ist ein heiliges Buch, dessen Weisheit meine weit übersteigt und mich aufruft, dem Geschriebenen demütig zu begegnen und mich hinterfragen zu lassen.

    • • •

    Ich bin in einem evangelikalen Umfeld aufgewachsen. Mein Frauenbild war deshalb vorgeprägt. Als ich das erste Mal Joyce Meyer im Fernsehen predigen hörte, war ich überzeugt, dass sie in die Hölle kommen würde. Ich war damals ungefähr neun Jahre alt, doch ich erinnere mich noch ganz genau daran: Sie hatte einen Kurzhaarschnitt, trug einen roten Hosenanzug und große goldene Ohrringe. Sie ging auf der Bühne hin und her – in der einen Hand das Mikrofon, in der anderen eine Bibel – und sprach mit einer Überzeugungskraft und Dringlichkeit, die ich nie zuvor erlebt hatte. Ihre Selbstsicherheit machte mir Angst. Wie konnte sie nur bei all der Sünde, die sie allein schon durch ihr Auftreten auf sich lud, dermaßen dreist reden? Wie konnte sie davon reden, dass Gott Freude an uns hat, wo doch jeder wusste, dass Frauen nicht das Wort Gottes predigen dürfen? Nach Aussage meiner Sonntagschullehrer war das nämlich eine Aufgabe, die ausschließlich Männern vorbehalten war.

    Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon jede Menge unterschiedlicher Aussagen über die angemessene Rolle der Frau zu Hause, in der Gemeinde und in der Gesellschaft allgemein zu hören bekommen. Jede dieser Aussagen wurde unterstrichen mit der Behauptung, es sei Gottes Wille, dass alle Frauen überall dies oder das täten. In meiner Welt wurden Frauen wie Joyce Meyer für Ketzer gehalten. Denn es sei eine Verletzung von Paulus’ Aussage in 1. Timotheus 2,12, wenn Frauen von der Kanzel predigten. Dort stand doch: »Einer Frau erlaube ich nicht, öffentlich zu lehren oder sich über den Mann zu erheben. Sie soll vielmehr still und zurückhaltend sein.« Gleichzeitig hielten aber dieselben Evangelikalen Altmennoniten für gesetzlich, weil sie in Übereinstimmung mit Paulus’ Anweisung in 1. Korinther 11,5 den Kopf bedeckten. Pastoren sagten Ehefrauen, sie sollten sich ihren Männern unterordnen, weil das der Apostel Petrus in 1. Petrus 3,1 so lehre. Aber niemand verlangte von Frauen, ihre Ehemänner mit »Herr« anzusprechen, wie es nur drei Sätze weiter in 1. Petrus 3,6 steht.

    Nach Aussage des christlichen Psychologen James Dobson waren Frauen Männern nicht unterlegen. Sie seien schlicht für andere Aufgaben geschaffen. Die Berufung der Frau liege, so Dobson, in ihrem Zuhause, wo sie Gott und ihrem Mann dienen könne, indem sie für Sauberkeit sorge, sich ums Essen kümmere und – was am allerwichtigsten sei – Babys bekäme.

    Mein Mann Dan und ich hatten eine langfristige Übereinkunft: Wir würden erst Kinder bekommen, wenn wir aus eigener Kraft reich würden oder ich meinen 30. Geburtstag überschritten hätte – je nachdem, was als Erstes einträte. Diese Übereinkunft war mir absolut recht. Bis zu meinem 29. Geburtstag am 8. Juni 2010, also vier Monate vor dem Beginn meines Experimentes. Ein paar Tage nach besagtem Geburtstag saß ich auf einem Wohnzimmerfußboden, umgeben von Krabbelkindern, Geschenkpapier, aufgeblasenen Luftballons und erschöpften Müttern. Da fragte ich mich: Könnte dies wirklich mein letztes Jahr in Freiheit sein? Eine weinerliche junge Mutter beschrieb qualvoll detailliert den verdächtigen Windelinhalt ihrer Zweijährigen. Danach tauschte die ganze Gruppe von Müttern Horrorgeschichten über das Elterndasein aus. Plötzlich hörte ich, wie mich jemand in schmeichelnd-verschwörerischem Tonfall fragte: »Na, wann können wir denn bei dir mit Nachwuchs rechnen, Rachel?«

    Mittlerweile betrachtete ich die Frage als Kompliment, als eine Art Einladung. Aber nun, da ich steil auf die dreißig zuging, gab es nicht mehr so viele plausible Antworten. Und die Wahrheit – dass ich panische Angst vorm Muttersein habe – war einfach zu peinlich, um sie laut auszusprechen. Ganz kurz ging mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich vielleicht mit einer Lüge davonkommen würde. Sie wissen schon: Einfach mit den Achseln zucken, ein paar Tränen verdrücken und dann etwas über Gottes Plan sagen, um anzudeuten, dass wir es ja versuchen. Mal ehrlich, wer würde sich dann noch genauer erkundigen? Stattdessen hörte ich mich sagen: »Ich glaube, ich möchte erst noch ein Buch schreiben!« Zu allem Überfluss klang diese Ansage sehr viel selbstgefälliger, als ich es beabsichtigt hatte.

    Mein Mann ist ganz sicher nicht derjenige, der in Bezug auf Kinder drängeln würde. Er ist der Typ Mann, dem Effizienz über alles geht. Und nach sieben Jahren Ehe bewegt sich unsere Zwei-Personen-Familie wie eine SWAT-Einheit durch die Welt. Wir kommunizieren überwiegend in Form eines Codes aus Handbewegungen und gehen alles als hoch organisiertes Team an: von der Hausarbeit über Ausflüge bis hin zur Leitung unserer Firmen, die wir von zu Hause aus betreiben. Aufgaben werden schweigend demjenigen zugewiesen, der als Erster Zeit hat, sie zu erledigen. Wir vergeuden kaum Zeit damit, über Arbeits- oder Rollenverteilung zu reden. Wenn es Zeit fürs Abendessen ist, kocht einfach einer von uns. Wenn das Geld zu Ende geht, nimmt einer von uns einen Auftrag an. Wenn der Spülschwamm in der Küche anfängt, wie ein totes Tier zu stinken, entsorgt Dan ihn.

    Bei anderen Ehepaaren haben wir miterlebt, was ein paar Windeln und Autokindersitze anrichten können. Also zuckt Dan immer mit den Schultern, wenn ich das Thema »Kinder« anspreche, und meint: »Wir haben’s doch nicht eilig, oder?« Dann stimme ich ihm schnell zu, wechsle das Thema und tue so, als ob das rhythmische Ticken in meinem Körper etwas anderes sei als meine biologische Uhr.

    Bei meinen Eltern waren Erwartungen an Frauen, Geschlechterrollen und Hierarchien fast nie ein Thema. Unterordnung war etwas, das meine Mutter ein einziges Mal im Jahr 1976 praktiziert hatte, aber nicht jeden Tag (mehr dazu später). Als Freigeist in einer streng traditionellen Glaubenskultur kam meine Mutter oft völlig überfordert aus der Gemeinde zurück. Wie oft sollte sie für irgendeine Veranstaltung oder eine arme Seele eine Mahlzeit kochen, irgendwelche Kinder hüten oder eine Hochzeitsfeier organisieren? »Die Einzigen, die Spaß an Büfetts von Selbstgemachtem haben, sind Männer«, sagte sie immer. »Die ganze Arbeit bleibt an den Frauen hängen.«

    Trotz ihrer Abneigung gegen Aufläufe, Salate und Kuchenbüfetts beklagte sich meine Mutter aber nie über ihre Rolle als Ehefrau und Mutter. Und das, obwohl sie eine Zeit lang ihre Berufstätigkeit als Lehrerin aufgab, um zu Hause zu bleiben und sich um uns zu kümmern, als wir noch klein waren. Klug, mitfühlend und lustig, wie sie war, beschützte sie mich und meine Schwester vor der Gesetzlichkeit, von der wir umgeben waren. Außerdem versicherte sie uns immer wieder, dass wir werden könnten, was wir wollten, auch wenn Leute etwas anderes behaupteten.

    Meine Eltern liebten die Bibel. Allerdings schienen sie auch intuitiv zu wissen, dass Regeln, durch die Menschen nur schuldbeladen, erschöpft und verwirrt werden, nicht wirklich von Gott kommen können. Ich glaube, das ist einer der Gründe, weshalb es mir nichts ausmacht, als evangelikale Christin bezeichnet zu werden, obwohl ich nicht mehr davon überzeugt bin, dass jeder, der anders ist als ich, in die Hölle kommt. Der evangelikale Glaubensstil ist so etwas wie die Muttersprache meines Glaubens. Wenn ich wütend oder aufgeregt bin, falle ich in diese Sprache zurück. Und es ist auch meistens die Sprache, in der ich Gottes Stimme höre.

    Doch ich reibe mich an manchen evangelikalen Traditionen. Im Laufe der Jahre fand ich mich immer häufiger in Diskussionen über »biblisches Frausein« wieder, besonders weil meine Freundinnen und ich heirateten und selbst Familien gründeten. Viele waren beeinflusst vom evangelikalen Komplementarismus, einer Bewegung, die als Reaktion auf den Feminismus der zweiten Welle begann. Die wohl einflussreichsten Vertreter dieser Sicht sind Edith Schaeffer (Mit Phantasie und Liebe. Von der Kunst, den Alltag zu verschönern, 1971) und Elisabeth Elliot (Als Frau leben, 1976)¹. Beiden wurden hoch gelobt als Vorbilder, wie eine Frau ihr Leben als Christin führen sollte.

    Immer wieder hörte ich: »Es sind genauso viele Menschen durch Frau Schaeffers Zimtschnecken zum Glauben gekommen wie durch die Predigten ihres Mannes.« Doch hinter diesen charmanten Worten steht eine knallharte Überzeugung, die keinerlei Kompromisse duldet: Die tugendhafte, rechtschaffene Frau dient in erster Linie von zu Hause aus als Ehefrau, die sich ihrem Mann unterordnet, als tüchtige Hausfrau und als liebende Mutter. »Das ist der Platz der Frau«, schreibt Elliot, »und wir müssen alle wissen, wo unser Platz ist, und dort dann auch bleiben. Das Gebot Gottes stellt uns dorthin, wo wir hingehören.«

    Das theologische Bollwerk der Komplementarismusbewegung ist der Rat biblischen Mann- und Frauseins (Council of Biblical Manhood und Womanhood – kurz: CBMW). Unter der Leitung des konservativen Pastors John Piper und des Theologen Wayne Grudem brachte das CBMW zwei Grundsatzpapiere heraus, die den Einfluss der Bewegung weit ausdehnten: besonders durch das »Danvers Statement« von 1988. Laut diesem Grundsatzpapier führe die Befürwortung einer feministischen Ideologie unter Christen zu einer »Bedrohung der Autorität der Bibel«. Denn sie »gefährde die Klarheit der Heiligen Schrift«, »schränke den Zugang zu ihr für normale Menschen ein« und verschiebe sie »in den Bereich theoretischer Spitzfindigkeiten«. Alle Frauen, die in der Nachfolge Gottes leben wollen, sollten sich nicht der vorherrschenden Kultur anpassen, sondern ein »biblisches Frausein anstreben«.²

    Nun haben wir Evangelikalen ja die unschöne Angewohnheit, mit dem Begriff »biblisch« um uns zu werfen, als wäre es Luthers zweiter Vorname. Besonders gerne stellen wir den Begriff vor andere stark befrachtete Begriffe: Wirtschaftslehre, Sexualität, Politik und Ehe. So wollen wir den Eindruck vermitteln, dass Gott eine eindeutige, ein für alle Mal feststehende Meinung zu diesen Dingen hat. Eine Meinung, die zufällig auch mit unserer eigenen übereinstimmt. Dabei beteuern wir hartnäckig, dass wir nie »herauspicken«, welche Teile der Bibel wir ernst nehmen.

    Dennoch ist es so gut wie immer selektiv, wenn man den Begriff biblisch verwendet. Rein theoretisch wäre es nämlich auch biblisch, wenn eine Frau von ihrem Vater verkauft würde (2. Mose 21,7) und sie ihren Vergewaltiger heiraten müsste (5. Mose 22,28-29). Es wäre biblisch, wenn sie in der Gemeinde schweigt (1. Korinther 14,34-35), ihren Kopf bedeckt (1. Korinther 11,6) und eine von mehreren Ehefrauen ihres Mannes ist (2. Mose 21,10).

    Deshalb faszinierte mich dieser Begriff »biblisches Frausein« so sehr. Ist es möglich, dass eine Zusammenstellung geistlicher Texte wirklich eine einzige verbindliche Formel dafür bietet, wie man Frausein als Christ lebt? Texte, die eine Vielzahl unterschiedlicher Genres enthalten und im Laufe Tausender von Jahren gesammelt wurden, und zwar in Kulturen, die sich extrem stark von der unseren unterscheiden? Passen alle Frauen der Bibel in dieses eine Muster? Und muss ich ebenfalls hineinpassen?

    Ich gehöre zu den Menschen, die die Dinge, welche ihnen auf dieser Welt am meisten Angst machen oder sie am meisten faszinieren, gern beim Namen nennen. Ich stürze mich Hals über Kopf in solche Themen hinein. Deshalb machen mir Small Talk und Stillsitzen so viel Mühe. Und deshalb wachte ich eines Morgens auf mit einer völlig verrückten Idee, die jeden Winkel meines Gehirns in Beschlag nahm: Was, wenn ich es einfach mal ausprobieren würde? Was, wenn ich »biblisches Frausein« einmal wörtlich nähme?

    Wie sich herausstellte, gibt es Verlage, die einen sogar noch für solche verrückten Ideen bezahlen! Am 1. Oktober 2010 gelobte ich also, mit Unterstützung von Dan und einem unerschrockenen Team von Verlagsprofis, ein Jahr meines Lebens damit zu verbringen, wahres biblisches Frausein anzustreben. Diese Aufgabe machte es erforderlich, mich mit jeder Stelle in der Bibel zu beschäftigen, in der es um Frauen geht. Ich sollte herausfinden, wie Frauen auf der ganzen Welt diese Bibelstellen auslegen und auf ihr Leben übertragen. Darüber hinaus wollte ich in meinem ganz normalen Alltag so viel wie möglich von dem umsetzen, was die Bibel über das Frausein lehrt – und es manchmal auch bis ins Extrem wörtlich nehmen.

    Es würde kein Herauspicken geben: vom Alten bis zum Neuen Testament, vom 1. Buch Mose bis zur Offenbarung, von den Levitischen Gesetzen bis zu den Paulusbriefen! Ein Jahr biblischen Frauseins würde unter anderem bedeuten, vor Sonnenaufgang aufzustehen (Sprüche 31,15); mich meinem Mann unterzuordnen (Kolosser 3,18), mein Haar wachsen zu lassen (1. Korinther 11,5), Dan mit »Meister« anzusprechen (1. Petrus 3,5-6), mich um die Armen zu kümmern (Sprüche 31,15), einen »sanften und stillen Geist« zu entwickeln (1. Petrus 3,4) und während meiner Periode rituell unrein zu sein (3. Mose 15,19-33).

    Manche Praktiken würde ich nur einmal durchführen. Andere wollte ich während des gesamten Jahres durchhalten. Jeden Monat würde ich mich auf eine ganz bestimmte Tugend konzentrieren: Sanftmut, Häuslichkeit, Gehorsam, Mut, Schönheit, Anstand und Züchtigkeit, Reinheit, Fruchtbarkeit, Unterordnung, Gerechtigkeit, Stille und Gnade.

    Außerdem sollten mir während des gesamten Jahres die »Zehn Gebote biblischen Frauseins« als Wegweiser im Alltag dienen:

    I. Du sollst dich in allen Dingen dem Willen deines Ehemannes unterordnen (1. Mose 3,16; 1. Petrus 3,1; Epheser 5,22; 1. Korinther 11,3; Kolosser 3,18).

    II. Du sollst deinen häuslichen Pflichten nachkommen (Sprüche 14,1; 31; 1. Timotheus 5,14; Titus 2,4-5).

    III. Du sollst Mutter sein (1. Mose 1,28; Psalm 128,3; 1. Timotheus 5,14).

    IV. Du sollst einen sanften, stillen Geist haben (1. Petrus 3,3-4; Titus 2,3-5; 1. Timotheus 3,11).

    V. Du sollst dich anständig und züchtig kleiden (1. Mose 24,65; 4. Mose 22,5; 1. Timotheus 2,8-10; 1. Petrus 3,3).

    VI. Du sollst beim Gebet deinen Kopf bedecken (1. Korinther 11,3-16).

    VII. Du sollst dein Haar nicht schneiden (1. Korinther 11,15).

    VIII. Du sollst in der Gemeinde nicht lehren (1. Korinther 14, 33-35; 1. Timotheus 2,12).

    IX. Du sollst nicht tratschen oder lästern (1. Timotheus 5,13-14).

    X. Du sollst keine Autorität über einen Mann haben (1. Timotheus 2,12).

    Meine Recherche nahm ich sehr ernst. Ich durchforschte feministische, konservative und liberale Kommentare. Ich suchte jüdische, katholische und protestantische Sichtweisen zu jedem der Themen heraus und sprach mit Frauen, die in ihrem eigenen Leben alte biblische Regeln praktizieren. Von vorn bis hinten durchgekämmte ich die Bibel und beschäftigte mich mit jeder Aussage über Mütter, Töchter, Witwen, Konkubinen, Königinnen, Prophetinnen und Prostituierte.

    Schon ein paar Wochen nach Beginn meines Selbstversuches ärgerte ich meine Freundinnen mit wahllosen Fakten über biblisches Frausein. Nehmen wir beispielsweise Sprüche 31. Wie sich herausstellte, können wir uns bei einer Frau für das alte Akrostichon bedanken! Qualvoll detailliert skizziert sie die alltäglichen Tätigkeiten einer tüchtigen Ehefrau und schürt dadurch seit 3000 Jahren Minderwertigkeitskomplexe bei fast jeder Frau der christlich-jüdischen Tradition. Die Frau aus Sprüche 31 steht jeden Tag vor Sonnenaufgang auf, plant jede Mahlzeit, bringt exotische Nahrungsmittel nach Hause, führt ein profitables Unternehmen, kleidet Ehemann und Kinder, investiert in Immobilien, kümmert sich um die Armen, verbringt Stunden am Webstuhl und arbeitet bis spät in die Nacht … König Lemuels Mutter riet ihm, genau danach Ausschau zu halten, wenn er eine Frau sucht. Mich ließ das zu der Überzeugung gelangen, dass König Lemuels Mutter eigentlich gar keine Schwiegertochter haben wollte. Stellen Sie sich ein Achselzucken vor und diesen gewissen Blick bei den Worten: »Eine tüchtige Frau – wer findet sie?«, und Sie wissen, was ich meine.

    Doch dann färbte sich das Laub bunt und der erste Tag meines Jahres biblischen Frauseins stand bevor. Auf unerklärliche Weise sprach mich folgender Satz in Sprüche 31,25 an: »Kraft und Würde ist ihr Gewand, und sie lacht des kommenden Tages.« Als ich dann daran dachte, wie absurd es war, dass ausgerechnet jemand wie ich so etwas tat, da konnte ich nur noch lachen über das, was vor mir lag. Und das hatte etwas seltsam Befreiendes.

    1 Elisabeth Elliot. Let Me Be a Woman (Tyndale House, 1976, Deutsch: Als Frau leben, 1976)

    2 http://www.cbmw.org/Danvers

    Oktober: Sanftmut

    Nichts für »wilde« Mädchen?

    Nicht der äußerliche Schmuck – wie kunstvolle Frisuren, goldene Ketten oder aufwendige Kleidung – soll für euch Frauen wichtig sein.

    Eure Schönheit soll von innen kommen! Schmückt euch mit Unvergänglichem wie Freundlichkeit und Güte. Das gefällt Gott.

    1. Petrus 3,3-4

    Diesen Monat:

    Einen sanften und stillen Geist entwickeln

    (1. Petrus 3,3-4).

    Schluss mit Klatsch, Tratsch und Lästern

    (1. Timotheus 5,13).

    Eine Knigge-Lektion

    (Sprüche 11,22).

    Kontemplatives Gebet einüben

    (Psalm 131).

    Ein »Zankschwein« für Benehmen wie die »zänkische Frau« aus den Sprüchen

    (Sprüche 21,19; 19,13; 27,15).

    Auf dem Dach Buße tun für zänkisches Verhalten

    (Sprüche 21,9).

    Petrus beschreibt eine gottesfürchtige Frau als eine Frau mit einem »sanften und stillen Geist«. Als ich mit Freundinnen über mein Ziel für den Monat Oktober sprach, nämlich einen sanften und stillen Geist zu entwickeln, da lachten ein paar von ihnen. Gar nicht gemein, sondern auf sympathische, wissende Art und Weise. Das lag zum Teil daran, dass sie mich kannten. Zum Teil aber auch daran, dass viele von uns Gemeindemädels diese Geschichte mit dem »sanften und stillen Geist« schon seit frühester Kindheit eingeimpft bekommen haben. Paulus’ Brief an die Christen in Kleinasien dient oft als Abschreckung: für alle christlichen Mädels, deren lästige Fragen in der Sonntagschule nicht willkommen sind oder deren »wilde Art« ihren Müttern Sorgenfalten auf die Stirn treibt.

    »Ich bin gespannt, ob du den sanften und stillen Geist schaffst«, schrieb mir eine meiner Leserinnen. »Ich habe es versucht und bin kläglich gescheitert. Aber wahrscheinlich bin ich einfach zu laut, direkt und eigensinnig, um diesem Bild zu entsprechen.«

    Eine andere schrieb: »Es ist traurig, dass so vielen starken, begabten, mutigen Frauen eingeredet wird, sie müssten diese gesamte starke Seite ihrer Persönlichkeit auf Eis legen, weil sie sonst nicht sanft und still genug sind. Ich erlebe Frauen, die ihren kleinen Teil der Welt durchaus zum Besseren verändern könnten. Doch sie verharren in dieser Pose der Sanftmut und tun gar nichts.«

    Eine dritte Leserin fügte noch hinzu: »Dieser Vers dudelt ununterbrochen in meinem Kopf, und immer denke ich, ich sei nicht gut genug. Bin ich überhaupt fürs Christsein geschaffen?«

    Das konnte ich gut nachempfinden. Mein Mann ist geduldig und zurückhaltend. Ich dagegen scheine schon mit tausend Meinungen geboren worden zu sein – und der Begeisterung, diese Meinungen auch kundzutun. Leidenschaftlich, überzeugend und zu Übertreibungen neigend, kommt mir das Informationszeitalter sehr entgegen. Ich blogge, halte Vorträge, schreibe Bücher und twittere. Und ab und zu fragt mich die Nielsen Company, ein Umfrageinstitut mit Sitz in den Niederlanden, oder ein Journalist sogar nach meiner Meinung zu einer bestimmten Frage.

    Auf der Suche nach mehr biblischen Worten über sanftmütige Frauen schaute ich ins Buch der Sprüche: eine Sammlung weiser Worte, die uns einige der geistreichsten Bemerkungen, Witze, Lobeshymnen und Gedichte über Frauen bescheren. Die Beschäftigung mit dem Weiblichen sollte nicht weiter verwundern. Schließlich hatte der Autor, König Salomo, siebenhundert Frauen und dreihundert Konkubinen! Zu den mitwirkenden weiblichen Charakteren in den Sprüchen gehören unter anderem die tugendhafte Frau, die törichte Frau, die tüchtige Hausfrau, die Frau, für die man sich schämen muss, Frau Klugheit und Frau Dummheit. Häufige Auftritte hat darin auch die sogenannte »zänkische Frau«, die offenbar genau das Gegenteil von einem sanften und stillen Geist darstellt:

    »Besser in der Wüste wohnen als

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