Die Völkerwanderung: Band 3, Teil 3
Von Hermann Lingg
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Über dieses E-Book
Die Völkerwanderung: Band 3, Teil 3 umfasst:
Sechster Gesang. Die letzten Gothen.
Siebenter Gesang. Alboin und Rosamunde.
Hermann Lingg
Hermann Lingg (1820-1905) gehörte dem Dichterkreis um König Max II. an und war ein berühmter bayerischer Epiker und Lyriker.
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Buchvorschau
Die Völkerwanderung - Hermann Lingg
Die Völkerwanderung: Band 3, Teil 3
Die Völkerwanderung: Band 3, Teil 3
Sechster Gesang. Die letzten Gothen.
Siebenter Gesang. Alboin und Rosamunde.
Impressum
Die Völkerwanderung: Band 3, Teil 3
Autor: Hermann Lingg
Nachdruck der Originalfassung (1866-1868, erschienen im Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung, Stuttgart)
Sechster Gesang. Die letzten Gothen.
Aussterbende Geschlechter, Völker, Arten,
Verein'gen oft in letzter Wesen Kraft,
In letzten der durch sie geoffenbarten,
Noch einmal ihre höchste Eigenschaft.
Sie hauchen bald in einem wunderzarten,
Bald mächtigen Geschöpf voll Leidenschaft,
Gleichsam die Seele aus, um aufzuhellen
Das Räthsel ihres Seins, und darzustellen.
Darum erblickt man stets beim Uebergange
Von zwei Jahrhunderten die Größe stehn
In Kriegsruhm, Wissenschaft und im Gesange,
Und Außerordentliches mitgeschehn.
Wenn Die nun kommen, dauert nichts mehr lange,
Zerrbilder werden noch am Schluß gesehn,
Verkommne Halbnaturen, Larven, Fratzen,
Scheusale, die wie Nichts in Nichts zerplatzen.
Wenn Helden sterben, wenn für Nationen
Kein Ausweg mehr, kein Hoffnungsstern mehr blinkt.
Von Tausenden das Schicksal mit den Kronen,
Und im Verzweiflungskampf zu Grunde sinkt,
Wenn nichts die übermüth'gen Sieger schonen,
Als nur das Kind, das an der Mutter trinkt,
Und nur damit es, all den Seinen ferne,
Sich früh dem Fremden knechtisch fügen lerne –
Dann wissen die Chronisten zu berichten,
Von Ruthensternen in der Himmelsgluth,
Von Sturm und Feuersnoth, von Schreckgesichten,
Von aller Elemente blinder Wuth;
Und wenn zuletzt ein Haß bis zum Vernichten
Die Edelsten ergreift, wenn höh'res Gut
Vor schlechtem weicht, soll da nicht auch in Schauern
Selbst Erd' und Himmel mit den Menschen trauern?
Ein solches Schauspiel bot das Trauerende
Des Ostrogothenreichs, die Mitternacht
Der Völkerwandrung, ihre Sonnenwende,
Zugleich die Schwerter- und die Geisterschlacht.
Die Zeit, daß ihr Gewebe sie vollende,
Nimmt für das Bild, das sie darin vollbracht,
Nur schwarze Fäden, und sie wirkt durch diese
Die Höllen und verlor'nen Paradiese.
Nach Delphi's Bädern, in die Berge keuchten
Der alten Welt erkrankter Geist und Sinn.
Sonntäglich einsam ist's, die Decken leuchten
Um's Purpur-Sterbbett einer Kaiserin,
Die warmen Quellen aus der Schlucht befeuchten
Den welken Leib, sie ruht, gestützt das Kinn
Auf bleicher Hand, und nur noch eine Lüge
Des Lebens scheinen Theodora's Züge.
Halb eingeschlummert, in umhangner Nische,
Auf ihrem Elfenbeinstuhl lag sie bleich,
Vor ihr in Marmorbecken goldne Fische,
Und dunkle Rosen thauig, düftereich;
Durch's Fenster weht des Morgens erste Frische,
Vom Blumenbeet wehn Lüfte mild und weich,
Vom Lorbeerhain, wo Nachtigallen schlagen,
Bildsäulen und die Marmortempel ragen.
Ein Wagen rollt die Straße langsam weiter,
Im Wagen mit der Gattin Belisars,
Bespricht des Feldherrn treuester Begleiter,
Procopius, die Ereignisse des Jahrs.
Zur Linken und zur Rechten sprengten Reiter,
Und was die Beiden sprachen, wichtig war's,
Sie sprachen von dem jüngst im Gothenkriege
Durch Ungunst und durch Neid verlornen Siege.
»Ach!« hub Procopius an, »wie fern dem Neide
Stund damals Belisar im Sonnenschein
Des Glücks, umwallt von jedem Ehrenkleide,
Als nach Besiegung Afrikas so rein
Der Held sein Schwert zurückstieß in die Scheide!
O welche Tage sahn wir! Sein, nur sein
War Alles! Theilend Aller Wonne,
Schien selbst die Hauptstadt stolzer vor der Sonne.
Wie jede Blüthe sich zum Kranz verzweigte
Für ihn, der selbst so sonnig war und warm!
Wo Belisar sich in den Straßen zeigte,
Da drängte stets sich um ihn her ein Schwarm
Von jauchzenden Begleitern, grüßend neigte
Der Allgeseh'ne sich; wer noch so arm
Und niedrig war, für Jeden war er gütig,
Und gegen Niemand hart, noch übermüthig.«
»So schwanden Jahre voller Segenstage,
Da brach der Krieg aus mit den Gothen; wer
Ihn führe, war nun nimmer eine Frage.
Schon sahn wir einen zweiten Gelimer,
Ein zweites Afrika, die Niederlage
Der Gothen war entscheidend, war so schwer,
Daß sie den Belisar zum König wählen.
Da – doch wer möchte weiter das erzählen?«
»Erzähl',« sprach Antonina, »die Geschichte
Des ganzen Kriegs, du schriebst ja Alles auf.«
Procop erwiederte: »Gut, ich berichte
Dir in gedrängter Kürze den Verlauf;
Ermordet war Amalasunth; dem Wichte,
Dem Theodat gab man das Reich; hierauf
Erwies Justinian, der Hort des Rechtes,
Als Rächer sich des Amaler Geschlechtes.
Justinian sprach: ›Italiens Königskrone
Fällt nun an uns, denn nur Theodorich
Erhielt vom Kaiser Leo sie zum Lohne,
Für seine Thaten nur, und nur