Schulwandbilder aus dem Verlag Kafemann in Danzig: Die vier "ostdeutschen" Jahreszeiten
Von Kurt Dröge
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Von der zeitgenössischen pädagogischen Kritik wurde den bunten Bildern große Anschaulichkeit und ein ostdeutscher Charakter zugesprochen. Worauf diese Zuweisung beruhte und welche Hintergründe sie besaß, wird in der vorliegenden Darstellung angesprochen, die auch den Verlag, curriculare Fragen und vor allem die Komposition der Bilder selbst in den Blick nimmt.
Kurt Dröge
Sammler und Autor, der vornehmlich an historischer Alltags- und Regionalkultur interessiert ist.
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Buchvorschau
Schulwandbilder aus dem Verlag Kafemann in Danzig - Kurt Dröge
Das niedere Bild
Inhalt
Einführung: historische Schulwandbilder
Schulische Jahreszeitenbilder aus Danzig (1888)
Der Verlag Kafemann in Danzig
Landleben im Jahresrhythmus: Bildbeschreibungen
Anmerkungen zur Vermittlung, Veranschaulichung und Pädagogik
Einflüsse durch Hugo Conwentz
Die Neubearbeitung der Bilder mit Änderungen und Anpassungen (1910)
Zur Problematik einer „ostdeutschen" Qualifizierung der Bilderserie
Anmerkungen
Nachwort
Einführung: historische Schulwandbilder
Knapp 150 Jahre lang haben Schulwandbilder den Lehrplan und Lernprozess vor allem in Elementar-, Volks- und Grundschulen maßgeblich mit geprägt. Ihr großes Format erlaubte es, für die ganze Schulkasse sichtbar als Veranschaulichungsmedium und Lernhilfe im Klassenraum aufgehängt zu werden. Nicht selten fanden sie dort auch als ständiger Wandschmuck¹ Verwendung, zum Beispiel Märchenbilder, Tiermotive oder Geschichtsdarstellungen. Insgesamt sind Schulwandbilder in außerordentlich großer Zahl erschienen.
Die Entstehung der Gattung des Schulwandbildes als Lehrmittel im sogenannten Anschauungsunterricht sowie auch in bestimmten Sparten des Fachunterrichtes liegt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie hing sowohl mit frühen, aufklärerisch-reformerischen Tendenzen der Pädagogik als auch mit den sich erweiternden Möglichkeiten der Drucktechnik zusammen. Am Schluss der etwa 150-jährigen Entwicklung, ab den 1960er und bis in die 1980er Jahre, wurden solche großformatigen materiellen Darstellungen, zumeist endgültig, abgeschafft.
Immer wieder hatten sie im Verlauf ihres Gebrauches zu teilweise vehementen Diskussionen vor allem in der Pädagogenschaft Anlass gegeben. Man stritt sich insbesondere über die Frage, ob nicht der „Unterricht nach der Natur in jedem Fall einer fachlichen Unterrichtung auf der Grundlage von „künstlichen
Bildern vorzuziehen wäre. Kritisiert wurde phasenweise bis kontinuierlich, bis hin zu moderneren psychologischen Erkenntnissen, dass „tendenziöse Bilder im Schulunterricht zu tiefer greifenden Erlebniserinnerungen und bleibenderen Vorstellungsinhalten führen können als Erfahrungen „im wirklichen Leben
, einschließlich einer möglichen Gefährdung durch internalisierte problematische Wahrnehmungsmuster. Ob nicht jeglicher Erstlingsunterricht immer „Anschauungsunterricht" sei oder sein müsse, bildet darüber hinaus und grundsätzlich einen immer wiederkehrenden Streitpunkt unter den Pädagogen.¹a
Eine Deformierung von Erfahrungen aus der kindlichen Lernwelt und eine Auflösung real vorhandener Widersprüche zugunsten harmonisierender und beruhigender Stimmungen wurde, wohl mit Berechtigung, als Gefahr der „künstlichen Bilder gesehen. Entsprechende Kritik wurde bereits zu einem Zeitpunkt, hier 1888, geäußert, an welchem die großen Schulwandbilder erst begannen, reale Verbreitung zu finden: „Die Auffassung, die der zeichnende Künstler hatte, wird dem Kinde aufgedrängt, und es kommt Zeit seines Lebens nicht mehr davon los. Die Phantasie des Künstlers legt diejenige des Kindes lahm, das ist die Wirkung solcher Veranschaulichungen. […] Dieser moderne Schulbilderdienst wirkt geistlähmend wie der kirchliche.
²
Methodisch gehörten viele der historischen Schulwandbilder zu den Gruppenbildern, aus denen Sachinhalte verschiedenster Art heraus entwickelt worden sind bis hin zum Erzählunterricht. Um 1900 nahm vor reformpädagogischem Hintergrund die schon zuvor teilweise massive Kritik an dieser Form von Bildern für den Anschauungsunterricht noch weiter zu. Vor allem bekannte Pädagogen wie Fritz Gansberg („Die Gruppenbilder predigen Pedanterie und Schematismus, sie verleiten zur übertriebenen Detailarbeit und zur unnützen Gedächtnisbelastung. Fort mit diesen geschmacklosen, superklugen Bildern!) und Heinrich Scharrelmann forderten unter anderem die Berücksichtigung auch städtischer Verhältnisse und allgemein eine viel stärkere Fokussierung auf wichtige Inhalte ein, anstatt ermüdende Aufzählungen von Einzelheiten in den Bildern zu erstellen und von den Schülern auswendig lernen zu lassen. Sie befanden sich damit in einer regen Gesellschaft von pädagogischen Neuerern, die gelegentlich auch einen „Gesinnungsunterricht
statt sprödem, leblosem Sachunterricht anhand von statischen Bildern forderten. Als Leitgedanke galt die bessere Berücksichtigung der Interessengebiete der Kinder, deren Handlung und Selbsttätigkeit statt bloßer Bild-Beschreibung.
Dem Siegeszug des großen Anschauungsbildes in der Schule tat all diese Kritik keinen Abbruch, zumal ihre Argumentation auch umgedreht werden konnte, indem man Schulwandbilder nicht vornehmlich als Belehrungs-, sondern in positiv gemeinter Form hauptsächlich als Erinnerungsmittel aufzufassen suchte.
Das Ziel der allermeisten konkreten Verlagsproduktionen von Schulwandbildern war, vor der Folie pädagogisch-methodischer Vorgaben, neben der eingängigen Wirkung ein überregional anwendbarer Inhalt und damit im Prinzip eine unbegrenzte Verkaufbarkeit. Stilisierte und oft stark komprimierende Darstellungsformen sollten eine Verwendung in zahlreichen Schulklassen und nach Möglichkeit auch Jahrgangsstufen, immer vor dem Hintergrund von zum Teil unterschiedlichen Schulgesetzgebungen, ermöglichen. „Anschauung durch zumeist bunte Bilder ersetzte oder ergänzte damit vielfach, vornehmlich unter bestimmten pädagogisch-methodischen Prämissen, die manchmal schwierigere Lehre durch das Wort oder jedenfalls nicht immer mögliche Unterrichtung „nach der konkreten Natur
selbst, sowohl im Elementarunterricht als auch in Naturkunde, Religion oder Geschichte.
Als Ausnahmen, die ab etwa 1900, nach erneuten schulpädagogischen Reformen, einem heimatlichen bis heimatkundlichen Unterricht dienten, sind solche Schulwandbilder zu sehen, die regionale Verhältnisse und Besonderheiten bewusst in den Vordergrund stellten und deshalb zumeist nur in entsprechend begrenzten Gebieten vertrieben und benutzt wurden. Ihre Zahl ist insgesamt recht klein geblieben. Generell können aber viele Bilder ihre Herkunft