Das Gerinnungssystem
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Über dieses E-Book
Die Darstellung der biochemischen und physiologischen Grundlagen und Abläufe der Blutgerinnung erfolgt in strukturierter, leicht verständlicher Form.
Besonderer Wert wird auf die Beschreibung der einzelnen Gerinnungsstörungen – der hämorrhagischen Diathesen und der Thrombophilien – sowie die Methodik der diagnostischen Testverfahren gelegt.
Eine ausführliche Übersicht über alle therapeutischen Optionen folgt dem neuesten Wissensstand.
Für die zweite Auflage wurden zahlreiche Ergänzungen und Verbesserungen eingefügt. Das Kapitel über die direkten oralen Antikoagulanzien wurde auf den aktuellen Stand gebracht.
Durch historische Kapitel sollen die Leistungen von Hämostaseologen gewürdigt werden, die zur Aufklärung des faszinierenden Systems der Gerinnung beigetragen haben. Jeder Leser weiß nach der Lektüre, wie es zum Quick-Wert oder dem Christmas-Faktor gekommen ist. Fakten, die das Erinnern leicht machen.
Das vorliegende Buch ist für Studenten und Ärzte im klinischen Alltag gleichermaßen vorzüglich geeignet.
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Buchvorschau
Das Gerinnungssystem - Herbert A. Neumann
1 Einleitung
Das Gerinnungssystem besteht aus Substraten, Proenzymen, Enzymen, Coenzymen, Mediatoren, Thrombozyten und dem Gefäßendothel. Die Aktivierung des Gerinnungssystems erfolgt schnell und ohne hohen Energieaufwand über enzymatische Prozesse, meist Proteolysen. Das Zentralereignis ist die Bildung von Fibrin aus Fibrinogen nach Kontakt von Blut mit verletztem Gewebe. Im Falle einer Verletzung kommt es bei den größeren Gefäßen zur Gefäßkontraktion und Thrombenbildung. Da die Kapillaren keine Muskulatur besitzen, erfolgt hier die Blutungsstillung lediglich durch die Thrombenbildung. Parallel zum Gerinnungssystem existiert ein lytisches System, das unter physiologischen Bedingungen das Gerinnungssystem quantitativ leicht überwiegt, sodass das Blut optimal fließen kann. Im Falle einer Verletzung werden Endothel, Thrombozyten und plasmatische Gerinnungsfaktoren innerhalb kürzester Zeit aktiviert. Der Ablauf der Gerinnung wurde als Wasserfall oder auch als Kaskade von Reaktionen oder auch als Wasserfall-Kaskaden-Modell bezeichnet [8, 22, 23]. Schon während des Gerinnungsablaufes wird das lytische System aktiviert, um eine Ausbreitung des Gerinnungsprozesses zu verhindern und um diesen auf den Ort der Läsion zu reduzieren (Abb. 1). Diese Abläufe werden durch komplexe Aktivierungs-, Initiations- und Amplifikationsreaktionen sowie Inaktivierungsprozesse reguliert.
Abbildung 1 Ablauf der Blutgerinnung
2 Das Endothel
Struktur und allgemeine Funktionen
Das Endothel ist eine selektive Schranke zwischen Blutstrom und Gefäßwand für gelöste Substanzen, Makromoleküle und Zellen. Es kontrolliert aktiv den Austausch zwischen Gefäßlumen und Interstitium. Das Endothel reguliert den Gefäßtonus, z. B. durch den Vasokonstriktor Endothelin-1. Es spielt eine wichtige Rolle für die Interaktion von Leukozyten mit der Gefäßwand, z. B. im Rahmen von Entzündungen. Veränderungen des Blutflusses, mechanisch oder metabolisch, werden vom Endothel registriert und weitergeleitet. Es synthetisiert eine große Zahl von Mediatoren und kann deshalb als großes endokrines Organ angesehen werden. Neben seinen Aufgaben als Gefäßregulator nimmt es eine zentrale Rolle im Gerinnungsprozess ein und hat teil sowohl an gerinnungsfördernden als auch an gerinnungshemmenden Prozessen [17].
Eine wichtige Funktion der Endothelien für die Optimierung der Fließeigenschaften des Blutes beruht auf seiner leicht negativen Ladung. Da auch die Thrombozyten und die Erythrozyten eine leicht negative Ladung besitzen, ermöglichen die elektromagnetischen Abstoßungskräfte einen reibungsfreien Fluss der zellulären Partikel des Blutes. Die Partikel fließen normalerweise laminar, wobei die Fließgeschwindigkeit der im Blut schwimmenden Partikel in der Mitte schneller ist als in der Nähe der Gefäßwand. Durch die gleichpolige Ladung entsteht ein dünner Plasmafilm zwischen Zellen und Endothel, sodass in der Regel die zellulären Bestandteile des Blutes nicht mit dem Endothel in Kontakt kommen.
Lösliche Substanzen und Makromoleküle können durch das Endothel diffundieren, indem sie sich zwischen den Zellen des Endothels bewegen. Eine weitere Möglichkeit des Stoffaustausches im Endothel ist die transzelluläre Bewegung in zytoplasmatischen Vesikeln. Bei Entzündungen oder Verletzungen nimmt die Permeabilität des Endothels zu. Ausgelöst wird dies durch Histamin, Serotonin, Thrombin und Bradykinin. Durch diese Mediatoren kommt es zu Lücken zwischen den Endothelzellen und damit zu einer unselektiven Extravasion von Makromolekülen und Wasser und somit zum Gewebsödem, das sich klinisch durch Schwellung, Rötung und Druckschmerzhaftigkeit manifestiert [3, 4, 5, 31].
Bei Entzündungsvorgängen wandern durch Vermittlung von Zytokinen Leukozyten in die Gefäßwände und das umgebende Gewebe ein und werden mithilfe von sogenannten Selectinen an das Endothel gebunden. In einem weiteren Schritt werden die Leukozyten durch Adhäsionsmoleküle (ICAM) zusätzlich stärker an das Endothel gebunden. Durch Sekretion von Proteasen werden die Endothelien aufgelöst und die Leukozyten wandern in das umgebende Gewebe. Diese Abläufe spielen auch für die Entstehung der Arteriosklerose eine wichtige Rolle.
Sobald es zu einer Gewebsverletzung kommt und subendotheliale Strukturen mit den Bestandteilen des Blutes in Verbindung kommen, wird der Gerinnungsprozess eingeleitet. Grob eingeteilt, kommt es zu folgenden Reaktionsschritten der Blutgefäße:
Die erste Reaktion auf ein Trauma ist die nervale Endothelin-1- und Adrenalin-vermittelte Vasokonstriktion mit dem Ziel einer Drosselung der Blutgefäße. Endothelin wird unmittelbar nach der Verletzung freigesetzt und führt zur Kontraktion der Gefäße. Das Endothel produziert eine große Zahl von gerinnungsaktivierenden Substanzen.
Weiterhin wurde beobachtet, dass Kapillaren und kleine Venolen spontan kollabieren und weiterhin durch Extravasate in das Gewebe tamponiert werden und so den Blutfluss hemmen [6, 22].
Thrombotische Funktionen des Endothels
Durch Freisetzen von thrombogenen Faktoren kommt es zur Bildung eines zunächst überwiegend aus Thrombozyten bestehenden Thrombus. Die Endothelfaktoren, die eine thrombotische Wirkung induzieren, sind:
– der von-Willebrand-Faktor (s. dort)
– das Thromboplastin, auch Faktor III oder Gewebsfaktor genannt, ein wichtiger Aktivator der plasmatischen Gerinnung aus dem Subendothel (s. Kap. Plasmatische Gerinnung)
– der Faktor V (s. Kap. Plasmatische Gerinnung)
– der platelet-activating factor (PAF)
– das high-molecular-weight kininogen (HMWK), auch genannt Faktor XIV oder Fitzgerald-Faktor (s. Kap. Plasmatische Gerinnung)
– das Kollagen
– der Plasminogenaktivatorinhibitor-1 (PAI-1) = Hemmer der Fibrinolyse (s. dort).
Das Endothel exprimiert Rezeptoren für
– das HMWK
– die Tenase (s. dort)
– die Prothrombinase (s. dort)
– den Faktor IX und X (s. Kap. Plasmatische Gerinnung)
– den von-Willebrand-Faktor (s. dort)
– das Fibrinogen.
Über diese Rezeptoren binden die entsprechenden Faktoren an das Endothel am Ort der Läsion. Zusätzlich bindet das Endothel Fibrinogen, Fibronektin und Thrombin [5, 16].
Antithrombotische Funktionen des Endothels
Parallel zu den thrombotischen Endothelfaktoren werden im Endothel auch antithrombotische Mediatoren synthetisiert und aktiviert:
– tissue factor pathway inhibitor (TFPI; s. Kap. Gerinnungssystem)
– tissue type plasminogen activator (t-PA), wird im Endothel synthetisiert und sezerniert (s. Kap. Fibrinolyse)
– Stickstoffmonoxid (NO) = Aggregationshemmer
– Prostacyclin (PGI2), das antiaggregatorisch wirkt und durch Thrombin und Noradenalin stimuliert wird, hemmt die Thrombozytenaktivierung
– ADPase, hemmt den Aktivator ADP, einen zentralen Stimulator der Thrombozytenaggregation
– Thrombomodulin, welches Thrombin bindet, somit dessen enzymatische Spezifität verändert und dadurch das Protein C aktiviert (s. Kap. Plasmatische Gerinnung)
– Protein S, Cofaktor des Proteins C (s. Kap. Gerinnungshemmung)
– vasodilator-stimulated phosphoprotein (VASP) [24].
Eine weitere Funktion für die gerinnungshemmende Wirkung des Endothels ergibt sich durch die Expression von Rezeptoren für:
– u-PA (s. Kap. Fibrinolyse)
– t-PA (s. Kap. Fibrinolyse)
– Fibrinogen (s. Kap. Plasmatische Gerinnung)
– Protein C (s. Kap. Gerinnungshemmung)
– Antithrombin III (s. Kap. Gerinnungshemmung).
Bei Verletzungen ist die Barriere zwischen Blut und subendothelialen Strukturen aufgehoben. In diesem Falle induziert das subendotheliale Kollagen über den von-Willebrand-Faktor die Plättchenadhäsion und schließlich die Aggregation. Aus dem subendothelialen Gewebe wird der Gewebsfaktor (tissue-factor, Faktor III) freigesetzt, zusätzlich wirken Makrophagen, Fibroblasten und Muskelzellen zusammen, um die plasmatische Gerinnung zu induzieren [1, 5, 13, 15].
Das Stickstoffmonoxid
Das NO, oder das Stickstoffmonoxid, ist ein zentraler Regulator des Gefäßsystems, der nach Stimulation mit Acetylcholin zur Gefäßrelaxation führt. Freigesetzt wird NO aus L-Arginin durch NO-Synthetasen, von denen bisher drei Isoformen beschrieben sind [12, 30].
Bei einer Thrombozytenaggregation wird zusammen mit dem Prostacyclin durch Adeninnukleotide der Gefäßspasmus antagonisiert. Darüber hinaus verhindert NO direkt die Adhäsion und Aggregation von Thrombozyten [1, 10, 11, 28, 32, 37].
Der Prostaglandin-Stoffwechsel des Endothels
Ein weiterer Hemmstoff der Gerinnung aus dem Endothel ist das Prostacyclin, das vom Endothel gebildet wird (Abb. 2) [29]. Die Bildung von Prostacyclin wird durch Thrombin und Noradrenalin stimuliert [5].
Das Prostacyclin hemmt die Adhäsion und Aggregation der Thrombozyten. Es wirkt vasodilatatorisch und antagonisiert das Thromboxan aus den Thrombozyten (s. dort), einen Stimulator der Aggregation.
Das Endothel erweist sich als hochkomplexes Organ, das neben seiner aggregatorischen und antiaggregatorischen Funktion auch eine große Rolle bei der Wundheilung spielt, indem es u.a. durch die Ausschüttung von Zytokinen, z. B. den stromal-cell-derived factor-1, Vorstufen von Leukozyten aus dem Blut rekrutiert, die zur Heilung von verletzten Gefäßen beitragen [25].
Eng verflochten mit dem Gerinnungssystem sind die Entzündungsvorgänge und die Immunantwort. Diese Verflechtung zeigt sich in Form von Störungen des Gerinnungssystems bei schweren Infekten, wie z.B. bei der Verbrauchskoagulopathie, der Sepsis, bei Polytrauma oder bei Pankreatitis. Insbesondere ist das Endothel eines der Organe, an dem sich sehr früh Entzündungsvorgänge manifestieren, da sich bei Entzündungen durch Vermittlung von Enzymen Leukozyten in die Gefäße und das umgebende Gewebe einlagern, die mithilfe von Selectinen und durch Vermittlung von besonderen Adhäsionsmolekülen (ICAM) an das Endothel gebunden werden. Durch Sekretion von Proteasen aus den Leukozyten werden die Endothelien z.T. zerstört, wobei die Leukozyten dann weiter in das umgebende Gewebe wandern [7, 14].
Abbildung 2 Prostacyclinsynthese
Derartige Entzündungsvorgänge und die komplexen Zytokinaktivierungen spielen eine entscheidende Rolle für die Entstehung der Arteriosklerose und ihrer Folgeerkrankungen, wobei eine große Zahl von Zytokinen und sonstigen Mediatoren bereits identifiziert worden sind [38].
Durch Zellkulturverfahren konnte nachgewiesen werden, dass im Blut endotheliale Progenitorzellen zirkulieren, die aus dem Knochenmark stammen. Ebenfalls ließen sich aus Nabelschnurblut zirkulierende mononukleare Zellen isolieren, die in der Kultur endotheliale Vorläuferzellen hervorbrachten. Spritzt man diese Zellen in Versuchstiere mit Ischämien, werden sie schnell für Prozesse der Neovaskularisation verwendet. Diese zirkulierenden Vorläuferzellen spielen eine wichtige Rolle für endogene Reparaturvorgänge am Endothel. Störungen dieser Kapazität sind mit einem erhöhten Risiko für Arteriosklerose verbunden [2, 21, 35, 36].
Bekanntlich spielt das Lipoprotein A eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Arteriosklerose. Unter den vielen Funktionen, die das Lipoprotein ausübt, sind für die Gerinnung folgende Effekte von Bedeutung:
– Steigerung der PAI-1-Expression im Endothel (s. Kap. Fibrinolyse)
– Hemmung der Plasminaktivität durch Inhibierung der t-PA-Synthese (s. Kap. Fibrinolyse)
– Inhibierung der Bildung von Plasmin an der Endotheloberfläche (s. Kap. Fibrinolyse)
– Aktivierung des β-transforming growth factor und damit weitere Hemmung der Fibrinolyse sowie
– Beschleunigung des Wachstums von glatten Gefäßmuskelzellen.
Damit wird die Funktion der Fibrinolyse, die den Gerinnungsvorgang antagonisiert, gehemmt.
Darüber hinaus besteht eine enge Verbindung zwischen dem Plasminogen und dem Apolipoprotein a (Apo-a). Dieses zeigt eine hohe Homologie zum Plasminogen und konkurriert mit Plasminogen um dessen Lysinbindungsstellen, weist aber keine proteolytische Aktivität auf. Hierdurch kommt es zusätzlich zu einer Verstärkung der gerinnungsaktivierenden Prozesse [20].
Durch diese komplexen Funktionen erweist sich das Endothel als wichtiges Organ für viele physiologische Prozesse und spielt über die Hämostaseologie hinaus auch für die Arteriosklerose, die Sepsis, die Wundheilung sowie die Angiogenese eine wichtige Rolle [33, 34].
Ein weiteres Beispiel für die komplexen Interaktionen des Endothels zeigen die Einflüsse des Diabetes mellitus auf das Endothel und somit auf die hämostatischen Funktionen. Durch die diabetische Glykolysierung der Proteine und Phospholipide und den dadurch bedingten oxidativen Stress werden Entzündungsprozesse stimuliert, die zu einer vermehrten Freisetzung von Thromboxan führen und somit eine Thrombozytenaggregation induzieren [9].
Andererseits konnte gezeigt werden, dass durch regelmäßige körperliche Aktivität die Endothelfunktion bei Patienten mit Koronarsklerose gebessert werden kann [18, 19].
Die regulatorischen Funktionen des Endothels betreffen also nicht nur Gerinnung und Rheologie, sondern auch Entzündungsvorgänge, Gefäßregulierung, Oxidations- und Antioxidationsvorgänge, Wachstumsfaktoren u.v.a. [3].
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3 Die Thrombozyten
Historisches
Die Thrombozyten sind Abscheidungen der Megakaryozyten, die sich im Knochenmark befinden. Beobachtet wurden sie um 1860 von Zimmermann, 1865 von Max Schulze und 1874 von Harvey Osler und hiermit als eigener Blutbestandteil identifiziert. Lange Zeit hielt man sie für Verunreinigungen. Hayem und Zimmermann vermuteten, dass sie Vorstufen der Erythroblasten seien und nannten sie „Hämoblasten". 1882 konnte Giulio Bizzozero die Funktion der Thrombozyten erkennen. Er hat in Mesenterialgefäßen bereits direkt die Bildung von Thromben beobachtet. Darüber hinaus konnte Bizzozero die Aggregation von Thrombozyten experimentell nachweisen: Er zog einen dünnen Faden durch ein Mesenterialgefäß und konnte an diesem Faden direkt Thrombozytenaggregate beobachten.
Weiterhin beschrieb Bizzozero die Megakaryozyten des Knochenmarks, die er „cellule giganti nucleo centrale in gemmatione" nannte, also Riesenzellen mit knospentreibendem Kern. Damit beschrieb Bizzozero die durch Endomitosen verursachte Vielkernigkeit der Megakaryozyten. Erst Wright gelang es 1910, den Zusammenhang zwischen Megakaryozyten und Thrombozyten herzustellen [5, 7, 8, 9, 52].
Morphologie
Die Thrombozyten oder Blutplättchen haben einen Durchmesser von 2–4 µm. Ihre Morphologie ist bezüglich Größe und Form sehr heterogen. Die Form ist im Allgemeinen diskoid oder elliptisch. Die Lebensdauer beträgt neun Tage, der Abbau erfolgt im retikuloendothelialen System. Die Thrombozyten lösen sich aus den Megakaryozyten durch Fragmentation, indem sich die Plasmamenbran einstülpt, sodass eine „Demarkationsmembran" entsteht. Die Thrombozytenproduktion liegt bei 250 Milliarden pro Stunde. Ein Drittel der Thrombozyten ist in der Milz gespeichert. Bei Splenomegalie sinkt die Thrombozytenzahl als Folge eines gesteigerten Abbaus und der vermehrten Einlagerung. Nach Splenektomie kommt es in der Regel zu einem initial manchmal drastischen Anstieg der Thrombozyten im Blut [6].
Aktivatoren
Im Rahmen von Gerinnungsprozessen werden die Thrombozyten von einer Vielzahl von Substanzen aktiviert. Die primären Aktivatoren der Thrombozyten sind Thrombin und Kollagen. Diese stimulieren die Freisetzung der sekundären Aktivatoren:
– PAF (plättchenaktivierender Faktor)
– ADP (Adenosindiphosphat), Aggregator der Plättchen
– Thromboxan
– Phospholipide
– Adrenalin
– Ca++.
Die Granula der Thrombozyten
Die Thrombozyten enthalten verschiedene Granula.
α-Granula
Diese enthalten:
– Fibrinogen, das in der Leber produziert wird (s. Kap. Plasmatische Gerinnung)
– Fibronektin, Polypeptidketten, die durch Sulfidbrücken verbunden sind. Sie sind im Plasma und an Zelloberflächen nachweisbar. Es wirkt als Opsonin, bindet an Fibrin und Immunkomplexe und ermöglicht die Phagozytose (bindet an Kollagen, Fibrin und Heparin)
– Plättchenfaktor 4, der Heparin bindet und inaktiviert
– von-Willeband-Faktor (s. dort)
– β-Thromboglobulin, Aktivator der Thrombozyten
– hochmolekulares Kininogen oder auch Faktor XIV (s. Kap. Plasmatische Gerinnung)
– platelet-derived growth factor (PDGF), ein Wachstumsfaktor für Fibroblasten und Muskelzellen, der für Reparaturmechanismen von großer Bedeutung ist
– Faktor V (s. Kap. Plasmatische Gerinnung)
– Plasminogenaktivatorinhibitor (PAI-1, s. Kap. Fibrinolyse)
– Albumin
– IgG
– Thrombospondin, welches Fibrinogen, Fibronektin, den von-Willebrand-Faktor, Kollagen und die Thrombozyten zu einem festen Aggregat verbindet
– Septine 4, 5 und 8. Die Septine 4, 5 und 8 sind GTP-asen, die nach Stimulation der Thrombozyten an der Oberfläche nachweisbar sind und vermutlich an der Freisetzung des von-Willebrand-Faktors beteiligt sind [10, 53].
β-Granula oder „Dense Bodies"
Diese enthalten:
– kleine Mitochondrien
– Adenosindiphosphat, das plättchenaggregatorisch wirkt
– Adenosintriphosphat als Energiequelle
– Serotonin, ein vasoaktives Amin, das zur Kontraktion der glatten Muskulatur und der Gefäße führt.
γ-Granula
Diese enthalten Tubuli und Mikrovesikel.
δ-Granula
Diese enthalten Siderosomen.
ε-Granula
Diese enthalten Glykogen [6].
Weiterhin enthalten die Thrombozyten die Adhäsionsmoleküle
– Vitronektin
– P-Selectin
sowie die Zytokine bzw. Wachstumsfaktoren:
– TGF-β = transforming growth factor
– EGF = epidermal growth factor
– RANTES = regulated on activation, normal T-cell expressed and secreted (welches die Monozyten auf arteriosklerotischem Endothel stimuliert)
– IL-1 β [6].
Die Plättchenfaktoren
– PF1: analog Faktor V
– PF2: Thrombinakzelerator, d. h. Gerinnungsbeschleuniger des Thrombins aus dem Thrombozytenhyalomer
– PF3: ein Phospholipoprotein der Plättchenmembran, wirkt als Aktivator des intrinsischen Systems (s. dort)
– PF4: Glykoprotein, inaktiviert Heparin, beschleunigt die Interaktion von Thrombin mit Fibrinogen
– PF5: clottable factor, Thrombozytenfibrinogen
– PF7: Thrombasthenin; kontraktiles Protein für die Thrombusretraktion
– PF8: Faktor VIII
– PF9: identisch mit F-XIIIa, dem Fibrinstabilisator.
Der Energiestoffwechsel der Thrombozyten
Die Thrombozyten unterhalten einen eigenen Stoffwechsel. Es lassen sich die Enzyme der Glykolyse, des Pentosephosphatzyklus, des Zitronensäurezyklus und der Atemkette sowie verschiedene ATPasen nachweisen.
Darüber hinaus verfügen die Thrombozyten über zwei Pools an energiereichem Phosphat, den metabolischen, der im Hyaloplasma, und den nicht metabolischen, der im Granulomer liegt. Das Hyaloplasma selbst ist gefüllt mit biogenen Aminen wie Serotonin und Noradrenalin sowie mit einem großen Pool an Calciumionen. Durch Pinozytose können die Thrombozyten biogene Amine, wie z. B. Serotonin, aus der Zirkulation eliminieren und haben somit auch eine entgiftende Funktion. Die Thrombozyten stimulieren die Sekretion inflammatorischer Mediatoren und können über Mastzelldegranulation Histamin freisetzen [46]. Weiterhin können die Thrombozyten kolloidale Substanzen phagozytieren. Für die Blutgerinnung sind sie das Bindeglied zwischen dem Gefäßsystem und der plasmatischen Gerinnung.
Insgesamt ließen sich mittlerweile über 90 verschiedene Enzyme in Thrombozyten nachweisen. Darüber hinaus enthalten sie Vitamin B12, Folsäure und Ascorbinsäure.
Die Hauptenergiequelle für die Thrombozyten ist die Glukose, die rasch aus dem Plasma aufgenommen wird, wobei ca. 50 % der absorbierten Glukose für die Syntheseleistungen des Thrombozyten verbraucht werden. Die andere Hälfte wird in Glykogen umgewandelt [6, 25].
90% der Nukleotide