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Allein auf der Insel: Erkenntnisse aus 10 Tagen Einsamkeit
Allein auf der Insel: Erkenntnisse aus 10 Tagen Einsamkeit
Allein auf der Insel: Erkenntnisse aus 10 Tagen Einsamkeit
eBook308 Seiten4 Stunden

Allein auf der Insel: Erkenntnisse aus 10 Tagen Einsamkeit

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Über dieses E-Book

Wünschen Sie sich auch ab und zu, dem Alltag zu entfliehen und sich auf einer einsamen Insel wiederzufinden? Dieser Traum ging für Gabriella S. Pahud in Erfüllung - 10 Tage lebte sie allein auf einer Insel im Pazifik. Der auf Grundlage Ihres Inseltagebuchs entstandene Ratgeber ist nicht nur ein Abenteuerbericht, sondern gelebte Psychologie, die individuell im Alltag bei kleinen und großen Herausforderungen eingesetzt werden kann.
SpracheDeutsch
Herausgebermvg Verlag
Erscheinungsdatum24. Feb. 2005
ISBN9783864155925
Allein auf der Insel: Erkenntnisse aus 10 Tagen Einsamkeit

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    Buchvorschau

    Allein auf der Insel - Gabriella S. Pahud

    Erster Inseltag – erste Erkenntnis: Die Energie folgt der Aufmerksamkeit – über Ziel und Fokus

    Auszüge aus meinem Inseltagebuch:

    17. Juni 1995

    Obwohl ich noch weit, sehr weit sogar, von meiner Insel, von meinem Abenteuer entfernt bin, bezeichne ich diesen Tag im Juni 1995 als meinen ersten Inseltag. Es ist der Tag, an dem ich zum ersten Mal gedanklich zu meiner kleinen Insel reise, der Tag, der mehr Veränderung in mein Leben bringt, als ich mir je hätte vorstellen können. An diesem besonderen Tag beginnt mein Abenteuer. Alles fängt mit einer spontanen Idee an, einem Gedanken, der sich in einen Wunsch verwandelt, einen Wunsch, der sich zuerst in meinem Kopf und bald schon in meinem Herzen festsetzt und mir dann zu verstehen gibt, dass er sich nicht so schnell wieder vertreiben lassen wird. Ich bin mir nicht sicher, ob es mehr Wunsch oder Traum ist, was meine Energie fesselt und sie in Richtung Insel treibt, ohne dass sie sich noch vom Weg abbringen oder ablenken lassen könnte.

    Meine ganze Aufmerksamkeit beginnt sich auf dieses eine Ziel zu fokussieren, aber zurück zu dem Punkt, an dem alles seinen Anfang nahm.

    Unrealistische Träume?

    Stellen Sie sich vor, plötzlich mit der Frage konfrontiert zu werden, ob Sie nicht Lust hätten, für eine bestimmte Zeit auf einer einsamen Insel zu leben. Ob Sie nun ein gestresster Manager sind, der ab und zu am liebsten seinen Schreibtisch verlassen, sämtliche Sitzungen absagen und der Geschäftswelt den Rücken zukehren würde, ein Angestellter, den man andauernd unter Druck setzt, oder eine Hausfrau und Mutter von fünf Kindern, die sich einfach wieder einmal nach Ruhe sehnt, spielt dabei wohl keine besondere Rolle. Es geht einzig und allein um die Tatsache, dass sich gelegentlich der Wunsch nach einer Auszeit in Ihnen regt, sich das Bedürfnis einschleicht, dem Alltag zu entfliehen, aufzutanken und mit neuer Motivation und neuem Enthusiasmus zurückzukehren.

    Ich bin weder Angestellter noch Manager, ich bin die Hausfrau mit den fünf Kindern. Aber wie gesagt, das ist gar nicht so wichtig. Von Bedeutung ist einzig und allein das Bedürfnis, dem Alltag zu entfliehen.

    Wenn Ihnen in einem solchen Moment jemand von einer einsamen Insel erzählt, wird in Ihnen, ob Sie nun wollen oder nicht, wahrscheinlich unweigerlich eine Sehnsucht wach, die Sie viel zu lange notgedrungen unterdrückt haben. So ähnlich ist es mir ergangen.

    Der Tag, an dem ich zum ersten Mal etwas realistischer als nur in Träumen mit der einsamen Insel konfrontiert werde, beginnt wie viele andere. Um 5 Uhr will mein jüngster Sohn Simeon, damals elf Monate, sein Frühstück, das heißt, er möchte gestillt werden. Kurz nach sechs schlüpfen auch die Großen, eines nach dem anderen aus den Federn. Jedes bekommt sein Frühstück. Käri, mein damaliger Ehemann und Vater unserer Kinder, ist ebenfalls längst auf den Beinen, auch sein Arbeitstag beginnt früh. Er arbeitet als Betriebsleiter und Geschäftsführer in einem mittelgroßen Unternehmen. Besonders harmonisch beginnt der heutige Tag nicht. Käri sucht etwas und natürlich fühle ich mich dafür verantwortlich, dass er es nicht findet, eine Hausfrau ist immer für alles verantwortlich ...! Auf jeden Fall verlässt er das Haus missgestimmt, gehetzt und zu spät, während ich die Ovomaltine aufwische, die eines der Kinder verschüttet hat. Sandro muss vor der Schule noch einen Text lesen üben, dabei fällt Sabrina ein, dass sie vergessen hat, ein Diktat vorzubereiten. Mein Stimmungspegel beginnt zu sinken. Sabrina gibt meiner Kritik Kontra und lässt verlauten, dass sie ja ohnehin immer null Fehler im Diktat hätte (was tatsächlich stimmt), ich solle mich nicht so aufregen, und Sandro liest zu meiner Zufriedenheit. Also was soll’s! Als die Großen aus dem Haus sind, Sabrina und Sandro in der Schule, Sämi im Kindergarten, wartet die übliche Hausarbeit auf mich. Normalerweise macht mir meine Tätigkeit, sei es nun die Arbeit als Mutter und Hausfrau oder die Arbeit in meiner Praxis für Kinesiologie, wirklich Spaß. Wenn jedoch an ein und dem selben Morgen die Waschmaschine streikt, Sebastian ein Glas Honig fallen lässt, der Staubsaugerbeutel platzt und zu allem Überfluss noch eine unerwartete Rechnung ins Haus flattert, ist das alles ein bisschen viel. Der krönende Abschluss des Vormittags besteht darin, dass ich, zumindest für Sandro, das falsche Mittagessen gekocht habe (was kann ich dafür, dass er keine Kartoffeln und kein Gemüse mag?). Auf den Nachmittag jedoch kann ich mich freuen. Meine Freundin Rosa kommt mit ihrem kleinen Sohn zu Besuch. Heute Nachmittag werden wir die schönen Seiten des Hausfrauenlebens und unserer Selbstständigkeit (wir führen beide eine eigene Praxis) wirklich auskosten. Das herrliche Frühsommerwetter lädt uns zu einem ausgiebigen Spaziergang ein. Und eben dieser kleine Ausflug bringt etwas in Gang, das eine Eigendynamik entwickelt, die vieles in meinem Leben verändern wird. Spaziergänge mit kleinen Kindern haben es in sich. Wenn man sich selber nicht bewusst machen würde, dass der Weg das Ziel sein muss, würde man wohl verzweifeln. Bei jedem Zaunpfahl, jeder Blume, jedem Stein, wird ein kurzer Beobachtungshalt eingelegt. Während wir geduldig warten, bis Sebastian und Sämi ihre Entdeckerlust ausgelebt haben, vertiefen Rosa und ich uns immer mehr ins Gespräch, bis wir irgendwann auf den entscheidenden Punkt stoßen.

    Am Anfang war die Höhle (Rückblick)

    Ursprünglich war es gar nicht die einsame Insel, die als Wunsch in mir verborgen war. Höchstens vielleicht in meinen Träumen hätte diese Idee ihren Platz gefunden. Eingebunden in die täglichen Pflichten, die Freuden, die Sorgen, meinen Job, die Ansprüche der Kinder und all das, was eben zu meinem Leben gehörte, vermisste ich manchmal einen Aspekt, der mir früher immer sehr wichtig war. Die Natur! Ob Berge oder Wälder, Flüsse oder Seen, ob bei Sonnenschein oder Regen, bei Sturm oder Schnee, in der Natur konnte und kann ich immer wieder auftanken. Sie gibt mir Antworten auf meine Fragen, Zuversicht, wenn sich Verzweiflung in mein Leben schleicht, Mut, wenn ich keinen Ausweg sehe, Halt, wenn ich schwanke ..., aber sie erfüllt mich auch mit Dankbarkeit für mein wunderbares Leben, für all das Schöne, das mir auf meinen Wegen schon begegnet ist und für all die Wunder, die sie immer wieder für uns bereit hält. In der Natur finde ich Ruhe, sie gibt mir den nötigen Abstand, den ich von Zeit zu Zeit brauche, um mit der Hektik des Alltags gut zurechtzukommen.

    Doch in letzter Zeit blieben meine Wünsche und Bedürfnisse nach Natur und nach Zeit für mich immer mehr auf der Strecke. Mein Verlangen nach diesem Ausgleich begann sich zu kumulieren: Einerseits bezüglich des Zeitfaktors, andererseits aber auch bezüglich der Orte. Weit weg von jeglichem Geschehen wollte ich sein, doch ein paar Stunden wären lediglich ein Tropfen auf einen heißen Stein gewesen. Die vielen Freuden, die ich mit meiner Familie erleben darf, das Glück, das mir durch meine Kinder zuteil wird, und mein Beruf als Kinesiologin und Familientherapeutin, der mich wirklich sehr erfüllt, geben mir in der Regel so viel, dass ich mich wirklich als glücklichen Menschen bezeichnen darf. Doch nun hatte ich ein Jahr hinter mir, das mich immer wieder an meine Grenzen geführt hatte. Begonnen hatte alles im Juli 1994. Damals kam Simeon, unser fünftes Kind, viel zu früh und mit einer Überlebenschance von gerade mal 5% auf die Welt. Für mich begann ein verzweifelter Kampf um sein junges Leben. Mehr als zwei Wochen lag er im Koma, ich wich kaum von seiner Seite, gab ihm die Behandlungen, die mir von meinem Beruf her möglich waren und vor allem all meine Liebe. Ich begleitete ihn von Anfang an auf seinem harten Weg. Vom Spital Grabs nach St. Gallen, und als man ihm dort auch nicht mehr weiterhelfen konnte, nach Zürich. Meine Tage begannen morgens um 4 Uhr und endeten nachts um 12. Selbst die Ärzte konnten feststellen, dass Simeons Zustand stabiler war, wenn ich mit meinen Händen im Brutkasten war und den winzigen Körper hielt oder streichelte. An eine Erholung bzw. ein Wochenbett war gar nicht zu denken. Diese Erfahrung hat mir bestätigt, dass Menschen zu Unglaublichem fähig sind, wenn sie lieben, Mütter wohl besonders. Während ich rund um die Uhr im Spital war, kümmerte Käri sich um die anderen vier Kinder zu Hause, wofür ich zwar sehr dankbar war, was aber gleichzeitig bedeutete, dass ich mich im Krankenhaus mit meinen Ängsten und Sorgen zeitweise sehr einsam und allein gelassen fühlte. Es war eine schwere und harte Zeit. Zum Glück waren da noch Claudia und Rosa, meine Freundinnen, die viele Stunden an meiner Seite verbrachten, mit mir weinten, hofften und beteten. Sie waren für mich auch der Kontakt zur Außenwelt und mit ihnen verbindet mich auch noch heute eine tiefe Dankbarkeit. Nach drei Wochen war Simeon über den Berg und ich verließ mit ihm das Spital. Die erste Zeit verbrachten wir auf unserer Alp, da die größeren Kinder noch Schulferien hatten. Es galt vieles nachzuholen, und es gab wohl kaum einen Ort, an dem ich mehr auf unsere Kinder eingehen konnte als auf unserem Maiensäss (ein anderes Wort für Alp; Anm. d. Red.). Natürlich brauchte unser Jüngster viel Aufmerksamkeit und viel Zeit. Aber er wurde mit so viel Liebe und auch Dankbarkeit in der Familie aufgenommen, dass es ihm an wirklich nichts mangelte.

    Kaum waren die Ferien zu Ende, reiste ich mit Simeon nach Deutschland, um einen wichtigen Teil meiner Zweitausbildung abzuschließen. Simeon war ein nicht geplantes Kind, aber wie so oft im Leben sind es die unerwarteten, überraschenden Geschenke, die uns am meisten freuen. Mir war es wichtig, trotz Baby meinen Weg zu gehen, schließlich sollte sich Simeon nie verantwortlich dafür fühlen, wenn ich seinetwegen meine Ziele nicht erreichte. Abgesehen davon konnte ich ihn, da er ja noch sehr klein war und eigentlich nichts Weiteres als seine Mutter brauchte, problemlos überall hin mitnehmen. Die meiste Zeit schlief er ohnehin im Tragetuch bei mir. Die ganze Geschichte brachte für ihn auch zahlreiche Vorteile. Ich lernte während meiner Ausbildungszeit einige sehr gute Therapeuten kennen, Kursleiter, aber auch Teilnehmer, die Simeon viele wertvolle Behandlungen zukommen ließen. Er entwickelte sich viel besser, als die Ärzte, die ohnehin von einem medizinischen Wunder sprachen, mir prophezeit hatten. Dieses Kind bekam somit weitaus mehr als andere Babies mit ähnlichen Startschwierigkeiten, was seine Gesundheit und seine Entwicklung optimal förderte. Während des ersten Lebensjahres ließen wir nichts aus, was Simeon in irgendeiner Form nützen konnte. Aber das hatte natürlich seinen Preis und forderte mir einiges ab. Zudem wollte ich ja auch meine größeren Kinder nicht vernachlässigen, und meine Praxis fing gerade an zu florieren. Nun gut, es gab Leute, die meinten, ich sollte dort doch vorerst noch langsamer treten, aber gerade die Praxis brachte mir in jener Zeit viel Bestätigung, die für meine anderen Verpflichtungen sehr wertvoll war. Außerdem kriselte es schon damals in unserer Ehe immer wieder, und ich fühlte mich oft sehr allein mit meinen Aufgaben. Die Praxis brauchte ich auch zum Ausgleich. Wer weiß, vielleicht steckte auch unbewusst eine Art Flucht dahinter.

    Mein damaliger Ehemann kletterte auf der Karriereleiter zügig nach oben. Wir hatten zu wenig Zeit für einander, und ich war nicht länger bereit, meine Wünsche immer zurückzustellen und als Hausmütterchen zu fungieren. Obwohl mir die Kinder alles bedeuteten und ich in meiner Mutterrolle wirklich Erfüllung fand, wollte ich nicht stehen bleiben. Ich musste auch an später denken, durfte mein Leben nicht nur auf meinen Kindern aufbauen. Mein erster Beruf, Kindergärtnerin, ermöglichte es mir, meine Zweitausbildung durch Krankheits- und Urlaubsvertretungen selber zu finanzieren, was mir damals sehr wichtig war. Kurz und gut: Ich durchlebte eine sehr turbulente Zeit und viele meiner Bedürfnisse blieben auf der Strecke. Man kann nun einmal nicht alles haben. Das Jahr mit Schwangerschaft und Geburt, Praxiseröffnung und Abschluss der Kinesiologieausbildung war für mich einfach ein bisschen viel. So begann die Sehnsucht nach Ruhe und Zeit für mich in mir zu wachsen. Irgendwann kam mir dann die Idee mit der Höhle. Das wäre doch fantastisch: Eine bestimmte Zeit in einer einsamen Höhle zu leben, irgendwo in den Bergen, ganz für mich allein!

    Von der Höhle zur Insel

    Auf unserem Spaziergang erzähle ich nun also meiner Freundin Rosa von meinem utopischen Wunsch, von meinem Bedürfnis nach Ruhe, Zeit und Einsamkeit. Ihre Reaktion lässt mir den Atem stocken: „Ich wüsste da etwas viel Besseres als eine Höhle in den Bergen. Gestern sah ich im Fernsehen die Sendung ,Traumziel‘, und da suchen sie jemanden, der sich für eine bestimmte Zeit auf einer einsamen Insel absetzen lässt! Das wäre doch etwas für dich!" Viel weiß Rosa nicht über die Sache, aber das Wenige lässt mich augenblicklich zu neuem Leben erwachen. Zusammen denken wir die Sache weiter und geben uns Antworten auf viele Fragen. So erklärt sich Rosa auch sofort bereit, zusammen mit ihrem fünf Monate alten Sohn für die Zeit meiner Abwesenheit nach Oberschan zu ziehen, um die Betreuung unserer Kinder zu übernehmen. Rosa sei Dank!

    Für den Rest des Nachmittags versinke ich irgendwie in eine andere Welt, eine Inselwelt, eine Welt der Sehnsüchte, der Träume, der unerfüllten Wünsche.

    Den Abend kann ich kaum erwarten, was wird wohl Käri zu meiner Abenteuerlust sagen? Eigentlich bin ich sicher, dass er mich in meinem Vorhaben unterstützt, ist doch auch er ein Abenteurer und Naturmensch. Wenn er mich nicht verstehen würde, wer dann? Und wirklich, ich habe mich nicht getäuscht. Von der ersten Sekunde an unterstützt und motiviert er mich. Für seine positive Reaktion damals bin ich ihm heute noch dankbar.

    Gleich tags darauf nehme ich Kontakt mit dem Schweizer Fernsehen auf, um Näheres über dieses Unterfangen in Erfahrung zu bringen. Eine „Lady Robinson" wird anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums der Crusoe-Geschichte gesucht. Mindestalter 25, weiblich und Ende Oktober, Anfang November abkömmlich für zwei Wochen, so lauten die Bedingungen. Anfragen hätten sie schon viele, ich sollte mich halt einfach bewerben! Wie konnte ich so naiv sein und glauben, die Einzige zu sein, die es auf eine einsame Insel zieht! Ich war einfach so sehr überzeugt, dass ich dieses Abenteuer erleben wollte, dass ich keinen Gedanken an irgendwelche Mitbewerberinnen verschwendete. Und nun heißt es, da gäbe es schon viele Interessentinnen. Nun gilt es also, eine Bewerbung zu verfassen, die alle zu überzeugen vermag, dass ich die Richtige bin.

    „Ich will gehen, ich werde gehen und ich werde alle davon überzeugen, dass ich für dieses Abenteuer wie geschaffen bin!"

    Die Bewerbung

    Keine einzige Bewerbung in meinem bisherigen Leben habe ich mit so viel Begeisterung verfasst wie die Inselbewerbung. Bisher habe ich auch noch nie eine Absage erhalten. „Einmal muss es auch mich treffen, aber bitte nicht dieses Mal, ich brauche diese Inselzeit für mich!" Mit diesen Gedanken schlafe ich am Abend ein, nachdem ich meine Bewerbung zur Post gebracht habe.

    Und dann folgt dieses endlose Warten. Normalerweise haben meine Tage immer viel zu wenig Stunden, aber nun schleichen sie auf einmal endlos dahin.

    Dann endlich hat das Warten wenigstens für den Moment ein Ende. Es ist Dienstagnachmittag, als der ersehnte Anruf kommt. Eine nette, freundliche Frau fragt mich am Telefon, ob ich noch Interesse an der Robinson-Geschichte hätte. Außer mir vor Freude jubele ich so laut, dass meine Kinder alle angerannt kommen, um nachzusehen, was passiert ist. Die erste Hürde habe ich also überwunden, eine weitere folgt. Fünf Kandidatinnen werden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, und ich bin mit dabei! Während ich unmittelbar nach dem Anruf mit Simeon nach Chur zur Physiotherapie fahre, schleichen sich jedoch plötzlich erste Zweifel ein. Darf ich meine Kinder einfach für zwei Wochen zurücklassen, bin ich ein Egoist, wenn ich gehe, ist Simeon nicht noch viel zu klein für eine Trennung? Fragen über Fragen. Mein Wunsch zu gehen und die Argumente, die dafür sprechen, lassen meine Zweifel jedoch schnell wieder schwinden. Simeon hat sein erstes Lebensjahr überstanden, wurde für gesund erklärt und hat ja ein starkes Umfeld, das ihm den Halt und die Sicherheit geben kann, wenn ich nicht da bin. Die großen Vier verstehen mich und freuen sich mit mir, auch wenn sie noch nicht genau wissen, was sie erwartet, und Käris Unterstützung ist mir ebenfalls zugesagt. Also nehme ich die nächste Hürde in Angriff.

    Das alles entscheidende Gespräch

    Per Eisenbahn und Bus fahre ich nach Zürich ins Fernsehstudio. Als Landei fühle ich mich schon ein bisschen fremd in dieser Welt. Schlimmer noch ist wohl, dass mir Fernsehen eigentlich gar nichts bedeutet. Zu jener Zeit besitzen wir nicht einmal ein Fernsehgerät! „Hoffentlich fragen sie mich nicht danach denke ich – und dann, ich habe ja keine Ahnung, um welche Fernsehsendung es sich überhaupt handelt. Vielleicht ist es eben doch nicht so schlau, keinen Fernseher zu besitzen. Gedanken über Gedanken stürzen auf mich ein. Irgendwo warte ich auf meinen Auftritt, der über meinen Inseltraum entscheiden soll. Und dann endlich werde ich in ein Sitzungszimmer geführt. Mehrere Personen sitzen an einem großen Tisch. Einige werden mir vorgestellt, nicht jedoch Sandra Studer, die die Sendung „Traumziel moderiert. „Sandra Studer müssen wir ihnen wohl kaum vorstellen, sie kennen sie ja bestimmt vom Fernsehen ...!" Keine Ahnung habe ich, wie peinlich! Ich nehme jedoch einfach an, sie müsste wohl die Hübscheste im Raum sein, denn sonst wäre sie bestimmt nicht Fernsehmoderatorin – und ich habe Recht.

    Am Tisch sitzen unter anderem auch Toni Wachter, der Fernsehproduzent, Herr Vladi, der große Inselhändler, und jemand von der Presse.

    Nachdem ich mich bei Sandra Studer gut aus der Affäre gezogen habe, geht es los. Fragen über Fragen. Herrn Vladi zuliebe werde ich gebeten, Schriftdeutsch zu sprechen, was meinen Stresslevel für kurze Zeit ansteigen lässt. Ich ermahne mich jedoch, einfach ganz ich selber zu sein, denn es geht darum, die anderen zu überzeugen, dass ich die geeignete Person für dieses Abenteuer bin. Dass man mich kennen lernen möchte, ist ja wohl klar, also werfe ich alle Selbstzweifel über Bord und bin wirklich ganz ich selber. Spontan, überzeugend, sicher, voller Abenteuerlust.

    Zu guter Letzt zeigt Herr Vladi mir die Überlebenstasche mit der Ausrüstung für das Inselleben. Auf die Frage, was ich mit 100 Fr. sonst noch kaufen würde, um überleben zu können, antworte ich, das Geld nicht zu brauchen, weil sich in der Tasche bereits alles Wichtige befände. Dann werde ich wieder entlassen. Als Dankeschön erhalte ich eine kleine Miniaturinsel aus geschliffenem Kristallglas, die heute noch auf meinem Arbeitstisch in der Praxis steht. Voll Zuversicht und noch ganz aus dem Häuschen verlasse ich die Stadt. In Träume versunken fahre ich mit der Bahn wieder heimwärts.

    Meinem Ziel bin ich nun einen Schritt näher gerückt. Die Vorstellungen von meinem Inseltraum sind durch das Bewerbungsgespräch um einiges konkreter geworden. So wurde ich beispielsweise darüber informiert, dass es um eine Südseeinsel geht, die zum Atoll von Bora Bora gehört. Obwohl noch nicht mit Sicherheit feststeht, welche Insel es wirklich sein wird, beginne ich, alles, was ich über die Südsee finden kann, zu lesen. Bilder von Bora Bora, der Perle des Pazifiks, wie sie auch genannt wird, und den kleinen Inseln um sie herum ziehen mich augenblicklich in Bann. Wo liegt Bora Bora genau? In meinem Atlas finde ich lediglich einen kleinen Punkt, umgeben von zahlreichen anderen Tupfern auf einer riesengroßen blauen Fläche, dem Pazifik. In den Unterlagen des Schweizer Fernsehen DRS finde ich folgenden Abschnitt: „Was wie ein Werbetext klingt, ist das Resultat einer Umfrage. Keine andere Region der Erde bringt bis heute mehr Sehnsüchte und Träume hervor als die Inseln Polynesiens, die verstreut in einem Ozean liegen, der größer ist als alle Kontinente zusammen. Je mehr ich über dieses Inselparadies erfahre, desto lebendiger wird meine Sehnsucht. Und doch schleichen sich immer wieder auch Zweifel in meine Gedanken ein. So frage ich mich beispielsweise, ob es denn in einem solchen Paradies überhaupt noch unbewohnte Inseln gibt. Ich kann das beinahe nicht glauben, finde dann jedoch zahlreiche Berichte und vor allem auch Aufnahmen, die meine Zweifel aus dem Weg räumen. Bilder, bei denen jedes Wort zu viel ist. Beschreibungen wie „faszinierend, „traumhaft oder „atemberaubend erscheinen mir beim Betrachten der Bilder eher untertrieben. Und in diese einmalige Welt würde dieses Abenteuer führen? Ich lese über die Herzlichkeit der Südseeinsulaner, über duftende Blumenmeere, fröhliche Musik, buntes Markttreiben, weiße einsame Strände, türkisfarbene Lagunen, tropische Früchte und faszinierende Unterwasserwelten. Ich lese über Paul Gauguin, dem es gelang, in seinen Bildern die Grazie und Schönheit der Frauen in der Südsee auf beeindruckende Weise festzuhalten. Und ich lese viel über Brauchtum und Traditionen, die trotz moderner Lebensformen immer noch einen hohen Stellenwert in Polynesien besitzen.

    Meine Vorstellungen von diesem Abenteuer werden immer klarer und konkreter. Ich kann mich nun an einigem festhalten, und in mir erwachen nun auch eigene Bilder von meinem Inselleben, die meine Motivation zusätzlich ankurbeln. All meine Gedanken wandern immer wieder in dieses Inselparadies und auf die kleine einsame Insel, die dort auf jemanden wartet, auf mich!

    Dem Gedanken, dass es nicht ich sein werde, die ausgewählt wird, schenke ich einfach keine Aufmerksamkeit. Meine ganze Energie, meine ganze Aufmerksamkeit, mein ganzer

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